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Freitag, 11. Februar 2022

Pizzo d'Eus - Magic Rampit (7b)

Auf dem Rückweg von der Radici del Silvio (7c), eine Woche zuvor, hatten wir noch darüber sinniert, was es für die Routen am Pizzo d'Eus alles braucht: Fusstechnik, Körperspannung, Beweglichkeit, Power und nicht zuletzt auch eine gute Portion Ausdauer und Mut. Dies gepaart mit der Frage, ab wann man wohl zu alt sein würde, um solche Unternehmungen im Vorstieg zu meistern. Wir schätzten die Guillotine auf grob 60 Jahre und somit war es leicht auszurechnen, dass meine bisherige Frequenz von einem Besuch rund alle 5 Jahre (konkret 3x in 14 Jahren) nicht reichen würde, um dereinst alle 9 relevanten Eus-Routen geklettert zu haben, bevor mir die Zeit davon liefe. Ja die Jugend, mit noch Dekaden des Kletterlebens vor sich, ist ein Privileg welches nicht mehr alle haben. Nachdem die epische Trockenperiode im Tessin sich um eine weitere Woche verlängerte, erneut ein sonnig-milder Wintertag angekündigt war und Viktor ebenso motiviert für einen weiteren Besuch im Val Carecchio war, zögerten wir keine Sekunde - auf zum Pizzo hiess es, um den Eus-Counter auf x <- x+1 zu stellen!

Winter-Genuss im Tessin: vom sonnig-warmen Fels mit milden Temperaturen zu Eis und Schnee vis-à-vis.

Ein wenig Kopfzerbrechen bereitete uns die vielfältige Routenwahl. Alle der 6 verbleibenden geben sehr interessante Projekte her, fordern aber mit Maximalschwierigkeiten im Bereich 7b-7c+, fragen ein 6c obligatorisch ab und weisen substanzielle Kletterlängen im Bereich von 12-15 SL mit rund 400 Klettermetern auf. Somit sind sie für die kurzen Wintertage definitiv herausfordernd, zudem hatten wir  am Wochenende zuvor für die Radici del Silvio mit ihren 9 SL so ziemlich das ganze Sonnen- bzw. Tageslicht ausgenutzt. Unsere Wahl fiel deshalb schliesslich auf die Magic Rampit, da in dieser dank verhältnismässig vieler Bohrhaken die oft zeitraubende mobile Absicherung weniger zentral schien und sie auch noch einige mutmasslich gängige Abschnitte im 6a-Bereich aufweist. Sonst waren aber alle Parameter bereits gesetzt, wir reisten mit demselben Zeitplan an, Weg und Steg hatten wir innerhalb von nur einer Woche natürlich nicht vergessen und da ich diesmal ein Malheur beim Parkieren vermied, ersparte ich mir auch das Ergrauen weiterer Haare.

Auf geht's in das nächste Abenteuer am Pizzo d'Eus.

Somit ging es also vom Parkplatz unterhalb von Cognera (680m) hinunter zum Fluss (Riale d'Agro, 660m), aufgrund vom niedrigen Wasserstand problemlos über die Steine hopsend darüber hinweg, jenseitig wieder hinauf, kurz dem Hang entlang und dann auf die letztes Mal erkundete, direkte Wegvariante via Cürt. Dort hatte in der Woche zuvor abschnittweise tiefes Laub die Passage etwas behindert. Darum führten wir dieses Mal zwei kurze Laubrechen mit, welche wir einst für die darum bettelnden Kinder zur Gartenarbeit angeschafft hatten. Seither hatten sie aber meist ein ungenutzt darbendes Dasein im Schuppen geführt, Jahre später sollten sie aber doch ihren Nutzen beweisen. Den Weg sauber kehrend stiegen wir in die Höhe, ob der Steilheit des Anstiegs (bzw. unserer konditionsbedingt bescheidenen Schrittkadenz) ging das mehr oder weniger nebenbei, d.h. ohne das Tempo wesentlich verlangsamen zu müssen. Wir brauchten schliesslich inkl. der Landschaftspflege genau 1:20h bis zum Einstieg. Um diesen zu erreichen muss unmittelbar nach der Passage der Platten unter der Wand (Ketten, in den Fels gehauene Tritte) bei einem Steinmann links hinauf ins Gehölz gestiegen werden. Etwas linkshaltend geht's entlang von 2 Fixseilen steil hinauf. Sobald man sich der Wand nähert, hält man sich ca. 20m horizontal querend nach rechts zum Einstieg (mit BH markiert, stark verblasste, noch knapp lesbare Aufschrift). Um 9.50 Uhr und somit etwa 20 Minuten nachdem die Sonne den Einstieg erreicht hatte, starteten wir in die Route.

