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Freitag, 28. Juni 2019

Titlis Nordwand - Pipistrello (7b+)

Hitzewelle mit Rekordtemperaturen im Juni, da gibt's einen 'place to be', die Titlis Nordwand. Im Vorfeld sind wir uns nicht ganz sicher, ob nach dem schneereichen Frühling 2019 bereits ideale Bedingungen herrschen. Doch wir wollen es probieren und die relativ neue 'Pipistrello' (7b+) aus dem Jahr 2017 angehen. Sie befindet sich gleich links der bereits weitherum bekannten 'Süpervitamin', welche mir damals ein formidables Klettererlebnis beschert hat. Und es wird ein gelungener Tag: wir sind früh genug unterwegs, damit wir dem im Tagesverlauf immer stärker tropfenden Schmelzwasser entkommen und erhalten die übliche Ladung mit spannenden Moves, viel Luft unter den Füssen und zahlreichen Henkeln in den Fingern.

Routenverlauf der Pipistrello mit dem Zustieg aufs Band (Foto wurde nicht am Tag der Tour aufgenommen!).
Unsere Tour startet um 7.50 Uhr beim Schlänggen-Parkplatz. Trotz der Hitze im Flachland ist es im Talgrund von Engelberg noch richtig kühl und ich montiere umgehend meine Fleece-Jacke. Sobald wir etwas emporsteigen, geht's aber temperaturmässig gleich aufwärts. Doch bis zur Hohfaldalp geht's angenehm schattig durch den Wald. Erst hinauf zum Galtiberg wird's dann schweisstreibend. Als wir um 9.10 Uhr nach 80 Minuten Aufstieg im Angesicht der Wand stehen, bläst uns dann aber wieder eine kühle Brise von den noch massiven Schneefeldern entgegen. Wir schirren uns auf und gehen über den zum Glück nicht ganz harten und nicht extrem steilen Schnee der Rampe entgegen. Die Randkluft gegen den Fels hin ist gross, aber mit einem Sprung an geeigneter Stelle zu meistern. Etwas Bammel haben wir vor der Passage an den Fixseilen aufs Band, da wir mutmasslich die ersten sind, welche diese Saison in der Titlis Nordwand aktiv sind. Doch sie sind alle intakt und auch die noch vorhandenen Schneeresten lassen sich problemlos umgehen. So sind wir um 9.30 Uhr am Einstieg. Wir geniessen das angenehme Klima, erholen uns etwas vom Aufstieg, nehmen einen Znüni und steigen um 10.00 Uhr ein.

Der Blick vom Einstieg auf die Riesenwalze am Horizont ist irgendwie... beängstigend.
L1, 45m, 6b: Der Einstieg befindet sich ca. 5m links der SU-Schlinge der Süpervitamin. Es gibt jedoch keine Kennzeichnung und der erste Haken steckt erst rund 10m 'off the deck'. Also Augen auf und Vorsicht. Der Einzel-BH ca. 10m links der Süpervitamin-Schlinge gehört zum zur Zeit noch nicht fertiggestellten Projekt von Sämi Speck. An sich handelt es sich um eine gemütliche, plattige Seillänge an Knobs - wenn da nicht in der Mitte eine kurze, aber ziemlich glatte Boulderstelle wäre.

Lässige Plattenkletterei an Knobs in L1 (6b).
L2, 40m, 6a+: Weiter geht's in ähnlichem Stil an Knobs. Da nur 3 BH stecken, ist der Routenverlauf nicht so einfach zu identifizieren. Aber einfach der Nase nach, im Zweifel ausser ganz am Ende tendenziell eher links halten, ohne jedoch in Sämis Route abzudriften. Zusätzlich absichern ist hier gar nicht so einfach, Knobs die man abbinden und zuverlässig als Zwischensicherung nutzen könnte, konnte ich jedenfalls keine identifizieren und gelegt habe ich schliesslich nur einen Camalot 1. Aber da die Kletterei nicht so schwierig ist, passt es schon.

Ein bisschen weiträumige Absicherung in L2 (6a+), aber vielleicht findet man ja Knobs zum Abbinden...?!?
L3, 50m, 6b: Keine Knobs mehr, schon steilerer Fels, der dafür mit der bekannten Titlis Nordwand Griffigkeit auftrumpft. Man zielt auf die markante Verschneidung hin, ich denke nach Niederschlagsperioden könnte es hier auch länger noch etwas feucht bleiben, was wegen dem etwas mehligen Fels unangenehm sein könnte. Wir konnten dem vorhandenen Wasserstreifen aber gut ausweichen. Das Finish an der Verschneidung muss man mit Cams mobil abgesichert werden (wir legten 0.4 und 0.5, eine Grösse mehr oder weniger dürfte auch gehen), der Mantle am Ende auf's schottrige Bödeli hat es noch etwas in sich.

Fertig Platten, nun ist die Kletterei schon einmal senkrecht: L3 (6b).
L4, 50m, 6c: Es wartet gleich ein Leistenboulder vom Band weg mit etwas brüchigen Tritten. Obacht, da könnte das Geläuf schon Schaden nehmen. Die Schwierigkeiten nehmen dann ab, die Hakenabstände zu, die Felsqualität bleibt nicht ganz überzeugend. Das letzte Drittel ist dann nochmals schwieriger, steil, athletisch und henklig. Da man sich hier über einem Band befindet, fühlt sich das etwas expo an, der Fels ist auch nicht super-mega. Doch vielleicht ginge der Sturz nicht bis aufs Band oder man fällt aussen daran vorbei...

