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Sonntag, 30. April 2023

Skitour Sangigrat (2279m)

Auf und Ab geht's mit dem Wetter im April 2023. Auf jeden Fall war es wieder Mittwoch, erneut war frischer Pulverschnee gefallen und eine kalte Nacht angesagt. Eine weitere, willkommene Gelegenheit also, um die bisher nicht sehr ausgiebig genutzten Tourenski zum Einsatz zu bringen. Anstatt weit zu fahren und sehr früh aufzustehen, entschied ich mich für eine Tour in den Zentralschweizer Voralpen. Natürlich hat es da an den jeweiligen, meist tief gelegenen Ausgangspunkten keinen Schnee mehr. Somit war die Kombination Bike & Ski gefragt - wie Figura zeigt, ist es (m)ein Modell der Gegenwart, und laut aller Prognosen zur Klimaerwärmung und Schneearmut vermutlich erst recht jenes der Zukunft.

Alles, was der Tourengänger im Winter 22/23 so braucht - und in Zukunft wohl noch viel mehr.

So startete ich beim Gasthof Schwarzenbach (955m), der jedoch ferienhalber geschlossen war. Wie erwartet war es da grün rundherum - allerdings musste man den Kopf nicht weit in den Nacken legen, um die ersten, verschneiten Tannenspitzen zu sichten. Noch dazu ging ein richtig kühler Wind, gerne zog ich für den Start die Daunenjacke über. Meine Anfahrt verlief über die apere Alpstrasse bis zum P.1263, wo sich der Abzweiger Richtung Träsmeren befindet. Ab da lag Schnee, also schnallte ich die Bretter unter die Füsse und konnte schlussendlich mit Freuden konstatieren, dass mir erneut ein nahtloser Übergang zwischen den beiden Fortbewegungsmodi gelungen war - da gehört aber wohl auch etwas Glück dazu, immer wird einem das nicht hold sein. Der Fussaufstieg bis zu diesem Punkt hätte wohl ab Schwarzenbach ca. 30 Minuten betragen, was sich an diesem Tourentag sicherlich auch gelohnt hätte.

Wechselzone bei P.1263 mit nahtlosem Übergang vom Biken zum Skifahren.

So fellte ich der Strasse entlang zu den Hütten von Stäfeli (1550m). Die ganze Landschaft war frisch verschneit, es gab keine Spuren und andere Tourengänger wurden auch nicht gesichtet. An jenem Punkt musste ich ich entscheiden, ob ich der 'Normalroute' via Galtenäbnet folgen würde, oder direkt durch das Tälchen von Gandli (Abfahrtsvariante auf der Landeskarte) steigen wollte. Ich entschied mich für letzteres, denn diese Route kannte ich noch nicht und möglicherweise würde mir die Aufstiegsspur eine leichtere Rückkehr in den flachen Stücken ermöglichen. Sonst verlief der Aufstieg absolut eventfrei. Die Schneedecke schien mir sehr stabil, es gab absolut keine Warnzeichen - vermutlich wären trotz Stufe 3- auch die ambitionierteren Ziele drin gelegen, auf welche ich aspiriert hatte. Naja, better to play it safe.

Alleine durch solche, frisch verschneite Landschaften zu schreiten... ein grosser Genuss!

Für die Abfahrt wählte ich die direkte Linie mittig aus der Gratsenke am Sangigrat durch die Nordflanke hinunter. Meiner Meinung nach ist das auch für den Aufstieg die zu bevorzugende Variante, da kürzer und auch lawinentechnisch weniger heikel als die Standardroute. Immerhin war diese, durch die steile Kehle am Fuss der Alpler Horn Nordwand führend, landschaftlich schön gewesen. Der Schnee war der absolute Knüller, winterlich kalter Pulverschnee auf einer kompakten Unterlage - so gut hatte ich es bisher den ganzen Winter nie. Auch im Tälchen von Gandli gingen sich noch prima Schwünge aus, an den sonnigeren Expositionen war der Schnee aber schon feucht geworden. Unterhalb der Hütten von Stäfeli wurde es auf der Alpstrasse dann sogar schon richtig klebrig, aber das ist mehr eine Randnotiz, weil da sowieso nur mehr Spurfahren angesagt ist. Erneut war ich verblüfft darüber, wie viel Schnee während den wenigen Stunden meiner Tour bereits seinen Aggregatszustand gewechselt hatte. So musste ich die Bretter bereits drei, vier Minuten schultern, um zum Bikedepot zu gelangen. Mir blieb der Heimweg und das Fazit - die Tour war nun wirklich so richtig, richtig lohnend gewesen. Wenn's einen Fehler gab, dann war es der, nicht zwei Stunden früher aufgestanden zu sein und noch einige weitere Hänge in der Gegend in die Tour eingebaut zu haben. Aber guter Schlaf ist auch wichtig, somit passt das schon 😎

