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Sonntag, 24. Mai 2020

Grand Arête du Raimeux

Bei der Grand Arête am Mont Raimeux handelt es sich um einen famosen Jura-Klassiker. Direkt aus der Schlucht von Moutier zieht dieser Rücken empor, nach einem plattigen Auftakt kann man direkt über seine felsige Schneide gehen. Wenn man stets dem leichtest möglichen Weg folgt, so lässt sich dieser aussichtsreiche Weg mit Schwierigkeiten bis maximal T5+, III als verschärfte Alpinwanderung auch seilfrei begehen. Wer mehr klettern möchte, findet ausreichend Gelegenheit. Über die schöne, mit Dinosaurier-Fussabdrücken drapierte Einstiegsplatte führen Wege bis zum fünften Grad. Und an den zahlreichen Aufschwüngen am Grat gibt es immer wieder die Möglichkeit, je nach Lust und Laune lässige Klettersequenzen im fünften und sechsten Schwierigkeitsgrad einzubauen. Nach gut 550hm hat man die Hauptschwierigkeiten überwunden. Ab diesem Punkt lässt sich in einer landschaftlich schönen Wanderung auch noch der Kantonshöchstpunkt des Kantons Jura, eben der Mont Raimeux erreichen.

Erst kompakte Plattenkletterei, dann ein vergnüglicher Grat, zuletzt eine Wanderung: das ist die Grande Arête du Raimeux.
An einem Tag, wo die Finger vom Sportklettern bereits müde waren, der Geist aber nach einer lässigen Bergtour lechzte, rückte die Grand Arête wieder einmal in unseren Fokus. Es kam noch hinzu, dass in den Alpen mit einer Bisen-Restlage bald wieder Quellwolken entstünden und man vielerorts wohl eher mit bibbernder Kälte und nebliger Aussicht rechnen musste. So brach die ganze Familie um 10.15 Uhr in der Schlucht auf. Von der Strasse bis zum Einstieg ist es kein weiter Weg, wir brauchten ganze zwei Minuten. Ob der zwei vorausstürmenden Kinder gelangten wir jedoch schon kurz einmal in den anaeroben Bereich ;-) Am Fuss der Platte dann liessen sich die Topos aus dem Plaisir Jura und dem SAC-Führer Berner Jura irgendwie nur durchschnittlich mit der Lage vor Ort vereinbaren. Diverse Linien waren mit Farbe markiert, teils vernünftig mit Bohrhaken abgesichert, teil nur spärlich. Nun denn, hier würden wohl alle Wege nach Rom, sprich dem oberen Ende der Platte und damit dem Weiterweg auf den Grat führen. So entschieden wir uns, in zwei Seilschaften parallel zu klettern und die Kinder im Vorstieg zu schicken. Larina entschied sich für die blaue Linie am rechten Rand, einerseits hätte dies gemäss Topo mit 4c+ die schwierigste Möglichkeit sein können, andererseits sah das Gelände schön kompakt aus und es steckten regelmässig (d.h. ca. alle 5m) Bohrhaken. So kam es dann auch und in 4 Seillängen erreichten wir das Ende der Platte. Vorsicht beim Ausstieg, da liegt eine solche Menge an losem (eher kleinem) Geröll herum, dass es absolut nicht ohne Steine auszulösen geht. Jerome folgte einer gelben, zentralen Route. Dieser war vermeintlich einfacher (4a), dafür war die Absicherung mit Abständen bis 10m eher weiträumig. Doch einmal Alpinist heisst immer Alpinist, so vereinten wir uns am Ende der Platte wieder.

Die Kinder unterwegs auf der Einstiegsplatte mit den Dinosaurierspuren.
Es folgen nun noch 3 Seillängen bis zu einem ersten Gratabsatz. Die erste davon eher kraxlig im dritten Grad durch ein paar Bäume hindurch. Die zweite in kompakterem Gelände, wo eine mittige BH-Linie mit dem Grad 5b bewertet und gar nicht mal so banal ist. Das letzte Teilstück war dann nicht mehr ausgerüstet, auf unserer Linie ca. 4a und konnte perfekt mit Cams abgesichert werden. Jerome und ich stiegen parallel voraus. Ich wies da und dort auf ein gutes Placement hin und jedes Mal kam die Frage zurück, welche Grösse passt denn? Ohne Ausnahme konnte ich die richtige Grösse ansagen, was zu grossem Erstaunen seinerseits führte. Irgendwie schon witzig, wie man über 3 Jahrzehnte eine Spürnase dafür entwickelt, wo es Placements haben könnte, wie man sie effektiv nutzt, den Seilverlauf effizient hält undsoweiter. Aber das war echtes Learning by Doing und hat ihm sicherlich einen wesentlichen Fortschritt gebracht - zumal er selber absichern echt cool findet, während ich ja bekannterweise mindestens genau so gerne Bolts klippe wie ewig mit Gerätschaften herumfummle (wobei ich ebenso bekannterweise natürlich strikte dagegen bin, gut natürlich abzusichernde Routen einzubohren, mir bedeutet Clean Climbing einfach nicht sehr viel). Um ca. 12.15 Uhr und damit nach 1:45h Kletterzeit hatten wir die ersten 7 Seillängen auf den Gratabsatz bewältigt und gönnten und bei sehr angenehmen Bedingungen an der Sonne eine Mittagspause.




Ab hier hat die Kletterei nun nicht mehr Wandcharakter, sondern man folgt wirklich dem Grat. Zunächst ist dieser einfach und bietet höchstens ein paar Zweierstellen, so dass man am kurzen Seil (oder natürlich ganz ohne) gehen kann. Der nächste markante Punkt ist die auffällige Dièdre Gallet (5b), eine kurze, doch ziemlich speckige Verschneidung. Wer sie wirklich auslassen möchte, kann auch rechtsherum im dritten Grad auf den Aufschwung kraxeln, während man links (von abschüssigem Gelände startend) in der Nordwand auch schwierigere Möglichkeiten fände. Nach einer Gehpassage folgt die Wandstufe der Bastion (5a), die anschliessend noch eine kurze 3er-Verschneidung bietet, während man rechtsherum im Gehgelände fortschreiten kann. Nach weiterem Gehgelände und einem fakultativen, kurzen 5m-Abseiler (problemlos rechtsherum umgehbar) erreicht man mit dem Donjon (5a) eine der schönsten Seillängen - prima Lochkletterei in einer fast senkrechten Wand. Auch etwas speckig, geht aber schon. Kraxlig geht's über den nächsten Grataufschwung und mit einem 5m-Abseiler (Fixseil vorhanden, wenn man rechts hält auch gut im zweiten Grad abzuklettern) zum geräumigen Platz bei der Noisette, wo man den Grat gut nach Norden verlassen und zum Ausgangspunkt zurückkehren könnte. Um ca. 14.00 Uhr hatten wir diese Stelle erreicht.

Die coole Seillänge am Donjon (5a) bietet schöne Lochkletterei, kann bei Bedarf aber rechts umgangen werden.
Wir aber wollten weiter und kraxlig über ein kurzes Gratstück erreicht man die Paroi des Pitons. Dieser steile Absatz ist (vermutlich!?!) nicht umgehbar, wohl deshalb hat man hier eine Art Klettersteig mit Eisenstiften kreiert, im Führer wird diese Stelle mit 3a bewertet. Die Stelle lässt sich ohne grössere Probleme freiklettern. Ich hätte jetzt gesagt, es sei nur unwesentlich schwieriger wie das, was wir sonst teilweise geklettert hätten und damit etwa 5c. Larina konnte diesen Abschnitt zwar auch problemlos klettern, meinte aber für sie sei das eine 6a+. Irgendwo dazwischen könnte es also sein, denke ich. Anschliessend folgt mit der Via Mala (5a+) nochmals eine richtige Kletterstelle (rechts umgehbar). Den folgenden Gratabschnitt kann man direkt einfach im Zweiergelände überkraxeln, alternativ findet man in der Südwand ein paar Seillängen zwischen 5a-6a+. In einem folgenden Sattel führt nun ein Pfad nordseitig in den Wald. Diesem folgten wir, bis uns ein paar Steinmänner in eine Scharte am Grat führten. Hier könnte man wohl südseitig noch die Länge am Petit Cervin (4c+) erreichen. Da wir aber bereits in den Turnschuhen waren, umgingen wir die Stelle nordseitig. Wahlweise kraxelnd über den Grat oder nordseitig im Gehgelände durch den Wald erreicht man schliesslich das Ende der Felsen, wo wir um ca. 15.00 Uhr und nach 4:30h vom Einstieg ankamen.

