Nach all den Jahren ging's nun doch einmal nach Fontainebleau zum Bouldern. Auf der Agenda stand das zwar immer, doch wurde dieser Trip zu Gunsten von "Seil"-Destinationen immer wieder übergangen. Nun war es vor allem die Tochter, die auf dem Boulder-Osterausflug bestand, zudem hatten Freunde dieselbe Destination zum Ziel, somit war also der Moment gekommen. Es war sicher keine besonders schwierige Vorhersage, dass es mir als vielseitig interessiertem Climber auch in den französischen Wäldern bestens gefallen würde. So war's dann auch, insbesondere die Circuits waren einfach genial. Über einige von diesen soll in loser Folge auf diesem Blog bebildert berichtet werden.
Auf dem Weg zum Bouldern in den Wäldern um Fontainebleau. |
Aber zuerst einmal, was ist ein Circuit?!?
Ein Circuit ist eine Aneinanderreihung von meist ~40-50 Boulderproblemen homogener Schwierigkeit und einfach genial! Diese Parcours sind mit Nummern und Wegzeichen farblich markiert, so dass man maximal einen Übersichtsplan braucht, um den ganzen Tag vom einen zum nächsten Bloc zu gelangen. Man wird also quasi stets zum folgenden, interessanten Problem geleitet, ohne dass man lange in Topos blättern oder danach suchen müsste. Die Circuits gibt's in verschiedenen Farben, welche die Schwierigkeit anzeigen und zwar grob so wie folgt:
- Weiss (für Kinder, meist ist noch die Altersstufe beschrieben)
- Gelb (easy Parcours für Erwachsene)
- Orange (schon etwas Können nötig, für 6a/6b-Routenkletterer)
- Blau (für Fortgeschrittene, richtet sich an 6c/7a-Routenkletterer)
- Rot (da wird es schon zäh, 7b/7c-Routenniveau mindestens nötig)
- Schwarz & Weiss (wer das kann, braucht diesen Blog definitiv nicht)
In vielen Hallen in meiner Umgebung sind die Boulder in gleicher oder zumindest ähnlicher Farbskala bewertet. Auch da kann man Parallelen ziehen: wer einen blauen Circuit komplett, ohne Abkürzungen und sonstige Erleichterungen klettern will, sollte in der Halle mindestens die Schwierigkeit der blauen Boulder draufhaben. Vermutlich tönt das alles gut & glaubhaft, bis man in einem Topo oder auf einer Webseite blättert und feststellt, dass die Probleme in einem blauen Parcours fast ausschliesslich im Bereich Fb 4A-4C und damit in längst überwunden geglaubten Tiefen der Skala angesiedelt sind. Ich kann euch aber versichern, dass die oben beschriebenen Anforderungen absolut realistisch sind - für Grade Chaser sind die Circuits gar nix.
Markierung auf dem blauen Circuit, welche den Weg zum Einstieg des nächsten Problems leitet. |
Zu erwähnen ist auch, dass es doch eine gehörige Portion Ausdauer für einen solchen Circuit braucht. Man klettert doch ~50x ein Problem von 3-10m Länge, somit kommt locker die Strecke von einer längeren MSL zusammen - wobei deren "billige" Abschnitte eben fehlen und der Fokus rein auf den Schlüsselstellen liegt. Die Parcours zeichnen sich insbesondere dadurch aus, dass sie extrem viel Abwechslung bieten und möglichst alle Stile abfragen: Platten, Wand, Überhang, Risse, Löcher, Leisten und natürlich wie immer in Bleau, viele Mantle-Ausstiege. Meist helfen versierte Technik, gute Fussarbeit und Rumpfkraft deutlich mehr wie rohe Fingerpower. Den Zeitbedarf für einen solchen Circuit darf man nicht unterschätzen. Zu zweit, mit einer Matte und dem Niveau um ~80% der Probleme zu flashen, darf man immer noch gerne mit 6h rechnen! Ein Circuit ist eben eine richtige Kletterreise, welche den oder die komplette Athlet:in fordert und genau deswegen so genial.
