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Mittwoch, 24. Juli 2019

Clocher de Planpraz - Cocher Cochon (6a)

Der Clocher de Planpraz ist ein rund 30m hoher, markanter Felsturm im Kamm der Aiguilles Rouges. Im Jahr 2000 wurde durch den gratartigen Vorbau ein lohnender Kletterzustieg gefunden, so dass man nun mit der Cocher Cochon eine 8-9 SL lange Plaisirroute geniessen kann. Sie hat sogar Aufnahme in das Buch "Die 100 schönsten Touren im Mont Blanc Massiv" von Philip Batoux gefunden und wird auch auf C2C und im Plaisir West hoch gelobt. So durften wir nicht erwarten, bei perfektem Wetter, an einem Sonntag während der Hauptferienzeit und zudem am französischen Nationalfeiertag alleine unterwegs zu sein...

Blick vom Zustieg auf den Clocher de Planpraz und seine Vorbauten. L2-L5 sowie L7-L9 sind hier sichtbar.
Da würde es natürlich helfen, möglichst antizyklisch unterwegs zu sein. Ein früher Start war jedoch komplett unrealistisch, nachdem es am Vorabend mit dem Weltcup ziemlich spät geworden war. Zudem mussten wir uns in der neuen Umgebung auf dem Camping in Vallorcine auch noch etwas zurechtfinden, so dass es dann automatisch so etwas wie der spätestmögliche Start wurde. Das Limit nach hinten besteht hier in der Kabinenbahn nach Planpraz, deren letzte Talfahrt um 18.00 Uhr ist. Ansonsten wären dann zufällige 1000hm Fussabstieg nach Chamonix fällig, das wollten wir uns nicht unbedingt aufbürden. Nachdem wir stolze 34.20 Euro für die Retourfahrt gelöhnt hatten, konnte es um 10.45 Uhr auf Planpraz losgehen. 

Kurz nach dem Aufbruch mit fantastischer Aussicht auf die Aiguilles de Chamonix und den grosseen Onkel (Mont Blanc).
Der Zustieg verläuft oberhalb vom Restaurant und Sessellift durch und nimmt dann den mehr oder weniger horizontalen Weg zum Lac Cornu. Man steige nicht fälschlicherweise hinauf zum Col du Brevent, dieser Fehler wäre ziemlich schnell gemacht. Nachdem man die direkt am Weg startende Route 'Hôtel California' passiert hat, geht's in der nächsten Geländekammer nach oben. Ob man dort besser links oder rechts an den Vorbaufelsen vorbeigeht, ist mir nicht ganz klar. Die Beschreibungen sind vage, wir gingen schliesslich rechts. Das ging gut, es sind auch Pfadspuren vorhanden, doch links geht's vermutlich ebenso. Wir nahmen es ziemlich gemütlich, denn viele Kletterer waren bereits in der Route aufgereiht und hinter uns folgte niemand mehr. Nach ca. 35-40 Minuten waren wir am Einstieg und um 11.45 Uhr ging's schliesslich los.

Nochmals ein Versuch, das grandiose Panorama einzufangen. Die Aguille Verte weiter links darf natürlich auch nicht fehlen!

Erster Teil

L1, 4b: am ersten Haken gar nicht so einfach, dann bald gängig, am Schluss etwas grasig.
L2, 5c: schöne Wandkletterei in prima strukturiertem Fels, am Ende Rechtstraverse zum Stand.
L3, 5b: neuerlich schöne Wandkletterei in prima Fels, etwas weiter gesichert als die anderen Längen.
L4, 5c+: Platte, steiler Riss und knifflige, senkrechte Wandstufe, der Stand ist links zu finden.
L5, 5a: links auf die erste Rippe, dann noch weiter links auf die zweite zum Gipfel des Gendarmen.

Während man im Aufstieg gar nicht so richtig wahrgenommen hat, woran man klettert, so sieht der Gendarm rückseitig doch einigermassen imposant aus. Mit 15m Abseilen erreicht man seinen Fuss, wo ein offensichtlicher Pfad startet, der einen in wenigen Minuten mit etwas Auf und Ab rechts unterhalb vom Gratverlauf zum nächsten Routenteil führt. 

Los geht's mit Larina im Vorstieg. In L1 (4b) wartet die Crux gleich zu Beginn am ersten Haken.

Wunderprächtige und recht steile Kletterei in L4 (5c+), hier ist die Absicherung aber angenehm eng gehalten.

Die letzte Seillänge des ersten Routenteils (L5, 5a) führt über gratartige Rippen auf den Gendarm. Rechts der Clocher.