Kraxlig und genussreich, aber nie schwierig geht's weiter über den Grat.
Während Kathrin und Jerome von hier absteigen und zurück zum Ausgangspunkt gehen wollten, zog es Larina und mich noch weiter Richtung Mont Raimeux Sommet. So liesse sich noch mit wenig Zusatzaufwand ein weiterer Kantonshöchstpunkt erreichen, für mich Nr. 19 von 26. Eigentlich ist mir dieses Sammelprojekt ja nicht sonderlich wichtig, aber was gerade so am Weg liegt, nehme ich natürlich gerne mit und so wird die Sammlung eines Tages dann möglicherweise auch vollständig sein. Durch schöne Waldlichtungen geht's ab P.1172 zur SAC-Hütte (Cabane du Raimeux), wo man trotz 'Fermeture' wohl ein kühles Getränk hätte erhalten können. Wir zogen aber gleich weiter auf's sehenswerte Plateau zum Raimeux de Grandval, dann in Richtung einiger Gleitschirmflieger mit Startschwierigkeiten und schliesslich über die letzten paar Höhenmeter zum Gipfel mit seinem kleinen Turm. Um Schlag 16.00 Uhr waren wir dort, etwa 40-45 Minuten hatten wir vom Ende der Felsen an Gehzeit gebraucht. Für den Abstieg wählten wir schliesslich die Route nach Grandval. Das ist in Bezug auf Distanz und Höhenmeter etwas kürzer und vor allem schon beinahe historisches Gelände. Am Pic de Grandval und in der Combe du Geais hatten Kathrin und ich dereinst unsere erste gemeinsame Klettertour unternommen :-)

Auf dem Plateau des Mont Raimeux, eine sehr schöne Gegend von einmaliger Weite

Am Gipfel gibt's einen kleinen Turm, so dass das Panorama noch ein wenig besser ist.

Facts

Mont Raimeux - Grande Arête 3a-5b - ca. 10 SL & viel Kraxelgelände
Material: 1x30m oder 1x40m Seil, 10 Express, Camalots 0.3-2, evtl. Keile

Wer möchte, kann die Grand Arête als Alpinwandertour ganz ohne oder mit sporadischer Seilsicherung begehen. Wenn man die Kletterabschnitte vermeidet, so überschreiten die Schwierigkeiten nirgends den dritten Schwierigkeitsgrad. Wählt man den Weg direkt über die schöne, kompakte Einstiegsplatte, folgt nachher dem kompakten Fels und übersteigt einige Gratabschnitte in logischer Linienführung direkt, so ergibt sich eine genussreiche Kletterei von ca. 10 SL in Schwierigkeiten bis 5b. Wer möchte, findet unterwegs auch noch ein paar schwierigere SL bis 6a+, allerdings ist das dann eher etwas gesucht. Die Absicherung ist knapp bis genügend (Plaisir soso). Manchmal gibt's im kompakten Gelände Abstände, die man nicht entschärfen kann. Anderswo stecken dann aber wieder Bolts, wo man prima mobil an Bäumen oder mit sicheren Cam- und Keil-Placements sichern könnte. Es ist durchaus empfehlenswert, ein Set Cams und allenfalls Keile mitzunehmen, es handelt sich auch um prima Übungsgelände dafür. Auf der Platte zu Beginn kommt man mit 30-40m Seil unter Nutzung vieler Zwischenstände gerade durch. Am Grat selber hatten wir das Seil ständig verkürzt und nie mehr mehr als 20m in Gebrauch. Ein zu langes Seil ist also eher ein Hindernis denn ein Vorteil.

Dienstag, 19. Mai 2020

Schöllenen - Suworov (6c)

Das vielleicht markanteste Stück Fels in der Schöllenenschlucht ist der Inoxpfeiler, der auch prominent direkt über der Haarnadelkurve P.1242 gelegen ist. Auf seiner glatten Seite befinden sich die von den Remy-Brothers eingerichteten Granit-Reibungstestpieces mit den klingenden Namen Cyclope, Inox und Chifir. An der linken Pfeilerkante selber ist das Gelände etwas zugänglicher, hier verläuft die Suworov (8 SL, 6c). Bereits 1977 wurde hier durch eine tschechische Seilschaft ein Weg gefunden, der sich weitgehend an die natürlichen Strukturen hielt und kein fixes Material erhielt. Im unteren Teil bestehen diese Strukturen aus Rissen, Verschneidungen und Schuppen, während die einfachste Linie oben durch grasige Kanäle verläuft. Ohne Kenntnis der Begehung von 1977 wurde die Route daher 1980 durch Howald/Wenk ein zweites Mal erstbegangen. Während der Weg im unteren Teil logisch und daher wohl identisch mit der 77er-Linie war, wurde oben raus vermutlich eine direktere Linie über einige Wandstellen und Aufschwünge gewählt, die ohne Bohrhaken kaum denkbar ist. Auf jeden Fall geriet der Pfeiler wieder in Vergessenheit. Erst seit einer Sanierung durch lokale Kletterer mit rostfreiem Material im 2009 nahm die Begehungsfrequenz wieder zu. Einige wenige Einträge auf dem Netz berichteten von sehr lohnender Kletterei. Das wollten wir selber zu Gesicht bekommen und wurden nicht enttäuscht!

Der Inoxpfeiler mit dem Verlauf der Suworov (7 SL, 6c).
Ein paar Minuten nach 10.00 Uhr starteten wir bei der Inoxkurve. Der Zustieg ist in wenigen Minuten erledigt. Er ist deutlich bequemer zu haben, wenn man zuerst noch ein ganzes Stück im Graben westlich des Schutzwalls geht und wieder etwas nach rechts zum Einstieg zurückkehrt. Es gibt auch eine recht gute Pfadspur, wenn der von uns im Abstieg erbaute Steinmann noch da ist, kann er beim Auffinden des Wegleins behilflich sein. Der Einstieg selber ist nicht näher bezeichnet, da die Suworov aber die am weitesten links gelegene Route am Pfeiler ist, gibt's keine Zweifel - bei der Route mit den rostfreien Fixé-Laschen ist man richtig. Nachdem wir uns vorbereitet hatten, starteten wir bei angenehmen Bedingungen um 10.30 Uhr mit der Kletterei. Hinweis: zur Route gibt es nur veraltete, schematische Topos mit nicht mehr zeitgemässen Bewertungen, sie ist in keinem mir bekannten aktuellen Kletterführer vertreten. Die Schwierigkeitsangaben sind daher nach unserem Gutdünken.

