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Sonntag, 21. Oktober 2018

Schlossberg - Sens Unik (7a+)

Die Sens Unik ist eine Route, welche die Gebrüder Remy in den 1990er-Jahren in den rechten Wandteil am Schlossberg gelegt haben. Während es in der Anfangszeit ein paar Wiederholungen gab, ging sie bald darauf in Vergessenheit und in diesem Dornröschenschlaf steckt sie noch immer. Auch ich hatte sie lange Zeit nie ernsthaft in Erwägung gezogen, bis mir Sämi Speck einmal persönlich mitteilte, dass er hier 2015 im Rahmen einer sanften Sanierung eine teilweise direktere Linie fand und ein paar haarsträubende Passagen entschärft hatte. Die Kletterei beschrieb er als absolut lohnend. Grund genug, um selber einmal nachzuschauen! Wir wurden nicht enttäuscht: es wartet tatsächlich hervorragende, steile Kletterei in sehr gutem Gestein, man fühlt sich des Öfteren schon beinahe wie an den Wendenstöcken!

Routenverlauf der Sens Unik (7a+) am Schlossberg im unteren Wandteil
Der Zustieg an den Schlossberg ist nicht eben kurz, aber mit der richtigen Einstellung oder vereinfacht mit entsprechenden Gerätschaften doch auch rasch erledigt. Konkret heisst das, dass man mit einem Mountain Bike schon im Aufstieg etwas Zeit spart, während dann vor allem der Abstieg im Nu vonstatten geht. Weitere Vorteile bringt es natürlich mit sich, wenn man über ein elektrisiertes Bike verfügt. Eine andere Alternative besteht darin, die Kletterei am Schlossberg als Climb & Fly anzugehen. Sowohl unterhalb wie oberhalb der Hütte gibt's prima Startplätze, welche sich auch gut für einen Flug nach der Kletterei eignen. Auf diese Weise ist man in 15 Minuten vom Einstieg retour beim Auto, idealer geht's fast nicht. Für diejenigen, welche weniger auf naturnahe Fortbewegung stehen, gibt's offenbar auch noch die Möglichkeit, ein Fahrbewilligung bis zum Stäfeli zu organisieren. Hierzu kann ich keine weitere Auskunft geben, ich hatte das bisher nie ernsthaft in Erwägung gezogen. Vielleicht mag's ja mal jemand mit dem entsprechenden Wissen als Kommentar hinzufügen.

Der Blick auf die gewaltigen Wände vom Schlossberg auf dem Zustiegsweg zum Stäfeli.
Unsere Tour begann um 7.30 Uhr beim Parkplatz Bründler auf 1170m. Die 5 CHF an Fahrgebühr von der Talstation der Fürenalpbahn noch zu investieren, lohnt sich auf jeden Fall. Ab hier bis an den Einstieg sind es ungefähr 900hm, die jedoch ziemlich rasch purzeln. So war der Zustieg in 1:30h erledigt. Nachdem wir uns vorbereitet hatten, ging es um ca. 9.30 Uhr los mit der Kletterei. Das heisst, dass wir noch im Schatten starteten. Die Sonne erreicht den Wandfuss bei der Sens Unik um diese Jahreszeit (Mitte August) erst ab etwa 10.45 Uhr Uhr und somit deutlich früher wie bei den Touren weiter links, z.B. bei der Jingo oder der Rittergold am Gendarm, wo dies erst um 12.30 Uhr der Fall ist. Am Schatten zu klettern war jedoch kein Problem, da es ohne weiteres genügend warm war - was wir bei der Planung natürlich entsprechend berücksichtigt hatten.

L1, 40m, 6a+: Ja, die Route führt tatsächlich durch das markante Kamin-/Risssystem hinauf, bei der Route in der Wand links handelt es sich um ein vielversprechendes, jedoch noch nicht fertiggestelltes Projekt. Im Remy-Originaltopo steht für diese Seillänge eine lapidare 5+ (französische Skala, entspricht dem neuartigeren 5c+). Im SAC-Führer Zentralschweizer Voralpen wurde diese Bewertung falsch zu einer 5b übersetzt. Wie auch immer, beide Angaben sind meines Erachtens deutlich zu tief. Die anhaltende Kletterei ist reichlich ungewohnt, das Gestein teilweise ziemlich glattgewaschen und auch mit den zusätzlichen BH ist's schlicht und einfach fordernd, weil man doch hier und da ziemlich über die Sicherungen steigen muss. Man kann jedoch hier und da noch Cams platzieren. Im Gesamtkontext der Route würde ich hier auf jeden Fall mit mindestens 6a+ bewerten! Seinen Spass wird man hier aber garantiert haben: Stemm-, Klemm-, Offwidth- und Wandmoves warten.

In L1 (6a+) wartet ungewohnte Kletterei an breiten Rissen in glattgewaschenem Gestein.
L2, 25m, 6b: Nun folgt die Route (zum Glück, obwohl oben noch NH sichtbar sind) nicht mehr weiter dem Kamin-/Risssystem, welches hier noch alpiner aussieht, sondern zieht nach links in die Wand hinaus. Hier wurde die Route wohl früher oder später abgeändert, wobei (für mich) nicht mehr nachvollziehbar war, wer wann wodurch geklettert ist. Jedenfalls kommt erst eine griffige Steilzone, dann eine glattgewaschene Platte, welche aber mit grossen Löchern gespickt ist, eine sehr originelle und lässige Kletterei. Eine kurze Crux erfordert etwas sorgfältigere Planung der Moves, aber die 6c gemäss dem nach der Sanierung aktualisierten Topo im Engelberg Outdoor Guide dürfte zu  hoch gegriffen sein: 6b reicht auch, in der ersten Länge war ich jedenfalls deutlich mehr gefordert.

Von oben sieht diese glattgewaschene Platte am Ende von L2 (6b) nahezu unmöglich aus, aber die Griffe sind versteckt.
L3, 35m, 6b+: Es folgt eine sehr schöne Wandkletterei an griffigem Fels. Im ersten Teil und ganz am Schluss warten steile Zonen mit athletischen Moves an Löchern und Leisten auf, aber insgesamt doch eine homogene und sehr genussreiche Sache. Hier passt m.E. der offizielle Grad von 6b+ tiptop.

Der Rückblick auf L3 (6b+) ist nicht so fotogen, umso cooler aber der Ausblick auf das Steilgelände von L4 (6c).
L4, 30m, 6c: Hier wird es richtig steil und eigentlich sieht's fast ein bisschen aus wie die Steilzone im oberen Teil am Pfaffenhuet, wo die Inuit und die Sternschnuppe drüber führen. Nachdem wir schon einiges an Vertrauen in den hier sehr griffigen Fels gefunden haben, vermuten wir hier vorwiegend Henkelgelände. So kommt's dann auch, trotz der beachtlichen Steilheit geht's hier ohne allzu grosse Schwierigkeiten in die Höhe. Einzig dem Ausdauerfaktor ist etwas Beachtung zu schenken, passt aber schon. Hier hilft es, die eine oder andere Sicherung zu verlängern, ansonsten kämpft man zum Schluss sicher mit argem Seilzug.