Nicht schlecht für Ende April und gerade mal auf 2000m 😊

Facts

Sangigrat (2279m) ab Schwarzenbach (955m)
Total 1325hm Aufstieg, Ski-Schwierigkeit WS, normale Skitourenausrüstung



Dienstag, 25. April 2023

Skitour Engelberger Rotstock (2818m)

Endlich einmal - aus Sicht des Skitourengängers - hatte es Mitte April 2023 in der Höhe zünftig geschneit. Zudem kündigte sich ein sonniger Tag an, zusätzlich liess auch die Agenda gewisse Freiheiten zu. Schon längst war ich eigentlich in der Klettermodus gewechselt, aber so zur Abwechslung reizte mich diese Gelegenheit trotzdem sehr. Nachdem der Vorabend aber mit Arbeit und der Eastbolt-Jahresversammlung bis spät besetzt war, stellte ich meine Pläne in Frage. Zu meinem (Touren)glück musste die Tochter am Folgetag früh raus und mit einem raschen Blick auf die Webcams war meine Motivation zurück. Nun musste nur noch eine gute Tour her, die alleine, bei Stufe 3 und hochnebelartiger Bewölkung bis auf 2000m hinauf Sinn machte. Gut, ich geb's zu, da hatte ich am Vortag schon etwas Karten-Engineering betrieben, so ganz spontan in 2 Minuten war mir die Idee mit dem Engelberger Rotstock ab St. Jakob im Isenthal nicht gekommen.

Der Engelberger Rotstock (2818m) mit seiner Nordflanke in der linken Bildhälfte, der Aufstieg dahin verläuft zum Übergang des Rot Grätli (etwas rechts der Bildmitte), einem Höhenverlust nach dem Übergang und dem rückseitigen Aufstieg über die Südflanke des Rotstocks. Ab diesem Punkt herrschten noch ziemlich winterliche Verhältnisse.

Natürlich lag beim Ausgangspunkt beim P.1001 schon weit und breit kein Schnee mehr. Ohne auf das Schneetaxi (E-Bike) zugreifen zu können, hätte ich sie bestimmt nicht in Erwägung gezogen. Auf aperer Strasse ging es über 4.0 Kilometer Distanz steil aufwärts zum P.1416, ein wenig vor der Gossalp. Ab dieser Stelle lag Schnee, ich konnte die Bretter anschnallen und bis zum Gipfel an den Füssen belassen. Eigentlich stellte die von mir gewählte Route für mich gar kein Neuland dar. Vor 20-25 Jahren hatte ich bei den Touren ab der Bannalp zum Ruchstock (und retour via St. Jakob - Gitschenen - Brisen), zum Brunni- und Urirotstock alle Teile bis auf den Gipfelhang am Rotstock bereits begangen oder befahren. Aber das liegt ja schon sehr lange zurück und während sich einzelne Momente dieser Touren fest im Gedächtnis eingebrannt haben, sind viele Details (der Landschaft) nicht mehr so präsent. Das hat sicher auch damit zu tun, dass es von damals, noch vor dem Digital(foto)zeitalter, keine Bilder gibt.

Der Wissigstock (2887m) wäre mein alternatives Tourenziel gewesen, falls sich der steile Gipfelhang am Engelberger Rotstock als zu heikel erwiesen hätte. Das war jedoch nicht der Fall, so bleibt dieser sicherlich auch sehr lohnende Berg auf meiner Pendenzenliste.

Im frisch gefallenen, nass-pfluttrigen Neuschnee stieg ich durch die Schluecht hinauf zur Oberalp. Ab dieser Höhenlage hatte es in der Nacht wohl keinen Nebel gegeben, somit bessere Abstrahlung, was in einer mehr oder weniger tragenden Unterlage resultierte. So kam ich relativ zügig voran auf die Hochfläche unter der Bannalper Schonegg. Das Gelände ist dort sehr coupiert mit Buckeln, Rücken und kleinen Tälern. Da galt es, eine effiziente Route zu wählen, welche möglichst ohne Gegenanstiege auch eine bequeme Rückkehr erlauben würde. Hinweise in Form von bereits existierenden Spuren gab es keine. Die Gegend war komplett unberührt, auch von der Bannalp her war niemand unterwegs. Immer wieder spannend bei Frühlingstouren sind die abrupten Wechsel von Schnee, Wetter und Klima. Hatte zwischendurch bei stechender Sonne schon richtige Hitze geherrscht, so blies im Schlussaufstieg zum Rot Grätli ein eisiger Wind. Bei gleichzeitig winterlich-kalter, pulvriger Schneedecke fühlte man sich gleich einige Monate im Jahresverlauf zurückversetzt.