Der Einstiegsboulder (Crux in L4, 6c) ist bereits gemeistert.
L5, 50m, 7b+: Eine geniale Monsterlänge im Stil der Süpervitamin-Crux, die sich gleich ein paar Meter rechts davon befindet. Total ca. 7m überhängend. Erst ein paar einfache Meter auf ein Band hoch, welches dann zu Beginn der schwierigen Kletterei etwas unangenehm im Sturzraum lungert. Ob das mehr ein mentales oder ein tatsächlich objektives Problem ist, muss ich offen lassen. Es wartet powerige Kletterei an Leisten und Henkeln. Bald einmal kommt eine kräftige, bouldrige Stelle. Gut überlegen, entschlossen durchziehen, weiter dranbleiben übers nächste Bäuchlein und danach kühn weitersteigen! Nachher ist dann quasi 'nur noch' die Ausdauer gefragt, es lässt aber bis zum Ende nicht nach, ist einfach pumpig und die Hakenabstände erfordern auch beherztes Vorwärtssteigen! Die Einstufung von 7b+ finde ich im Kontext der Titlis Nordwand absolut korrekt. Ich konnte die Seillänge im Nachstieg solide flashen (yes!), mir fiel das jetzt deutlich einfacher wie kürzlich die Cruxlänge der Nikita an den Gastlosen, die offiziell 7b ist, ich aber schon in meinem damaligen Bericht mit mindestens 7b+ veranschlagt hatte.

Hier ist's nun einfach steil und pumpig! Ausblick auf L5 (7b+).
L6, 40m, 7a: Gleich nach dem ersten BH wartet die erste Crux, eine athletische und für einmal nicht so üppig griffige Stelle. Hier könnte man doch ziemlich heftig vom 3m oberhalb des Hakens in die erste Zwischensicherung donnern, Vorsicht! Weiter geht's dann vermeintlich einfacher in eine überhängende Verschneidung, die aber gar nicht so gut zu nutzen ist. Gleich nach dem 'death block' (pfleglich behandeln) wartet nochmals eine zähe Stelle, bevor man dann in etwas einfacheres, aber immer noch anstrengendes Gelände entlassen wird. Irgendwie wurde ich mit dieser Seillänge nicht ganz so warm. Irgendwie fehlt der Kletterei etwas die Eleganz und die Felsqualität ist auch nicht top.

Das Bild zeigt die Steilheit der oberen Seillängen an der Titlis Nordwand sehr schön! Und jene der Nase erst recht.
Um 14:15 Uhr und damit nach 4:15h Kletterei sind wir am Top. Eigentlich waren es ja 'nur' 6 Seillängen, aber wir verspüren doch eine gewisse Müdigkeit und vor allem Durst! Aber kein Wunder, die Seillängen sind ja alle recht lang, steil und nicht geschenkt. Mit Freude stelle ich fest, dass ich auch nach meiner vierten Tour in der Titlis Nordwand noch nie das Seil belasten musste und alle Seillängen frei durchsteigen konnte - irgendwie schon verrückt, bei einem solch steilen Gemäuer! Ausser einem beeindruckenden Tiefblick gibt's am Top der Pipistrello nicht viel zu holen, so dass wir uns schon bald auf den Weg in die Tiefe machen. Die obersten 2 Seillängen sind massiv überhängend und die Seilenden baumeln weit weg vom Fels in der Luft. Konzentration und Beherrschen der Abseiltechnik sind absolut unerlässlich, sonst kann es böse enden! Aufgrund der Wärme hat die Schneemelze zugelegt, so dass die Wasserfälle an Intensität zugenommen haben. Je nach Wind wird man in den oberen Seillängen kühl geduscht, die Einstiegsplatten sind inzwischen komplett nass. So seilen wir die unteren 3 Längen über die Süpervitamin ab, in der Hoffnung etwas weniger feucht am Einstieg anzukommen. Das gelingt mehr oder weniger, aber dank der warmen Temperaturen ist die Erfrischung auch nicht weiter störend. Als wir zurück am Einstieg sind, erscheint dort auch schon die Sonne.

Die Abseilerei ist sehr eindrücklich und erlaubt keine Fehler im Handling.
Für uns bleibt noch der Rückweg übers Band und dann vor allem, die Überwindung der Randkluft zurück auf den Schnee. Im Hinweg hatten wir das ja mit einem Sprung gemacht, was sich im Abstieg nicht replizieren lässt. Wir finden aber schliesslich einen Weg, wie wir in der Randkluft emporklettern können und im Teamwork den heiklen Mantle aufs Schneefeld meistern. Der Rest vom Abstieg ist dann Formsache. Ich habe meinen Ultraleicht-Gleitschirm mitgeführt, mit dem ich bequem ins Tal gleiten möchte. Wie schon im Vorfeld befürchtet, entpuppt sich das als nicht so einfach. Auf dem Galtiberg herrscht überall zügiger Abwind, absolut unmöglich da in die Luft zu kommen. Solange es noch solch grosse Schneefelder hat, dürfte das wohl meist der Fall sein, erst recht an einem solch bockstabilen Hitzetag wie heute. So gehen wir halt zu Fuss. Oberhalb der Hohfaldalp spüren wir plötzlich die Hitze und endlich, Windstille! So will ich es doch noch versuchen. Bis aber alles parat ist, bläst auch hier der Abwind. Ich beschliesse aber zu warten und werde belohnt. Nach 10 Minuten steht die Luft nochmals kurz still und ich kann die Chance gleich nutzen. Über den Golfplatz und mit für einmal ungewöhnlicher Perspektive auf den Schlänggen gelange ich ins Tal. Noch bevor ich nach der Landung alles eingepackt habe, ist meine Begleiterin (die zu Fuss abgestiegen ist) auch schon da. Zeitlich hat sich der Flug also nicht gelohnt, Spass hat's trotzdem gemacht.

Das war ein fabrikneues Seil... man könnte jetzt sagen, dass das Urtier die Seilenden schlecht verschweisst. Aber es ist halt eben so, dass es nach 100m freiem Fall einen gewaltigen Peitschenknall gibt, und das machen die Seilenden einfach nicht mit.
Facts

Titlis Nordwand - Pipistrello 7b+ (6c+ obl.) - 6 SL, 275m - Ruhstaller/Rathmayr/von Känel 2017 - ****;xxx
Material: 2x50m-Seile, 12 Express, Cams 0.4-1 für L1-L3, danach nicht mehr einsetzbar.

