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Donnerstag, 1. August 2019

Pilier Rouge de Blaitière - L'Eau Rance d'Arabie (6b+)

Auf der Vorderseite der Aiguilles de Chamonix war ich bisher (im Gegensatz zur Rückseite) noch nie am Klettern, also stand dies hoch auf meiner Wunschliste. Allerdings sind viele Routen lang und/oder sehr alpin, zudem sind sie generell schattig-kalt gelegen und somit kein geeignetes Kindergelände. Der vielleicht zugänglichste Sektor ist der Pilier Rouge an der Aiguille de Blaitière. Hier wollten wir es trotzdem probieren und die 'L'eau Rance d'Arabie' angehen. Ranziges Wasser oder maximal billiges Parfüm aus Arabien tönt zwar wenig attraktiv. Diese 8 SL umfassende Piola-Route hat ihren typisch französischen Wortspiel-Namen aber von dieser Person, deren Geschichte auch verfilmt wurde. 

Les Aiguilles de Chamonix. Der Einstieg von L'Eau Rance d'Arabie an der Aiguille de Blaitière ist mit dem Pfeil markiert.
Der Ausgangspunkt zur Route befindet sich auf Plan de l'Aiguille, der Mittelstation der Bahn zur Aiguille du Midi. Diese fährt im Sommer zwar grosszügig  von 6.30-18.00 Uhr, aber würde uns dieses Fenster reichen? Zu rechnen war ja mit meiner Tochter doch mit +/-2h Zu- und Abstieg, auf welchem auch schon teilweise gesichert werden muss. Wie immer ist es auch illusorisch, damit zu rechnen, dass man mit der ersten Bahn fahren kann. Wir standen schliesslich um 6.15 Uhr auf, kauften uns unterwegs ein Frühstück und waren um rund 7.00 Uhr vor Ort. Dass wir die einzigen wären, damit hatte ich nicht gerechnet. Aber damit, dass um diese Zeit bereits die halbe Welt auf den Füssen wäre auch nicht. Nachdem wir die unglaublichen 66 Euro für die Bahn gelöhnt hatten, wurden wir für die Bergfahrt um 7.50 Uhr eingeteilt. Das reichte also noch bequem, um Kaffee zu kochen, gemütlich zu zmörgelen sowie auf die Toilette zu gehen und sich die Zähne zu putzen. Um 8.05 Uhr liefen wir schliesslich auf Plan de l'Aiguille los.

Das Ziel ist bereits in Sicht. Allerdings sollte man nicht ungeduldig werden und sich blöd verhauen. Es gibt unzählige Pfade hier. Zuerst Richtung Lac Blanc (den wir allerdings nie zu Gesicht bekamen) und dann mehr oder weniger horizontal am Hang die Höhe halten ist richtig. Noch ohne grosse Mühen erreicht man einen ersten Moränenkamm, von wo man das Becken des Blaitière-Gletschers gut überblicken kann. Das Eis selber betritt man zwar nicht mehr (bzw. nur, wenn man zu hoch hinaufsteigt), aber trotzdem gilt es, einen guten und effizienten Weg durch das chaotische Blockgelände im Gletschervorfeld zu finden. Während die meisten diagonal aufwärts Richtung Zielpunkt gehen, schien es mir günstiger, möglichst tief bzw. sogar leicht absteigend zu queren, um möglichst bald die jenseitige Moräne zu erreichen, auf welcher ein guter Pfad verläuft. Diese Strategie war absolut richtig: sowohl auf- wie abwärts konnten wir hier andere Tourengänger trotz tieferem Grundtempo überholen. Nun ja, am Berg ist ja kein Wettkampf, aber wenn's darum geht, sich eine Platzkarte in der sehr beliebten Eau Rance zu sichern, ist schneller zu sein ein eminenter Vorteil.

