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Sonntag, 14. Oktober 2018

Sulzfluh - Austriakenriss (6a)

Diese Route ist unter verschiedenen Namen bekannt: nämlich als Direkte Südwand der Sulzfluh, dann mit den Namen ihrer Erstbegeher als Hiebeler/Bachmann und wie es im Titel steht, eben auch als Austriakenriss. Letzteres tönt irgendwie nach "viele Haken", das ist aber nicht unbedingt die richtige Assoziation. Es handelt sich um eine klassische Tour aus dem Jahr 1949, welche Eingang ins Pause-Buch "Im Extremen Fels" gefunden hat. Wie so oft bei derartigen Unternehmungen bietet sie eine für heutige Verhältnisse eher aussergewöhnliche, aber doch immer noch lohnende Kletterei.

Morgenstund hat Gold im Mund. Unterwegs an die Sulzfluh, hier zu sehen die SE-Wand und die Gamstobelwand.
Die Südwestwand der Sulzfluh hatte ich früher bereits 2x durchstiegen, nämlich 1998 auf der Neumann-Stanek sowie 2003 auf der selten begangenen, aber durchaus interessanten CKC-Führe, welche in Punkto Schönheit und Schwierigkeit noch höher als der Austriakenriss einzustufen ist. Nun kam für einen Tag, an welchem gemäss den Vorhersagen bereits schlechtes Wetter sein sollte, der Ruf von Pause-Sammler Tobias. Ein genaueres Hinschauen zeigte im Rätikon ein Wetterfenster für die erste Tageshälfte, und selbst als Pause-Nicht-Sammler konnte ich mich der Anziehung dieser Kaminkletterei nicht entziehen. Die Bilder einer früheren Begehung auf dem Rocksports-Forum zeigen nämlich einerseits durchaus interessante Kletterei, und andererseits war ich auch auf die dunklen Kamine gespannt. Für diese sind trockene Verhältnisse unabdingbar, welche zum Ende einer lange Hitze- und Trockenperiode natürlich gegeben waren.

Der Zustieg führt zuerst zur Carschinahütte und von dort dann zur Wand. Rechts im Bild die Drusentürme.
Nach einem sehr frühen Aufbruch daheim starteten wir wie bereits bei der Tour zur Schijenflue beim Parkplatz Äbi unterhalb von Partnun, es war wenige Minuten nach 6.00 Uhr. Vorbei am Alpenrösli ging es zur Carschinahütte, wo die Gäste um 7.15 Uhr eben mit dem Frühstück auf der Terrasse beschäftigt waren. Das zeigt, das Wetter war tatsächlich noch gut, auch wenn im Südwesten bereits einige dunkle Wolken zu erkennen waren. Also hielten wir uns nicht auf, und stiegen unter die SW-Wand der Sulzfluh hinauf. Das ist eine etwas mühselige Geschichte, die Geröllhalde ist teils doch ziemlich lebendig und man muss sich gut die Passagen aussuchen, wo man nicht mit jedem Schritt vorwärts deren zwei rückwärts rutscht.

Letzter Teil vom Zustieg und Routenverlauf des Austriakenriss, erstbegangen von Hiebeler/Bachmann 1949.
Während man früher den Zustieg über den oberen Sockel wählte, wählt man seit einem Felssturz im 2010 die Linie über ein tieferes Band. Dieses ist erst problemlos nach rechts zu queren, danach können zwei mit Bohrhaken eingerichtete Seillängen zu den eigentlichen Einstiegen geklettert werden. Diesen schenkten wir keine Beachtung und stiegen etwas weiter rechts einfach der Nase nach in Falllinie vom Start des Austriakenriss hoch. Das Gelände ist dort gut gestuft, der Fels von vernünftiger Qualität, über ein paar kurze Zweier-Stellen geht das nirgends hinaus, somit lässt sich der Weg zum Einstieg ohne weiteres seilfrei begehen. Dazu muss ich noch sagen, dass ich den alten Zustieg übers obere Band doch als deutlich mühsamer, exponierter und heikler in meinem Hinterkopf abgespeichert habe. Um 8.00 Uhr waren wir schliesslich bereit und stiegen ein.