So sieht's von oben aus. Hammergeniale, athletische Kletterei an guten Griffen in L4 (6c).
L5, 25m, 6c: Nach links hinaus begibt man sich in luftiges Gelände. Während es vorerst noch sehr gute Griffe hat, spitzt sich die Sache später in einer anspruchsvollen Linksquerung zu. Hier ist der Fels für einmal nicht ganz so strukturiert wie sonst überall, so dass etwas Entschlossenheit und weite Züge an Seitgriffen und mit mässigen Füssen gefordert sind. Meines Erachtens klar die schwierigste Stelle im unteren Teil, hier ist die 6c-Bewertung sicher gut verdient. Man kommt dann zum Stand mit dem improvisierten Wandbuch. Hier zeigt sich: seit Sämi im 2015 saniert hat, war niemand mehr hier. Schon fast nicht zu glauben, wie sich anderswo an den Hotspots die Seilschaften in Schlange stellen und dann hier bei einer solchen Routenqualität keiner hingeht.

Äusserst luftige Kletterei mit einer feinen Crux am Ende von L5 (6c).
L6, 25m, 6a+: Eine Hammerlänge, die eine kühne Linie über die vermeintlich glatte und exponierte Platte wählt. Doch vorerst ist da ein griffiger Riss und an dem Punkt, wo dieser nichts mehr hergibt, tauchen in der Wand auf einmal perfekt griffige, positive Leisten auf. Super Moves in luftiger Position, wirklich genial! Danach einfacher auf den Pfeilerkopf hinauf.

L7, 50m, Gehgelände: Man ist nun auf dem grossen Geröllband angelangt, wo man mehr oder weniger nach Belieben herumspazieren kann. Etwas nach oben ausholend könnte man hier zum Beginn der Abseilpiste nach rechts queren (derzeit ist diese dank Farbmarkierungen gut auffindbar). Oder dann natürlich das tun, was man eigentlich zu tun hat, nämlich zum Beginn des oberen Wandteils aufsteigen. Es sei an dieser Stelle jedoch erwähnt, dass die letzten 4 Seillängen NICHT nachgerüstet wurden. Hier klettert man also noch mit der Originalabsicherung, d.h. der Charakter ändert sich markant und man trifft auf einige typische Remy-Seillängen nach altem Schrot und Korn (will heissen, die BH stecken kreuz und quer und wo es gerade so ohne geht, steckt nix). Die oberen Seillängen sind zwar durchaus noch lohnend, aber qualitativ nicht von derselben Güte wie die unteren.

Im Rückblick ist die genial zu kletternde L6 (6a+) leider nicht mehr fotogen, dafür hat man von hier einen guten Ausblick.
L8, 35m, 7a+: Unscheinbar bei einem kleinen blauen Farbklecks und einer verrotteten SU-Schlinge geht's los. Lange verbleibt die Kletterei moderat schwierig im 6a+ Gelände, die Crux kommt erst zum Schluss. Hier nun eben das Problem, dass der Haken zum Beginn der Cruxsequenz komplett verbohrt ausserhalb der Freikletterlinie im Schilf steckt. Der nächste steckt recht nahe und deutlich besser, wurde aber ganz bestimmt aus einer Trittschlinge gesetzt. Der Freiklettern wollende Wiederholer hat nun nur suboptimale Optionen: der verbohrte Haken muss massiv verlängert werden, dann muss mühsam in die Crux hinein manövriert werden, der besser steckende, technisch gebohrte Haken kann aus der Kletterstellung nur sehr erschwert geklippt werden. Diesen auszulassen ist jedoch auch keine Option, weil sich darunter eine Art Band befindet und man bei einem Sturz darauf krachen würde. Mir gelingt's, so wartet nur noch der abschliessende Runout zum Stand, der mit etwas kühlem Blut auch noch gut vonstatten geht. Trotz all dieser Kapriolen konnte ich hier (wie auf dem ganzen Rest der Route) onsight durchmoven. Mit den erschwerten Bedingungen passt die 7a+ im Gesamtkontext vielleicht schon, rein von den Moves her ist's eher einfacher.

Rückblick auf die nominelle Crux der Route in L8 (7a+) und die 'heady section' danach zum Stand hinauf.
L9, 40m, 6b+: Auf dieser langen und nirgendwo richtig einfachen Seillänge stecken nur gerade 4 Bohrhaken, d.h. hier muss man nun definitiv parat sein! Los geht's einem cleanen Riss entlang, wo man zwingend kleine Cams (naja, wer echt Vertrauen in diese hat kommt mit einem einzigen aus) legen muss. Dann etwas nach rechts und hinauf in die steile Wand. Vorerst hat's gute und positive Leisten, später wird's dann eher abschüssig und reibungslastig, zuletzt geht's entschlossen über ein kleines Dacherl hinweg. Die Hakenabstände von ~8-10m geben wenig Hinweise in Bezug auf die zu wählende Linie, v.a. weil der folgende Bolzen aus der Kletterstellung nicht in allen Fällen sichtbar ist. Aber wie (fast) immer geht's einfach da lang, wo's am einfachsten ist bzw. wo es zumindest nach der einfachsten Kletterei aussieht. Ich bin schliesslich froh, dass ich zumindest hier und jetzt mindestens gleich viel Mut und Kletterkönnen wie die Erstbegeher mitgebracht habe und ohne übermässige Vergeudung von Angstschweiss oder wahnwitzige Flugeinlagen die Standhaken einhängen kann.

Die allerletzten Meter von L9 (6b+) sind dann recht easy, da spielt's auch keine Rolle mehr, schon meilenweit über dem BH zu sein.
L10, 30m, 5a: Man schaut hinauf und fragt sich, soll ich das jetzt wirklich noch rauf?!? Das Gelände sieht wenig kompakt und etwas lose aus, die Schwierigkeiten sind deutlich tiefer und bis auf eine uralte SU-Schlinge sind keine fixen Sicherungen erkennbar. Sogar ich spiele hier mit dem Gedanken, diese letzte Länge nicht mehr zu klettern. Schliesslich setzt sich dann aber doch das alpinistische Credo durch, dass eine Route nur als geklettert gilt, wenn sie auch bis zu deren Ende geklettert wurde. Schlussendlich ist's dann gar nicht so schlimm, der Fels solider wie befürchtet, die Kletterei gar nicht so schlecht und nebst 2 Sanduhren finden sich tatsächlich auch noch 2 Bohrhaken.