Das Bild passt besser zum nächsten Abschnitt 😎 ready to roll am Gipfel, das fast zugeschneite Kreuz knapp erkennbar.

Vom Passübergang (2558m) ins Engelberger Gebiet kommt man nicht darum herum, einige Höhenmeter zu vernichten - je nach (Lawinen)verhältnissen mehr oder weniger, um eine sichere Route zu wählen sind es ca. 100hm. Dann folgt etwas ausholend der Aufstieg in die Engelberger Lücke (2685m), welche für mich der Punkt der Entscheidung in Sachen Gipfelziel war. Die Südflanke am Rotstock ist nämlich bis zu 40 Grad steil, daher nicht a priori Terrain für Stufe 3. Aber wie vermutet gab es an diesem windexponierten Südhang mit seiner kompakten Schneedecke keine Lawinengefahr. Somit konnte ich bedenkenlos aufsteigen, was bis zum Gipfel mit den Ski möglich war - das geht längst nicht immer, oftmals liegt an diesem windexponierten Hang zu wenig Schnee. Mein Ausweichziel wäre übrigens der von der Geländesteilheit her gutmütigere Wissigstock gewesen. Das ist aber nochmals ein ganzes Stück weiter und lohnt sich vor allem dann, wenn man vom Gipfel her dann ein Stück Richtung Rugghubel abfährt. Das verschob ich lieber auf ein anderes Mal, war ich doch längst nicht mehr früh dran und der weite Aufstieg, über weite Strecken alleine spurend, hatte auch schon Kraft gekostet.

In der Abfahrt unterhalb der Bannalper Schonegg - feucht-zäher, pulverähnlicher Schnee, ganz ordentlich zu fahren 😊

Am Gipfel wurde ich urplötzlich von der nun hochgetriebenen Quellbewölkung eingehüllt. Nur zwischendurch war der Blick in die Umgebung frei und bei diesen Verhältnissen wollte ich auch nicht lange verweilen. Meine Abfahrt erfolgte exakt auf dem Aufstiegsweg - inklusive knapp 100hm fellendem Gegenanstieg zurück zum Rot Grätli. Skifahrerisch war es sicher kein absolutes Highlight, aber meist doch ganz ordentlich. Lästigen Bruchharsch gab es nirgends, sondern Schwünge in etwas zähem Pulver oben und feuchtem Schnee (der Deckel war inzwischen aufgeweicht und nicht mehr tragend) weiter unten. Die letzten 80hm retour zu meinem Bikedepot legte ich zur Schonung meiner Bretter dann lieber zu Fuss zurück. Es war verrückt, wie stark die Schneedecke in diesem Bereich in den paar Stunden meiner Tour zusammengeschmolzen war. Bald wird sie bis auf 1800m hinauf wohl wieder weggeschmolzen sein. So blieb mir noch die Bike-Schussfahrt zurück zum Ausgangspunkt und die Frage, ob das wohl schon die letzte Skitour des Winters war?!? Die Zukunft wird es zeigen...

Facts

Engelberger Rotstock (2818m) ab St.Jakob im Isenthal (P.1001)
Total rund 2000hm Anstieg, Ski-Schwierigkeit ca. ZS

PS: GPS im Aufstieg zu spät eingeschaltet 💩

Mittwoch, 19. April 2023

Avegno / Scaladri - La Stadera (6c)

Ticino once again - das trübe Regenwetter lässt uns keine andere Wahl, sofern Outdoorklettern auf dem Menüplan stehen soll. Das ist durchaus der Fall, nachdem ich den ganzen Samstag mit Larina am Swiss Cup im Bouba verbracht habe, ist trotz meiner Bouldersession zwischen Quali und Final viel Felshunger vorhanden. Mit der Wahl des Ziels tun wir uns aber schwer: die Wetterprognose mit Wind, relativ tiefen Temperaturen und einem "teilweise sonnig" lässt die Frage offen, wie genussreich es in den höheren Lagen wäre. Hinzu kommen die üblichen Family-Shenanigans (ein früher Aufbruch wäre nach dem späten Heimkommen am Vorabend ziemlich unbequem, am Tourenabend warten auf den Daddy natürlich auch schon wieder diverse Pflichten), dazu hat die samstägliche Indoor-Session durchaus an den Reserven genagt. Nimmt man noch den nachösterlichen Stau hinzu, so scheint eine Anreise per öV die Methode der Wahl, womit alle Ziele an den Sassi, Pizzi und Poncioni definitiv vom Speisezettel entfernt werden müssen.