Es gilt, vom Blockgelände möglichst rasch auf die Moräne zu kommen, auf welcher ein guter Weg verläuft (zwei Personen sind im Aufstieg sichtbar). Wir haben uns in dieser Querung daher tief gehalten, was mutmasslich schneller ist, wie wenn man in Luftlinie möglichst direkt zum Zielpunkt zu gehen versucht.

Aiguille du Plan mit ihren Vorgipfeln und die Aiguille du Midi.

Der gute Weg, der auf der Moräne Richtung Aiguille de Blaitière führt.
Nach der Moräne und einem kurzen, steileren Hang kommt man schliesslich in einen Kessel, in welchem ein (noch) permanentes Firnfeld liegt. Über dieses muss man zwingend aufsteigen. Es ist zwar nicht extrem steil, aber morgens an geeigneten Klettertagen doch gerne hartgefroren. So hätte man auf dem zuletzt 35-40 Grad steilen Untergrund keine Chance, einen Sturz noch zu stoppen. Ich hatte deshalb alpine Ausrüstung (Bergschuhe, Steigeisen, Pickel) mitgeführt, welche dann natürlich auch zum Einsatz gebracht wurde. Andere Tourengänger zeigten uns aber, dass es auch ohne ging, ja selbst mit Turnschuhen konnte der Schnee überquert werden. Das lag vor allem daran, dass von den Vortagen gute Fusstritte vorhanden waren. Nichtsdestotrotz, empfehlenswerte schien mir dieses eierige Tun nicht zu sein, ein Ausrutscher hätte verheerende Konsequenzen gehabt!

Nach dem Schnee wartet eine erste Kletterstelle in plattigem Granit, die gar nicht mal so einfach ist. Ich würde mal schätzen, auf jeden Fall ein guter Dreier, so dass wir an dieser Stelle das Seil auspacken mussten. Danach geht's dann im Gehgelände zur Scharte, wo man wieder auf die W-Seite wechselt. Es kommt gleich eine plattige, ziemlich exponierte Stelle, danach geht's dann im Kraxelgelände über Bänder besser voran Richtung Einstieg. Etwas vor 10.00 Uhr und damit mit etwas unter 2:00h Zustiegszeit waren wir schliesslich vor Ort. Natürlich waren wir weder die Ersten noch die Einzigen, im Einstiegsbereich tummelte sich eine ganze Menge von Personen. Schliesslich ging's dann besser auf als befürchtet. Nur eine einzige Seilschaft war vor uns für die Eau Rance da, eine weitere wollte denselben Einstieg benützen, um dann in der 7b-Tour unmittelbar rechts weiterzuklettern. So mussten wir noch ca. 45 Minuten warten, bis wir an der Reihe waren, was wir für das Montieren vom Gear und einen Znüni nutzen konnten. Wir befanden uns natürlich noch voll im Schatten des Berges, allzu kalt war es zum Glück aber nicht.

Über diesen Firn geht's aufwärts, am oberen Ende quert man dann nach rechts in eine Scharte, die man auf diesem Foto erahnen kann. Das Gelände ist nicht extrem steil, rechts bevor man auf den Fels tritt aber doch in der Gegend von 35-40 Grad. Falls der Schnee hartgefroren ist, so ist alpine Ausrüstung (Pickel, Steigeisen) sicher sehr nützlich. Ich benutzte dieses Equipment und war froh drum. Andere gingen an dem Tag aber auch in Zustiegsschuhen ohne jegliche Hilfsmittel. Der Schnee war zwar hart, aber dank guten Fusstritten der Vortage war dies möglich.