L1-L3, 80m, 4b: Wegen den geringen Schwierigkeiten und um Zeit zu sparen, verbinden wir diese Seillängen und steigen ein kurzes Stück gemeinsam. In ziemlich kleinsprittigem Fels geht's zuerst über eine Art Rampe zur auffälligen Verschneidung nach rechts hinauf. Ein Wändchen nach etwa 15m stellt für den Grad 3c doch gewisse Herausforderungen, der Rest ist einfach. Die Verschneidung klettert sich dann ziemlich genussreich, hier ist der Fels ausgewaschen und daher auch deutlich solider. Am Ende der Verschneidung setzt dann die eigentliche L3 an, welche mit einer gschüdrigen Traverse in einfacher Kraxelei nach links hoch führt.

Auf geht's, über eine Art Rampe erreicht man die grosse Verschneidung. Das Wändchen mit der Crux von L1 ist eben überwunden.
L4-L5, 50m, 5c+: Auch diese beiden Seillängen lassen sich verbinden, mit vorausschauenden Verlängerungen und 50m-Seilen ist dabei kein Simultanklettern nötig. Der erste Abschnitt führt zuerst eine kurze Verschneidung hoch und traversiert dann nach rechts. Hier beginnt der lässige Hangelriss, der steil nach rechts hoch führt. Teilweise schöner Fels wechselt sich ab mit etwas brüchiger Ware, an einer Stelle ist ein grosser Block ausgebrochen, was etwas knifflige Moves zur Folge hat. Insgesamt eine vergnügliche Sache, als ich am Stand ankomme, so stelle ich fest, dass ich in ca. 40 Minuten Dauerkletterei bereits mehr als die Hälfte der Route zurückgelegt habe.

Tobias folgt im Hangelriss von L5 (5c+), der interessante Kletterei in teilweise schönem, teilweise brüchigem Fels bietet.
L6, 40m, 6a: Hier folgt nun die nominelle Crux über die sogenannte Birne hinweg. Der Sinn dieser Bezeichnung erschliesst sich mir zwar nicht ganz, aber item. Die Kletterei führt erst der Fortsetzung vom Hangelriss entlang, dann rechts um die Ecke und athletisch mit kräftigen Zügen über ein Dach hinweg. Danach noch etwas dranbleiben und zwei Aufschwünge links herum bewältigen, dann ist diese tolle Seillänge mit wirklich lohnender Kletterei in sehr schönem Fels geschafft!

Tobias startet in die nominelle Cruxlänge L6 (6a). Hier ist der Fels prima und die Kletterei wirklich toll.
L7, 40m, 5c+: Ein spannendes und sehr abwechslungsreiches Teilstück: leicht geht's zur ersten Stufe hoch, das alte Topo sagt hier V+ A0 oder frei VI. Die Stelle lässt sich tatsächlich klettern, zwei, drei Züge in steilem Gelände an eher auflegerigen Strukturen sind aber klar schwieriger, als es in den Rahmen vom Plaisirgrad 5c+ passt. Danach geht's über eine etwas heikle, grasige Stufe in den tiefen Kamin hinein. Huch, wo geht's lang? Na, es kann nur in athletischer Turnerei durch den "Tunnel" hinter dem Klemmblock durchgehen. Vom Top der Blöcke dann in Spreiz- und Stemmkletterei weiter, bis man schliesslich nach rechts hinaus klettert und auf einem Absatz zum Stand gelangt. Der Fels im Kamin übrigens moosig und von den Dohlen verschissen, aber fest und mit toller Struktur. Eine sehr eindrückliche, aussergewöhnliche Sache, mir hat's viel Spass gemacht!