Die Felsstruktur in Fontainebleau und deren Vielfältigkeit ist einzigartig! |
Ein paar Praxistipps
Bevor es mit den Bildberichten zu den Circuits losgeht, folgen an dieser Stelle noch ein paar einleitende Worte. Wobei ich mich hier nicht als Kenner des Fontainebleau-Boulderns aufspielen will. Aber wie immer hatten wir uns erst nach positiven Wetteraussichten und in letzter Sekunde definitiv für das Ziel entschieden. Folgende Minimalinfos empfand ich als nützlich.
- Camping: am zentralsten gelegen und von vielen gleichgesinnten frequentiert ist La Musardière bei Milly-La-Foret. Diverse Blockfelder im Bereich Trois Pignons sind ab da sogar zu Fuss zugänglich. Die Facilities und der Platz sind ok, aber nicht luxuriös, die Preise nicht extragünstig (~40 Euro/Nacht für eine Familie). Wer gerne unter festem Dach übernachtet, auf diesem Platz werden auch feste Hütten angeboten.
- Topo: gibt's etliche verschiedene und als Newcomer ist es nahezu unmöglich zu entscheiden, welches sich denn nun am besten eignet. Für uns endete es schliesslich (Last-Minute-notgedrungen) darin, dass wir ohne Topo anreisten. Mit ein paar Gebiets- bzw. Circuit-Empfehlungen und den hervorragenden Online-Topos dazu (welche nachfolgend präsentiert werden) kommt man zumindest für die ersten paar Tage aber problemlos ohne gedruckte Literatur aus. Und auch danach: für die Circuits waren die Pläne aus dem Netz meist aktueller und präziser wie jene aus den Büchern von unseren Freunden, so dass mir die Anschaffung eines Topos auch im Nachhinein nicht zwingend scheint. Als besonders nützlich empfand ich die Web-Ressourcen von bleau.info und die Circuit-Liste bei Cosiroc.
Frau powert durch auf dem blauen Circuit in Beauvais Nainville. |
- Matten: echte Bleausards sind auf einem Circuit nur mit einem Lappen zum Abwischen der Schuhsohlen unterwegs, das Mitführen einer Matte und deren ständiger Weitertransport erhöht sicher die Sicherheit, aber auch die Umständlichkeit und den Zeitbedarf. In vielen Gebieten ist das Absprunggelände meist flach und sandig, ich habe schlussendlich auch komplette Parcours ohne Matte gemacht. Wenn wir zu zweit unterwegs waren, dann jeweils mit einem (1) Pad. Hinweis: auf dem Camping La Musardière können Matten zum stolzen Preis von 10 Euro/Tag gemietet werden.
- Schuhwerk: einen kompletten Circuit mit ~50 Bouldern schafft man nur dann, wenn man unterhalb seines Limits unterwegs ist und einen substanziellen Teil der Probleme flashen kann. Dafür ist sicher kein Super-Duper-Kletterfinken nötig, ein möglichst bequemes, gut eingetragenes Modell mit dem man auch einmal ein paar Schritte gehen, die nötigen Block-Hopser und Abklettereien machen kann, ist viel zielführender und auf lange Frist auch deutlich komfortabler. Zwischen den Blöcken kann man meist problemlos barfuss gehen, für empfindliche Füsse sind Sandalen oder Flip-Flops eine gute Lösung.
- Transport: vermutlich könnte man in Fontainebleau ja durchaus mit öV Bouldern gehen. Wer mit Familie campen geht und Matten mitnehmen will, kommt ja aber logischerweise nicht um ein motorisiertes Gefährt herum. Einmal vor Ort, sind die Gebiet per (E-)Bike ab La Musardière fast alle mit einer kürzeren oder längeren Fahrt problemlos erreichbar. Wer also die Möglichkeit hat, soll durchaus ein Velo mitnehmen.
Demnächst geht's auf diesem Kanal weiter mit dem ersten Bildbericht zum blauen Circuit in der Canche aux Merciers.
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