L1, 30m, 6b+: Der berüchtigte Originaleinstieg über die glatte Platte, welche von einem seichten Riss durchzogen ist, war nur schwer zugänglich. Am Wandfuss befand sich noch ein hartgefrorener Schneerest, den man mit alpinen Mitteln hätte bewältigen müssen, um dann gleich und ohne Sicherung in eine schwierige Platte zu steigen. Wohl genau aus diesem Grund war im Zuge der Sanierung eine Variante eingerichtet worden, welche von rechts her in die Originallinie einquert und diese im oberen Drittel erreicht. Auch sie ist mit 6b+ bewertet... der Vorsteiger der Seilschaft vor uns kletterte offenbar am Limit, der Nachsteiger war weit darüber. Mir schwante schon übles, aber als ich dann selber dran war, offenbarte sich ziemlich rasch, dass es hier einfach gar nichts geschenkt gab. Schon bei der Schuppe am ersten Bolt ist ein kniffliger, langer Move nötig. Danach wartet dann gleich anspruchsvollste Plattenkletterei, wo harte Moves vorerst auch "nur" durch einen Cam 0.75 (der aber ideal liegt) abgesichert sind. Dazu noch etwas klamme Pfoten und Füsse, schon ist der Mix da, dass man in diesem moderaten Grad am Limit klettert. Aber ich kam durch, das war die Hauptsache!

Erst die letzten Moves in L1 (6b+) gehen dann besser... der Originaleinstieg wäre direkt unterhalb, so dass man über das steile Schneefeld einsteigen müsste. Die zu diesem Zweck eingerichtete Variante beginnt aus dieser Perspektive links (d.h. im Aufstiegssinn rechts) vom Schnee und bietet dann (wie man gut erahnen kann) auch eine gehörige Ladung an Knallerplatte!
L2, 30m, 6a+: Nach ein paar einfachen Metern zu Beginn kommt die Crux. Ein weiter Move nach rechts, um den Riss zu gewinnen, über welchen der Rest der Seillänge verläuft. Dort steckt (ziemlich tief) ein BH, aber nachher kommt dann gar nichts mehr. Am Riss sind gleich die ersten Meter nach der Querung am schwierigsten und kühnsten, nachher wird es einen Tick einfacher. Trotzdem, noch 30m nahe der Senkrechte ohne fixe Absicherung zu klettern und nicht genau zu wissen was kommt - memorable! Mit nur 1 Set Cams zu klettern ist hier knapp, es passt eigentlich nur kleines Gear (0.3-0.5, maximal 0.75). Also gut planen, oder mal noch einen Keil legen.  

Wir sind immer noch tief im Schatten, als wir den fantastischen Riss in L2 (6a+) klettern - kommt hier nicht so zur Geltung.
L3, 30m, 6a: Noch einfacher bewertet, aber zum Klettern weiter fordernd! Zuerst geht's etwas rechtsrum, eher plattig/schuppig und mit 3 BH gut gesichert, zudem auch nicht so schwierig. Aber das ist nur der Zustieg zum fantastischen Doppelriss, welcher die letzten zwei Drittel dieser Länge prägt. An dessen Fuss steckt noch ein BH, danach sind die mobilen Sicherungen gefragt. Auf den ersten Metern dünkte es mich weder sehr kommod zum Legen noch sehr einfach zu klettern, nachher geht dann beides besser. Die Kletterei einfach genial, wirklich allererste Sahne! Auch hier passt wieder vorwiegend bis ausschliesslich kleines Gear (0.3-0.5), mit nur einem Set Cams ist man (sehr) knapp dran.

Endlich gibt's am Ende von L3 (6a) beim Ausstieg aus dem markanten Doppelriss die ersten Sonnenstrahlen!
L4, 40m, 6a: Nach meinem Empfinden die einfachste Seillänge der ganzen Route! Wieder erst einfach rechts an Schuppen und Verschneidungen. In der Mitte der Seillänge kann man entweder direkt hinauf an Rissen klettern, oder dann eine grössere Linksschleife an griffigen Schuppen machen (einfacher, so lässt sich auch der Stand der nächsten Tour links klippen). Das Finish der Länge dann an riesigen Schuppen, die aber alle ausgesprochen hohl tönen. Tja, für die (geologische) Ewigkeit sind die ganz sicher nicht gemacht! Zum Klettern aber genial. Für die letzten Schritte (BH) muss man sich dann nochmals ein wenig mehr anstrengen, bis man den komplett unbequemen Stand erreicht. 