Tolle, kompakte Gneisplatten mit einigen Grünzeugs-Inseln, so lautet das Motto am Scaladri.

Mit vielen anderen Outdoor-Enthusiasten geht's mit 200km/h durch das Loch in den Süden, wo der Himmel tatsächlich blau ist. Aufgrund der Gegebenheiten haben wir uns "nur" für den Scaladri bei Avegno entschieden. Chilliger gibt's MSL-Klettern in der Schweiz kaum - nur 3 Minuten dauert der Zustieg von der Haltestelle "Avegno, Grotti" zum Fels, wo dann rostfreie Komfortabsicherung mit dichtem Hakennetz wartet. Fast etwas unerwartet sind wir um 9.45 Uhr die ersten auf Platz - wobei sich die Sonne am Vormittag eben noch hinter dem Berg versteckt, wer wohlig gewärmt werden will, darf gerne etwas länger schlafen. Allerdings ist es im Tal längst mild genug, um bereits am Vormittag zu starten. Das machen wir dann auch nach wenigen Minuten der Vorbereitung. Um die Route noch ein wenig zu verlängern, sind wir gleich am Vorbau eingestiegen und haben dort die ersten 3 SL der Route Taroc geklettert, welche direkt zum Start der Stadera führen. Dieser Abschnitt könnte auch links über einen Pfad mit einigen Ketten umgangen werden.

Scaladri - Taroc (L1-L3)

L1, 30m, 5a: Nette Kletterei über die Platte, die immer wieder mit guten Leisten bestückt ist. Einige Schritte am Ende fordern etwas mehr Herz, im Vergleich zu dem was folgt vermutlich eher etwa schwieriger wie 5a. Leider unbequemer, zu tief gebohrter Stand.

L2 & L3, 50m, 6b: Kurzer Boulder über die Stufe hinweg (alternativ den Baum links benutzen) und reibungslastig zu einem unbequemen Zwischenstand, den wir ausgelassen haben. Der nominell dritte Abschnitt führt über eine kompakte, glattgeschliffene Platte - ein Glück, dass gewisse Strukturen von der Politur verschont blieben, so geht's für den Kletterer grad noch auf. Stand an Baum mit Kette.

Nach oben geschaut hat er in L1 (5a) von Taroc am Vorbau gar nie... 

Scaladri - La Stadera (L1-L11)

Vom Abschlusstand der Vorbaulängen am Baum muss man ca. 15m nach links über Gras traversieren (auf dem Zustiegsweg), um unter der Hakenreihe der La Stadera zu stehen. Der angemalte, gelbe Pfeil ist schon ziemlich verblasst und hinter einem Gebüsch versteckt.

L1, 30m, 6c: Ohne besondere Schwierigkeiten geht's im 5c-Bereich über die Wand und ein paar Stufen hinweg zum finalen Riegel. Da heisst es erst Aufstehen in einen hohen Untergriff, später dann an 2 kleinen Crimps kräftig auf die Platte manteln, gleich danach kommt der Stand. Es ist die am höchsten bewertete Kletterstelle, aber ob es auch die schwierigste ist?!? Nach unserem Empfinden nicht unbedingt.

Definitiv die Crux von L1 (6c), dito die nominelle Schlüsselstelle der La Stadera.

L2, 50m, 6a+: Lange Seillänge, welche an ihrem Ende die Taroc quert, d.h. es ist der rechte Standplatz zu nutzen. Die erste Hälfte dünkte mich dabei durchaus noch recht schwierig. Hier ist das Terrain teilweise wieder so glatt wie eine Küchenabdeckung, ein paar Rissspuren und Leisten erlauben aber die Fortbewegung. Leider aber ist *die entscheidende* Leiste gechippt, d.h. mit der Bohrmaschine aufgebessert 🙄 Ich hab's gleich gespürt, als ich meine Finger darin versenkt habe, der Kontrollblick hat es dann bestätigt. Ob diese Manipulation wirklich nötig war 🤔?!?

L3, 45m, 6a+: Erneut ein langer Abschnitt, die kurze Stufe zum Auftakt bietet super Henkel und ist problemlos. Nachher geht's im plattigen Gelände gut und zügig voran. Uns dünkte diese Seillänge deutlich einfacher wie die vorangehende, es macht da wenig Sinn dieselbe Bewertung zu verwenden. Womöglich wurden anlässlich der Sanierung Risse freigelegt, die vorher nicht zu nutzen waren?

