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Montag, 25. April 2022

Fontainebleau - Canche aux Merciers

Nach der nicht ganz kurzen Anreise nach Fontainebleau hatten wir am Vorabend noch in der Justice de Chambergeot das erste Mal Hand an den französischen Sandstein gelegt und bereits etwas Erfahrung mit den Einstufungen gemacht. So kristallisierte sich es als realistisches Ziel für Larina und mich heraus, einen kompletten blauen Circuit zu klettern. Als lohnender Einstieg und eine der vom Camping einfach zugänglichen Adressen wurde uns die Canche aux Merciers empfohlen.

Was für ein Griff - Sloperschüssel und 2-Finger-Loch bei #3 vom blauen Parcours.

Mit den Dimensionen noch nicht ganz so vertraut, schien mir auf Google Maps auch ein Zustieg zu Fuss ab dem Camping durchaus realistisch. Trifft durchaus zu, es waren aber doch fast 5km Gehstrecke,  welche dann vor allem am Ende des Tages bei rechtschaffener Müdigkeit nochmals zu erledigen waren. Alles auf flachen Wegen im lichten Wald gelegen, ideal wäre wie in der Einführung schon erwähnt ein Bike.

Taktiken aus der Halle à la Toehook bringen hier und da echte Vorteile, hier auf #9.

Schlussendlich hatten wir den Start in der SE-Ecke des Blockfelds gefunden, waren parat und konnten starten. Erst spielten wir noch mit dem Gedanken, auch gleich den parallel verlaufenden, orangen Parcours mit zu erledigen - sind ja nur 44 Boulderlein, das sollte ja drin liegen. Allerdings verwarfen wir die Idee bald wieder, eine einzige Farbe lastet einem durchaus genügend aus.

Auch für Skijumperboys ein interessantes Betätigungsfeld, ebenso für Parkour-Athleten.

Zum Thema "Start" gibt es noch einen anderen Aspekt: zwar sind auf den Circuits die Boulder markiert, die 'offizielle' Position für Hände und Füsse bleibt aber offen, genauso wie bei gewissen Problemen nicht so eindeutig ist, welche Features dazugehören und welche nicht. Mit Fotos, Topos und Videos erlangt man möglicherweise mehr Klarheit darüber, doch am besten ist man einfach seines eigenen Glücks Schmid und macht es so, wie es persönlich am besten passt. Jetzt im Nachhinein werde ich mir auch bewusst, dass ich bei gewissen Bouldern wohl eine 6B-Variante mit Sitzstart anstatt die eigentliche 4C-Lösung mit den höchstmöglichen Griffen geklettert habe - aber ist ja völlig egal.

Für kleiner Gewachsene ist's dann manchmal auch ein Jumpstart (#6)...

Beginnen tut der Circuit schon einmal mit einem kräftigen Riss (#1), der jedoch nicht zwingend ein Jamming erfordert. Ein paar schöne Faustklemmer findet man hingegen in der orangen #2 gleich gegenüber. Das erste Mal so richtig ästhetisch ist das runde Loch an #3, einfach genial welche Formen die Natur hier zaubert!

Dynamik vom einzigartigen Loch bei #3

Dass Bouldern und Alpinklettern mehr gemeinsam haben wie man auf den ersten Blick vielleicht vermuten könnte, offenbart sich spätestens bei #5. Die hohe (aber oben einfache) Kante erfordert Engagement und sicheres Steigen, da muss man wissen, was man tut! Nach zwei einfacheren Problemen wartet bei #8 die nächste Kante - nicht ganz so hoch, dafür echt knifflig und mit einem heiklen Ausstieg.

Moven an Pockets zu einem Mantle-Ausstieg an Slopern, das prototypische Bleau-Problem (#32).

Parat sein heisst es auch bei #14, wo sehr kräftige Kletterei an Löchern wartet, wobei die Anforderung hier ziemlich von der Startposition und der gewählten Linie abhängt. Ähnliches zur Startposition gilt auch bei #20 mit einem zähen Mantle von Löchern bei herausragender Felsstruktur - hier ist aber der Sitzstart auf bleau.info als 6A bewertet und als optional bezeichnet.

Tolle Felsstruktur bei #20, daran sorgfältig Antreten ist zwingend.

Mit einen der schwierigsten Boulder fand ich die knifflige Kante von #22 zu dünnem Sandührli-Griff am Ausstieg. Auch da ist der Sit eigens bewertet (mit 5C), aber auch das fand ich eher zu tief für wie hart mich das dünkte. Bald nach diesem Boulder verabschiedet man sich vom Hauptplatz in etwas einsamere Gefilde der hinteren Blöcke. Dort trifft man mit #27 auf einen Überhang mit erst Löchern und dann übler Sloperkante. Auch hier war uns die exakte Definition nicht restlos klar, mit Sitzstart und ohne Auskneifen über die Seite war das aber definitiv zäh.