Grandiose Schuppenkletterei am Ende von L4 (6a). Wer leicht erschreckt, sollte besser nicht anklopfen ;-)
L5, 6b+ (?): Es geht gleich heftig los mit kniffligen Plattenmoves und schon bald befindet man sich in der Crux. Mit den 2 nahe steckenden BH lässt sich diese zwar problemlos A0 machen, aber in freier Kletterei?!? Echt sackschwierig! Ich habe es an der äussersten Abrutschgrenze gerade so geschafft und kann die Bewertung von 6b+ hier absolut nicht nachvollziehen. Es ist nicht einmal so, dass es hier rein nur ums Hinstehen geht, es hat durchaus noch ein paar Seitgriffe. Meines Erachtens passt 6b+ vielleicht als Boulderbewertung auf der Fontainebleau-Skala. In Routenbewertung sollte man sich auf mehr einstellen. Sagen wir mal so 7a+ wäre vermutlich nicht so verkehrt... Dieses Testpiece einmal gemeistert, geht's dann besser vorwärts. Es wartet ein griffiges Rissdach, dann ein breiter Riss und zum Schluss eine interessante V-Verschneidung. Alles sehr, sehr lohnend! Als Tipp noch: die kleinen Cams (0.3, 0.4) bis zum Schluss aufbewahren. Vorher passen ideal auch die grossen Cams.

Rückblick auf die Crux der Route in L5 (offiziell 6b+, wohl eher 7a+) - knallharter Plattenboulder, fast wie Ticino at its best!

Die v-förmige Verschneidung am Ende von L5 (6b+) ist auch sehr orginell zu klettern. In Kindergrösse geht's offenbar auch recht gut im Grund. Für mich selbst schien die bequemste Lösung mich umzudrehen und mit dem Gesicht nach aussen die Seitenwände gut zu nutzen - eine geniale Kletterstelle!
L6, 30m, 6a+: Während ich am Stand am Nachsichern bin, kann ich zusehen, wie der Nachsteiger der Seilschaft vor uns einen heftigen Kopfüber-Sturz hinlegt (der Vorsteiger hatte das Seil nicht eingezogen). Das erweckt einen gehörigen Respekt vor der überhängenden Piazschuppe, welche es in dieser Länge anzupacken gilt. Nach einem machbaren Auftakt (BH) geht's dann links (nicht rechts dem Hauptsystem entlang!). Der Piaz ist leicht überhängend und echt kräftig, natürlich will er auch selber abgesichert werden. Nach ca. 10m legt sich das Gelände zurück, so dass der Riss, welchem man weiter folgt, nun mit grossem Genuss geklettert werden kann.

Superschöne und genussreiche Risskletterei am Ende von L6 (6a+), welche zuvor einen steilen Piaz bereithält.
L7, 30m, 6a+: Auch hier wartet nochmals ein Gustostücklein. Es gilt einen breiten Riss zu erklettern. Der Auftakt an wackligen Blöcken vorbei (Vorsicht, die fallen runter, wenn man heftig daran zieht!) geht noch gut. Doch dann nehmen die Schwierigkeiten zu und kulminieren schliesslich im Ausstieg aus dem Riss (BH). Vor dem BH ist man u.U. froh um den Camalot 4: ich habe ihn zwar ungerne bis hierher hochgetragen, aber da fand ich ihn echt nützlich. Er ist allerdings fast zu klein und ziemlich tipped an jener Stelle, wo es ihn am meisten braucht. Für mich war es so, dass tief im Riss meist gerade noch die breite Faust einigermassen klemmte, also kein echter Off-Width. Mit kleineren Händen, z.B. für meine Tochter - viel Glück! Am schwierigsten ist dann der Bouldermove vom Steilen ins Flache, d.h. nach dem Rissende.