L1, 25m, 5c: Da die erste Seillänge gutmütig aussieht und die ersten 3 Bolts auch nicht allzu weit entfernt bzw. auseinander liegen, entschloss sich Larina zum Vorsteigen. Mit etwas Erfahrung weiss man ja, dass solche Eindrücke oft täuschen können. So wollte ich ihr die Cams mitgeben. Sie raunzte aber nur etwas von "die sind mir zu schwer" und "ich weiss eh nicht, wie man die legt". Nach dem Motto "es ist gescheiter sie dabeizuhaben und nicht zu brauchen als andersrum" liess sie sich dann trotzdem überzeugen. Bis zum Stand waren dann schliesslich die Grössen von 0.3-2 alle verbaut - wenn's unbedingt nötig scheint, so lernt man manchmal ziemlich schnell etwas ;-) Erwähnt sei noch, dass die Länge insgesamt natürlich durchaus nicht überaus schwierig ist. Der erste Abschnitt der markanten Schuppe entlang ist aber weniger banal wie man erst meint. Der zweite Teil ist zwar ziemlich easy, aber dafür mässig gesichert (es stecken keine Bolts mehr und liegen tut wenig).

Los geht's an dieser Schuppe in L1 (5c), die ersten beiden Cams haben schon den Weg in den Fels gefunden :-) Die Route verläuft in ziemlich gerader Linie oberhalb der Kletterin zum markanten Dach am Horizont, welches dann links umgangen wird.
L2, 25m, 6a+: Super-Splitter, ein echt genialer Abschnitt, den man in echter Rissklettermanier am besten Straight-In-Jamming mit den Füssen im Riss angeht! Zuerst geht's nach rechts, über ein kleines Dächli und dann einfach nur noch geradeaus. Der Riss hat Camalot 3 Grösse, für mich persönlich passt da die Faust perfekt und mit den Jammies ist es richtig straightforward. Für Larina sah das natürlich anders aus, nicht mal die breite Faust passte. Mit einer Kombination von Layback und Chickenwings ging's aber auch, prima gemacht. Eine Bewertung für diesen Riss zu geben ist gar nicht mal so einfach. Im Yosemite wäre das wohl 5.8 oder maximal 5.9 und damit im 5c-Bereich. Für hiesige Verhältnisse macht aber 6a/6a+ mehr Sinn. Unterwegs stecken 5 oder 6 Bolts, d.h. wenn man die Lage im Griff hat, geht's gut ohne Cams. Selbstverständlich könnte man die ganze Länge clean klettern, dafür sind dann aber sicher zwei 3er-Camalots nötig. Am Anfang und Ende passt auch kleineres Gear.

Das sind Aussichten. Perfekter Cam3-Splitter-Faustriss in L2 (5.8 oder ca. 6a+ nach CH-Massstab).

Die tolle L2 (5.8 oder 6a+) im Rückblick.
L3, 20m, 5c+: Trotz der Kürze eine coole, erfüllende Seillänge mit Rissen und Verschneidungen. Stellenweise gar nicht so simpel, 5c+ oder 6a scheint mir der passende Grad. Auch diesen Abschnitt könnte man ziemlich gut komplett ohne die BH klettern, es gäbe sehr gute Gelegenheiten für Cams.

Lässige Kletterei an griffigen Strukturen in L3 (5c+).
L4, 45m, 6b: Eine lange und ziemlich anhaltende Länge, wiederum mit Rissen und Verschneidungen, sehr schön! Die Crux besteht aus einer kurzen Wandstelle in der Mitte, wo vom rechten an das linke Risssystem gewechselt wird. Für mich war das nahezu nur 1 Move, Larina hat indessen wohl fast 10 Moves gemacht, bis sie den Henkel auf der linken Seite in der Hand hatte. Somit ist das ziemlich morpho und entsprechend schwierig zu bewerten. Für mich persönlich würde 6a+ wohl reichen, für Kleine nimmt die Schwierigkeit aber u.U. deutlich zu. Schliesslich erreicht man den etwas unbequemen Stand. Alternativ kann man noch 10m der nächsten Länge nach rechts oben anhängen, wo man auf einem bequemen Band den alten Stand findet. Der ist allerdings nicht saniert, aber im Gesamtkontext trotzdem empfehlenswert und vertretbar.

Rückblick auf L4 (6b), die Crux ist der Wechsel der Risssysteme über die plattige Wand mit dem rostigen Riss.
L5, 45m, 6b: Vom Band weg erst einfach, aber schon bald kommt eine knifflige Passage an Untergriffen, die einem zu einem weiteren alten, nicht sanierten Stand führt. Diese konnten wir nun problemlos auslassen (wenn man den offiziellen, sanierten Stand nach L4 nutzt, ist das hingegen schwierig) und gleich in griffigem Gelände unter den Dachriegel hochklettern. Die Crux besteht dann darin, diesen Riegel zu knacken. Dies besteht zuerst in einem tricky Quergang, gefolgt von der abschliessenden Wandstufe mit dem finalen Mantle, welcher sehr schön im Video zu sehen ist (unbedingt Ton einschalten für die lässigen Live-Kommentare ;-)).



L6, 35m, 6c: Man spaziert auf der geneigten Platte nach links, bevor es gerade hinauf über den Aufschwung geht. Das sieht auf den ersten Blick nicht sonderlich schwierig aus, was aber eine Täuschung ist. Dieser Boulder ist ziemlich taff, denke mit 6c ist das auf jeden Fall zu bewerten. Noch dazu hatte ich an dieser Stelle echt Angst, mir die Füsse zu brechen. Es stecken zwar Bolts in kurzen Abständen, noch dazu kann man zwischen den ersten beiden einen Cam 0.5 legen. Doch wenn der heikle Klipp des zweiten Bolts schief geht, oder allenfalls selbst einfach bei einem "normalen" Sturz, so könnte es aufgrund vom Quergangs-Slack im System durchaus für einen Bodenknaller reichen. Hinzu kommt, dass man sich mit dem Cam auch den Jam im Riss blockiert - ja, man kriegt die Finger auch noch rein, wenn er da ist, aber kaum mehr ohne den Cam quasi als Griff zu benutzen (ok, das ist wohl eher für strikte Rotpunkt-Puristen ein Problem). Nun ja, für mich ging's, sogar Onsight, aber die Stelle ist echt etwas doof. Die sicherste Variante wäre zweifellos, den zweiten Haken technisch zu klippen, sich nochmals auf den Boden abzulassen und erst dann die Stelle zu klettern. Aber da kann ja jeder nach seinem Gutdünken vorgehen. Jedenfalls, meine Bedenken wegen einem Bodensturz bewahrheiteten sich schneller als gedacht. Weit hinter uns war eine weitere Seilschaft eingestiegen. Als wir zurück beim Parkplatz waren, befanden sie sich eben an dieser heiklen Stelle. Prompt machte der Vorsteiger einen Abflug und stürzte auf das Band darunter. Einige Minuten rührte sich nun nichts mehr und wir fragten uns schon, ob wir wohl die Rettung zu rufen hätten. Nachdem dann oben wieder Bewegung zu sehen war, liessen wir es bleiben und fuhren heim. Die Fortsetzung der Seillänge nach dem Startboulder ist dann echt cool entlang einer vagen Verschneidung, mit einigen durchaus fordernden Moves im Bereich 6a-6a+.

Ausblick auf den sicherungstechnisch heiklen Startboulder in L6 (6c). Foto: VikWeg
L7, 30m, 6b: Das alpin geschulte Auge sucht die Linie in der (grasigen) Verschneidung gerade hinauf aber nein, es geht rechts in die Seitenwand hinaus. Zuerst ist das griffig und problemlos, bevor man auf die Kante kommt, wird aber plötzlich alles ein wenig sloprig und abschüssig. Die Crux wartet dann aber in der glatten Schlussverschneidung, welche sich oft grasig präsentiert. Zur Zeit unserer Begehung war sie aber sauber. Da aber trittarm und kleingriffig, muss man hier nochmals echt Gas geben, notfalls könnte man an den eng steckenden Bolts auch A0 praktizieren.

