Seiten

Samstag, 15. Oktober 2022

Wildhauser Schafberg - Schafbergkante (5c+)

Die Schafbergkante ist ein grosser Klassiker des Kletterns in der Ostschweiz in den gemässigten Schwierigkeitsgraden. Während sie früher mit 4+ A0 bewertet wurde (Schweiz Plaisir, erste Ausgabe von 1992) hat sich im Lauf der Zeit herauskristallisiert, dass die Schwierigkeiten eher höher liegen und auch die alpinen Anforderungen nicht ganz trivial sind. Ich konnte die Kante in einem Nachmittags-Spritztüürli an der goldigen Herbstsonne begehen. Wäre mir dabei nicht aufgefallen, dass die vielen Beschreibungen teils widersprüchlich und inkonsistent sind, so hätte ich möglicherweise nicht einmal einen Beitrag über die Tour geschrieben. Hier der Versuch, etwas Ordnung zu schaffen.

Die Schafbergwand mit ihrer bekannten Kante, die von links her zum Legföhren-Gipfel führt.

Der Zustieg startet vom grossen Parkplatz in Wildhaus (1095m, Kartenlink). Nun gilt es, zur letzten Kurve vor der Alp Fros zu kommen (1430m, Kartenlink). Dies entweder direkt dem Wanderweg entlang je nach Gehtempo in 40-50 Minuten zu Fuss, sehr bequem der Strasse entlang per E-Bike (15 Minuten) oder alternativ mit der Gamplüt-Bahn, was jedoch gegenüber dem Fussaufstieg kaum eine Zeitersparnis bringt. Vom Kuhrost in der Kurve geht's auf deutlich sichtbarer Wegspur über die Wiese, nach ca. 150m führt der Pfad in waldiges Gelände hinein. Man überquert die Trockenmauer und kommt zur Geröllhalde, an deren Rand man zum ersten Vorbauturm aufsteigt. Links an diesem geht's vorbei, d.h. weiter die geröllige Rinne hinauf. Den Anseilplatz am Beginn der Kante erreicht man, indem man den zweiten Vorbauturm rechterhand im Uhrzeigersinn umrundend von hinten kraxelnd mit einigen Moves im zweiten Grad entert. Beim bequemen und geräumigen Anseilplatz (1610m, Kartenlink, total 60-75 Minuten) kann man sich ideal auf die Kletterei vorbereiten.

Grobübersicht zum letzten Teil des Zustiegs ab der Haarnadelkurve vor der Alp Fros.
Detailansicht des Zustiegs zur Schafbergkante und zum Frospfeiler.

L1, 45m, 4a: Zuerst ohne fixe Absicherung ca. 10-15m einfach durch die grasige, kaminartige Rinne hinauf. Diese steilt auf und bietet einige Züge an Henkeln (BH). Nach der Steilstufe rechts haltend (BH) in wieder einfacheres Gelände und schliesslich zu Stand an BH auf kleiner Terrasse vor der nächsten, imposanten Steilwand.

L2, 45m, 5c: Laut der Literatur und rein in Bezug auf die klettertechnische Schwierigkeit zwar nicht die Crux, aber vermutlich die Schlüsselstelle der Route in Bezug auf das Hochkommen! Im SAC-Führer Alpstein (Ausgabe 2022) lapidar mit einer 4b bewertet, der Plaisir Ost (Ausgabe 2021) vergibt immerhin eine 5a. Mich dünkt beides klar zu tief, eine 5c ist dieser Abschnitt auf jeden Fall wert! Im Einzelnen: den BH 5m oberhalb vom Stand erreicht man einfacher linksherum. Dann geht es steil, abgespeckt und rampfig rechts durch die steile, fast kaminartige Verschneidung mit ihrem breiten Riss hinauf. Es stecken wenige BH, die Schwierigkeiten sind aber bei etwas unangenehmer Kletterei zwingend zu meistern. Nach ca. 20m legt sich das Terrain zurück. (Variante in diesem Abschnitt: links an breitem Riss durch die Wand, schlechter gesichert und schwieriger, 6a). Im einfacheren Gelände steigt man ohne fixe Absicherung geradeaus weiter und erreicht schliesslich einen geräumigen, flachen Platz. Stand entweder an Legföhren oder an 2 BH am Fusse des nächsten Aufschwungs (Hinweis: schwierige Kommunikation mit dem Seilzweiten).

Blick auf den letzten Teil des Zustiegs (orange) und die ersten beiden Seillängen der Kante.

L3, 45m, 4a: Vom BH-Stand nicht den sichtbaren Haken rechts an der Kante folgen (Variante 6a), sondern links in einfachem, gestuftem Gelände gerade hinauf klettern. Auf dieser Seillänge ist nur wenig fixe Absicherung vorhanden.