Ausblick auf L3 (6a+), die schöne, homogene und strukturierte Plattenkletterei bietet.

L4, 15m, 6b+: Kurz aber taff - es stellt sich eine 2.5m hohe, überhängende Stufe in den Weg. Erneut ist es der Ausstieg ins Flache, welcher die grösste Challenge darstellt. Erstens ist es nicht so einfach, die Übersicht zu kriegen, zweitens muss eine nicht gerade Deluxe-XL-Leiste heftig gekrallt und blockiert werden, bis die Füsse umplatziert sind. Der Stand im plattigen Fels dann eher unbequem, alternativ wenige Meter weiter und am Baum Station machen.

Taffer Boulder am überhängenden Riegel in L4 (6b+).

L5, 45m, 6a+: Wiederum eine schöne, plattige Wand, die über weite Strecken prima, flowige Kletterei bietet. In der Mitte fordert eine kurze Stelle mal etwas mehr Aufmerksamkeit. Zum Ende hin heisst es deutlich nach rechts zu queren, der Stand direkt oberhalb gehört zur Taroc - das erschliesst sich vor Ort aber alles ohne grössere Zweifel.

Signature Foto vom Scaladri, auch in Taroc wird sehr gerne ein ähnliches Motiv abgebildet (L5, 6a+).

L6 & L7, 50m, 6a: Die Wandstufe wird an ihrem rechten Ende erklommen, der Baum erleichtert die Sache doch merklich. Nachher geht's zügig mit unschwieriger Plattenkletterei voran. Die beiden Seillängen lassen sich mit einem 50m-Seil gut verlinken. Achtung, der Stand vor dem Übergang in die Vegetation ist eigentlich der Abseilstand, zum Weiterklettern besser noch durchs Gebüsch zu 2 BH am Start des nächsten Abschnitts.

L8 & L9, 40m, 6b: Kurze Rechtsschleife, dann durch die geneigte Wand. Hier wurde bei der Sanierung ein breiter und schöner Riss mit grossem Aufwand freigelegt - nötig ist's aber nicht unbedingt, weil auch die Reibungswand daneben gut machbar ist. Wer dadurch noch nicht ausgelastet war, kann gut die nächste Länge linken: es geht über steilere Platten hinauf an einen Riegel. An diesem wird an Untergriffen nach rechts traversiert, die Füsse sind dabei mehr und mehr auf die glatte Seite vom Dual Tex zu stellen. Ein kniffliger Move um die Ecke entlässt einen in einfacheres Gelände, bald kommt der Stand.

Im Vordergrund der geputzte Riss von L8, dann die kniffligen Buckel von L9 (6b).

L10 & L11, 50m, 6b+: Hier gibt's drei Seillängen unmittelbar nebeneinander. Laut dem Sanierungstopo (nicht aber jenem im SAC-Führer) ist die rechte Linie jene der Stadera. Die lohnt sich echt super und folgt einer Rissspur durch die steile Plattenwand. Erst heisst es eher auf Gegendruck zu moven, wobei man die Füsse ein paar Mal nahe der Haftgrenze stellt. Nachher kann man prima jammen, etwas Athletik wird dabei gefordert. Nach diesem Abschnitt flacht das Gelände ab, über ein paar Stufen geht's dem Ausstieg entgegen.

Schon auf der Zielgerade zum Ausstieg auf dem Link-Up von L10 & L11 (6b+).

Schon ein paar Minuten nach 13.00 Uhr und damit nach knapp 3:15h Kletterei hatten wir die total 14 Seillängen bis dahin erledigt. Das war sehr flott gegangen, ein ziemlicher Kontrast zu den kürzlichen Erfahrungen in der Dharmacakra. Aber so geht's eben, wenn die Kletterei eher plattig, nicht allzu schwierig und obendrein auch noch sehr gut abgesichert ist. Spass hatte es jedoch definitiv sehr viel gemacht. Es blieb einzig die Frage, was wir denn nun als nächstes noch klettern könnten...

Scaladri - Aquaplaning (L7-L8)

Unweit vom Ende der Stadera, ca. 30m weiter direkt am Abstiegsweg gelegen, sind die BH der beiden Schlusslängen von Acquaplaning bestens sichtbar. Da wir noch mehr als genug Zeit hatten, wollten wir gerne wissen, was da weiter oben am Scaladri noch kommt.