Eindrückliche Linie durch die irre steile Titlis Nordwand in unmittelbarer Nachbarschaft zur bereits bekannteren Süpervitamin. So erstaunt es wenig, dass der Charakter der Route sehr ähnlich ist: zwei plattige Einstiegslängen an Knobs, zwei eher senkrecht-leistige Längen und der luftige, athletische und henklige Abschluss mit 2 weiteren Seillängen. Gefallen hat mir die Pipistrello etwas weniger gut als Süpervitamin und Duracell, aber besser als Lochblick. Solche Eindrücke sind aber immer subjektiv und auch vom persönlichen Erlebnis gefärbt. Wobei es in der Pipistrello schon Zonen gibt, wo der Fels nicht 1a-Qualität hat. Selbst in der Cruxlänge bedient man hier und da etwas dubiose Henkel. Zudem ist die Route noch wenig abgeklettert und immer wieder brechen an Tritt und Griff kleine Spitzli oder etwas 'brösmelet' etwas, was sich jedoch mit weiteren Wiederholungen sicher verbessert. Auf den Bändern liegen wie überall in der Titlis Nordwand viele 'Bomben' herum und Abseilen garantiert ohne Steine auszulösen ist nicht möglich. Deshalb grösste Vorsicht, wenn andere Leute unterwegs sind! Ebenso liegt der Einstieg und die ersten Seillängen genau in Falllinie eines Couloirs, was bei Schneeresten, Gewittern usw. objektiv gefährlich ist. Mit Inoxbolts abgesichert ist die Route gut, aber auch nicht besser als das. Im einfachen Gelände wurde eher materialsparend eingerichtet und während die schwierigen Stellen fair und sinnvoll gebohrt sind, so muss man auch hier im anhaltenden wenn auch griffigen Gelände deutlich über die Haken steigen. Die Angaben für mobile Sicherungsmittel im Originaltopo sind unseres Erachtens eher grosszügig ausgefallen. Gelegt haben wir total schliesslich genau 3 Cams der Grössen 0.4, 0.5 & 1. Mehr war nicht nötig oder dann konnten wir in den einfacheren Runouts keine zuverlässigen Placements identifizieren.

Das Topo der Erstbegeher. Vielen Dank Reto, Bernd & Peter!

Donnerstag, 20. Juni 2019

Mittagflue - Abadia (7a)

Die Mittagflue ist für ihre Plaisir-Klettereien in der Südwandplatte bekannt und beliebt. Von der Abadia, welche grösstenteils in der steileren Westwand verläuft, hört man hingegen nur relativ wenig. Ich stellte mir immer die Frage, woran das wohl liegen möge. Die Qualität der Kletterei kann es jedenfalls nicht sein: interessante und abwechslungsreiche Seillängen führen zum Prunkstück, der stark überhängenden, henkligen und äusserst luftigen 7a. Ich habe ja im Berner Oberland weissgott schon viele MSL-Pitches geklettert, aber die Crux der Abadia ist definitiv eine der besten! 

Die charakteristische Mittagflue im Grimselgebiet unweit vom Ausgangspunkt gesehen. Die Abadia verläuft (meist) unmittelbar links der Schatten/Sonnengrenze in der steilen Westwand. Im sonnigen Plattenschuss befinden sich diverse, sehr beliebte Plaisirrouten im fünften Franzosengrad.
Meine 9-jährige Tochter wollte mich auf eine MSL begleiten. Nach ausgiebigem Topostudium einigten wir uns auf die Abadia. Das Spezielle daran: die figurierte auf meiner persönlichen Projektliste und nicht auf meiner Kids-Projektliste. Jetzt ist es also soweit! Kurzfristig ergab sich dann auch noch die Möglichkeit, endlich einmal die Mission "Spanking the Frido" anzutreten. Sprich, ein Kollege kam auch noch mit und endlich konnte einmal der schon ältere Wunsch meiner Tochter erfüllt werden, ihm auf einer MSL zu zeigen, wie gut sie schon Klettern gelernt hat. Über die Bedingungen war ich im Vorfeld etwas im Unklaren. Im Frühsommer 2019 lag in den Alpen noch extrem viel Schnee und leider gibt's in der Gegend keine Webcam, welche die Situation repräsentativ zeigt. Doch der Einstieg der Mittagflue liegt nur auf 1400m, das Top auf 1750m und sie geht generell früh in der Saison. Sollte also machbar sein, und perfekt wie erhofft war es dann auch.

Aus der Nähe ändert sich die Perspektive! Verlauf der Abadia, der Einstieg ist auf dem Bild nicht sichtbar.
Obwohl an diesem Tag erstmals im Jahr die 30-Grad-Marke geknackt wurde, befürchtete ich eher frühmorgendliches Kältezittern in der schattigen Westwand als später schon zu extreme Hitze. Somit entschieden wir uns für einen späten Aufbruch, zumal dies auch absolut dem Gusto aller Beteiligten entsprach. Wie sich zeigen sollte, lag ich mit dieser Einschätzung goldrichtig. Somit brachen wir erst um 10.50 Uhr bei Tschingelmad (1160m) auf, etwa 5-6 andere Seilschaften waren bereits mit dem Ziel einer Plaisirroute in der Südwand unterwegs. Der Zustieg umfasst gerade etwa 300hm, je nach Gehtempo macht das eine gute halbe Stunde. Wie so oft im Frühling war am Wandfuss noch ein steiles Schneefeld vorhanden. Sofern dieses hart ist, entpuppt sich eine Überquerung ohne alpine Ausrüstung (Bergschuhe, Pickel, evtl. Steigeisen) als heikel und gefährlich. Um den ca. 50hm tiefer liegenden Einstieg der Abadia zu erreichen, konnte der Schnee gerade unten herum umgangen werden. Um rund 11.45 Uhr waren wir aufgeschirrt und es ging los.

L1, 45m, 6a+: Steilplattige Kletterei der Marke "gar nicht so einfach". Alles ein bisschen rund und abschüssig, noch dazu ziemlich anhaltend, ohne auch mal über den Haken beherzt anzutreten geht's nicht. Der Stand dann wieder einmal in typischer Remy-Manier. 3m tiefer oder 3m höher könnte man offensichtlich bequem stehen, aber nein mitten in der Steilzone befindet sich der Hängestand.

Der Einstieg scheint schon weit entfernt, aber wir befinden uns erst am Ende der langen und ziemlich anspruchsvollen  L1 (6a+). Im Hintergrund die Schneesituation. Solange der Schnee hart ist, bleibt die Querung des Couloirs heikel. Zur Abadia liess er sich jedoch untenrum umgehen.
L2, 35m, 5a+: Diese Seillänge hätte sich fürs Aufwärmen hingegen bestens geeignet: gemütliche und schön griffige Kletterei, ein echtes Plaisir!