Die griff- und trittarme Verschneidung kurz vor dem Top in L7 (6b) hat es echt nochmals in sich!
Um 14.20 Uhr und damit nach rund 3:50 Stunden Kletterei hatten wir das Top erreicht. Man befindet sich da ehrlich gesagt mitten in der Wand und ursprünglich wurde auch noch weiter nach oben geklettert. Aber da die Route nur bis zu diesem Punkt saniert ist und die natürlichen Linien entlang der Risse und Verschneidungen effektiv sehr grasig aussehen, war auch für uns an dieser Stelle Schluss. Somit fädelten wir unsere Seile in den Ring und glitten (auch mit 2x50m-Seilen) bequem in 4 Manövern zurück an den Einstieg. Auf der ersten Strecke geht's dabei direkt hinunter, freihängend über das grosse Dach. Wir erkundeten noch ein wenig die Gegend und bestaunten das Reibungs-Testpiece Inox, für welches wir dann an einem anderen Tag zurückkommen werden. Nachdem wir den besten Zustiegspfad noch mit ein paar Steinmännern markiert hatten, waren wir bald zurück an der Strasse und fuhren zufrieden über die schöne und perfekt abgelaufene Klettertour nach Hause.

Passt auch zum Klettern, erst recht wenn's auf Reibung ist... auf ganzer Strecke nicht stehenbleiben, einfach vorwärts!
Facts

Schöllenen - Suworov 6c (6a obl.) - 7 SL, 225m - Howald/Wenk 1980 - ***;xxx
Material: 2x50m, 12 Express, Camalots 0.3-3, Hand-Jammies für L2

Sehr schöne Granitkletterei, die weitestgehend griffige Kletterei an Schuppen, Rissen, Verschneidungen und Wandstufen, aber nur relativ wenig der ortstypischen Reibungskletterei bietet. Die Umgebung in der Schöllenen mit all den Verkehrswegen ist natürlich ein wenig gewöhnungsbedürftig und auch Geschmackssache - doch hier kann man mit wirklich kurzem Zustieg und begrenzten Zeitbudget echt lohnend Granitklettern. Die beste Jahreszeit für die Suworov dürfte der Frühling sein, idealerweise solange die Alpenpässe noch geschlossen sind. Dann gibt's deutlich weniger Verkehrslärm, zusätzlich wird es auch noch durch die laut tosende Reuss übertönt. Auch das da und dort neben der Route spriessende Gras ist dann noch weniger präsent. Um diese Jahreszeit klettert man bis Mitte Nachmittag an der Sonne, im Herbst hingegen dürfte es eine ziemlich schattige Angelegenheit sein. Die Route ist plaisirmässig gut, an den Schlüsselstellen sogar sehr gut mit Bolts abgesichert (xxx-xxxx), wobei man an manchen dieser Stellen auch zuverlässige Cams platzieren könnte. Wer möchte, kann gut noch mit Cams 0.3-3 ergänzen, wer die Schwierigkeiten gut drauf hat, kann aber auch ohne mobiles Material auskommen.

Dienstag, 12. Mai 2020

Klein Mythen - Dure à Cuire (Erstbegehung, 7 SL, 7b)

Die Sockelwand der Türme Peter & Paul in der SW-Flanke des Klein Mythen ist ein MSL-Gebiet mit wunderbarer Aussicht, sonniger Lage und langer Saison. Nachdem ich die benachbarten Routen Paul SW-Kante und Dreamliner (Blog folgt...) hatte klettern können, reizte mich der kompakte Panzer im zentralen Wandteil mit seinem Abschlussdach für den Versuch einer Neutour. In den Jahren 2018/2019 konnte ich diese herausfordernde Linie einbohren. Nachdem mir im Mai 2020 nun eine durchgehende RP-Begehung glückte, ist es Zeit für Bericht & Topo. Herausgekommen ist eine tolle MSL-Sportkletterei mit viel Abwechslung - von plattigen Abschnitten über monumentale, senkrechte Wandkletterei bis hin zu überhängend-kraftraubenden Passagen. Wer ist schneller durchgekocht: du oder die Route?

Monumentale, anhaltend senkrechte Wandkletterei in der Monster-Pitch (L3, 7a+).
Als Ausgangspunkt dient am besten Rätigs (P.955), wohin man automobil gelangt und ein paar wenige Parkplätze vorhanden sind. Man erreicht diesen Punkt ab Schwyz via Dorfbach- und Loostrasse nach Obdorf, die anderen Flurstrassen, die dort Richtung Berg führen sind mit einem Fahrverbot belegt. Vom Parkplatz sind es noch 350hm und eine gute halbe Stunde zum Einstieg. Man geht zuerst zur Lichtung von Güntrigs (P.1121) und folgt ab dort dem Wanderweg Richtung Haggenegg bis dieser zu einer Forststrasse wird. Eine mit roten Punkten markiertere Wegspur führt nun rechterhand über weitere 140hm durch den Tannenwald hinauf und zuletzt horizontal über die Geröllhalde zum tiefsten Punkt der Wand. Von dort geht man noch ca. 15m nach rechts hinauf zum angeschriebenen Einstieg.

Die Route befindet sich in fantastischer Lage. Ab Mittag scheint die Sonne und bleibt dann, bis sie untergeht.
L1, 35m, 6b+: Zuerst geht's einfach über eine Art Vorbau hinauf und dann hinein in die steile Wand. Hier muss man subito parat sein, denn es folgt gleich eine schwierige und gar nicht so einfach zu entziffernde Stelle. Dranbleiben lautet danach das Motto, bevor ein No-Hander eine Verschnaufpause vor dem zweiten Teil erlaubt. Auch dort nochmals knifflige Wandkletterei mit richtig zu interpretierender Linie. Rein von der Felsqualität und der Kletterei her handelt es sich sicherlich um die am wenigsten überzeugende Seillänge - sie hält aber durchaus ein paar coole Moves bereit. Für diejenigen, welche den Dreamliner kennen: vergleichbares Programm wie dort zu Beginn.

L1 (6b+) ist sicherlich noch nicht die perfekte Seillänge, bietet aber auch schon schöne und interessante Moves!
L2, 25m, 6b: Hier ändert sich der Charakter im Vergleich zur ersten Seillänge markant. Man ist nämlich der Steilzone entkommen und bewegt sich nun in plattigem Gelände. Der Auftakt ist noch einigermassen moderat schwierig, nachher warten dann ein paar echt funky Moves an und zu unerwartet auftauchenden, wirklich originellen Griffen. 

Lässige, kompakte Plattenkletterei in L2 (6b). Oben geht's in L3 (7a+) in +/- direkter Linie vom Seilverlauf mit einer Monster-Seillänge durch die steile Wand hinauf. In der folgenden L4 (7a) wird das grosse Abschlussdach dann direkt in der Verlängerung des Seil mittig überwunden.
L3, 30m, 7a+: Ein wahres Monster von einer Seillänge, unglaublich gut! Es wartet anhaltende, permanent senkrechte, technische Wandkletterei. Sowohl im Voraus- wie auch im Rückblick könnte man Zweifel erhalten, ob sich dieser Abschnitt denn auch wirklich klettern lässt. Der Fels ist sehr geschlossen, hat eher glatte Oberfläche und auch nur knapp Struktur. Bei näherem Hinsehen gibt's aber doch immer wieder ein paar überraschende Crimps und Sloper oder es geht auf Gegendruck voran, einfach genial. Wenig erstaunlicherweise kommen hier der Fussarbeit und auch der mentalen Komponente eine wichtige Bedeutung zu. Die Länge ist zwar tiptop abgesichert, doch ums Steigen zwischen den Haken kommt man mancherorts nicht herum. Ein paar animierte Eindrücke vom Ende dieser Länge gibt es unten, für einen nicht-bewegten Shot konsultiere man das Titelbild.