Bald geschafft! Der Fels in L10 (5a) ist besser, als er von unten aussieht, aber es liegen ein paar lose Steine rum.
Dann ist aber wirklich fertig mit der Route, obwohl wir noch ganz, ganz weit vom Top des Berges entfernt sind. Vorerst würde nun eine Zone mit einfachem, schuttbedeckt-brüchigem Fels folgen, bevor (viel) weiter oben nochmals steile Wände stehen, welche wohl aber auch schlechte Felsqualität aufweisen. Aus dieser Optik (die Route endet sowieso irgendwo im Nirgendwo) ist die letzte Länge dann tatsächlich verzichtbar. Aber naja, das muss und jetzt nicht mehr kümmern, da wir 14.15 Uhr und damit nach 4:45 Stunden vergnüglicher Kletterei am letzten Stand stehen. In die Tiefe geht's abseilend: im oberen Teil sind 3 Manöver fällig, dann muss man das Seil kurz aufnehmen und die letzten 15m zum Beginn der Abseilpiste über die untere Stufe gehen. Diese befindet sich orografisch (d.h. von oben gesehen links!) vom markanten Kaminsystem, in welchem die Route startet. Mit 4 langen und steilen, ja teils freihängenden Abseilern sind wir im Nu zurück am Einstieg. Auf dem Rückweg stellen wir dann noch fest, dass es deutlich schneller und bequemer ist, den Graben vor der Wand gleich auf Höhe des Einstiegs zu queren. Im Aufstieg hatten wir dies viel weiter unten (auf der markierten Wegspur, die auch zu den anderen Sektoren Gendarm und Big Wall führt) gemacht und waren der Wand entlang ziemlich mühsam in etwas labilem Schutt traversiert - das ist entgegen den Angaben in der Literatur definitiv nicht die richtige Variante. Nach einem Vesper am Einstieg konnten wir es rollen lassen - erst im übertragenen Sinn auf dem Wanderweg, dann mit dem Bike in Richtung Tal, wo wir um 16.00 Uhr beim Auto eintrafen.

Facts

Schlossberg - Sens Unik 7a+ (6b+ obl.) - 10 SL, 340m - C. & Y. Remy 1994 - ***;xx-xxxx
Material: 2x50m-Seile, 12 Express, Cams 0.3-1

Bei dieser Route handelt es sich um ein Mauerblümchen, aber definitiv um ein zu Unrecht vernachlässigtes. Vor uns war 3 Jahre niemand mehr am Berg und die tolle Kletterei in steilem, griffigem Hochgebirgskalk von meist sehr guter Qualität war ungenutzt geblieben. Es sei erwähnt, dass mit dem grossen (aber gut begehbaren) Geröllband von L7 der Schwung der Wand gebrochen wird, die letzten 3 Seillängen sind nicht mehr ganz von derselben Qualität wie der untere Teil. Der untere Teil wurde im 2015 nachgerüstet, dort darf man die Absicherung als sehr gut bezeichnen (Niveau xxxx). Das gilt auch für L1 mit ihren nominell tiefen Schwierigkeiten, doch aufgrund der ungewohnten Kletterei platziert man hier unter Umständen gerne noch den einen oder anderen Cam der Grössen 0.3-1 (oder allenfalls 2). Für den Rest vom unteren Teil braucht man hingegen keine Klemmgeräte mehr. Im oberen Teil trifft man noch auf die Remy-Originalabsicherung, welche von genügend (L8 & L10, xxx) bis spärlich (L9, xx) ausfällt. Zu Beginn von L9 braucht's auch zwingend kleine Cams (0.3-0.5) oder entsprechende Keile. Den Routennamen ('Einbahnstrasse') muss man übrigens nicht allzu wörtlich nehmen. Ein Rückzug ist wegen der Steilheit und dem teils querenden Verlauf sicher etwas umständlich, aber im Notfall sicher möglich, die Standplätze sind allerdings nicht dafür eingerichtet. Im Sommer wird der auf ~2100m liegende Einstieg ab ca. 10.45 Uhr von der Sonne beschienen, man muss also nicht besonders früh aufstehen. Aufgrund der nicht allzu langen Kletterei findet man sicher bis weit in den Herbst hinein ein genügend langes Fenster, um die Route an der Sonne klettern zu können. Wie bereits erwähnt ist ein Bike für den ersten Teil des Zustiegs sehr nützlich, alternativ kann man auch mit dem Gleitschirm wenige Minuten vom Einstieg entfernt tiptop starten (und trifft am Nachmittag i.d.R. auf gute Bedingungen). Einen Einblick ins Gebiet erhält man mit der Webcam auf der Fürenalp. Weitere Infos erhält man (womöglich) in der Spannorthütte, wo man natürlich auch nächtigen kann. (Nicht ganz so präzise) Topos zur Route und Infos zu den anderen Routen am Berg gibt's im Engelberg Outdoor Guide und im SAC-Führer Zentralschweizer Voralpen Südwest, eine Auswahl (die Sens Unik fehlt!) findet sich auch im Schweiz Extrem Ost. Alle diese Kletterführer sind z.B. bei Bächli Bergsport erhältlich.

Sonntag, 14. Oktober 2018

Sulzfluh - Austriakenriss (6a)

Diese Route ist unter verschiedenen Namen bekannt: nämlich als Direkte Südwand der Sulzfluh, dann mit den Namen ihrer Erstbegeher als Hiebeler/Bachmann und wie es im Titel steht, eben auch als Austriakenriss. Letzteres tönt irgendwie nach "viele Haken", das ist aber nicht unbedingt die richtige Assoziation. Es handelt sich um eine klassische Tour aus dem Jahr 1949, welche Eingang ins Pause-Buch "Im Extremen Fels" gefunden hat. Wie so oft bei derartigen Unternehmungen bietet sie eine für heutige Verhältnisse eher aussergewöhnliche, aber doch immer noch lohnende Kletterei.

Morgenstund hat Gold im Mund. Unterwegs an die Sulzfluh, hier zu sehen die SE-Wand und die Gamstobelwand.
Die Südwestwand der Sulzfluh hatte ich früher bereits 2x durchstiegen, nämlich 1998 auf der Neumann-Stanek sowie 2003 auf der selten begangenen, aber durchaus interessanten CKC-Führe, welche in Punkto Schönheit und Schwierigkeit noch höher als der Austriakenriss einzustufen ist. Nun kam für einen Tag, an welchem gemäss den Vorhersagen bereits schlechtes Wetter sein sollte, der Ruf von Pause-Sammler Tobias. Ein genaueres Hinschauen zeigte im Rätikon ein Wetterfenster für die erste Tageshälfte, und selbst als Pause-Nicht-Sammler konnte ich mich der Anziehung dieser Kaminkletterei nicht entziehen. Die Bilder einer früheren Begehung auf dem Rocksports-Forum zeigen nämlich einerseits durchaus interessante Kletterei, und andererseits war ich auch auf die dunklen Kamine gespannt. Für diese sind trockene Verhältnisse unabdingbar, welche zum Ende einer lange Hitze- und Trockenperiode natürlich gegeben waren.