L3, 40m, 6b+: Kurz links und dann in die kompakte Wand hinauf, wo einige kleine Leisten gehalten werden müssen. In der Folge geht's weiter schön, aber etwas gemässigter dahin bis zur kniffligen Crux. Hohes Aufstehen auf eine gute Trittleiste aber ohne Griffe ist gefragt und zwar ohne, dass man nach hinten wegkippt. Das Finish etwas kühn über eine Platte regt auch nochmals zum Nachdenken an.

Die nicht banale und auch nicht eben kurz abgesicherte Platte am Ende von L3 (6b+). Die Nachsteiger haben gut lachen!
L4, 30m, 6a+: Schon bald nach dem Auftakt eine kurze Cruxsequenz an ein paar Leisten. Sicherlich etwas grössenabhängig, nach meinem Geschmack eher gutmütig für den Grad. In der Folge dann einfacher und (nicht ganz einfach zu finden) zu Stand auf der Kante.

L5, 40m, 5b: Mehr oder weniger direkt der Kante entlang aufwärts, ohne dabei nach rechts in die Route "Südkante" abzudriften. Das ist ziemlich verlockend, weil die dort steckenden Inox-BH deutlich besser sichtbar sind wie die angerosteten Exemplare der Abadia. Schöner Genuss!

L6, 35m, 5b: Auch wieder +/- der Kante entlang hinauf, maximal leicht rechts davon. Erneut ist man dann richtig, wenn man die alten, verrosteten Haken mit (weitgehend) Mammut-Plättli klippt. Ebenso schöne Genusskletterei wie in L5, jedoch einiges einfacher als jene?!? Zuletzt dann unbedingt den unteren Stand der Abadia benützen und nicht jenen der Südkante 3m diagonal rechts oben.

Genüssliche Kletterei rechts der Kante in der Südwandplatte in L6 (5b).
L7, 40m, 6b: Nun geht's wieder in die Westwand! Horizontale Querung von 5m, dann gerade hinauf über eine sehr fotogene Leistenwand. Nochmals etwas nach links, um dann der ausgeprägten Rampe zu folgen. Prima Kletterei, recht anhaltend, mir kam's ingesamt aber doch deutlich leichter wie L3 vor. ACHTUNG: wenn man diese Länge klettert, so muss man danach bis zum Routenende durchsteigen, um Abseilen zu können!!! Sprich von den Ständen 7-9 ist ein Rückzug nicht möglich!!! Gut, was ist schon unmöglich... aber man nehme mich beim Wort, wer irgendwo von den Ständen 7-9 zurück muss, hat wegen dem traversierenden Routenverlauf im überhängenden Steilgelände echt massiv die Arschkarte gezogen!

Coole Kletterei und super fotogener Routenverlauf in L7 (6b), die wieder zurück in die Westwand führt.
L8, 45m, 6a+: Der Rampe entlang weiter, nach ca. 25m muss man rechts abbiegen und über einen kurzen Überhang in die steile Wand darob steigen. Das ist nicht so offensichtlich, es stecken nur relativ wenige Bolts und zudem sind auch noch die beiden Nachbarrouten "Formkurve" und "Stabon" hier in der Nähe. Es kam wie es kommen musste, unser Vorsteiger wählte eine falsche Abzweigung, so dass wir schliesslich in der Stabon strandeten. Das Malheur wieder zu korrigieren war dann eine etwas aufwändige Geschichte :-/. Anyway, das Finish von L8 noch recht kühn (6a+ deutlich über dem Bolt obligatorisch, meine ich). Sowieso dünkte mich diese Länge klar schwieriger wie L7, ich würde wenn, dann auf jeden Fall hier 6b und dort nur 6a+ geben.

Die Sache spitzt sich zu in L8 (6a+). Der Weg nach Hause führt unweigerlich über den oben drohenden Überhang!
L9, 30m, 7a: Nun eben das Prunkstück: überhängende Henkelzieherei entlang von schwach ausgeprägten Verschneidungen und über 3 kleinere Dächer hinweg. Und das Ganze mit 300m Luft unter dem Hintern in äusserst luftiger Position. Einfach absolut genial, mir hat das mega Spass gemacht und ich konnte diese Länge (wie auch die ganze Route) souverän onsighten. Genau in solchen Momenten amortisieren sich die jahrelangen Mühen um auf dieses Niveau zu kommen einfach 1000x. Erwähnt sei, dass die Haken zwar teilweise sehr eng stecken, dann aber zwischendurch auch wieder mal zwingend mehrere Meter geklettert werden müssen. D.h., dass der Vorsteiger 6b+ schon einigermassen souverän beherrschen sollte, insbesondere wegen der fehlenden Rückzugsmöglichkeit! Am hinteren Seilende geht's in solch steilem Gelände ja nicht wirklich besser und wenn der Nachsteiger im dümmsten Moment stürzt, so erreicht er u.U. den Fels nicht mehr und muss eine Prusikaktion durchführen. Genau so ist es passiert und es hat uns eine ganze Menge Zeit gekostet, dieses Malheur wieder zu beheben.

Yours truly on lead in L9 (7a). Schwierig wahrzunehmen, wie steil und athletisch die Länge ist!

Da ist einer auf dem Weg zu 'Schinken luftgetrocknet' ;-) Unglaublich luftige und exponierte L9 (7a).
L10, 50m, 5b: Die verschiedenen Ausgaben vom Plaisir West zeigen hier unterschiedliche Gegebenheiten, wobei mich die ältere Version mehr überzeugt hat. Zuerst gerade hinauf, dann leicht rechts haltend über 3-4 rostige, schlecht sichtbare Remy-Bohrhaken. Dann schien mir eine 5m-Querung nach rechts in die "Südkante" der logische Weg, auf dieser noch 10m aufwärts zum oberen Ende der Wand. Fürs Abseilen viel bequemer dann noch 7-8m der Kante entlang hinauf zu einem weiteren Muniring bzw. Abseilstand mit Kette.