Der Autor in der Crux von L7, vermutlich der schwerste Kletterstelle der Route. Die höhlenartige Kletterei danach in den tiefen Kaminen lässt sich fotografisch leider nicht gut festhalten und bleibt damit der Phantasie des Betrachters überlassen. Nachschauen vor Ort lohnt sich für Neugierige durchaus...
L8, 40m, 5c+: Ein weiterer Stemmkamin führt zu einem Überhang, der etwas rechtsherum in athletischer Kletterei überwunden wird. Ganz so herausfordernd wie es auf den ersten Blick aussieht, ist es schliesslich nicht. Damit sind die grössten Schwierigkeiten überwunden, dem linken Ast des Kaminsystems entlang erreicht man in relativ gutmütiger Kletterei den vorletzten Stand. Weitestgehend guter Fels übrigens auch in dieser Länge.

Spreiz- und Stemmkamin am Anfang von L8 (5c+), der Überhang hinter dem Kletterer einfacher wie man vermuten könnte.
L9, 30m, 5b: Die logische Fortsetzung wäre hier durch die Verschneidung oberhalb vom Standplatz gegeben, welche die direkte Fortsetzung des Kaminsystems darstellt. Die beiden Kletterer im Rocksports-Bericht haben diesen Weg gewählt und den Verhauer vermutlich nicht bemerkt, somit dürfte dieser Weg auch nicht viel schwerer oder einfacher wie die Originalvariante sein. Diese quert nämlich nach rechts hinaus und führt dann einem steilen Riss entlang auf dem Pfeiler aufwärts. Schöne Kletterei in gutem, rauem Fels.

Um 10.45 Uhr sind wir nach 2:45 Stunden Kletterei bereits am Ausstieg angelangt. Das Wetter hat auch prima mitgespielt, inzwischen ist der Himmel zwar mit Wolken überzogen. Doch weder live noch auf dem Radar sieht es so aus, als ob es demnächst zu regnen beginnen würde. So halten wir einen Vesper und laufen später durchs Gemstobel talwärts. Hier lohnt es sich, nicht dem markierten Wanderweg zu folgen, sondern in die Geröllhalden linkerhand zu queren. Hier findet man meist recht guten Surf bis weit hinunter, ideal zeitsparend. Über den Gamstritt geht's vorbei an den Klettereien am Ostausläufer der Südwand aufs Wiesengelände hinunter. Bald sind wir retour in Partnun, nach einem kühlen Getränk schliesslich auf dem Heimweg und da das Wetter weiterhin hält, verbringe ich den Nachmittag mit dem Kindern im Freibad. Da sieht man wieder einmal, was auch an einem Tag mit pessimistischer Wetterprognose drinliegen kann!

Facts

Sulzfluh - Austriakenriss 6a (5c+ obl.) - 9 SL, 280m - Hiebeler/Bachmann 1949 - **;xx(x)
Material: 1x50m-Seil, 12 Express, Camalots 0.3-2, kleines Keilset

Eindrückliche klassische Kletterei durch die imposante SW-Wand der Sulzfluh. Der einfachere Einstieg bietet 4 mässig schöne Seillängen in eher kleinsplittrigem Fels, die man aber auch rasch hinter sich gebracht hat. Es folgen zwei Seillängen mit imposanten Hangelrissen, zwei tiefe, dunkle Kaminseillängen und ein Pfeilerausstieg. In diesem, wesentlichen Teil ist der Fels meist gut, ja teilweise sogar richtig schön und kletterfreundlich. Die Kamine sind jedoch nur in trockenem Fels geniessbar, sonst ist die Mischung von Moos, Vogeldreck und Schmierauflage sicherlich höchst unangenehm. Insgesamt eine durchaus lohnende Unternehmung für Klassiker-Fans und Leute, die einmal die Grosstaten früherer Generationen würdigen wollen. Die Route wurde 1996 saniert, alle Stände wurden dabei mit Muniring & BH ausgerüstet. In allen Seillängen stecken hie und wieder auch gebohrte Zwischenhaken, zusammen mit den alten Rostgurken und einigen mobilen Gerätschaften ergibt sich eine durchaus gute Absicherung - ich empfand die Route weder gefährlich noch psycho. Ein Rückzug lässt sich wohl bewerkstelligen, ist jedoch sicherlich weder bequem noch empfehlenswert, daher besser nur bei guten Bedingungen und mit etwas Marge einsteigen.

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