L4, 20m, 7a: Hier beschreibt die Route kurz einen Linksbogen, womit sie dem besten, strukturierten Fels folgt. Nach ein paar schönen Leisten folgt bald ein Bauch mit kniffligem Sloper-Ausstieg. Etwas einfacher erreicht man den Ansatz des grossen Dachs. Erst ein paar Moves verschneidungsähnlich, dann an Henkeln athletisch-überhängend den Pfeiler hinauf. Die Klimax dieser Länge folgt unzweifelhaft am Ende bei der Überwindung des abschliessenden Dachs und dem Mantle auf das abschüssig strukturierte Stück Fels darob. Eine total geniale Sequenz in äusserst luftiger Position, wo man mit einem Sturz befürchten könnte, in den Orbit katapultiert zu werden (gut abgesichert, top Sturzgelände, aber halt einfach sehr luftig und etwas mental!).

Luftige Kletterei, die mehrere Meter überhängend ist, wartet in L4 (7a). Man studiere den Schatten des hängenden Seils.
L5, 45m, 6b+: In fotogener Position klettert man die steile Wand hinauf in Richtung der luftigen Kante, ein Riss und ein paar durchaus als Henkel zu bezeichnende Griffe helfen dabei. Danach verläuft die Route in der Wand unmittelbar links der Kante. Das Gelände legt sich etwas zurück und ist unscheinbar, doch es warten durchaus noch ein paar knifflige Kletterstellen an Seitgriffen und mit den Füssen auf Reibung. Schliesslich wird man in einfaches Gelände entlassen, hier mündet von links die Paul SW-Kante und von rechts der Dreamliner ein. Über ein paar Aufschwünge zum BH-Stand, alternativ (bequemer) noch wenige Meter weiter zum Naturstand an einer Wurzel. Wenn man am Ende die zahlreichen BH der Paul SW-Kante im einfachen Gelände klippen möchte, so sind total 12 Express erforderlich, wobei die letzten 4 Stück an den gratartigen Aufschwüngen verlängert werden sollten.

Die letzten Meter an der Kante in L5 (6b+), es folgen noch ein paar gratartige Aufschwünge zum Stand. 
L6, 25m, Gehgelände: Am Wandbuch vorbei geht's zum Fuss des ersten Felsturm, dem Paul. Diesen unschwierig links (nördlich) passieren zum Einstieg der Abschlusslänge, welche sich direkt an der NW-Kante vom hinteren Felsturm, dem Peter abspielt.

L7, 30m, 7b: Ja, und diese Abschlusslänge hat es in sich! Von unten ist die Sache schwierig einzuschätzen - doch es ist auf jeden Fall deutlich steiler, wie es den ersten Anschein macht (mehrere Meter überhängend!). Beim Klettern könnte man auch erst den Eindruck haben, dass alles abschüssig geschichtet ist. Doch es hat durchaus ein paar positive Griffe, man muss sie bloss erkennen. Mit athletisch-weiten Moves an diesen Strukturen erreicht man eine Art Terrasse auf halber Höhe, welche zu einer Verschnaufpause genutzt werden kann. Der nun folgende Abschnitt direkt an der Kante ist taff, knifflig und athletisch zugleich. Man muss einfach zusehen, dass der Saft bis an die etwas besseren Griffe reicht, die dann schon irgendeinmal folgen. Nun heisst's, sich an diesen bloss nicht mehr abschütteln zu lassen, bevor die letzten 3-4m grasig-einfach direkt zum Gipfel führen. Hier kann man am Stand gut nachsichern oder (mit 60m-Seil!) auch gleich ablassen und den Nachsteiger vom Boden im Toprope sichern.

Happy First Ascentionist on Top!
Für alle diejenigen, welche durch dieses Programm noch nicht weichgekocht wurden, empfiehlt sich als Zugabe natürlich noch die SW-Kante am vorderen Felsturm, dem Paul. Mit genügend Exen (ca. 15 Stück, einige der zahlreichen Bolts im einfacheren 6a-Gelände kann man auch auslassen und der Zwischenstand kann übersprungen werden) gelangt man hier in 1 SL (ca. 30m, 7a+) bis zum Gipfel. Umlenken ist da jedoch nicht möglich, d.h. man muss vom Top nachsichern und seilt danach nordseitig ab, was einen jedoch direkt zum Einstieg von L7 der Dure à Cuire am Fusse vom Peter bringt. Somit wäre es nicht ganz unlogisch, dieses Gustostücklein in der Form von einem Extragaren sogar vor L7 noch zu klettern. Allerdings braucht diese erwähnte L7 dann schon noch ein wenig Saft in den Armen, man schätze sich also realistisch ein!

Hier kann man noch eine Runde Extragaren, das ist der vordere Felsturm, der Paul mit seiner 7a+ an der rechten Kante.
Für den Abstieg erreicht man wie oben beschrieben wieder den Fuss der Türme. Von hier kann man nordwärts zu Fuss absteigen. Das Gelände ist erst steil und etwas steinschlägig, jedoch ohne allzu grosse Schwierigekeiten begehbar (ca. T5), Schuhe sind aber zwingend erforderlich. Man gelangt so auf die Geröllhalde und nach insgesamt 15-20 Minuten wieder zum Einstieg. Alternativ die wenigen Meter seilfrei zurück zum BH-Stand nach L5 absteigen, von wo man in 3 Abseilmanövern zügig wieder zum Einstieg kommt. Am bequemsten ist es, zuerst 35m zu einem Dreamliner-Stand abzuseilen (vor Ort markiert). Mit dem zweiten Abseiler erreicht man den Stand nach L2, von wo es mit 2x50m gerade knapp zurück auf Terra Firma reicht (Vorsicht, allenfalls Zwischenstand benützen!). Man kann alternativ auch zum Stand nach L4 der Dure à Cuire zurückseilen - das lohnt sich wegen dem folgenden, sehr luftigen Abseiler, ist aber insgesamt umständlicher. 

Golden Hour am Fuss der Türme Peter & Paul. Ein wunderschöner Platz hier oben!

Facts

Klein Mythen - Dure à Cuire 7b (6c obl.) - 7 SL, 210m - M. Dettling et al. 2018/2019
Material: Mindestens 1x60m oder 2x50m-Seile,  12-14 Express, keine mobilen Sicherungen nötig

MSL-Sportklettertour mit viel Abwechslung von Platten über senkrechte Wandkletterei bis hin zu athletischen Passagen. Jede Seillänge hat ihren eigenen Charakter und birgt manche tolle Kletterstelle. Die Route ist durchgehend mit rostfreien BH und Kettenständen abgesichert, womit ausser Exen kaum zusätzliches Material nötig ist. Mobile Sicherungen kann man in diesem kompakten Fels sowieso kaum anbringen. Die Absicherung ist solide und ohne waghalsige Runouts (Niveau xxxx), trotzdem muss aufgrund der teilweise anhaltenden Schwierigkeiten zwingend auch über dem Haken geklettert werden. Mir persönlich gefällt die Route super, ich werde sie bestimmt immer wieder einmal als MSL-Trainingstour begehen. Aufgrund der zentralen Lage und dem kurzen Zustieg bietet sie sich ideal als "Feierabend"-Ziel an. Ab Mittag bis Ultimo gibt's Sonne satt, die Sonnenuntergänge mit Blick auf den Talkessel von Schwyz, die Rigi und die Innerschweizer Seen sind erst recht genial. An heissen Tagen oder solchen mit unsicherem Wetter befindet man sich bis mittags am kühlenden Schatten und kann somit so möglicherweise noch eine Tour reissen, bevor das Gewitter kommt oder die Hitze erbarmungslos zuschlägt.

Topo

Hier gibt's das Topo mit allen nötigen Informationen als PDF zum Download. Wie immer, die Bewertungen sind nicht mit Präzision gemessen sondern eine subjektive Einschätzung der Schwierigkeiten, die auf meinem breiten Erfahrungsschatz von Sport- und MSL-Klettereien beruht. Falls du diese Einschätzung bestätigen oder korrigieren möchtest, so ist dein Feedback herzlich willkommen.