Auftakt in L1 (6c), es geht rechts ums Dach herum!

L1, 45m, 6c: Bevor es los geht, mussten wir noch eine kleine Verwirrung klären: der gut sichtbare BH über dem Dach gehört zu einem Projekt und stellt den falschen Weg dar, die Magic Rampit führt rechts ums Dach herum - mit etwas Zurücktreten sind die BH sichtbar. Am rechten Dachausläufer wartet dann auch gleich die erste Boulderstelle, die sauberes Antreten und die Bedienung von sloprigen Leisten erfordert. Schon mal ein knackiges 'Orange' meinen wir - in der Skala vom Minimum-Boulder in Zürich, wo wir uns während der Woche vorbereitet hatten. Die nächste Steilplattenwand fordert an Leisten etwas Entschlossenheit und prüft mit einem zwingenden Mantle die Intuition des Kletterers - noch dazu kann man die Exe im BH darunter nur in ein kolossal rostiges, dünnes Umkehrmaillon hängen (Leute, hört doch bitte endlich auf mit diesen Maillons und verwendet einen Karabiner!!!). Ein weiterer Plattenboulder macht den Weg dann frei ins letzte Drittel der Länge, welche mit Genusskletterei an lochähnlichen Taschen und einschlussartigen, positiven Leisten aufweist. Nur jetzt im Nachhinein werde ich mir Gewahr, dass ich so bis zum im Topo verzeichneten Abseilstand in Mitte von L2 geklettert bin - den eigentlichen Stand habe ich im Gelände aber nicht wahrgenommen, ich bin unsicher, ob er existiert.

Fels und Kletterei überzeugen gleich von Beginn weg - grosser Genuss in L1 (6c).

L2, 25m, 6a: Sehr schöne und gemütliche Genusskletterei mit aussergewöhnlicher Felsstruktur. Es geht im gleichen Stil weiter wie am Ende von L1: sprich es geben herausgewaschene Löcher hervorragende Griffe her, dazwischen hat es dunkle Gesteinseinschlüsse, die mit positiv-griffigen Leisten hervortreten - super!

Sehr schöner Fels und tolle, gemütliche Kletterei in L2 (6a).

L3, 30m, 6a+: Auf diesem Abschnitt wird man nun schon deutlich mehr gefordert! Das merkt man schon bald nach dem Standplatz, wo eine ausgeprägte Crux doch einen zünftigen Blockierzug an kleinen Leisten erfordert. Später geht's wieder gängiger dahin, die Linie mäandriert und wird mit einem Linksquergang an einem tollen, rostfarbenen Rail zum Stand abgeschlossen.

Auch der Luis Trenker hätte an L3 (6a+) seine helle Freude gehabt!

L4, 35m, 7b: Ein richtiger Knaller, diese Länge! Guten Mutes, top motiviert und mit noch frischen Kräften stieg ich los - wobei das eben im Vergleich zur Betätigung in der Boulderhalle mit gegen 10kg Gear am Gurt natürlich etwas weniger leichtfüssig passiert. Die Länge erlaubt es einem aber, den Flow zu finden. Los geht's nämlich noch vergleichsweise gutgriffig, so war es kein Problem eine Zone mit (trotz langer Trockenheit) ein paar Rinnsalen zu passieren. An Schuppen und Leisten klettert man ungefähr im 7a-Bereich mit komplexen Bewegungen superschön zu einem Rastpunkt, bevor die Länge auf den letzten 10 Metern noch eine Schippe drauflegt. Erst heisst es einen Bauch zu überwinden - in Absenz von guten und positiven Griffen ist ein ausgeprägtes Gespür dafür gefragt, mit welchen Slopern man die Füsse wo auf kleine Unebenheiten draufpresst, um darüber zu kommen. Nach einem kurzen Verschnaufer wartet dann die delikate, schwierig zu lesende Abschlusscrux. Hier musste ich nach einem harten Fight leider noch klein beigeben - sehr schade, das war nahe dran.

Taff, wie man am Ende von L4 (7b) in drückendem Gelände griffarm Moven muss.