Geschafft! Die letzten Meter zum Top in L10 (5b). 
Um 18:15 Uhr und damit erst nach geschlagenen 6:30h hatten wir als letzte Seilschaft am Berg doch noch das Top erreicht. Zwei Verhauer und das "Baumel-Malheur" hatten massiv Zeit gefressen, dazu die Dreierseilschaft und mehrere Führungswechsel: unsere Zeit ist deswegen nicht wirklich repräsentativ - nicht dass noch jemand denkt, meine Tochter klettere bloss wie eine Rennschnecke ;-). Aber schlussendlich spielt das ja keine Rolle, Wetter und Stimmung waren bestens und wir hatten das Top erreicht. Da sonst bereits niemand mehr in der Wand war, setzten wir guten Gewissens aufs Abseilen anstatt dem Weg oben- und aussenherum. Aufgrund meiner Beobachtungen schien mir dies über die Route 'Durststrecke' deutlich speditiver zu machen zu sein als über die 'Südkante' (da steileres, plattigeres und weniger strukturiertes Gelände). So sind es dann 8 Strecken à jeweils 35-40m. Wir verzichteten darauf, im unteren Teil über die Westwand bzw. die Abadia zurück zum Einstieg zu seilen. Es wären 2 zusätzliche Strecken fällig, mit einem kurzen Fussabstieg um die deponierten Sachen aufzulesen ist man sicher deutlich schneller. Schlussendlich schloss sich der Kreis um 20:15 Uhr am Parkplatz. Die Kleine? Bis auf die 7a konnte sie alle Seillängen im Nachstieg flashen. Sie meinte auf dem Rückweg, sie sei jetzt müde, aber es sei cool gewesen. Dann begann sie davon zu sprechen, welche MSL sie mit welchen Begleitern als nächstes Klettern möchte. Das dürfte man dann wohl als ziemlich gutes Zeichen werten... :-)



Facts

Mittagflue - Abadia 7a (6b+ obl.) - 10 SL, 400m - C. & Y. Remy 1991 - ****;xxx
Material: 1x oder 2x50m-Seile, 12 Express, Keile/Cams kaum notwendig

Schöne und abwechslungsreiche Granitkletterei durch die Westwand und auf der Südkante an der eindrücklichen Struktur der Mittagflue. Es warten 4 Seillängen aus dem Genre Plaisir, 5 durchaus fordernde Strecken im Bereich 6a+/6b sowie die exquisite, luftige und henklig-überhängende Crux. Insgesamt ergibt das ein Produkt, welches m.E. eher dem Genre "alpines Sportklettern" als einer Plaisirtour gleichzusetzen ist. Dies insbesondere auch aufgrund der fehlenden Rückzugsmöglichkeit ab L7. Mit hat das prima gefallen und ich gebe solide 4 Sterne! Die Absicherung darf man als gut (xxx) bezeichnen. Die nötigen Bolts stecken und sind an den Schlüsselstellen sinnvoll und angemessen platziert. In den einfacheren Passagen und auch ein paar mehr fordernden Stellen wartet aber doch der eine oder andere Runout. Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass die ungünstige Mischung von verzinkten Ankern und rostfreien Plättli verwendet wurde. Die Korrosion hat seit 1991 zum Teil schon massiv genagt... aktuell scheint's mir noch safe machbar, aber ewig taugen diese Bolts nicht mehr. So haben sich die Haken auch farblich sehr stark dem Gestein angeglichen. Aufgrund der Felsstruktur sind sie oft nur schwierig erkennbar, so dass die Route in manchen Passagen nicht so einfach zu finden ist und ein Gespür für den Verlauf erfordert. Ich hatte, wie es in der Literatur empfohlen wird, einen Satz Cams am Gurt. Gelegt habe ich schliesslich keinen einzigen. Nach meinem Empfinden sind sie verzichtbar. Wegen der fehlenden Rückzugsmöglichkeit im oberen Teil und weil man bei Gegenverkehr nicht über die Südwandrouten abseilen sollte, kann man die Route auch mit einem 1x50m-Seil angehen. Ein Topo findet man im Plaisir West oder auch im Topoguide Band II.

Dienstag, 11. Juni 2019

Gastlosen - Nikita (7b)

Die Nikita an den Gastlosen, wie oft habe ich die schon ins Spiel gebracht, als es um die Auswahl einer MSL-Route ging?!? Es muss wohl unzählige Male gewesen sein. Immerhin geht ihr der Ruf voraus, eine der besten und längsten Routen auf der Südseite der Gastlosen zu sein. Doch jetzt, an Auffahrt 2019, wo in vielen Gebieten noch zu viel Schnee zum MSL-Klettern lag, war der Zeitpunkt gekommen. Tatsächlich trafen wir vor Ort auf beste Bedingungen und die 17 SL Kletterei in prima Kalk erfüllten unsere Ansprüche vollends.

Routenverlauf der Nikita an den Marchzähnen in den Gastlosen. Die ersten 2.5 Seillängen sind auf dem Foto nicht einsehbar.
Unsere Tour begann um 8.50 Uhr beim kleinen Parkplatz an der Kantonsgrenze BE/FR auf 1480m. Dieser ist bald einmal komplett gefüllt und da ausserhalb davon Parkverbot herrscht, kann man bereits bevor es losgeht auf erhebliche Schwierigkeiten treffen. Dies betraf uns zum Glück nicht. Ebenso ist man geheissen, 7 CHF in Form von Münzen in die montierte Kasse zu werfen. Da die Parkgebühr anonym einkassiert wird, kann nicht kontrolliert werden, wer bezahlt hat und wer nicht. Viele wird es wohl dazu verführen, sich den Obulus zu sparen. Nein, eine Busse gibt's logischerweise keine. Aber der Kassenwart zählt halt einfach das Geld in der Kasse und die Anzahl vorhandener Autos. Gibt's einen Fehlbetrag, so sind "die Kletterer" die Schuldigen und die langfristigen Folgen kann man sich leicht denken. Also, bitte bezahlen!!!