Rückblick auf den Gendarm, Ende des ersten Routenteils. Hier über  die Rückseite seilt man 15m ab.

Zweiter Teil

L6, 3a: anstatt der sandigen Rinne links zu folgen über die Platte, 45m Kletterstrecke, 2 BH.
L7, 5c (li) oder 6a+ (re): bei beiden Varianten sind die ersten Meter schwierig, dann Genuss pur.
L8, 5b: schöne Wand, welche zum Grat wird. Über die 2 Zacken, dann rechts absteigen zu Stand.
L9, 6a: die Krönung, immer luftig und direkt an der SW-Kante hinauf bis zum schmalen Gipfel

Erst um 16.30 Uhr und damit nach 4:45h in der Route waren wir am Gipfel angelangt. Das lag aber in erster Linie daran, dass wir vor dem zweiten Teil staubedingt eine über 1h lange Pause einlegen mussten. Nicht weiter schlimm, wir hatten einen bequemen Platz mit top Aussicht und angenehmem Klima, ich hatte in weiser Voraussicht die Spielkarten eingepackt sowie auch genügend Picknick mitgeführt. Auch die letzte Seillänge stellte vorausgehende Kletterer vor eine harte Prüfung, so dass wir auch dort nochmals ein paar Partien Uno spielen konnten oder eben mussten. Der wesentliche Punkt ist aber, dass Larina für den grössten Teil dieser Route den Vorstieg übernommen hatte und dabei auch die nominell schwierigste Stelle (6a+) souverän onsight steigen konnte. Den Rest der Route hatte sie selbstverständlich auch im einwandfreien Stil geschafft, bravo!

Die nominell schwierigste Stelle am Anfang von L7 (6a+, rechte Variante). Es brauchte zwar etwas Überzeugungskraft, dass sie hier die schwierigere Einstiegsvariante gewählt hat. Aber hier war der Punkt doch relativ bequem zu holen: super enge Absicherung, die Schwierigkeiten kurz und gleich von Stand weg. Trotz alledem, die Risse sind hier nicht sonderlich griffig und das Trittangebot schmal, der Grad passt m.E. durchaus.

Ebenfalls nochmals sehr schöne Kletterei zu Beginn von L8 (5b).

Die letzten Meter hat dann noch Papa gemacht, weil wegen anhaltendem Stau mitten in der letzten Länge nochmals ein Zwischenhalt nötig war. Rechts im Blockfeld verläuft übrigens der Abstieg, auch danach ist die Pfadspur bei gutem Hinschauen zu  erkennen.
Am Gipfel des Clocher hielten wir uns nicht lange auf. Mit 1x22m Abseilen (50m Seil reicht gut mit ein paar Metern Reserve!) gelangt man an dessen Fuss. Über Blockgelände kraxelt man dann erst ab, bevor einen ein paar noch einigermassen exponierte Traversen auf den Weg zum/vom Col de Brevent führen. Um etwa 17.30 Uhr waren wir retour auf Planpraz und konnten zurück nach Chamonix gondeln. Das war nun wirklich ein erfolgreicher Tag in einer genussreichen Route gewesen. Nun waren wir parat für anspruchsvollere Ziele :-)

Der Petit Dru spielt verstecken mit den Wolken!

Facts

Clocher de Planpraz - Cocher Cochon 6a (5b obl.) - 9 SL, 300m - J.&M. Franc/Meot/Mussat 2000 - ****;xxxx
Material: 1x50m-Seil, 12 Express

Sehr schöne und im Bereich 5c homogene Plaisirroute mit tollen Ausblicken auf die hohen Berge um Chamonix. Nur die letzte Seillänge stellt etwas höhere Anforderungen, führt aber auf den stolzen Turm des Clocher du Planpraz. Die Absicherung auf Stufe Plaisir gut+ ist vorbildlich ausgefallen, zusätzliche Sicherungsmittel sind nicht nötig und kaum sinnvoll einsetzbar. Da die Route einen Fussabstieg aufweist, kann man mit einem 1x50m-Seil anrücken. Sollte ein Rückzug nötig sein, so kann man auch damit im unteren Teil abseilen, im oberen Teil gibt's sowieso diverse Fluchtmöglichkeiten über Bänder nach links. Bei einer solchen Route darf man nicht erstaunt sein, dass sie extrem beliebt ist. Zu den Hauptkletterzeiten darf man daher nicht mit freier Fahrt rechnen. Man plane also entsprechend! Nähere Infos findet man im Plaisir West, Band II. Unten ein Topo von Hervé Thivierge, merci!



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