Voll coole #26, Sitzstart am Sloperloch, dann am Quarz-Ausrufezeichen riegeln.

Wieder mehr psychisch gefordert wird man auf der hohe Platte von #31. Es lässt dann gegen oben schon genügend nach, dass es vertretbar ist - doch ohne etwas Risiko zu akzeptieren kommt man den nicht hoch. Die auf der Platte gesparte Kraft kann man dann z.B. in der Hangeltraverse #33 und im kräftigen Lochproblem #35 einsetzen.

In der läppisch mit 4B bewerteten Hangeltraverse (#33) heisst es Gas geben (ca. 6c Routenbewertung).

Eine Extra-Aufgabe hat uns #38 bzw. #39 eingebrockt. Eine verblichen-blaue Aufschrift mit einem Dynamo aus kniffliger Startposition erforderte einige Versuche - vor allem für den Herrn Senior. Rein aufgrund der Anlage mit diesem weiten Move (siehe animierte Sequenz unten) könnte man vermuten, dass es für Larina viel schwieriger gewesen wäre. Das war aber nicht so, sie konnte die miserable Startleiste von höheren und besseren Tritten nutzen. Es zeigt wieder einmal schön, dass viele Dinge beim Klettern eben subtiler sind, wie man auf's Erste denken könnte. Anyway, nachdem wir diesen Boulder in der Tasche hatten, sahen wir am nächsten Block, dass die neue Variante dahin verlegt worden war und wir somit "für nichts" gearbeitet hatten. 

Schwieriger Jump an der ehemaligen #38 oder #39 (Startgriff ist miserable Sloperleiste)

Langsam war die Sache nämlich durchaus kräftezehrend... zu unserem Glück gab es nochmals ein paar zugänglichere Boulder vor dem Grande Finale mit #44, einem fingerkräftigen Problem (5C) an kleinen Quarzleisten. Einmal geriegelt und gut weggestanden war es für mich zügig erledigt, während Larina mit kleinerer Körpergrösse fighten musste.

Bald auf der Zielgerade, #40 geht locker daher (3C), ein Sturz ist allerdings wenig empfehlenswert.

Nach 6 sehr unterhaltsamen und abwechslungsreichen Stunden hatten wir beide den kompletten Parcours gepunktet. Der Flash war mir schon bei #4 abhanden gekommen, welche ich zuerst falsch interpretiert hatte - wobei es mir (auch an den Folgetagen) viel mehr Spass gemacht hat, ohne lange zu studieren und zu analysieren einfach mal zu probieren. So warte ich bis heute auf den Tag, wo ich einen kompletten blauen Circuit flashen kann.

Jetzt noch du, dann haben wir es geschafft :-)

Wir machten uns auf den nun doch nicht mehr ganz so kurzen Rückweg zu Fuss. Der Rest der Familie war uns schon vorangegangen und hatte dafür gesorgt, dass wir mit ausreichend Vorräten und einem feinen Nachtessen versorgt waren. So konnten wir unserer Speicher füllen und somit das Beste dafür tun, dass die Kräfte zurück kämen und die Haut möglichst zügig nachwachsen würde. Denn schon am nächsten Tag sollte es weitergehen, mit dem blauen Circuit am Roche aux Sabots.

Ohlala, einfach mega diese Strukturen!

Facts & Links

Die Canche aux Merciers befindet sich auf flachem, offenem Gelände mit einzelnen Bäumen und weist entweder Sand- oder sandigen Waldboden mit meist idealem Absprunggelände auf. Aufgrund der Lage trocknen die Blöcke zügig ab. Es ist ein idealer Platz für die ganze Familie, der auch zahlreiche einfache Circuits hat. Einzig für die Ambitionierten gibt's nicht allzu viele richtig schwierige Boulder. Der blaue Parcours beginnt im Zentrum, entfernt sich nach der Hälfte zu etwa 100m abseits vom Hauptplatz liegenden Blöcken und kehrt am Ende wieder dahin zurück. Immer wieder gibt's kräftige Probleme, so dass durchaus etwas Ausdauer erforderlich ist. Einer der schwierigsten Boulder ist das finale Problem #44, ohne etwas verbleibenden Fingerstrom im Tank wird der nicht zu machen sein.

Liste, Topo und Fotos/Videos zum Durchklicken von bleau.info

Liste, Karte/Topo und Fotos zum Durchklicken von boolder.com

Topo zur Canche aux Merciers von bleau.info / Bernard Théret.

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