Endlich folgt nach dem regnerischen Mai 2019 ein herrlicher Tag. Es kann losgehen mit der MSL-Saison!
Der Anmarsch ist dann eine kurze Sache. Aufgrund mühsam zu begehender Geröllreissen sollte man sich davor hüten, sich (zu) direkt zum Einstieg heranzupirschen. Besser ist eine Linksschleife, d.h. erst die Wegspur Richtung Oberbergpass verfolgen und dann am Wandfuss queren. Weil im Boden unterhalb der Wände noch recht viel Schnee liegt, sind wir bald off-track unterwegs. Ist aber nicht weiter wichtig, nach 20 Minuten sind wir am Einstieg, der aktuell noch recht gut lesbar mit goldener Farbe beschriftet ist. Allzu lange brauchen wir nicht, bis wir parat sind, um 9.30 Uhr geht's los. Allerdings sollte man sich auch nicht zu lange und auch nicht zu unvorsichtig im Einstiegsbereich aufhalten. VORSICHT: dieser ist genauso wie die ersten 4 SL etwas dem Steinschlag aus dem markanten Couloir ausgesetzt. Nie ohne Helm und bei ungünstigen Verhältnissen (Schneereste, Gewitter) wird es auf diesem untersten Routenabschnitt sicher heikel.

L1, 6b: Schwieriger Auftakt schon gleich am ersten Haken vorbei mit kniffliger Kletterei an kleinen Löchern. Während es danach zuerst etwas einfacher vorangeht, wartet am Schluss nochmals eine schwierige Querung nach links mit dem Problem, sich in den ansetzenden Wasserrillen zu etablieren. Fand ich im Vergleich eine harte 6b!

Schöne Kletterei in L1 (6b), aber nicht geschenkt. Schon gleich am ersten Haken wartet eine knifflige Stelle.
L2, 6b: Eine der am wenigsten attraktiven Seillängen. Gerade hinauf, erst geht's noch gut, doch dann wird es ungemein glatt. Man kann aber vorerst rechts ins Gemüse ausbüxen, so ist das wohl auch gedacht (ansonsten sicher deutlich schwieriger wie 6b!). Unweigerlich gilt es dann aber doch, die glatte Platte nach links zu queren. An der richtigen Stelle geht's aber mit 1x entschieden Antreten gut.

L3, 6b: Sehr schöne Seillänge mit plattiger Kletterei. Erst noch keine harte Währung, in der Mitte muss kurz anspruchsvoller auf Reibung angetreten werden, bevor ein prima Ausstieg an Wasserrillen folgt. Dort macht die ansonsten sehr gute Absicherung kurz Pause und es ist ein kleiner Runout über einer Sanduhrschlinge nötig.

Eine plattige Stelle führt in L3 (6b) zu sehr schönen Wasserrillen, wobei ein kleiner Runout zu meistern ist.
L4, 6b: Kurz rechts, dann gerade hinauf, das Schuttcouloir überqueren und dann in griffig-athletischer Kletterei durch die steile Wand links. Das geht prima, knifflig wird's erst zum Schluss, wo eine vom Steinschlag glatt polierte Platte ziemlich zwingend zum Stand hin erklettert werden muss.

L5, 6c: Nun gilt es das erste Mal richtig ernst mit einer der anspruchsvolleren Seillängen. Schon die ersten Meter nicht ganz einfach, bevor dann unter dem Dach eine Herausforderung wartet. Wenn man es ungünstig macht, ist die Plattenstelle richtig heftig (>6c). Doch wer die richtige Lösung sieht, kommt im angegebenen Grad durch. Dann kurz athletisch am Dach, das sich jedoch prima auflöst. Das Finish dann nochmals knifflig und fordernd über die glatte Platte.

Hier, am Anfang von L5 (6c) legt die Route noch eine Schippe drauf. 
L6, 6b+: Supergeniale, ziemlich anhaltende Turnerei an Löchern und Leisten in der senkrechten Wand, nach meinem Empfinden die beste Seillänge im unteren Teil. Fand ich eher gutmütig für den Grad. Zum Schluss muss man entweder Sanduhren fädeln oder etwas weitere Abstände im 6a-Gelände in Kauf nehmen.

L7, 6a+: Schöne Kletterei über den Pfeiler. An zwei entscheidenden Stellen kann man etwas rechtshaltend ausweichen, das macht's zur 6a+. Fast ein wenig schade, dass man nicht die direkte Linie wählen muss - dann wäre es aber 6c oder mehr.

Der Fels ist meist super, aber im Rückblick ist's selten so richtig fotogen im unteren Teil. Hier in L7 (6a+) aber schon.
L8, 6c+: Zum Schluss die nominell schwierigste Seillänge im unteren Teil. Die Querung nach rechts ging mir problemlos (evtl. etwas grössen- bzw. reichweitenabhängig?!?), "the meat of the pitch" folgt in der fusstechnischen, linksliegenden Verschneidung danach. Ein paar Mal sauber antreten, schon bald geht's wieder besser. Trotz der guten Absicherung Vorsicht, dass man bei einem Sturz keinen Salto übers Seil macht! Zuletzt geht's dann einfacher hinauf zum Stand.

L9, 2a: Die Überführungslänge zum oberen Teil. Erst 10-15m einen maroden Fixseil entlang. Es wäre schön, wenn eine nachfolgende Seilschaft dieses ersetzen würde und aufs Diagonalband, welches sich für eine Pause anbietet. Schliesslich ist im oberen Teil doch noch einiges an Kraft nötig!

L10, 7a+: Das mit dem "Kraft nötig" gilt hier bereits für die allerersten Meter. Eine nicht sonderlich griffige Schuppe will "très physique" in Gegendruck-Technik gemeistert werden. Für die Füsse gibt's nicht wirklich viel ausser die etwas schmierige Wand. Zu allem übel war diese auch noch stellenweise nass, da es unter der Schuppe noch rausdrückte. Hart am Limit und zuletzt mit einem weiten, dynamischen Zug an den Henkel konnte ich hier onsight passieren. Meine Wahrnehmung: da hat mir die Technik aus den Boulder-Wettkämpfen in letzter Zeit die Idee und die Möglichkeiten zur Ausführung gegeben. Damit ist es aber nicht vorbei. Nach einem Rastpunkt folgt eine Stelle an Tropflöchern mit schwierig zu klippendem Bolt mitten in der Sequenz. Erneuter Schüttler, dann technisch nach rechts moven. Erneute Pause, dann zur abschliessenden, sehr technischen Sequenz bei der Fixschlinge, die nochmals um 7a/+ ist.