L4, 25m, 2a: Verbindungsstück über den hier einfachen, mehr oder weniger horizontalen Grat an den nächsten, steilen Aufschwung. Am Ende muss man noch etwas in eine erdige Rinne nach rechts absteigen. Die plattig-eindrückliche Variante (6a+) links am Turm ist die falsche Adresse.

L5, 40m, 5a: Die Route verläuft hier in griffig-steilem Gelände rechts der Verschneidung. Hier stecken wieder fixe Sicherungen, dies jedoch auch nicht allzu üppig. Man steigt schliesslich auf den wieder mehr oder weniger horizontalen Grat aus und folgt diesem noch ein Stück - her rechts unterhalb des Kamms halten.

L6, 30m, 2a: Einfacher Abschnitt dem mehr oder weniger horizontalen Grat entlang, auch hier eher rechts halten. Am besten bezieht man zwecks einfacherer Kommunikation in der Seilschaft nochmals Stand, bevor das Abkletterstück in die Scharte vor der Schlüsselstelle folgt. 

Ausblick von der Kante ins obere Toggenburg. Die Bergstation Gamplüt ist am unteren Bildrand in der linken Hälfte gerade sichtbar, ebenso wie die sehr markanten Churfirsten am Horizont. Landschaftlich ist die Kante ein sehr tolles Erlebnis!

L7, 20m, 3a: Nun folgt das vorher bereits erwähnte Abkletterstück in die Scharte. Das Abkletterstück ist wirklich unschwierig, allerdings steckt wenig bis nichts, der Seilzweite darf hier keinen Fehler machen! Hinweis: ab hier einzige und letzte, von mir nicht verifizierte Fluchtmöglichkeit durch 20m Abseilen an Muniring in die Schlucht und übersteigen des gegenüberliegenden Sattels.

L8, 20m, 5c+: Die nominelle Crux der Route - sie hat es freigeklettert durchaus in sich, aber hier stecken die BH so dicht, dass man problemlos in Klettersteigmanier A0 hochkommt. In freier Kletterei sind ein paar athletisch-weite Moves an guten Griffen nötig. Leider ist das Gestein per se eher unschön, zudem ist es auch noch extrem abgespeckt. Nein, das ist nicht das Prunkstück der Route!

L9, 20m, 4a: Auch wenn man dieses eher kurze Teilstück an die vorangehende Crux anhängen könnte, so ist es wenig empfehlenswert. Die Route verläuft hier eher nordseitig der Kante, wobei man sich nicht zu tief hinunter abdrängen lassen soll und mittig auf eine plattige Rampe emporsteigt (BH). Sonst steckt nur wenig fixes Material. Der Stand dann in einer Scharte.

L10, 40m, 4c: Schwieriger Auftakt aus der Scharte nach rechts hinaus, mässige Griffe und vor allem stark abgespeckte Tritte machen das Leben nicht einfach (BH, A0 möglich). Später bieten sich dann gute Legföhren als Griffmaterial an und die Route verläuft einfacher dem flachen Grat entlang.

Diesen Blick zum Moor mit seinen steilen Wänden gibt es vom Gipfel.

L11, 50m, 2c: Hier verläuft die Route nordseitig auf deutlich sichtbaren Wegspuren über ein Grasband. Fixe Absicherung ist keine vorhanden. Am Ende dieses Abschnitts ist die Routenführung dann nicht mehr so klar, da sich die Wegspuren auf dem grundsätzlich weiter begehbaren Grasband verlieren. Über leichten Fels kraxelt man der Nase nach zurück Richtung Grat zu Stand am Fuss des nächsten und letzten Aufschwungs.

L12, 40m, 4a: Nochmals steiler, aber griffig und insgesamt gut gestuft aufwärts, dann weiter in einfacherem Gelände dem Grat entlang zum letzten BH-Stand der Route. Die Absicherung unterwegs ist nur spärlich gehalten.

Ab diesem Punkt kann/muss man keine Seillängen mehr machen. Da das Gelände nicht mehr exponiert ist, kann man gut auf eine Seilsicherung verzichten. Etwas später erreicht man einen Punkt, der einen guten Überblick auf die Nordseite bietet und einen Abstieg in diese erlaubt. Hier kann man die Tour beenden und in 3x Abseilen nach Norden (18m, 18m, 22m) die Grashänge erreichen. Alternativ ca. 150m weiter über die mit Legföhren bestockte Kante, es dauert doch noch ein paar Minuten, bis man schliesslich das Gipfelbuch erreicht (Hinweis: das verlockende Grasband nordseitig unterhalb führt nicht zum Gipfel und ist nicht durchgehend begehbar!). Der Endpunkt des Aufstiegs ist zwar nicht der eigentliche Kulminationspunkt der Schafbergwand (P.1909), aber trotzdem ein logischer "Gipfel". 