Der Zustieg führt zuerst zur Carschinahütte und von dort dann zur Wand. Rechts im Bild die Drusentürme.
Nach einem sehr frühen Aufbruch daheim starteten wir wie bereits bei der Tour zur Schijenflue beim Parkplatz Äbi unterhalb von Partnun, es war wenige Minuten nach 6.00 Uhr. Vorbei am Alpenrösli ging es zur Carschinahütte, wo die Gäste um 7.15 Uhr eben mit dem Frühstück auf der Terrasse beschäftigt waren. Das zeigt, das Wetter war tatsächlich noch gut, auch wenn im Südwesten bereits einige dunkle Wolken zu erkennen waren. Also hielten wir uns nicht auf, und stiegen unter die SW-Wand der Sulzfluh hinauf. Das ist eine etwas mühselige Geschichte, die Geröllhalde ist teils doch ziemlich lebendig und man muss sich gut die Passagen aussuchen, wo man nicht mit jedem Schritt vorwärts deren zwei rückwärts rutscht.

Letzter Teil vom Zustieg und Routenverlauf des Austriakenriss, erstbegangen von Hiebeler/Bachmann 1949.
Während man früher den Zustieg über den oberen Sockel wählte, wählt man seit einem Felssturz im 2010 die Linie über ein tieferes Band. Dieses ist erst problemlos nach rechts zu queren, danach können zwei mit Bohrhaken eingerichtete Seillängen zu den eigentlichen Einstiegen geklettert werden. Diesen schenkten wir keine Beachtung und stiegen etwas weiter rechts einfach der Nase nach in Falllinie vom Start des Austriakenriss hoch. Das Gelände ist dort gut gestuft, der Fels von vernünftiger Qualität, über ein paar kurze Zweier-Stellen geht das nirgends hinaus, somit lässt sich der Weg zum Einstieg ohne weiteres seilfrei begehen. Dazu muss ich noch sagen, dass ich den alten Zustieg übers obere Band doch als deutlich mühsamer, exponierter und heikler in meinem Hinterkopf abgespeichert habe. Um 8.00 Uhr waren wir schliesslich bereit und stiegen ein.

L1-L3, 80m, 4b: Wegen den geringen Schwierigkeiten und um Zeit zu sparen, verbinden wir diese Seillängen und steigen ein kurzes Stück gemeinsam. In ziemlich kleinsprittigem Fels geht's zuerst über eine Art Rampe zur auffälligen Verschneidung nach rechts hinauf. Ein Wändchen nach etwa 15m stellt für den Grad 3c doch gewisse Herausforderungen, der Rest ist einfach. Die Verschneidung klettert sich dann ziemlich genussreich, hier ist der Fels ausgewaschen und daher auch deutlich solider. Am Ende der Verschneidung setzt dann die eigentliche L3 an, welche mit einer gschüdrigen Traverse in einfacher Kraxelei nach links hoch führt.

Auf geht's, über eine Art Rampe erreicht man die grosse Verschneidung. Das Wändchen mit der Crux von L1 ist eben überwunden.
L4-L5, 50m, 5c+: Auch diese beiden Seillängen lassen sich verbinden, mit vorausschauenden Verlängerungen und 50m-Seilen ist dabei kein Simultanklettern nötig. Der erste Abschnitt führt zuerst eine kurze Verschneidung hoch und traversiert dann nach rechts. Hier beginnt der lässige Hangelriss, der steil nach rechts hoch führt. Teilweise schöner Fels wechselt sich ab mit etwas brüchiger Ware, an einer Stelle ist ein grosser Block ausgebrochen, was etwas knifflige Moves zur Folge hat. Insgesamt eine vergnügliche Sache, als ich am Stand ankomme, so stelle ich fest, dass ich in ca. 40 Minuten Dauerkletterei bereits mehr als die Hälfte der Route zurückgelegt habe.

Tobias folgt im Hangelriss von L5 (5c+), der interessante Kletterei in teilweise schönem, teilweise brüchigem Fels bietet.
L6, 40m, 6a: Hier folgt nun die nominelle Crux über die sogenannte Birne hinweg. Der Sinn dieser Bezeichnung erschliesst sich mir zwar nicht ganz, aber item. Die Kletterei führt erst der Fortsetzung vom Hangelriss entlang, dann rechts um die Ecke und athletisch mit kräftigen Zügen über ein Dach hinweg. Danach noch etwas dranbleiben und zwei Aufschwünge links herum bewältigen, dann ist diese tolle Seillänge mit wirklich lohnender Kletterei in sehr schönem Fels geschafft!

Tobias startet in die nominelle Cruxlänge L6 (6a). Hier ist der Fels prima und die Kletterei wirklich toll.
L7, 40m, 5c+: Ein spannendes und sehr abwechslungsreiches Teilstück: leicht geht's zur ersten Stufe hoch, das alte Topo sagt hier V+ A0 oder frei VI. Die Stelle lässt sich tatsächlich klettern, zwei, drei Züge in steilem Gelände an eher auflegerigen Strukturen sind aber klar schwieriger, als es in den Rahmen vom Plaisirgrad 5c+ passt. Danach geht's über eine etwas heikle, grasige Stufe in den tiefen Kamin hinein. Huch, wo geht's lang? Na, es kann nur in athletischer Turnerei durch den "Tunnel" hinter dem Klemmblock durchgehen. Vom Top der Blöcke dann in Spreiz- und Stemmkletterei weiter, bis man schliesslich nach rechts hinaus klettert und auf einem Absatz zum Stand gelangt. Der Fels im Kamin übrigens moosig und von den Dohlen verschissen, aber fest und mit toller Struktur. Eine sehr eindrückliche, aussergewöhnliche Sache, mir hat's viel Spass gemacht!

Der Autor in der Crux von L7, vermutlich der schwerste Kletterstelle der Route. Die höhlenartige Kletterei danach in den tiefen Kaminen lässt sich fotografisch leider nicht gut festhalten und bleibt damit der Phantasie des Betrachters überlassen. Nachschauen vor Ort lohnt sich für Neugierige durchaus...
L8, 40m, 5c+: Ein weiterer Stemmkamin führt zu einem Überhang, der etwas rechtsherum in athletischer Kletterei überwunden wird. Ganz so herausfordernd wie es auf den ersten Blick aussieht, ist es schliesslich nicht. Damit sind die grössten Schwierigkeiten überwunden, dem linken Ast des Kaminsystems entlang erreicht man in relativ gutmütiger Kletterei den vorletzten Stand. Weitestgehend guter Fels übrigens auch in dieser Länge.

Spreiz- und Stemmkamin am Anfang von L8 (5c+), der Überhang hinter dem Kletterer einfacher wie man vermuten könnte.
L9, 30m, 5b: Die logische Fortsetzung wäre hier durch die Verschneidung oberhalb vom Standplatz gegeben, welche die direkte Fortsetzung des Kaminsystems darstellt. Die beiden Kletterer im Rocksports-Bericht haben diesen Weg gewählt und den Verhauer vermutlich nicht bemerkt, somit dürfte dieser Weg auch nicht viel schwerer oder einfacher wie die Originalvariante sein. Diese quert nämlich nach rechts hinaus und führt dann einem steilen Riss entlang auf dem Pfeiler aufwärts. Schöne Kletterei in gutem, rauem Fels.