L1, 35m, 6b: Der Auftakt steil, aber rissig durchzogen mit einer Art Rampe - man könnte meinen, es sei trivial, ganz so leicht klettert es sich dann aber doch nicht. So gelangt man an eine pechschwarze Plattenwand, wo zu Beginn gute Strukturen das Fortkommen erlauben. Diese werden aber kleiner und ohne ein paar ausgefeilte Bewegungen und mutigem Antreten lässt sich die 6b nicht bezwingen. Auch ist die Absicherung zwar gut, aber halt trotzdem nur noch halb so dicht wie in der Stadera - gerade aus der Crux raus ist der Wille zum Schritt vorwärts zwingend. Nachher dann einfacher einer Verschneidung entlang zum Stand.

Coole Kletterei über die schwarze Platte von Aquaplaning (deren L7, 6b).

L2, 15m, 6b: Hier ist der Fels wieder grossflächig auf Feinheit Kücheabdeckung poliert, wobei ein paar eingravierte Features schon nicht fehlen. Diese sind zur Fortbewegung zu nutzen. Die entscheidende Stelle an einem schlechte Seitgriff erfordert auch wieder ein gutes Bewegungsrepertoire! Wir sind gespannt, was sich nach der Wandkante noch bietet... nicht mehr viel, gleich ist der Stand da. 

Spezieller Fels kurz vor Ende des Supplements in der Aquaplaning (deren L8, 6b).

Nun kommt erst einmal eine Grünfläche (z.Z. unserer Begehung mit verdorrtem Gras). Da es oberhalb noch Felsen hat, ging ich auf einen Erkundungsgang, vielleicht fände sich ja noch eine Fortsetzung. Dies war jedoch nicht der Fall, bzw. ich identifizierte einzig bei der 15m-Stufe direkt an der Kante noch die letzte Seillänge und Crux der Route Rosa e Jacqueline (15 SL, 6c A0). Da wir für diese sowieso dereinst wieder anreisen werden und zur vernünftigen Absicherung des letzten Abschnitts Cams nötig schienen (die wir nicht dabei hatten), verschoben wir diesen steilen Riss auf's nächste Mal. Also zurück und runter zum Abstiegsband. Das Abseilen mit nur 1x50m-Seil über die beiden zuletzt erkletterten Längen der Aquaplaning ging sich zum Glück gerade ohne Basteleien aus. So konnten wir bald die Schuhe schnüren und gegen Tal schreiten. 

Nostrano - Noge (7a)

Noch immer war es erst 14.00 Uhr nachmittags und unsere Klettergelüste waren noch nicht vollends gestillt. Ich liebäugelte schon mit einer Stippvisite im Underzero oder im Ostsektor von Ponte Brolla. Schlussendlich wurde es aber der obere Teil vom Sektor Nostrano. Exakt dort wo ich 1 Woche zuvor mit Jerome nach der Corridoio Bo ausgestiegen war, trifft der Scaladri-Abstieg auf den Wanderweg. Schon damals hatte ich die kompakte Platte wenige Schritte oberhalb inspiziert. Ein halbes Dutzend Routen von 4c-7a wartet da in bestem plattigem Fels. Natürlich fingen wir oben an und erkürten die Noge (7a) zum Projekt. Da zeigte sich wieder einmal, wie schmal auf den Platten der Grat zwischen Spazieren und Überforderung ist. 

Noge 7a, 30m: Superkompakte, sehr anhaltende Plattenkletterei, wo eine gute Fusstechnik und Vertrauen in die Reibung absolut unerlässlich sind. Trotzdem wird auch eine gewisse Athletik abgefragt. Bei den Griffen handelt es sich zwar vorwiegend um 2mm-Crimps und sonstige, winzige Unebenheiten. Aber um sich eben von diesen Strukturen auf Tritten in unmöglicher Position stabil und ohne Wackler aufzurichten braucht doch allerhand Strom. Für Liebhaber des Genres jedenfalls ein Top-Seillänge und eine absolute Empfehlung, wenn es denn gerade einmal am Weg liegen sollte!

Nicht der Brüller, dieses Foto - aber halt das einzige, welches es gibt. Ja, ein Profifotograf hätte bei meiner Begehung mit Perspektive sicherlich ein paar erstklassige "facial expression" einfangen können. Natürlich handelt es sich bei dieser superkompakten Platte um die Noge (7a) im Sektor Nostrano. I can tell you: was hier flach und nach superkurzen Hakenabständen aussieht, fühlt sich absolut nicht so an (ist mit 10 BH auf 30m anhaltende Kletterei auch nicht überbohrt). 