L5, 25m, 6a: Relativ kurze und zügig zu erledigende Erholungslänge. Erst geht's im bekannten 6a-Stil an Taschen und Leisten hinauf, bevor ein teilweise fallender Rechtsquergang zum Stand auf einem kleinen Grasband führt. Diese Traverse ist für den Seilzweiten nicht so freundlich abgesichert - aber da werden bestimmt alle Magic Rampit Anwärter darüber stehen.

L6, 25m, 7a: Auf dem Band wenige Meter nach rechts zu kleiner Birke und hinein in das plattige Vergnügen. Während der grosse Teil dieser Sequenz als zügig kletterbar im 6bc-Bereich daherkommt, stellt sich mittig eine deutliche Crux in den Weg. An mickrigen Slopern und Untergriffen gilt es, den Fuss hoch zu kriegen, balanciert aufzustehen und vor dem Wegkippen die Finger in eine vertikale Schuppe zu krallen. Das wäre jetzt wohl Schwierigkeit 'blau' im Minimum und auch wenn solche Moves extrem schwierig in eine Halle zu transportieren sind, dann können sie es mitunter dort noch am besten. Eine kleine Challenge gibt's noch kurz vor Schluss, das geht aber schliesslich gut von der Hand.

Bouldrige Plattenkletterei in L6 (7a), an deren Ende muss man auch nochmals parat sein.

L7, 25m, 6a: Wiederum eine gemütliche Länge, welche aber doch eine etwas knifflige Crux an einem kleinen Löchlein bereithält. Es ist aber wirklich nur ein Move, der Rest ist mit guten Rails ausgestattet und bringt einen zügig voran. Achtung, nach den ersten 2 BH geht es markant nach links hinaus, die BH gerade hinauf stellen einen Verhauer dar! Die tief abgespaltene und nur auf kleinem Raum mit der Wand verbundene Schuppe (whoah, crazy!) lässt sich meist gehend überquerend, ist aber sehr eindrücklich, weckt Erinnerungen ans Yosemite und wäre ein idealer Platz für eine Pause - eine solche können wir uns aber nicht gönnen, der Weg zum Top ist noch weit und die Zeit drängt.

Die riesige, kaum an der Wand verankerte Schuppe am Ende von L7 (6a).

L8, 25m, 7b: Unweigerlich geht's hier nun über den grossen Überhang, welcher aus allen anderen Eus-Routen so einschüchternd und abweisend aussieht. Einmal kurz davor, ist man froh darüber, dass der Weg durch eine grob strukturierte Zone verläuft. Wie so oft sieht diese aus der Perspektive auch gar nicht mal so steil aus... der Eindruck ändert aber subito, nachdem man sich vom Stand in wenigen Metern diesem Riegel genähert hat. Es geht ans Eingemachte und dies schon gleich zu Beginn! Ein initialer Boulder mit ein paar kleinen Leisten und Seitgriffen, dafür ohne Tritte und an unangenehm glattem Fels will überlistet werden. Wer das packt, darf dann den Turbo zünden: was folgt ist Power-Kletterei der ersten Güteklasse. Gutgriffig ist's zweifellos, doch so mancher Topf entpuppt sich als abschüssig und die Art Rampe, durch welche man diagonal hochklettert, ist irgendwie zu klein, als dass man sich kraftsparend platzieren könnte. Das einzige Glück: es lässt gegen oben eher nach und bis zum Stand ist es auch nicht allzu weit.

Ich kann nur sagen, dieses Foto aus L8 (7b) täuscht - extrem sogar. Was da visuell nach einem bequemen Rastpunkt aussieht, ist eine Position, die schon ziemlich anstrengend zu halten ist. Und der ganze Rest ist dann gleich nochmals zäher, das eben folgende Dach fordert durchaus Entschlossenheit und einen kräftigen Blockierzug. Die Crux befindet sich aber gleich am Anfang, in der glatten Zone an der rechten, unteren Bildecke.

L9, 25m, 6b: Nach links und hinauf, entlang von griffigen Rissen bzw. Verschneidungen gewinnt man in prima Kletterei recht kommod an Höhe. Während die Cams bisher gar nicht zum Einsatz kommen konnten, sollte sie hier nun aber der Vorsteiger mitnehmen. Gebraucht werden sie jedoch auch erst nach dem letzten BH für die auf den ersten Blick wahnwitzige Rechtsquerung zum Stand. Doch schau genau, auf dem richtigen Parcours löst es sich gut auf, in der Mitte von diesem Runout findet sich auch noch ein Placement, für welches die Erschliesser auf dem Originaltopo einen Friend 3 (=Camalot 2) empfehlen. Der würde da tatsächlich prima passen, man kann aber auch einen kleinen Cam (0.3) gut legen.