Um 10.45 Uhr sind wir nach 2:45 Stunden Kletterei bereits am Ausstieg angelangt. Das Wetter hat auch prima mitgespielt, inzwischen ist der Himmel zwar mit Wolken überzogen. Doch weder live noch auf dem Radar sieht es so aus, als ob es demnächst zu regnen beginnen würde. So halten wir einen Vesper und laufen später durchs Gemstobel talwärts. Hier lohnt es sich, nicht dem markierten Wanderweg zu folgen, sondern in die Geröllhalden linkerhand zu queren. Hier findet man meist recht guten Surf bis weit hinunter, ideal zeitsparend. Über den Gamstritt geht's vorbei an den Klettereien am Ostausläufer der Südwand aufs Wiesengelände hinunter. Bald sind wir retour in Partnun, nach einem kühlen Getränk schliesslich auf dem Heimweg und da das Wetter weiterhin hält, verbringe ich den Nachmittag mit dem Kindern im Freibad. Da sieht man wieder einmal, was auch an einem Tag mit pessimistischer Wetterprognose drinliegen kann!

Facts

Sulzfluh - Austriakenriss 6a (5c+ obl.) - 9 SL, 280m - Hiebeler/Bachmann 1949 - **;xx(x)
Material: 1x50m-Seil, 12 Express, Camalots 0.3-2, kleines Keilset

Eindrückliche klassische Kletterei durch die imposante SW-Wand der Sulzfluh. Der einfachere Einstieg bietet 4 mässig schöne Seillängen in eher kleinsplittrigem Fels, die man aber auch rasch hinter sich gebracht hat. Es folgen zwei Seillängen mit imposanten Hangelrissen, zwei tiefe, dunkle Kaminseillängen und ein Pfeilerausstieg. In diesem, wesentlichen Teil ist der Fels meist gut, ja teilweise sogar richtig schön und kletterfreundlich. Die Kamine sind jedoch nur in trockenem Fels geniessbar, sonst ist die Mischung von Moos, Vogeldreck und Schmierauflage sicherlich höchst unangenehm. Insgesamt eine durchaus lohnende Unternehmung für Klassiker-Fans und Leute, die einmal die Grosstaten früherer Generationen würdigen wollen. Die Route wurde 1996 saniert, alle Stände wurden dabei mit Muniring & BH ausgerüstet. In allen Seillängen stecken hie und wieder auch gebohrte Zwischenhaken, zusammen mit den alten Rostgurken und einigen mobilen Gerätschaften ergibt sich eine durchaus gute Absicherung - ich empfand die Route weder gefährlich noch psycho. Ein Rückzug lässt sich wohl bewerkstelligen, ist jedoch sicherlich weder bequem noch empfehlenswert, daher besser nur bei guten Bedingungen und mit etwas Marge einsteigen.

Dienstag, 9. Oktober 2018

Ailefroide - Pilier du Levant (6a+)

Der Pilier du Levant in Ailefroide erfreut sich einer sehr grossen Beliebtheit. Ob dies nun an der steilen Pfeilerkletterei als Kontrast zu den ortsüblichen Platten liegt, an der prominenten Position direkt über dem Zentrum von Ailefroide, dem minimalem Zustieg oder an der begehrten Gesamtbewertung von TD- bleibe dahingestellt, denn es spielen gewiss alle diese Faktoren mit. Auch wir machten hier unsere Aufwartung und waren alles andere als alleine...

Sicht vom Zentrum von Ailefroide auf den Pilier du Levant, der sich näher befindet als man meinen könnte.
Vom Zentrum beim Hotel Engilberge geht's auf der Teerstrasse nach links, nach 100m folgt der Parkplatz, wo der gut ausgeprägte Trampelpfad beginnt. Nach 15 Minuten Zustieg waren wir um 9.45 Uhr vor Ort. Diverse (langsame) Seilschaften waren bereits vor uns engagiert, eine weitere wartete schon am Einstieg. Normalerweise ist dies das Zeichen, um das Weite zu suchen und woanders anzugreifen. Doch mit meiner Tochter unterwegs fehlte diese Flexibilität und da wir in weiser Voraussicht die Spielkarten mitgeführt hatten, zockten wir einfach ein paar Runden Uno, bis wir an der Reihe waren. Dies dauerte schlussendlich noch fast eine geschlagene Stunde. Aber es war schön und angenehm, wir waren ja in den Ferien und konnten uns die Zeit gut vertreiben. Somit kein Problem. Allerdings sollte man sich besser ausserhalb vom Couloir, wo sich der Einstieg befindet aufhalten - dort fallen manchmal auch Steine runter.

Von nahem hat der Pfeiler und insbesondere die 2 abschliessenden, steilen Seillängen doch eine ziemlich imposante Gestalt!
L1, 40m, 5c: Der Einstieg ist (wenn niemand dort wäre) gar nicht so einfach zu lokalisieren, da nichts angeschrieben ist, mehrere Routen in unmittelbarer Nähe beginnen und der Pilier du Levant zuerst ziemlich nach links zieht. Jedenfalls geht's genau oberhalb vom grössten, buschartigen Baum los. Die Plattenkletterei ist easy, den Grad gibt's für die (rechts umgehbare) Schlussplatte.

No Cheating! Das Finish von L1 (5c, Crux) führt direkt über die Platte, meist wird am linken Bildrand durchs Kraut gestiegen.
L2, 40m, 5c: Eine weitere, gemütliche Seillänge. Die Schwierigkeit erneut am Schluss mit einer bereits etwas feineren Plattenstelle. Wiederum wird üblicherweise rechts durch botanischere Gelände gestiegen.

Kompakte Plattenkletterei am Ende von L2 (5c, Crux), auch wieder am linken Bildrand umgehbar. 
L3, 30m, 5c: Deutlicher Quergang nach links, ohne allzu grossen Schwierigkeiten. Danach direkt über die Haken geklettert sehr schöne Plattenmoves. Danach erreicht man endlich wieder einmal einen richtig geräumigen und bequemen Stand.

Rückblilck 'on pitch' auf den Quergang am Anfang von L3 (5c), inklusive Tiefblick nach Ailefroide.
L4, 35m, 6a: Beginnt mit nahezu Gehgelände, gefolgt von einem kurzen Aufschwung mit einem Bouldermove, der von den meisten Begehern A0 erledigt wurde (gut frei machbar, 6a passt schon). Nochmals etwas nahezu Gehgelände und ein paar finale Plattenmoves zum Stand unter dem steilen Pfeilerteil.

L5, 25m, 6a+: Der Beginn noch moderat, danach folgt steile Risskletterei, welche die meisten Begeher vor ein unlösbares Freikletterproblem stellte. Es ist steil, ein bisschen abdrängend und auch ein bisschen mühsam. Mir hat's keine Probleme gemacht, so richtig elegant gelöst habe ich die Stelle aber auch nicht. Die Bewertung von 6a+ sicherlich nicht geschenkt, jedenfalls schon markant schwieriger wie L1-L4. Die Bohrhaken stecken notfalls aber sehr dicht.