Am Anfang von L10 (7a+) hat der Sicherer nicht wirklich die Hände frei, um Fotos von seinem Vorsteiger zu schiessen. Danach hat man keinen Sichtkontakt mehr und im Rückblick ist die Seillänge wiederum nicht fotogen. So präsentiere ich an dieser Stelle halt schon einen Ausblick auf die fantastische Cruxlänge L12 (7b).
L11, 6b+: Eine etwas weniger schöne Länge, teilweise etwas grasig. Erst ein bisschen plattig und problemlos nach rechts, dann an einem Riss aufwärts, wohl teilweise gemeinsam mit einer älteren Schlaghaken-Route. Da muss man schon kurz mal hinschauen, aber für 6b+ fand ich das jetzt eher gängig.

L12, 7b oder 6c/A0: Nun auf in die absolut geniale Cruxlänge "Verdon Memoires". Der Auftakt über die Platte noch problemlos, doch das Steilgelände kommt. Zuerst athletisch in einer grossen links/rechts-Schleife an noch guten Griffen. Charakteristisch der weite Move, der an einem Dreckloch eingeleitet wird. Pfff, da wäre ich doch fast rausgeflutscht. Dann geht's an relativ guten Tropflöchern links aufwärts, bis zur Passage mit den 3 eng steckenden BH. Wie erwartet werden die Griffe/Tritte schlechter, abgefahrene Moves sind gefordert. Zudem gilt es, die richtige Lösung zu erraten, sonst kann man sich gehörig in eine Sackgasse manövrieren. Das ist nicht so einfach... aber mehr zu sagen, wäre leider zu viel ;-) Endlich folgt danach ein besserer Griff, doch wer sich bereits am Ziel wähnt, hat sich getäuscht. Die Klimax besteht in der intensiven, kniffligen und unübersichtlichen Sequenz zur Kette. Leider war ich hier irgendwann über der Schwelle: nur noch graues Flimmern, aufgehende Finger... und fertig war's mit dem Onsight-Gesamtdurchstieg. Schade, aber wäre es nicht ein Spiel, wo man auch verlieren könnte, so wäre das Klettern kein interessantes Game. Subjektiv würde ich der Länge bis zum Henkel nach den 3 eng steckenden Bolts bereits 7b geben, mit dem Finish denke ich, ist's eher 7b+. Aber vielleicht lag's ja an mir... Wer die Schwierigkeit nicht ganz drauf hat, kommt hier wohl schon recht gut A0 durch, ob's aber mit nur 6b obligatorisch reicht, da bin ich dann doch nicht so sicher. 

Die Cruxlänge (L12, 7b, 'Verdon Memoires') ist wirklich hammermässig gut. Nach einer noch machbaren ersten Hälfte werden die Griffe immer kleiner und die Kletterei ziemlich technisch. Fürs Anklettern und saubere Klippen (!!!) der Kette behält man besser noch ein paar Körner im Tank!
L13, 6b+: Lustiger Auftakt, wenn da nicht gerade dieser Henkel wäre, so wäre diese Stelle dann bald einmal nahezu unmöglich! Bald darauf folgt eine für den Grad 6b+ ziemlich heftige Platten-Einzelstelle. Einmal geschafft, cruist man die Verschneidung hinauf. Schon erstaunlich, wie viel einfacher die Kletterei ist, sobald es ein paar gute Tritte hat! Dann Stand rechts aussen.

L14, 6b+: Der Kante entlang aufwärts... aber wo genau? Links, direkt oder auch mal rechts, wo sich eine alte Schlaghakenroute befindet? Mir war das nicht ganz klar und rückblickend bin ich hier wohl einen kompletten Stiefel zusammengeklettert. Musste mich richtig zusammenreissen und Moves am Limit machen, dass ich durchkam. Mein Kletterpartner blieb dann im Nachstieg konsequent links der Kante und es sah bei ihm viel einfacher aus wie bei mir.

Luftige Linienführung und schöne Kletterei in L14 (6b+).
L15, 6a: Abschlussstück weiter entlang oder etwas links der Kante, teilweise gemeinsam mit der alten Route. Bisschen gesuchte und umgehbare Cruxsequenz in der Mitte.

L16, Gehgelände: Man kommt hier fast nicht darum herum, den Stand 10m nach links an den Fuss des finalen Aufschwungs zu verschieben. Ansonsten sollte der Vorsteiger zu Beginn der letzten Länge dann definitiv nicht stürzen...

L17, 6c: Der Auftakt schon steil an nicht ganz so griffigen Rissen, ich konnte ihn jedoch trickreich überlisten. Die folgende Passage nach rechts hinaus ist dann aber einfach nochmals schwierig. Plattig antreten bei Bedienung von Unter- und Seitgriffen, inklusive schwierigem Klipp mitten in der Crux. Es braucht nochmals Kraft und ich fühlte mich irgendwie am Limit. Aber wenn das Pulver einmal verschossen ist, so kann einem eben auch 6c auf die Pelle rücken, das ist ja nichts Neues.

Yeah! Il Turista mit den Boulderschüehli auf dem Petit Grenadier.
Ein paar Minuten nach 16:00 Uhr und damit gut 6:30h Kletterzeit sind wir am Top. Der finale Stand befindet sich etwa 8m unterhalb vom Gipfel des Klein Grenadier. Als echter Alpinist wollte ich aber natürlich nicht dort umdrehen. Ganz oben gibt's auch einen Stand und da man ab hier eh nur bis zum Stand nach L15 zurück kann, war auch das Seil abziehen aus dem eher ungünstig gelegenen Gipfelstand gut möglich. Wir geniessen ein wenig die Rundsicht an diesem fantastischen Bergtag, die Berner Alpen stehen wunderschön aufgereiht vor unserer Nase. Nach einer Weile geht's an den Rückweg. Wir haben die 2x50m-Seile mitgenommen, so sind 8 Manöver fällig. Vom Stand nach L11 reicht's gerade zu jenem nach L8, d.h. die Fixseilpassage und das Seil aufnehmen dazwischen kann man sich sparen. So dauert die Abseilerei knapp 1h und der Abstieg zum Auto danach ist im Nu erledigt, da man schön im Geröll abfahren kann. So braucht's zuletzt nur noch etwas Ausdauer hinter dem Steuer. Unser Fazit: es mögen im 2019 noch manche solche MSL-Tage wie dieser folgen!