Super Ambiente und für den Nachsteiger chillige Kletterei in L9 (6b).

L10, 45m, 6b+: Eine geniale Seillänge mit toller, anhaltender Kletterei entlang von prima Strukturen. Erst griffig hinauf an Schuppe mit Fixfriend, gefolgt von einer zum Nachdenken anregenden Plattenstelle... entweder direkt delikat schleichen oder mit einem grösseren Umweg den Strukturen folgen?!? Was einfacher sein dürfte, ist auf den ersten Blick klar. Ich kann euch aber sagen, man bezahlt dafür mit einem wackligen Mantle, ziemlich weit über der letzten Sicherung. Naja, vielleicht dehnen sich einfach die Distanzen jenseits des letzten Bohrhakens, liegt vermutlich an der Einstein'schen Relativitätstheorie. Um diese können die Gedanken aber nicht ewig kreisen, denn zum Ende der Länge muss noch ein genial zu kletternder Riegel überwunden werden. Am Ende folgt dann der botanische Ausstieg auf's grasige Mittelband, wo man gerne noch Cams platziert (in meinem Fall konkret 0.4 und 0.75). Den gut sichtbaren Abseilstand vor dem Band kann man, muss man aber nicht zwingend nutzen, auch wenn der Seilzug beim Mantle in die Botanik schon etwas lästig ist.

Lässige Schuppenkletterei am Anfang von L10 (6b+), welche ein tolles Feuerwerk von Kletterstellen bietet.

Etwas vor 15.30 Uhr und somit nach 5:30h Kletterei waren wir auf dem Mittelband, bei fordernder aber toller Kletterei der ersten Güteklasse. Damit waren wir natürlich noch nicht ganz zufrieden - eine MSL-Route wird bis zum letzten Meter geklettert, sonst gilt es nicht. Ebenso bewusst waren wir uns aber der Tatsache, dass wir nur noch mit ca. 1:30h Sonnenschein und maximal einer zusätzlichen Stunde bis zum Schwinden des Tageslichts rechnen konnten. Dass dies bei 5 noch zu kletternden Seillängen ambitioniert war, musste uns niemand vorrechnen. Dennoch, wir wollten es auf jeden Fall probieren. Es war aber klar, dass es nun zügig gehen musste und wir den Rotpunktgedanken vielleicht etwas in der Hintergrund zu schieben hatten.

L11, 30m, 7a+: Gleich einmal ein etwas plattig-wackliger Auftakt vom Band weg, der auf eine ansteigende Rampe führt. Hier können/sollen zum letzten Mal die Cams zum Einsatz kommen, wobei es das vermeintlich wahnwitzige Freesolo (über dem Mittelband) so doch nicht gibt. Der weit entfernt sichtbare Sicherungspunkt ist eben der dritte, der zweite versteckt sich sehr gut hinter einem Grasbüschel (Tipp: der Rampe entlang im Fels bleiben, nicht links ins Gemüse ausweichen, dann findet man ihn). Ab BH #3 beginnen die Schwierigkeiten: ein krass weiter Move zwischen Henkeln geht nur mit Dynamik UND perfekter Fussarbeit - der Challenge liegt darin, genügend aus den Sohlen zu drücken, ohne dass diese auf der Platte wegflutschen. Doch damit nicht genug: der Dachriegel ist erst kräftig und der Mantle darüber hinweg sackeknifflig. Zum Dessert gibt's dann noch einen Reibungsquergang und eine delikate Palming-Sequenz zum Stand - ein happiges Menü!

Mysteriöser Mantle in L11 (7a+) - den Schlüssel nicht gleich gefunden, für mehr blieb keine Zeit.