Das Topo zur Route, hier als Bilddatei. Für volle Auflösung besser das PDF verwenden!

Freitag, 1. Mai 2020

Gonzen - Plattänani (7b)

Bei der Plattänani handelt es sich um einen Gesamtdurchstieg der imposanten, bis 600m hohen Gonzen-Südostwand. Die Route wurde in der zweiten Hälfte der Nullerjahre erschlossen, erhielt aber bis dato fast keine Aufmerksamkeit und nur eine Handvoll Begehungen von Locals und Insidern. Das liegt ganz wesentlich daran, dass es nach wie vor kein Topo gibt. Der Zufall wollte es, dass ich den Erstbegeher Thomas Wälti am Berg getroffen habe. Er hat mir damals gesagt, dass er bis zum heutigen Tag die Absicht hat(te), an der Route noch ein paar Verbesserungen vorzunehmen. Danach, wohl spätestens mit der Neuauflage des SAC-Kletterführers zu den Churfirsten, würde es dann ein Topo geben. Wer möchte, findet hier schon einen Begehungsbericht zur Route.

Die Gonzen-Südostwand mit dem Verlauf der Route 'Plattänani'.
Für einen Komplettdurchstieg der Gonzen-Südostwand eignet sich in erster Linie das Frühjahr - dann sind die Tage lang, das teilweise doch präsente Gras hat noch nicht gesprossen und die Temperaturen bleiben auch auf dieser Höhenlage noch im erträglichen Rahmen. Ein Nachteil besteht höchstens darin, dass es um die persönliche Form und Routine vielleicht noch nicht zum Besten bestellt ist, um eine solch lange und anspruchsvolle Tour zu gehen. Doch schliesslich müssen sich solche Befindlichkeiten den Zielen beugen und wir beschlossen, einen motivierten Besuch zu geben. Unsere Tour startete um 8.30 Uhr beim P.730 am Anfang des Gonzenwalds. Auf Forststrassen geht's hinauf zum Cholplatz, von diesem Richtung SW auf einer deutlichen Wegspur zum Wandfuss und schliesslich auf schwächeren Spuren der Wand entlang zum Einstieg. Man passiert dabei die nach links offene Einstiegsverschneidung von "Ä guäts Gfühl", bevor die nächste Linie mit Fixé-Laschen ein gutes Stück weiter oben schliesslich die Plattänani ist. Charakteristisch ist die ca. 15m lange, nach rechts offene Verschneidung in der Mitte der ersten Länge, ca. 20m weiter rechts startet der Gonzo über die speziell seit-/abwärts geschichtete Platte. Wir hatten zügig auf die Tube gedrückt und die 600hm Zustieg in knapp 45 Minuten erledigt, um 9.30 Uhr starteten wir mit der Kletterei. Hinweis: sämtliche Angaben zu Schwierigkeiten und der Länge der einzelnen Sequenzen sind von uns ohne Kenntnis von "offiziellen" Angaben geschätzt und damit als grober Richtwert zu betrachten.

Unterer Wandteil

L1, 50m, 5c: Los geht's bei einer gebohrten Sanduhrschlinge. Die Länge bietet Kletterei an der liegenden Wand, inklusive einer gar nicht mal so banalen Verschneidungspassage, welche man sich jedoch schwieriger wie nötig machen kann. Der Beginn ist nach dem Winter aufgrund der Schneeschmelze auch gerne etwas staubig - geht aber schon!

Hier geht's los, der Vorsteiger bereits an der markanten Verschneidungspassage in L1 (5c).
L2, 50m, 5c+: Reibungskletterei auf glatten Platten mit bereits ein paar fordernden Passagen, dann über einen Wulst hinauf und zuletzt Quergang nach links. Rein vom Charakter her fast eher wie eine Granitseillänge in der Region am Grimselpass zu klettern!

Das Gras ist im ersten Abschnitt nie weit weg, aber der Fels ist kompakt & gut, die Moves sind interessant!
L3, 35m, 5c+: Mehr oder weniger gerade hinauf und am Ende ein wenig nach links. Kann man sich nach Belieben einfacher oder schwieriger machen, wenn man sehr direkt über die kompakte Felszone mit den Haken klettert. Mit dem Auge für die griffigen Strukturen geht es auch einfacher.

L4, 30m, 6a+: Langer, prima abgesicherter Linksquergang in logischer Linie über eine Art Rampe. Am Schluss vor dem Stand wartet noch eine knifflige, plattige Stelle, wo man das erst Mal genauer hinschauen muss. Für das was jedoch demächst folgt, ist es noch kein adäquates Aufwärmprogramm...

Tolle Kletterei in L4 (6a+), wo man zu deren Ende die Moves bereits ein wenig sorgfältiger zu planen hat.
L5, 30m, 7a+: Plattiger Auftakt mit Querung nach links und nachher einer fordernden, zwingenden Plattenstelle gerade hinauf. Die Hauptschwierigkeit kommt am darauf folgenden Wulst. Vorwiegend kräftig an Untergriffen und mit Gegendruck auf abschüssigen Reibungstritten muss man Höhe machen, wobei die Sache sehr unübersichtlich ist. Aufgrund der seltenen Begehungen ist der Fels hier leider etwas staubig. Es folgt ein Runout durch eine etwas einfachere Zone, bevor das Finish dann nochmals gute Planung und Übersicht für den richtigen Weg durch die wenigen Strukturen der glatten Steilplatte erfordert.

Fertig mit einfach Durchmarschieren! In L6 (7a) gibt's fordernde Plattenstellen und den kräftigen Wulst ob dem Kletterer.
L6, 35m, 7b: Eine anhaltende Monster-Seillänge! Zuerst wie gehabt fusstechnisch anspruchsvolle Steilplattenkletterei an Seit- und Untergriffen mit der kniffligsten Stelle dort, bevor es in eine steilere Wandzone hineingeht. Dort über ein paar Haken hinweg etwas griffigere Kletterei, wobei auch da die positiven Leisten fehlen, über welche man seine Kraft effektiv an den Fels bringen könnte und deshalb allerhand an Bewegungskreativität gefragt ist. Zuletzt geht's dann noch über eine Dachzone hinweg, wobei vor allem der Ausstieg auf die Platte darob den heiklen Abschlusspunkt der Länge darstellt. Dieser Abschnitt verlangt dann auch noch einen zwingenden, etwas kühnen Reibungsmove, bevor man die letzten Meter auf's Grasband hinaufsteigt. Leider hat's mir hier nicht ganz für einen Onsight gereicht und weil die Länge im Rückblick überhaupt nicht fotogen ist, gibt's auch keinen visuellen Eindruck.

L7, 45m, 6b: Der Weg über die kompakte Platte zwischen zwei Graskanälen scheint auf den ersten Blick etwas gesucht, entpuppt sich aber als geniale Kletterei an prima mit Knobs gespicktem Fels. Es folgt eine Linksquerung, die man sich deutlich schwieriger als nötig machen kann (tief bleiben hilft). Auch danach ist der Weg direkt über die Haken deutlich schwieriger wie derjenige des geringsten Widerstands. Dass die Haken so weit rechts stecken hat aber seinen Grund: Seilzug! Den gilt es hier zu vermeiden, indem man präventiv lange Exen einsetzt! Die Schlusspassage in griffigem Gelände ist dann nochmals echt genial.