Die Leute vor uns waren zwar sehr langsam, aber immerhin haben sie ein sehr schönes Foto von uns gemacht. 
L6, 35m, 6a+: Die Hauptschwierigkeit besteht im Boulder gleich nach dem Stand. Der sieht eigentlich gar nicht schwierig aus, doch es ist tatsächlich nicht einfach, hier um die Kante rumzukommen. Obwohl sehr gut abgesichert ist's halt auch etwas doof zum Runterfallen, so gleich direkt über dem Stand. So praktizierten ausnahmslos alle Begeher hier ein A0. Ich konnte es frei lösen, doch schlussendlich auch wieder rampfiger und mehr "brute force" wie man bei diesem banalen Grad meinen könnte, einfach so drüberlaufen ging definitiv nicht. Wohl eher keine 6a+, die VII(+) aus dem Topoguide hier m.E. nicht komplett übertrieben. Der Rest der Seillänge bietet dann schöne, luftige Kletterei an der Kante im Bereich 5c+, mit einem eleganten, gratartigen Turmausstieg. Bei der Terrasse mit den Blöcken gibt's nun auch einen gebohrten Stand (der eigentlich zur Nachbarroute Ârete à Françis gehört, aber natürlich mitbenutzt werden kann).

Der luftige, gratartige Ausstieg aus L6 (6a+) mit super Tiefblick auf die schöne Gegend von Ailefroide!
L7, 20m, 5b: Kurzer Kantenhangel, gar nicht mal so einfach - da habe ich mich aber wohl blöd angestellt, meine Tochter ist da quasi drüber gelaufen. Danach bald griffigeres Gelände und schon ist man oben auf dem kleinen Gipfel. 

Kurz vor dem Gipfel (L7, 5b). Mrs. Easy Peasy hat ihre erste TD-Route geschafft, bravo!
Es war inzwischen schon 14.50 Uhr geworden, wir mussten uns also eine Begehungszeit von rund 4:00 Stunden notieren. Wobei wir unterwegs auch nochmals Uno spielten und darüber hinaus noch weitere Wartezeiten zu vergegenwärtigen hatten. Ohne Verkehr wären wir bestimmt eine Stunde oder sogar mehr schneller gewesen. Um noch rückseitig abzusteigen und über die Rivière Kwai weiterzuklettern fehlte uns der Mumm. Es war heiss, Gewitter waren angekündigt und die kühlen Getränke im Hotel Engilberge riefen schon. Wir machten uns ans Abseilen, in etwas mühsamem Gelände (flach, buschig, Verhänger-Schuppen und auch ein paar lose Steine) gelangten wir recht zügig nach unten. Zwei anderen Seilschaften mussten wir unterwegs die verklemmten Seile lösen. Wir gelangten hingegen reibungslos zurück zum Einstieg - das könnte aber auch bloss Glück und nicht Können gewesen sein. Einen kurzen Fussmarsch später waren wir am Wirtshaustisch, konnten den grossen Durst stillen und unser Auge auf den Pfeiler richten, wo immer noch zahlreiche Seilschaften aktiv waren.

Le plus grande piolet du monde - immer wieder herrlich zum Spielen!
Facts

Ailefroide - Pilier du Levant 6a+ (5c+ obl.) - 7 SL, 225m - Cambon/Fiaschi 2000 - **;xxxx
Material: 2x50m-Seile, 12 Express, Cams/Keile nicht nötig

Interessante, sehr sonnige Pfeilerkletterei in prima Ailefroide-Granit mit kurzem Zustieg an prominenter Lage unmittelbar über dem Zentrum, daher entsprechend beliebt. Die Schwierigkeiten sind etwas inhomogen. Es folgen zuerst 4 plattige Seillängen "im ortsüblichen Stil" im Bereich 5c. Die steile Rissseillänge am Pfeilersockel ist dann markant schwieriger, bevor eine knifflige Boulderstelle in den schönen, luftigen Ausstieg am Pfeiler überleitet. Die Absicherung mit Bohrhaken ist sehr gut und den Schwierigkeiten angemessen. Sprich, an den (einfacheren) plattigen Stellen will etwas geklettert werden, während die steilen Passagen eng behakt sind. Ein Topo findet man in der lokalen Führerliteratur, im Plaisir Séléction oder im Topoguide Band III.

Freitag, 5. Oktober 2018

Teufelstalwand - Wilde 13 (7b)

Die in der Gotthardregion gelegene Teufelstalwand tauchte im Jahr 2010/2011 (er)neu(t) auf dem Radar der Kletterer auf. Eine seit 1973 bestehende, ehemals technisch begangene Route wurde geputzt und saniert, d.h. mit dem Namen 'Zeichen der Freundschaft' fürs Freiklettern präpariert. In kurzer Abfolge wurden weitere Routen eingerichtet, auch heute ist die Erschliessung noch nicht komplett abgeschlossen. Bisher war ich nur ein einziges Mal an dieser Wand und zwar um sich eine der frühen Begehungen vom Pissoir du Diable zu schnappen. Obwohl es uns damals gefallen hatte, gab es bis dato keinen zweiten Besuch. Ein wenig hat die Teufelstalwand für mich den Geschmack von einem Ausweichziel, kann man hier doch mit relativ wenig Aufwand und auch bei nicht zu 100% optimalem Bergwetter noch aktiv sein. Für den Tourentag waren diese Sachverhalte entscheidend: ich konnte erst um 9.15 Uhr daheim starten, unterhalb von 1500m war es neblig und in der Höhe zu kalt.

Nein, die Teufelstalwand hat nicht ganz Platz auf meiner Kamera... Der Routenverlauf der 'Wilde 13'.
Wobei die Wetterlage an diesem Tag sehr speziell war: Hochnebel, Bise, aber im Raum Andermatt ging trotzdem ein starker Föhn. Das passt so eigentlich nicht zusammen, in einem Blog von Meteoschweiz wird das Phänomen aber ausführlich erklärt (siehe Kommentare). Wir konnten uns jedoch nicht bloss um das Wetter kümmern, sondern hatten auch noch die Routenauswahl zu treffen. Ursprünglich hatten wir eine der Trad-Routen im linken Wandteil ins Auge gefasst. Mit bloss 2 Racks waren wir dafür sowieso schon (zu) knapp bestückt. Als sich dann das eine davon, gerade noch im kritischen Bereich, als nicht vollständig präsentierte, war dieser Zug endgültig abgefahren. Somit entschieden wir uns für die 'Wilde 13', die nominell zweitschwierigste Route an der Wand. Sie präsentiert ein "equipment mixte". Sprich, die schwierigen Kletterstellen sind mit Bohrhaken eingerichtet, an einfacheren Stellen muss mobil gesichert werden, 1 Satz Cams reicht jedoch gut aus. Bis wir alles gepackt und bereit hatten war es 11.30 Uhr geworden und wir liefen vom Nätschen los. Ein reichlich später Aufbruch für eine MSL-Route, für die eher kurzen Routen an der zwar nach SSW ausgerichteten, aber in einem NW-Hang liegenden Teufelstalwand aber kein schlechter Zeitpunkt.