L12, 25m, 6a+ A0: Schade, schade, schade, hier hat die Natur leider ein wenig mit ihren Reizen gegeizt. Sprich während gewisse Abschnitte dieser Länge hervorragend mit klein-positiven Mikroleisten gespickt sind und vergleichsweise gängig mit 6a+ dahergehen, so ist der Fels in anderen Teilstücken entweder blank oder dann zu spärlich mit weit distanten Knobs ausgestattet. Nachdem bisher niemand diese Länge freiklettern konnte, schien es unwahrscheinlich, dass es gerade uns gelingt und da wir sowieso auf dem letzten Zeitdrücker waren, wurde ohne zu Zögern an den Bolts gezogen. Wie erwähnt müssen 2, 3 Abstände zwingend freigeklettert werden, anderswo geht's nur mit Trittschlinge und dem einen oder anderen freien Move aus dieser raus - eher A1 als superbequemes A0.

So geht das in L12 (6a+ A0): die untere Exe kräftig melken und weit an die nächste heppen (im Vorstieg nur mit Trittschlinge machbar).

L13, 45m, 7a+: Diese Länge weist gleich vom Stand weg die Crux mit einem dynamischem Move an eine weit entfernte Leiste auf, nachher geht's zwar nicht völlig simpel, aber doch besser dahin. In der Mitte beschreibt der Verlauf eine deutliche Rechtsschleife, bevor es am bzw. über dem Dachwulst nach links geht. Der dortige BH steckt sehr im Schilf und muss stark verlängert werden (am besten eine 120er-Schlinge). Nachher folgen dann stark geneigte Reibungsplatten, über welche es sich mit viel Seilzug nämlich nur mässig angenehm schleicht. Der Stand dann etwas rechts ausserhalb vom Routenverlauf leicht zu übersehen.

Die Golden Hour ist schon angebrochen, als Viktor die Ausstiegsplatte von L13 (7a+) klettert.

L14, 20m, 5b+: Definitiv nicht das Filetstück der Route. Ein erster Haken steckt 2-3m links auf Höhe des Standes, wenig später folgt nochmals einer. Doch dann erblickt man zwar die Standhaken 15m höher oben, dazwischen aber viel mühsam-heikles Gebüsch und es bleibt völlig unklar, welchen Weg man wählen soll. Wir sind schliesslich stark rechtsherum mehr im Fels als in der Botanik gestiegen. Sicherungen gibt es aber keine, die Sache ist zwar unschwierig aber definitiv expo.

L15, 30m, 5c: Hier ist der Fels nun nochmals steiler und grösstenteils frei von der Vegetation. Eine lässige Abschlusslänge mit griffiger Kletterei und ziemlich guter BH-Absicherung, auch wenn sie etwas inhomogen verteilt sind. Falls es nötig sein sollte, Zeit zu sparen kann man die letzten beiden Längen auch mit 50m-Seilen linken, auch wenn der Stand dazwischen durchaus sinnvoll ist.

Lichterlöschen ist inzwischen schon erfolgt... im Vordergrund die mühsame Buschzone von L14 (5b+), während Viktor bereits im letzten Abschnitt (L15, 5c) dem Top entgegen turnt.

Um 17.20 Uhr waren wir mit einer Gesamtzeit von 7:30h am Top. Für die 5 SL ab dem Band hatten wir tatsächlich nur noch 1:50h gebraucht, die Speed-Strategie war dementsprechend aufgegangen. Naja, eigentlich weiss man ja genau, dass es deutlich schneller geht, wenn man ohne lange zu fackeln an den Haken zieht... andererseits hatten wir ausser in der A0-Länge nur gerade am Dach von L11 und beim ersten Move von L13 davon Gebrauch gemacht. Aber es zeigt umso besser, wie viel Effort für das jeweilige Ausbouldern der Cruxen draufgeht. So glücklich wir waren, Zeit um den Erfolg zu zelebrieren blieb keiner. Es galt jetzt möglichst schnell vom Berg zu kommen. Die Feststellung, dass es gar nicht mal so schlecht gewesen wäre, rückseitig zu Fuss absteigen zu können, half uns auch nicht viel weiter. Und es ist halt immer ein Dilemma: mit den Schuhen ist nochmals mehr Gewicht am Gurt, was das Freiklettern weiter erschwert. Dem könnte man mit einem Haulbag begegnen, was für das Handling aber auch einige Zeit beansprucht, 30 Minuten zusätzlich sind bei 15 Seillängen sicher das absolute Minimum, das dafür zu kalkulieren ist.

Ambiente am Top - zum Geniessen blieb nicht so viel Zeit.