Eine lange und abwechslungsreiche Reise in abschnittweise genialem Fels wartet in L7 (6b).
L8, 35m, 6c+: Erneut ein wahrer Knaller von einer Seillänge! Gleich zu Beginn fordernde Kletterei in prima Fels mit der Klimax beim Wechsel von der linken Rampe auf die rechte Wandzone. Dort geht's vorerst etwas einfacher daher bis zum Abschlussbouquet. Dort gilt es zuerst, mit kniffligen Moves eine kurze Verschneidung zu gewinnen, in welcher ein zwingender, wackliger Schritt bei etwas suboptimalem Sturzgelände wartet (Cam 0.2-0.3 hilfreich, das entschärft die Situation). Einmal geklippt, folgt ein athletischer Patscherfinish mit Hooks und allerlei Trickserei, bevor man trotz langen Exen mit reichlich Seilzug über die Platte zum bequemen Stand schleicht.

Das Patscherfinish von L8 (6c+) bietet echt fordernde Kletterei und auch davor ist's kein Gehgelände!
L9, 35m, 7a: Der ersten Piaz-Verschneidung entlang geht's gut, während die steile aber eng gesicherte Wand darob (A0 hier für einmal gut möglich, sonst könnte man längst nicht immer darauf zählen!) fordernde athletische Moves bereithält. Hier hat's aber echt coole Griffe, Löcher und abstehende Schuppen, genial! Mit einer Querung nach links erreicht man das Hauptproblem, es besteht im Ausstieg auf den Pfeiler mit seiner linksseitig sehr glatten Wand - veeery tricky! Zuletzt dann einfacher hinauf zu historischem Schlaghaken von Seth Abderhalden und gemeinsamem Stand mit der Route "Ä guäts Gfühl".

Ja, die Sicht aufs Sarganserland, Richtung Bündner Herrschaft und Falknis/Fläscherberg aus der Gonzenwand ist grandios!
L10, 50m, 5b: Zuerst einige Meter gemeinsam mit "Ä guäts Gfühl" (Sanduhr, Bolt mit Irniger-Plättli), danach den Fixé-Plättli entlang links über die schöne Platte hinauf. Bemerkung: "Ä guäts Gfühl" zieht hier nach rechts ins grasige Gelände hinaus, ist auf dem folgenden Abschnitt bis aufs Mittelband wenig offensichtlich und lohnend, so dass viele Begeher jener Route quasi automatisch aber ungewollt die Längen der Plattänani klettern. Die Platte klettert sich gemütlich und genussreich, allerdings stellt sie auch die Prallzone für die Steine dar, welche in der etwas gerölligen Zone unter dem Mittelband herumliegen. Also äusserste Vorsicht, wenn sich andere Kletterer oberhalb befinden.

Die schöne Platte von L10 (5a), die dem Steinschlag ausgesetzt ist. Vorsicht bei Schneeresten und Leuten oberhalb!
L11, 50m, 5c: Plattige Kletterei von meist gemässigter Schwierigkeit, die aber durchaus mit ein paar spannenderen Moves gewürzt ist. Die Haken stecken hier ein wenig kreuz und quer, der Einsatz langer Exen hilft!

L12, 50m, 3a: Geneigte Zone mit eher etwas unsicherem Fels und weiträumiger Absicherung. Es geht hier ziemlich genau gerade hinauf und es stecken 3 Bolts - allerdings sind sie nicht sonderlich gut erkennbar. Also einfach keine Fehler machen und auch seinen Seilpartner sollte man nicht mit Steinen bewerfen.

L13, 50m, 3a: Ähnlicher Charakter wie die Länge zuvor, allerdings noch ein wenig unschöner. Auch hier stecken wieder 3 BH als Zwischensicherung. Zuerst geht's eher Richtung 11 Uhr hinauf zum zweiten Bolt, denn eher gerade zum dritten und zum Stand, welcher sich nach 50m ein paar Kletterzüge unterhalb des Mittelbands befindet (eher schwierig sichtbar, die Haken und das verbindende Seilstück haben sich farblich dem Fels angeglichen und waren etwas unter Steinen verdeckt). Einfacher erkennbar ist der Stand vom Gonzo am Fuss der oberen Wand, der befindet sich allerdings ca. 10-15m zu weit rechts!

Die Uhr war inzwischen auf 15.45 Uhr vorgerückt, somit hatte uns der untere Wandteil über eine Dauer von 6:15 Stunden beschäftigt. Von hier könnte man notfalls über das Mittelband absteigen (T5-T6), man erreicht so den obersten Teil der Gemsweid und schliesslich das Gelände von Wang, von wo man nach Älpli gelangt und über den Leiternweg zurück zum Ausgangspunkt absteigen kann. Eine leichtere Alternative zum Gipfel bestünde in der Südgrat-Route (6 SL bis max. 5c+, davon 2 SL Gehgelände plus Umgehungsmöglichkeit der letzten 2 Kletterseillängen). Wir wollten aber nicht lugg lassen und über die Plattänani den Gonzen erreichen.

Oberer Wandteil

L14, 45m, 6b+: Zur Entschädigung folgt nun aber wieder eine ganz tolle Seillänge, welche nach den ersten, noch leicht brüchigen und gleich taffen Metern, leicht überhängende, für den oberen Gonzen-Wandteil ganz typische Querschlitz-Kletterei bietet. Eine echt geniale Turnerei, welche durch die hier ziemlich luftig gehaltene Absicherung zusätzlich aufgewertet wird. Man muss kühn steigen, sich seiner Sache sicher sein und auch öfters auf die richtige Routenwahl spekulieren. Achtung, aber hier sind die Ständen nicht mehr verbunden und zum Abseilen eingerichtet, man käme nur mit Materialverlust runter.

Toller Fels und echt coole Kletterei in L14 (6b+), während die auf dem Foto gut sichtbare Zone unter dem Mittelband (d.h. die zwei Seillängen davor) weniger erbauliches Gelände bietet. Die Route verläuft von hier aus gesehen am linken Bildrand durch die kompaktesten und grasärmsten Zonen. Sowas gehört auf einer alpinen Kletterroute halt einfach dazu, tut der Sache aber überhaupt keinen Abbruch, zudem ist dieser Abschnitt auch schnell erledigt.
L15, 40m, 6b: Weniger lohnender Abschnitt mit vorwiegend plattiger Kletterei, teilweise grasdurchsetzt und mit fragilen Schuppen gespickt. Nach einem unschwierigen Auftakt folgt in der Mitte eine kurze, plattige Rechtsquerung, bevor es Richtung 13 Uhr weitergeht (der folgende BH ist hinter dem Gras versteckt und von unten kaum sichtbar!). Zum Schluss wieder gerade hinauf - zum Glück stecken da die Haken etwas näher, denn es hält hier definitiv nicht alles, was nach Griff oder Tritt aussieht. Vom letzten BH steigt man dann am besten direkt gerade hinauf an den Grasbüscheln aus (etwas psychisch & zwingend!). Der Versuch meines Seilpartners, hier etwas mehr rechts im Fels zu klettern hat mit dem Ausbruch eines grösseren Untergriff-Blocks geendet. Vorsicht, links der Hakenlinie sind noch grössere Schuppen/Blöcke auf Abpfiff und dies in direkter Schusslinie oberhalb der Sicherungsperson!

L16, 45m, 6a+: Auch nicht sonderlich begeisternde Kletterei, zumindest aber weniger schwierig und weniger heikel. Doch auch hier gibt's einiges an Gras und einige Blöcke belastet man im Interesse der Sicherheit auch besser sanft oder gar nicht. Schon beinahe originell ist dann jedoch die Gras-Reibungs-Querung auf den Knien kurz vor dem Stand. Hatte ich mich erst noch gefragt, ob das einfach ein Hasenfuss-Move meinerseits gewesen sei, kam dann mein Seilpartner mit genau derselben Methode daher. Daher besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass du die Stelle auf dieselbe Weise klettern wirst! Auf dieser Länge hatte ich zwischendurch noch einen Cam 0.5 gelegt, der die Sache spürbar angenehmer machte.