Nebelwetter. Nicht jedoch im Urserental, und auch nicht an der Teufelstalwand. Foto: cno
Nach einer knappen halben Stunde standen wir im Angesicht der Wand. Auf das Organisieren einer Fahrbewilligung hinauf zur Kurve P.2029 bei Ober Teufelstalboden hatten wir verzichtet, dauert der Marsch bis dahin doch nur 15 Minuten. Es folgen die 3 Abseiler hinunter ins Teufelstal, wo uns das letzte Mal ein folgenreicher Verhänger beim Abseilen passierte. Schon vielen ging es gleich, so auch der Seilschaft vor uns, welche gerade an dieser Stelle am herumkraxeln war und die Situation zu bereinigen versuchte. Ganz klar am Schlausten wäre es, für diese 3 Abseiler Fixseile zu platzieren. Klar, ewig halten die nicht, aber alte Kletterseile gibt's ja mehr als genug, die man dafür verwenden könnte... Wir jedenfalls zogen bibbernd unser Seil ab und hatten Glück - es fiel 50cm neben der Spalte vorbei, wo's dann auch garantiert drinbleibt und verklemmt. Somit standen wir bald darauf im Teufelstal, der Bach liess sich problemlos überqueren. Jenseitig geht's dann gleich wieder steil hinauf (T6, III, teilweise Fixseile vorhanden). Auf einer bequemen Plattform, die sich gerade an der Sonne befand, banden wir uns ins Seil ein. Um ca. 12.40 Uhr starteten wir mit der Kletterei.

L1, 6b+: Es geht gleich los mit gut gebohrter Piazkletterei, die gar nicht so einfach ist und bereits einen Vorgeschmack auf die gleich folgende Länge liefert! Der obere Teil dann einfacher und etwas grasig. Gear: evtl. Cam 0.3 gleich zu Beginn. 

In L1 (6b+) ist's entscheidend, den Piaz-Modus gleich mal so richtig anzuwerfen und zu kalibrieren...
L2, 7a+: Knallharter und über 15m anhaltender Piaz. Dünne, seichte Risse, glatte Platten, mein kompletter Antistyle - aber man muss sich auch darin üben, nur ein kompletter Kletterer kann ein guter Kletterer sein. Für mich persönlich fühlte es sich richtig hart an (sprich, die meisten anderen 7a+ fallen mir leichter, nehmen wir z.B. mal Ceüse als Referenz), zudem ist's auch richtig pumpig (und L1 wärmt einen nicht adäquat dafür auf), aber immerhin stecken die Bohrhaken in freundlichen Abständen. Das Finish der Länge mit einer Querung in Wandkletterei unter einem Dach für meinen Geschmack dann deutlich einfacher. Gear: keine Cams nötig.

...denn in L2 (7a+) folgt unweigerlich dieser knallharte und kompromisslose Piaz, brrr!
L3, 6b: Sehr schöne, gemütliche und flowige Seillänge mit grösstenteils mobil abzusichernder Kletterei an griffigen Rissen und Schuppen. Auf diese Art und Weise macht mir die Granitkletterei dann doch wesentlich mehr Spass ;-) Der Ausstieg auf's botanische Podest dann speziell, aber gut eingebohrt. Gear: volles Rack 0.3-2, evtl. 0.2 & 3.

Flowige Kletterei in L3 (6b). Unten das Teufelstal und die Strassen in der Schöllenenschlucht. Foto: cno
L4, 6b+: Ein schöner, sauberer, dünner und eingebohrter Riss durchzieht die Platte gleich nach dem Stand. Zwei, drei entschlossene Züge auf Gegendruck, dann ist das Gröbste durch. Der Rest der Seillänge bietet einfacheres Gelände im Fünferbereich, wo man auch noch 1-2 Cams legen muss. Gear: abgespecktes Rack, z.B. 0.3-1.

L5, 6c: Der erste Teil der Seillänge folgt einem schönen Riss im Bereich 6a+, der mobil abgesichert werden muss - es ist das längste, anhaltendste und schwierigste Stück, wo man selber legen muss. Obenraus zum Stand noch eine Passage mit technischer Wandkletterei. Hier befindet sich die Crux, für den Grad gutmütig. Gear: 0.2-2, evtl. 3.

Schöner Riss in L5 (6c), er bildet das längste und schwierigste mobil abzusichernde Kletterei.
You're not gonna die without the 'händschli'. Jammen mit Hand oder Faust braucht's in der 'Wilde 13' kaum. Foto: cno
L6, 7b: Hmm, vom Stand aus sieht's zwar nicht nach dem Vollpiaz wie in der 7a+ aus, aber doch auch nach Riss und Gegendruck. Mein Kletterpartner kennt die Wand und die Routen besser wie ich, bzw. hat Erkundigungen eingeholt. Mit dem Hinweis es sei "angenehmer" mache ich mich mit Selbstvertrauen und der Strategie "voller Angriff" auf den Weg. Hätte ich natürlich sowieso gemacht, zumal die hier eng gehaltene BH-Absicherung dies bedenkenlos zulässt. Tatsächlich komme ich durch den unteren, piazlastigeren Teil gut durch. Die Moves sind hier doch abwechslungsreicher, man hat nicht alles trittlos mit rundem Buckel zu klettern. Die Crux folgt dann nach 3/4 der Seillänge, an Unter- und Seitgriffen heisst's die Flossen auf minimale Strukturen zu drücken, dann den Fuss akrobatisch hoch auf einen passablen Tritt stellen und sich wieder stabil etablieren. Mir gelingt der Onsight und happy cruise ich zum Stand - das hat jetzt wirklich extrem Spass gemacht! Gear: keine Cams nötig.

Ähm, wir warten noch auf den Kletterer... gibt trotzdem einen Eindruck von L6 (7b).
L7, 6a: Kurze Seillänge mit schöner Kletterei. In der Mitte steckt 1 BH, viel dazu legen muss man nicht unbedingt. Nachdem es easy ist, kann ja aber auch der Vorsteiger das Rack mittragen. Gear: 0.3-1.

L8, 6c: Die Crux liegt in der Überquerung des Dachs gleich oberhalb vom Stand. Es gibt wohl zig Möglichkeiten dies zu tun. Z.B. Klemmer, kaminartige Moves oder Bizeps und hopp, wohl alles in etwas vergleichbar schwierig. Wirklich noch speziell, dass eine Kletterstelle so viel komplett unterschiedliche Beta zulässt. Der Rest bietet dann gemütliche, eher plattige Kletterei mit immer wieder guten Griffen und ist noch maximal 6a. Gear: Cams nicht zwingend nötig.

Ausblick auf die kurze L7 (6a), oben auch schon das Dach von L9 (6c) sichtbar, welches man im viereckigen Ausschnitt anpackt.
L9, 6a+: Wer möchte, kann sich die Route noch mit der schönen Abschlussverschneidung (6b+) von 'Zeichen der Freundschaft' aufpeppen, welche gleich 2-3m rechts beginnt. Wir verzichten darauf (weil ich wie immer die angefangene Route komplett von A-Z klettern will), aussehen tut der Ausstieg der 'Wilde 13' nämlich schon weniger attraktiv. Es geht in eine mit grossen Blöcken durchsetzte Verschneidung oder beinahe Schlucht hinauf. Die Kletterei ist schlussendlich aber besser, wie man erst meint - und zum Ende hin auf den Platten auch noch etwas knifflig. Gear: 0.3-1.