Anyway, wir warfen die Seile aus und glitten subito in 3 Manövern (Top -> 13 -> 12) hinunter aufs Band. Von dort, wo man dieses berührt muss zum nächsten Abseiler der Magic Rampit wieder etwa 20m aufgestiegen werden. Ein potenzielles Abseilen über die Magic Rampit beinhaltete die Unsicherheit, wie gut sich der Dachriegel auf dem Weg in die Tiefe erledigen liesse. Bequem ginge es nur, wenn man von Stand 8 direkt zu Stand 5 käme. Mit 2x60m dürfte dies auf jeden Fall möglich sein, aber ob's mit 2x50m auch geht, waren wir uns nicht restlos sicher. Somit bestand die Gefahr, im Halbdunkel am zu kurzen Seil zu baumeln, die Alternative mit einem mühsam diagonal-überhängenden Abseiler L8 im Abstieg zu machen war ebenso wenig erbaulich. Die am besten scheinende Option war es, über die Vai con gli amici in die Tiefe zu seilen. Natürlich behaftet mit der Schwierigkeit, bei einbrechender Dunkelheit die Standplätze in einer unbekannten, steilen und teils mobil abzusichernden Route finden zu müssen.

Für ein Foto der im oberen Wandteil typischen Eus-"Shotholes" musste es beim Abseilen noch reichen!

Der Stand auf dem Band, ca. 10m links von Magic Rampit war problemlos zu finden. Zuerst ist eine 15m-Strecke bis unters Band nötig, da es sonst wohl schwierig mit dem Seilabziehen würde. Etwas seltsam gab's da allerdings keinen richtigen Stand, sondern nur einen Einzelbolt, der mit einem 10m langen Fixseil an den Bäumen oberhalb hintersichert war. Ab da brachten uns 2 Strecken an den Stand oberhalb vom grossen Überhang. Viel Sicht hatten wir nicht mehr, aber dass die Seile ohne Felsberührung im Leeren baumelten, konnten wir gerade noch erkennen. Mit viel Herzklopfen und Pendelschwung glitt ich in die Tiefe und tatsächlich: als ich mich dem Seilende näherte, war da der Stand, welchen das Topo versprochen hatte. Eine gewisse Erleichterung machte sich breit. In zwei weiteren zügigen Manövern erreichten wir den Boden (18.15 Uhr). Wir packten unsere Sachen und machten uns im Schein der Stirnlampen auf den Abstieg. Der von uns frisch vom Laub freigekehrte Weg war nun sehr angenehm zu begehen, nach 50 Minuten des Weges waren wir am Ausgangspunkt. Nun bleibt nur zu hoffen, dass der nächste Nordföhnsturm nicht wieder alle Blätter auf das Trassee zurück geweht hat. Mit einer ebenso grossen Portion Zufriedenheit wie Müdigkeit machten wir uns auf den Heimweg und diskutierten schon, welche Route am Pizzo wir wohl als nächste angehen könnten.

Facts

Pizzo d'Eus - Magic Rampit 7b A1 (6b+ obl.) - 15 SL, 410m - Petazzi/Pantini/Giuliani 2001 - ****;xxxx
Material: 2x50m-Seile, 14 Express, Cams 0.2-0.75, evtl. 1 & 2

Die als erste erschlossene Route mitten durch die gewaltige Südwand am Gneisdom des Pizzo d'Eus. Auf den ersten 10 Seillängen bis zum Band bietet sie hervorragende Kletterei von 5*-Qualität. Es wird einem viel Abwechslung mit typischer Gneiskletterei, aber auch sehr athletischen Passagen geboten. Die Felsstrukturen sind teilweise sehr aussergewöhnlich und einfach fantastisch. Im letzten Drittel ab dem Band ist die Kletterei immer noch lässig, wenn auch nicht mehr überragend und eher auf 3* Niveau; noch dazu kommt der Wermutstropfen einer nicht frei kletterbaren Seillänge. Die Absicherung mit rostfreien BH ist an den schwierigsten Stellen ab ca. 6c sehr gut (xxxx), darunter passt es auch (xxx), es ist jedoch durchaus etwas Engagement gefordert und 6b+ ist schon in L1 zwingend in Form eines wackligen Aufstehers zu meistern. Cams haben wir nur in L9-L11 eingesetzt. Dort sind sie an jeweils einer Stelle der Seillänge +/- unverzichtbar. In Retrospekt wäre es mit einem kleinen Set von 0.2-0.75 prima gegangen, mehr braucht es definitiv nicht. Ein Topo findet man im SAC-Kletterführer Tessin oder im Extrem Sud.

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