Das grandiose Panorama vom Top der Route.

Facts

Gastlosen - Nikita 7b (6b obl.) - 17 SL, 400m - G. Buchs et al. 1999 - ****;xxxx
Material: 2x50m-Seile, 14 Express, Keile/Friends nicht nötig & kaum einsetzbar

Eine der längsten und besten Routen auf der Südseite der Gastlosenkette. Die untere Hälfte ist eher plattig und verläuft in schönem, wenn auch manchmal etwas glattem Fels. Die Wand ist jedoch stark gegliedert und neben der Route oft grasdurchsetzt. Ein wenig muss man befürchten, dass man während dem Klettern nebenan von einem T6-Hikr überholt wird. Klar ist jedoch, dass die Route das Maximum aus diesem unteren Teil herausholt, trotzdem würde ich für die erste Hälfte nur 3 Schönheitssterne geben. Die obere Hälfte hat dann mehr Schwung, Exposition und bietet richtiges Wandfeeling. Die zwei Cruxlängen bieten recht anhaltende Schwierigkeiten, die Kletterei ist oben generell deutlich athletischer wie unten. Die Route ist von den Abständen her gut bis sehr gut abgesichert, zwingende Stellen oder längere Runouts kommen kaum vor. So ist es komplett unnötig, mobiles Sicherungsmaterial mitzuführen, sowieso wäre dieses auch kaum zu platzieren. Zu erwähnen ist jedoch, dass die ungünstige Mischung von verzinkten Ankern und rostfreien Plättli verwendet wurde. Die Korrosion hat an manchem Sicherungspunkt schon deutlich sichtbar genagt. Stand 2019 lässt sich die Route noch ohne grössere Sorgen machen, noch einmal 20 Jahre werden die Haken aber kaum überdauern. Wie im Text bereits erwähnt: die untere Hälfte, insbesondere der Einstiegsbereich und die ersten 4 Seillängen sind etwas dem Steinschlag ausgesetzt. Helm auf, Ohren spitzen und bei ungünstigen Verhältnissen verzichten. Ein Topo zur Route findet man z.B. im Extrem West oder im Gastlosen-Führer, auch ins Werk Moderne Zeiten hat die Nikita Aufnahme gefunden.

Mittwoch, 5. Juni 2019

Skitour Piz Tiarms (2917m)

Endlich sollte über die Auffahrtstage 2019 der Sommer einkehren. Andererseits war der Winter ja noch nicht weit weg. Das betraf auch mich persönlich, nochmals von einer Erkältung heimgesucht. Um am Limit zu klettern, fühlte ich mich noch nicht genügend fit. Doch für ein Rehatüürli im Schnee sollte es trotzdem reichen. Einfach nicht zu früh aufstehen und auch nicht unbedingt zu weit laufen. Weil ich's nicht so mag, einer Karawane von Leuten hinterherzuhecheln, wollte ich auch auf die populären und überlaufenen Touren verzichten. Daraus geworden ist schliesslich der Piz Tiarms, wo ich auf Einsamkeit und perfekte Schneeverhältnisse traf.

Aufstieg zur Fellilücke, in der rechten Bildhälfte prominent die vielbesuchten Hänge des Pazolastocks.
Ich startete um 7.30 Uhr auf dem Oberalppass und ging Richtung Fellilücke. Das Schmelzwasser in den Tümpeln war gefroren und die Schneedecke ab dem ersten Meter tragend, kompakt und doch griffig. Gemütlichen Schrittes und ohne Schwierigkeiten ging es, bereits an der Sonne, zur Fellilücke hinauf. Dort der Wechsel in die noch schattige, westexponierte Flanke die gegen die Wyssenlücke (P.2826) hinaufführt. Kurz vor dieser biegt man rechts ab und ersteigt den NW-Hang zum Piz Tiarms. Dieser wird immer steiler, zuoberst sind es gute 40 Grad - bei kompaktem Hartschnee ist auch das schon eindrücklich! Am Grat das Skidepot, dann sind es noch ein paar Schritte und Kraxelzüge zu Fuss, um 9.15 Uhr bin ich am Gipfel.

Blick von kurz unterhalb der Wyssenlücke auf den zuoberst bis 40 Grat steilen NW-Hang des Piz Tiarms.
Nachdem ich Panorama und Sonne für eine Weile genossen habe, breche ich talwärts auf. Man könnte zwar auf der Aufstiegsroute lohnend direkt zum Ausgangspunkt abfahren. Doch ich fühle mich noch fit genug für eine Extrarunde und wähle deshalb die noch schönere, rechte Mulde unter dem Fedenälpler. Auf leicht aufgefirntem Schnee kurve ich genial auf 2300m hinunter. Von hier wären es 180hm Gegenaufstieg zurück zur Fellilücke. Doch die Abfahrt weiter das Fellital hinunter lockt einfach zu sehr. So rausche ich beschwingt in perfektem Sulz bis ins Murmelsbiel auf 2000m, wo die Hänge flach werden und das Skivergnügen endet. Der Preis ist ein umso längerer Wiederaufstieg von nun beinahe 500hm. An der Sonne wird es warm und zuletzt zieht es sich ein wenig, da ich noch nicht wieder ganz bei Kräften bin. Auch die Abfahrt von der Fellilücke zum Pass ist dann nochmals sehr lohnend. Man kann mit dem Gelände bzw. dessen Exposition spielen und die Beschaffenheit des Schnee à discretion auswählen. Für dieses Vergnügen schon viel zu schnell bin ich retour am Pass, 10.30 Uhr zeigt die Uhr mittlerweile.

Das Fenster mit perfekten Bedingungen ideal getroffen :-)
Facts

Piz Tiarms (2917m) vom Oberalppass
Ski-Schwierigkeit ZS, 900hm, Zusatzschlaufe ins Fellital +500hm