Für den Abstieg heisst es zuerst, NE-seitig eine kurze Stufe abzukraxeln (8-10m, 2a, Abseilen an Einzel-BH möglich). Danach führt der einfachste Abstieg nach links (Westen) über ein schmaler werdendes Grasband mit Wegspuren, welches man ca. 40-50m verfolgt. An dessen Ende kann man an einem Muniring 15m abseilen, bei trockenen Verhältnissen lässt sich die Stelle auch gut abklettern (max. 3a). Achtung, im Plaisir Ost ist ein anderer Abstieg weiter östlich beschrieben - vermutlich geht der ja auch. Einmal auf den Grashängen unterhalb der Kante erreicht man in Kürze die Wegspur, welche via die Schäferhütte zurück nach Gamplüt und von dort nach Wildhaus führt. Hinweis: am Einstieg kommt man so nicht mehr vorbei. Das ist möglich, indem man sich auf ca. 1635m (85hm oberhalb der Schäferhütte, Kartenlink) nach links horizontal querend über eine Geröllhalde zu einer markanten Scharte (Kartenlink) hält und von dieser südseitig steil absteigt (T5, II, wenig empfehlenswert!).

Die Kante, mehr aus frontaler Perspektive vom Gamplüt gesehen.

Facts

Wildhauser Schafberg - Schafbergkante 5c+ (5a obl.) - 12 SL, 420m - ***;xx
Material: 1x50m-Seil, 10 Express, Schlingen, Cams 0.3-2 und/oder Keile

Imposante, landschaftlich schöne Route mit alpin angehauchter Kletterei. Es wartet ein Mix von schwierigen Steilaufschwüngen und einfacheren, flacheren Abschnitten am Grat. Es handelt sich dabei um keine typische Plaisirroute. Das Unternehmen stellt durchaus Ansprüche an die Wegfindung und das Seilhandling. Die fixe Absicherung ist in den einfacheren Abschnitten sehr spärlich. Hier muss man sicher klettern und zusätzlich mit Schlingen, Cams und/oder Keilen absichern. Zu bedenken ist auch, dass ein Übungsabbruch nur gerade über die beschriebene Fluchtmöglichkeit vor der nominellen Crux möglich ist. Der Zeitbedarf ist schwierig anzugeben: eine routinierte und diesem Gelände gewachsene Seilschaft wird kaum 3 Stunden benötigen. Wer in den an schönen Weekends üblichen Stau gerät und Schwierigkeiten mit der Kletterei, der spärlichen Absicherung und der Orientierung hat, wagt sich leicht auf ein tagesfüllendes Unternehmen - Helikopter-Rettungen von blockierten oder verspäteten Seilschaften sollen häufig vorkommen. Das in der Route vorhandene Material ist von guter Qualität. Das trifft jedoch nicht für die in den Topos beschriebenen Varianten zu. Dort stecken noch die alten Kronenbohrhaken von 1988, das Gelände sieht plattig-anspruchsvoll aus und lässt eine Unterbewertung der Schwierigkeiten vermuten - nichts für Gelegenheitskletterer, die sich sonst nur in der Halle oder im Garten einmal in eine 6a wagen. Topos zur Route findet man im SAC-Alpsteinführer von Werner Küng und im Plaisir Ost von Filidor.

4 Kommentare:

  1. Update vom 10.1.2023: die Zustiegsinformationen wurden präzisiert und aktualisiert

    AntwortenLöschen
  2. Eine super gelungene Beschreibung u d sehr hilfreich!!! Tausend dank Dir.
    Den letzten Standplatz haben wir nicht gefunden. Aber eine Föhre hat als Ersatz hergehalten.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Danke für die Beschreibung, wir haben den letzten Stand ebenfalls nicht gefunden. Interessant auch der Tipp zum Abstieg, wir sind dem Plaisir Ost gefolgt und bekamen einen Schlingen-Abseilstand.

      Löschen
  3. Danke für deine gute, sehr hilfreiche Beschreibung dieser Route. Soweit mir bekannt, bist du der Erste und Einzige, der SL 2 fair und realistisch bewertet. Der Anfang von SL 2 ist offensichtlich die Schlüsselstelle der ganzen Tour. Nie und nimmer im 4er Bereich. Ein Rätsel, warum renommierte Experten diese schwierigen Meter in ihren Beschreibungen krass tiefer einstufen. Martin
    ra.martin.seiler@bluewin.ch

    AntwortenLöschen

Ich freue mich über Ergänzungen zu diesem Blog via Kommentarfeld!
Kontakt: mdettling74@gmail.com.