Bald oben! Zum Schluss von L9 (6a+) noch etwas plattig. Der Sawiris-Komplex am oberen Bildrand gerade noch in der Sonne. Foto: cno
Um 16.15 Uhr und damit nach nur gut 3:30h Kletterei hatten wir das Top erreicht, das war also sehr zügig gegangen. Nicht so erstaunlich, sind die Seillängen doch alle eher kurz, die Schwierigkeiten nicht sehr anhaltend und dort wo man hart moven muss, ist die Absicherung mit Bohrhaken sehr gut ausgefallen. Für den Rückweg bei Tageslicht bleibt noch mehr als genügend Zeit. So können wir am Ausstieg chillen und die perfekte Herbststimmung geniessen. Erst nach ca. 45 Minuten laufen wir los und hampeln den Fixseilen entlang hinauf. Immer wieder tun wir uns an den reifen Heidelbeeren gütlich und geniessen die Aussicht auf die Nebelschwaden, die eindrücklich mit dem Föhn um die Vorherrschaft kämpfen. Der Rückweg zum Auto dauert nur eine gute halbe Stunde. Wir fahren talwärts, bald holen uns Nebel, Dunkelheit und Kälte ein. Ja, wir sind wieder in der Jahreszeit, wo man nach dem Klettern lieber einen Kaffee als ein Bier trinkt. Aber es geht ja nicht ums Getränk danach, sondern um die Aktivität davor - und die hat heute bestens gepasst!

Herbst! Aussicht vom Top in die Urner Berge, links im Bild das Salbitmassiv.
Facts

Teufelstalwand - Wilde 13 7b (6c obl.) - 9 SL, 270m - Stefan Bühlmann 2011 - ***;xxxx
Material: 2x50m-Seile, 15 Express, Camalots 0.3-2 plus evtl. 0.2 & 3.

Die 'Wilde 13' ist derzeit die nominell zweitschwierigste Route an der Wand, die Bewertung von 7b (6c obl.), die Ankündigung von vielfach selbst abzusichernder Kletterei mit einer xx-Einstufung im Extrem Ost und grosszügigen Materialangaben erheischen gehörigen Respekt. Auch wenn man die Route natürlich nicht unterschätzen soll, so zeigt sich die Route doch weitgehend gutmütig. Die Hauptschwierigkeiten sind eher kurz und zudem sehr gut mit Bohrhaken abgesichert (Niveau xxxx). Nur an den einfacheren Stellen muss auch mobil abgesichert werden, was dort dann auch sehr gut und beinahe beliebig möglich ist. Ich persönlich empfand dafür ein Set Cams von 0.3-2 als ausreichend. Das Topo des Erstbegehers findet man hier, weitere Angaben gibt's im Extrem Ost (z.B. bei Bächli Bergsport erhältlich).

Dienstag, 2. Oktober 2018

Wettkampf am Bimano Boulderfest 2018

Ja, macht der jetzt nur noch Wettkämpfe oder was?!? Weit gefehlt, auch wenn's nun zeitlich 2x kurz hintereinander war, so fröne ich weiterhin dem ganzen Spektrum vom Boulderwettkampf über sportliche MSL-Routen à la Eremit, sehr alpinen Kletterausflügen wie dem Ruchenpfeiler oder gar Mixed-Routen wie die Rubi Love. Halt einfach alles zu seiner Zeit. Verschiedene Gründe sprachen für das Bimano Boulderfest: kürzlich hatten wir diesen Ort besucht, weil mein Sohn nach der Konsultation von einigen Psicobloc-Videos diese Aktivität möglichst sofort auch praktizieren wollte. Nicht ganz einfach in der Schweiz, so dass wir uns aufs Klettern über dem Luftkissen im Bimano verlegten. Es ist natürlich nicht genau dasselbe, aber doch ein ähnliches Erlebnis, der 'Psico'-Faktor kommt rascher ins Spiel als man meint und enorm viel Spass hat's auf jeden Fall gemacht.



Ein weiterer Grund bestand darin, dass beim abschliessenden Wettkampf der Zürcher Klettermeisterschaft im November ebenfalls gebouldert wird. Somit wollten wir (bzw. vor allem die Kinder) bevor es so richtig ernst gilt, dies einmal praktizieren. Natürlich geht's an den Boulderwettkämpfen auch um Kraft, Technik und Klettervermögen. Aber eben nicht nur, der Taktik kommt eine wesentliche Bedeutung zu. Und nicht zuletzt sprach für's Boulderfest auch, dass es für einmal eine Ü40-Seniorenkategorie gab. Somit musste der Autor nicht wie sonst üblich gegen die Jungen, Wilden und Starken antreten, sondern konnte sich für einmal unter seinesgleichen messen, was natürlich die Chancen auf einen vorderen Platz wesentlich erhöhte. Ich würde es durchaus begrüssen, wenn man diese Kategorie auch bei den anderen Wettkampserien einführen würde :-)



Vor Ort gab es dann 77 (!!!) Qualifikationsboulder, d.h. die ganze Halle war komplett neu geschraubt und es hiess, mach was du machen kannst. Drei Stunden Zeit standen zur Verfügung, um möglichst viele der Probleme zu klettern - erst für die Kinder, dann für die Erwachsenen. Mir blieben am Schluss nur ~10 Boulder offen, welche ich nicht hatte durchsteigen können. Puh, war das eine intensive Session gewesen, ich fühlte mich komplett leer! Das war insbesondere darum problematisch, weil ich schliesslich die Ehre hatte, im Final antreten zu dürfen bzw. müssen. Hier galt es, sich mit 2 Mitkonkurrenten zu messen und nochmals, 2 lange und powerige Boulder zu meistern. Pro Boulder standen insgesamt 10 Minuten Zeit zur Verfügung, die 3 Finalisten machten abwechselnd jeweils einen Versuch, wo wie bei einem Lead-Wettkampf jeder erreichte Griff zählte (ein sehr interessanter Modus!). Leider war ich zu diesem Zeitpunkt schon dermassen platt, dass ich nicht ganz so performen konnte, wie es dem Rahmen würdig gewesen wäre.

Atmosphäre im Final - fägt halt eben schon!
Trotzdem konnte ich mir schliesslich den 2. Platz sichern. Das blieb nicht das einzige Podest für unsere Familie. Die Tochter sicherte sich souverän den Sieg bei den U10 Mädchen, Kathrin wurde Dritte bei den Frauen. Leider reichte es meinem Sohn als Vierter bei den U10 Knaben knapp nicht in den Final. Schade (und auch etwas seltsam...). So wie er danach ausser Konkurrenz die Finalboulder kletterte, wäre er Zweiter geworden - maybe next time... Rangliste hin oder her, es war ein toller Tag, der sehr viel Spass machte und die Speicher bis auf's Letzte geleert hat.

Yours truly kratzt die letzten Körner zusammen...