Gras-Reibungskletterei auf den Knien am Ende von L16 (6a+). Das ist einfach die logische Fortbewegungsart hier...
L17, 45m, 6c: Nun ist aber wieder fertig mit durchzogenem Gelände und es kommt wieder absolut begeisternde Kletterei! Dies jedoch mit reichlich fordernder Absicherung. Schon der Weg zum ersten Bolt ist nicht komplett unbedenklich und die fordernd-plattigen Moves zum zweiten Haken sollte man auf jeden Fall auf die Reihe kriegen, denn der Abstand ist weit und das Sturzgelände ungünstig, sprich das würde wohl heftig wehtun! Weiter geht's in bestem Fels steilplattig unter ein Dach, an seinem rechten Ausläufer darüber hinweg und in eine weitere Steilplattenzone hinein. Dort nochmals eine tricky Stelle zu einer Schuppe mit Thank-God-Henkel, echt fantastisch! Hinweis: wer sich diese Seillänge nicht (mehr) zutraut, in Zeitnot o.ä. ist, erreicht vom Stand nach L16 linkshaltend subito den Südgrat, über welche man einfacher aussteigen kann. Weiter ist es sogar möglich, ab der markanten Schulter den Gipfelkopf linkshaltend zu Fuss zu umgehen.

Super Kletterei in kompaktem Fels in L17 (6c), anspruchsvoll und psychisch!
L18, 40m, 6c+: Unsere rudimentäre Schilderung der Route hatte uns nach L17 nur noch eine einfache Ausstiegsseillänge zum Gipfel versprochen. Doch hier war schon auf den ersten Blick klar, dass dem nicht zutreffen würde, wartet hier doch nochmals eine steile, ja überhängende und kompakte Seillänge. Die Moves sind athletisch und während die Absicherung gut ist, so verpflichtet sie doch zum Steigen - wer heftig angezählt ist, könnte in die Bredouille kommen! Aber echt geniale Kletterei mit Schlitzen, Slopern, Reibung und zum Schluss einer Verschneidung, wo ich in der Not noch den berühmt-berüchtigten Ninja-Kick auspacken musste (geht aber sicher auch ohne, wenn man es besser klettert...).

L19, 50m, 4a: Das war es nun definitiv mit den Schwierigkeiten! Unsere rudimentäre Skizze zeigt Plattänani zwar bis zuletzt unabhängig vom Südgrat bzw. "Ä guäts Gfühl". Aber einerseits schienen weder der blockig-brüchige Fels rechts noch die Grascouloirs gerade hinauf empfehlenswert, noch war dort fixes Equipment zu erspähen. Die logisch-lohnende Linie führt hier 11 Uhr nach links (Cams 0.2-0.5 möglich), wobei man nach ca. 15-20m dann automatisch auf Bolts mit anderen Laschen und damit "Ä guäts Gfühl" trifft. In gemässigter Kletterei aber super Linie geht's zuletzt über die Rippe hinauf direkt zum Gipfelkreuz an welchem man nachsichert, ein genialer Ausstieg aus dieser langen Wand!

Die letzten Meter bieten eine stimmungsvolle Ankunft auf dem Gipfel!
Um 18.45 Uhr, damit nach weiteren 3:00 Stunden Kletterei vom Mittelband oder sogar 9:15 Stunden ab Einstieg hatten wir es geschafft und konnten am Gipfel abklatschen. Das war nun echt ein geniales Erlebnis gewesen, durch eine solch grosse Wand zu steigen ist doch immer wieder fantastisch. Wir plünderten unsere letzten Vorräte, die Getränkeflaschen waren jedoch schon eine Weile leer. Einerseits kann man auf einer solch langen und sonnigen Route fast nicht genügend Flüssigkeit mitführen, andererseits wollten wir auch bewusst vor dem nochmals athletisch-steilen oberen Wandteil den Rucksack erleichtern. Nachdem wir die Einsamkeit und die fantastische Stimmung auf dem Gipfel aufgesogen hatten, machten wir uns um 19.00 Uhr auf die Socken, denn schliesslich würde es auch irgendwann dunkel werden. Im direkten Weg durch die Lawinenverbauungen (d.h. im waldigen Osthang) lag noch tiefer, aufgeweichter Schnee. So zog es uns wie automatisch in Richtung des bereits schneefreien Nordgrats und via Folla gelangten wir zu den Rieterhütten. 

Ambiente am Gipfel - grandios!
Hier stellte sich dann die entscheidende Frage: rechts hinaus und über den auf der Karte weglosen Hang (in Realität gibt's eine ganz ordentliche Wegspur, wie ich es später selber erfahren konnte) nach Älpli oder gehen wir via das Berghaus Gonzen?!? Wir entschieden uns für letzteres, das darf man aber als einen Fehler bezeichnen (umwegig, ca. 10 Minuten langsamer). Schlussendlich gelangt man auch so nach Älpli und von dort über den Leiterweg zurück zum Cholplatz im Gonzenwald. Lokale Quellen melden mir, dass dieser Weg zur Zeit (Frühling 2020) nach einem Steinschlag aus der Wangwand offiziell gesperrt sei. Wer sich daran halten möchte, müsste also derzeit via Lanaberg gehen, was noch etwas mehr Zeit kostet. Nachdem wir die steilen Bergstrassen runtermarschiert waren, trafen wir um 20.10 Uhr zurück beim Auto am P.730 ein, wir hatten also trotz dem Umweg nur eine gute Stunde vom Gipfel gebraucht. Der Kreis hatte sich geschlossen, läck war das eine geniale Unternehmung gewesen - und der Muskelkater am ganzen Körper am Tag darauf garantiert.

Facts

Gonzen - Plattänani 7b (6b+ obl.) - 20 SL, 800m - Th. Wälti et al. 2007/2008 - ***;xxx
Material: 1x oder 2x50m-Seil, 14 Express, Camalots 0.2-0.5

Lange und eindrückliche alpin-sportliche Kletterei mit Gipfelerlebnis. Die Route sucht und findet über weite Strecken grasfreien, kompakten und genussreich zu bekletternden Fels. Weite Abschnitte bieten super Kletterei in gonzentypischer Mischung, d.h. Seit-/Untergriffe, Füsse mit Gegendruck auf Reibung, ab und zu gibt's coole Knobs und auch die fantastischen Querschlitz-Passagen kommen vor. Es sei erwähnt, dass v.a. im unteren Wandteil hier und da das Gras spriesst, die Längen unter dem Querband von minderer Qualität (aber dafür einfach) sind und auch im oberen Wandteil nochmals zwei alpin angehauchte Sequenzen warten. Alles in allem aber auf jeden Fall lohnend für meinen Geschmack. Die Absicherung ist im unteren Teil gut, an den schweren Stellen sogar sehr gut (Niveau xxxx), wobei es da und dort doch wieder einmal eine zwingende Passage bis in den oberen 6b-Bereich gibt. Zu erwähnen ist noch, dass die verzinkten Haken für eine z.Z. nur gut 10-jährige Route teils schon arg korrodiert sind. Im oberen Teil steckt rostfreies Material, dafür sind die Abstände dort spürbar weiter mit öfteres zwingenden Passagen. Für eine Wertung von xxx reicht's aber gerade noch. Mit Cams kann man nur eher wenig anfangen, am ein paar kleine Exemplare der Grössen 0.2-0.5 trägt man nicht schwer und könnte froh drum sein. Die Cruxlängen sind in freier Kletterei echt taff, aber an den schwierigsten Stelle A0 zu haben. Im Gesamtkontext holt man sich aber mit der Plattänani nach "Ä guäts Gfühl" den vermutlich zweiteinfachsten Gesamtdurchstieg der Gonzenwand unter den modernen Routen. Die anderen Touren (u.a. Füürsetzer, Ablöscher, Aischans Weg) sind zwar in den Maximalschwierigkeiten nicht unbedingt höher, aber anhaltender und v.a. (noch) fordernder abgesichert und mit zwingenderen Passagen.