Ausblick auf den Off-Width (oder auch nicht) in L7 (6a+), vom oberen Stand ist's leider wenig fotogen.
L8, 30m, 6a+: Original war die Route nach Stand 7 fertig, bzw. man hatte die Möglichkeit, links herum im einfachen Gelände noch auf den Pfeilerkopf zu steigen. Wohl im Zuge der Sanierung wurde dann die eigentlich absolut logische letzte Länge eingebohrt. Zuerst Querung nach rechts (BH gleich zu Beginn), dann im Risssystem aufwärts, welches man dann verlässt und wandig/plattig (2 BH) schliesslich das Top erreicht. Auch nochmals schöne Kletterei, auch wenn der Fels hier (noch?) ziemlich flechtig ist.

Finito Pepito, eigentlich drängt die Zeit schon etwas, um auf die letzte Bahn zu gehen!
Gerade ein paar Minuten nach 15.30 Uhr, d.h. nach ca. 4:45h Kletterzeit hatten wir das Top erreicht. Die späteste Umkehrzeit war damit auch gleich erreicht, es blieben noch 2:30h für das Abseilen, Zeug verräumen und den Abstieg. Somit fädelten wir auch gleich die Seile ein, einer Quellwolke sei Dank waren wir nämlich nun schon wieder nicht (mehr) an der Sonne, somit war das Top eh kein besonders gastlicher Ort. Beim Abseilen drängt es einen automatisch auf die 7b-Nachbarroute, dem gaben wir aber gerne nach. Das Gelände schien mir dort eher kompakter und weniger mit Schuppen durchsetzt, d.h. die Verhängergefahr ist kleiner. Mit 6 teilweise gestreckten Manövern gelangten wir zurück an den Einstieg, wobei zum Glück alles glatt lief. Hier nochmals wieder irgendwo eine Seillänge hochzuklettern, das wäre der Superzonk und das definitive Ade für die Bahn gewesen!

Ein ziemlich typisches Bild, Quellwolken verschlucken die Aiguilles am Nachmittag. Nur den Pilier Rouge gerade nicht.
Um ca. 16.30 Uhr waren wir zum Aufbruch bereit, es blieben also noch gut 1:30h. Wir kraxelten über die Bänder zurück und nutzten dann in der oberen Scharte (d.h. dort wo man erstmals in den Schneekessel hinunterblicken kann) die installierte Abseilstelle. Mit 2x50m-Seilen reicht es ostseitig gerade knapp auf den Schnee. Man kann auf diese Weise die plattige Kletterstelle vor der unteren Scharte vermeiden, ebenso entfällt die Dreier-Abkletterstelle ganz zum Schluss. Das Gelände ist etwas schuttig (Vorsicht!) und mit zahlreichen Zacken durchsetzt (Verhängergefahr!). Für geübte Alpinisten lohnt sich das Abseilen hier kaum, für uns war es eine willkommene Alternative. Weiter ging's nach Steigeisenmontage über den nun klebrig-stolligen Schnee, jetzt nur nicht noch einen blöden Ausrutscher machen! Schliesslich waren wir retour auf der Moräne, über welche wir erneut weit abstiegen, um das Blockgelände tief zu queren. Spätestens da war dann klar, dass noch genügend Zeitreserven für die letzte Bahn vorhanden waren und nicht zum Schluss noch ein Sprint nötig war.