Viktors Tipps, seinen Chalkspuren und den bereits installierten Exen sei Dank gelingt mir tatsächlich ein Flash - ohne diese Erleichterungen hätte ich es bestimmt nicht geschafft. Ob das nun wirklich "nur" eine 7a ist, mögen die Plattenfreaks gerne unter sich ausmachen. Den Zusatz "kann sich viel härter anfühlen" gibt's von mir auf jeden Fall dazu, und für alle welche vorwiegend in der Halle oder in überhängenden "Liistli"-Gebieten turnen wird eine dortige 7c ziemlich sicher deutlich machbarer erscheinen. Anyway, mich hatte der Flash ziemlich geflasht - über so lange Zeit am absoluten (Abrutsch-) Limit unterwegs zu sein, aber einfach den Willen zu haben, der Schwerkraft mit jeder Faser zu trotzen und dies dann auch noch zu schaffen, sorgt schlussendlich doch für einen wohligen Hormoncocktail, welcher sowohl das Plattengeschiebe wie "First Go"-Ascents so speziell macht.

Random Pic aus der La Stadera (L9, 6b).

Schliesslich schlug es gerade 16.00 Uhr, als ich wieder den Boden betrat. Ganze 1:30 Stunden hatten wir also für diese Länge gebraucht, man kontrastiere dies mit den nur gut 3:00h für die 14 Seillängen der Stadera. Tja, vieles ist eben relativ, die Zeit erst recht. Das hatte auch seine Wichtigkeit, wie wir uns gewahr wurden, dass uns noch genau 14 Minuten blieben, um den nächsten Bus zu erwischen. Von der Haltestelle trennten uns ein guter Kilometer Distanz und 250hm Differenz. Nach den Slow Moves auf der Platte konnten wir aber wieder eine höhere Kadenz anschlagen und tatsächlich reichte es komfortabel, um in das bereits gut gefüllte Fahrzeug einzusteigen. In Ponte Brolla stiegen dann auch unsere Kollegen wieder zu, die sich im Ostsektor auf der anderen Seite der Vertikalen vergnügt hatten. Die gemachten Erlebnisse und zukünftige Projekte austauschend verging die Zeit auf der Reise zurück durch den Gotthard-Basistunnel bei einem zünftigen Apero wie im Flug. Bald empfing uns das immer noch grau-regnerische Wetter auf der Nordseite und das Weekend war schon wieder vorbei. Schön und erlebnisreich war es, auf bald wieder im Ticino!

Facts

Avegno / Scaladri - La Stadera 6c (6a obl.) - 11 SL, 325m (+130m) - R.&C. Ghisla 1994 - ***;xxxxx
Material: 1x50m-Seil, ca. 10-18 Express, Cams/Keile nicht nötig

Schöne und sehr genussreiche Plaisirroute mit minimalem Zustieg, die weitgehend über schwarze Gneisplatten mit sehr gutem Fels verläuft. Reine Schleicherpartien sind selten, meist bewegt man sich an Dellen und Leisten. Zudem sorgen einige steilere Passagen für Abwechslung, die Schlüsselstellen findet man in Form von Boulderzügen an einigen überhängenden Riegeln oder in den Seillängen mit steilplattiger Wandkletterei. Die schon zuvor gut mit Inoxmaterial eingebohrte Route wurde 2020 vom Erschliesser saniert. Dabei wurden viele zusätzliche BH gesetzt, sprich die Hakenabstände überall mindestens halbiert. In allen schwierigen Passagen kann nun fast in Hallenmanier geklippt werden. Wenn man die Schwierigkeiten halbwegs im Griff hat, stört dies den Kletterfluss eher wie dass es nützlich erscheint, weshalb wir uns vielfach darauf beschränkt haben, nur die Originalhaken mit den kleinen Ösen zu klippen. So kommt man auch mit ~8-10 Exen aus. Selbst wenn man alle Bolts klippt, so lässt sich oft die untere Exe wieder mitnehmen, so wäre der Bedarf bei ca. 12-14 Stück, auf den längsten Seillängen stecken jedoch bis zu ~16-18 Haken. Die Route lässt sich noch etwas verlängern, indem man den Vorbau (gehört eigentlich zur Taroc) mitnimmt, auch die letzten 2 Seillängen der Aquaplaning sind durchaus lohnend und im ähnlichen Schwierigkeitsgrad, so ergeben sich zusätzlich 130m an Kletterstrecke. Die gedruckten Topos (Plaisir Sud, SAC-Kletterführer Tessin) zeigen nicht den neusten Stand, es macht Sinn das Topo von der Sanierung mitzuführen.