Es bleiben noch ca. 300m Distanz zur Bahn mit 25 Minuten Zeitreserve. Da können wir es Ausrollen lassen!
Mit ca. 15 Minuten Zeitreserve vor der offiziell letzten Bahn um 18.10 Uhr sind wir dann da. Natürlich müssen wir noch ein wenig Schlange stehen, an diesem Tag war die Anlage wenig erstaunlicherweise extrem stark frequentiert und man hätte wohl selbst um 18.30 Uhr noch ins Tal fahren können. Auf dem mechanisierten Heimweg bleibt Zeit zur Kontemplation. Ja, das war nun wahrhaftig eine grandiose, alpine Kletterei gewesen! Auch wenn der Schwierigkeitsgrad auf dem Papier nicht extrem scheint und die Tour nicht ultra-abgelegen ist, so war es doch das Maximum, das für uns 2 im Moment drin liegt. Ganz viele Faktoren machen es aus: exponierte Kletterstellen schon im Zustieg, steiler Schnee mit Ausrutschgefahr, der Zeitdruck um die letzte Bahn und die Konkurrenz mit anderen Seilschaften, die dasselbe Ziel anpeilen. Weiter ist auch die Risskletterei ein (noch) ungewohntes Metier und die zahlreichen Cams und Keile aus den Rissen zu klauben ist für Kinderhände auch nicht einfach. Und dann befindet sich die Tour auf >3000m in schattiger Lage, die Kinder und erst recht deren Extremitäten haben mit der Kälte mehr zu kämpfen wie die Erwachsenen, und selbst für diese ist's nicht zwingend 100% Schoggi. Trotz alledem, es war ein absolut geniales, positives Erlebnis. Manchmal ist es eben auch gut, das Limit komplett auszuloten und überschritten haben wir es mit dieser Tour nicht - da hatte meine Kalkulation tiptop gepasst. 

Facts

Pilier Rouge de Blaitière - L'Eau Rance d'Arabie 6b+ (6a+ obl.) - 8 SL, 260m - Piola/Steiner 1985 - *****;(xxx)
Material: 2x50m-Seile, 14 Alpine Draws, Cams 1x 0.3-4 plus 1x 0.3-0.75, kleines Keilset, Crack Gloves
Für den Zustieg: Bergschuhe, Steigeisen, Pickel meistens nötig

Für die Nordseite der Aiguilles von Chamonix eigentlich eine kurze Kletterei mit moderaten Zustieg und bequemer Abseilmöglichkeit. Auf globaler Skala aber definitv alpines Semi-Trad-Klettern. Die durch einige Plattenstellen verbundene Risslinie ist schlicht genial. Trotz nur 8 SL und einem nur unbedeutenden Pfeilergipfel vergebe ich die Höchstnote von 5 Sternen. Dort wo es nötig ist, stecken solide und perfekt platzierte 12mm-Inoxbohrhaken. An den meisten Stellen muss die Route aber mobil abgesichert werden, was fast immer à discretion möglich ist. Es kommt jedoch meist kleines Gear zum Einsatz, so dass ein zweites Set an kleinen bis mittleren Cams anzuraten ist. Ich habe es auch mit 1 Set geschafft, aber da muss man dann schon sehr taktisch legen und auch mal einen Runout an einem Riss ziehen. Die Grössen 1-3 kann man immer wieder einmal einsetzen, Grösse 4 braucht's nur gerade ein einziges Mal in L7. Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass die Bewertungen ziemlich Old-School sind. Im Vergleich zu den 5 Plaisirrouten, die wir sonst während unserer Chamonix-Ferien geklettert sind, bedeutet der Grad 6a+ hier definitiv etwas anderes - nur schon rein von der Schwierigkeit her, dazu muss man noch selber absichern. Wer sich nicht ganz sicher ist, was einen hier erwartet, rechnet auf die üblichen Plaisir-Bewertungen besser noch 1-2 Buchstabengrade drauf (absolut ernst gemeint!). Die Route liegt relativ schattig in einer Westwand, Sonne am Einstieg gibt's je nach Jahreszeit ab ca. 13.00 Uhr. Steigt man erst dann ein, so reicht's sicher nicht auf die letzte Bahn und es warten 1300hm zusätzlicher Fussabstieg nach Chamonix. Um am Schatten einigermassen genussvoll zu klettern, ist schon ein warmer und windarmer Tag nötig. Sobald die Sonne kommt, bilden sich an den Aiguilles auch gerne Quellwolken. Ein gutes Topo findet man entweder im Topoguide Band I oder dann im Fiche Granite zum Pilier Rouge von Michel Piola (sehr empfehlenswert!).

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