Freitag, 14. April 2023

Ostern 2023 im Ticino

Es gibt zwar nichts sonderlich Spektakuläres zu vermelden, an dieser Stelle aber trotzdem für meine persönliche Erinnerung eine Notiz zum Ostertrip 2023. Nach dem üblichen Hin und Her sowie Abwarten bis zum Schluss fiel die Entscheidung wieder einmal aufs Tessin. Schliesslich sollte dort das Wetter (in vernünftiger Fahrdistanz von daheim) in Summe über die 4 Tage am schönsten und wärmsten sein. Zur Verfügung stand uns eben tatsächlich nur das minimale Zeitfenster von Karfreitag früh bis Ostermontag spät. Und wenn man der Schweizer Presse vertraut hätte, schien es aufgrund düsterster Stauprognosen doch eine reichlich verwegene Idee, zu diesen Zeitpunkten eine Alpenüberquerung mittels motorisiertem Individualverkehrsmittel versuchen zu wollen.

In der Corridoio Bo (4 SL, 5c+) im Sektor Nostrano in Avegno.

Wobei all diese Berichte ehrlich gesagt viel mehr über die Funktionsweise der Medien aussagen wie über die tatsächliche Situation auf der Strasse. Etwas sensationslüstern mit Rekordzahlen umherwerfen und der grossen Mehrheit der daheim gebliebenen das Gefühl geben, es genau richtig gemacht zu haben, so ist man sich der Leserzahlen und dem Wohlwollen der Kundschaft sicher. Natürlich, mit ungeschickter Routenwahl und Zeitplan hätte man schon einige Stunden anstehen müssen. Aber unsere Realität war eine andere: mit Abfahrt um 7 Uhr morgens am Karfreitag gab's grad so total 30 Minuten Zeitverlust auf der Hinreise, einen Zeltplatz in Avegno erhielten wir als grössere Gruppe mit mehreren Parteien auch ohne Schwierigkeiten und selbst die Felsen waren nicht überfüllt. Sportgeklettert sind wir schliesslich ausschliesslich in unmittelbarer Nähe unseres temporären Domizils: im Underzero und im Ostsektor von Ponte Brolla. 

In der Corridoio Bo (5c+), mit Wechselführung geklettert - bravo Jerome!

Meine Highlights dieser Reise:

  1. Mir lief es am steilen Fels super, jeden Tag gab's mindestens einen Rotpunkt in einer für mich schwierigen Route (>=7c). Dazu der grosse Fight in der genialen 35m-Ausdauerroute Karmagheddon (7c), auch wenn mir am Ende doch noch der Onsight entwischte. Den kniffligen Einstiegskamin hatte ich souverän erledigt, mich dann sauber jeden Ruhepunkt nutzend über manch eine schwierige Stelle entschlossen vorwärts kletternd nach oben gekämpft, um es am Ende doch hergeben zu müssen. Da kann man nur wieder einmal das Zitat "Sport de merde, mais pour ça on l'aime tant" hervorholen. 
  2. Mit Jerome gab es zwei MSL-Quickies: einerseits eine Speedbegehung nach dem Sportklettern auf der Südseite in Ponte Brolla bis auf den Rovine del Castelliere mit Fussabstieg. Andererseits ein kurzer, morgendlicher Umweg beim "Gipfeliholen" in den Sektor Nostrano zur 4-SL-Plattenroute Corridoio Bo (5c+), die uns  ebenfalls sehr zügig gelang.
  3. Wie Larina für jede schwierige Route und noch so unmögliche Kletterstelle eine kreative Beta entwickeln konnte, die eine Begehung möglich machte. So stark zu sein und einfach alles "niederknüppeln" zu können ist schon nice, die schwierigen Passagen aber schlicht und einfach  "auszutricksen" aber noch nicer.
Komplett selbstgebaute Naturhütte der Kids - nur fast nicht Platz für alle gleichzeitig 😁

Und natürlich, hier nun ohne Nummer, einfach die gute gemeinsame Zeit draussen und am Fels mit Family & Friends. Nur ging es viel zu schnell zu Ende - nach einem gemütlichen Abschlussznacht vor Ort gab's dann auch auf dem Heimweg freie Fahrt, bevor am nächsten Tag der Weg zurück "in den Stollen" wartete.

Freitag, 7. April 2023

Zigerschwitz 2023

Die Kinder waren wieder einmal dahin an den Boulderwettkampf im Rahmen des Swiss Youth Climbing Cup im O'Bloc, resp. dorthin an den Speed-Wettkampf der Swiss Parkour Series in Lugano ausgeflogen. Die Gelegenheit eigentlich, um sich wieder einmal draussen zu bewegen. Das Problem nur: eine verletzungshalber eingeschränkte Frau und regnerisches Wetter allenthalben. Nach einem spannenden Indoor-Ersatzprogramm musste ich mich nicht lange umsehen. Der Zigerschwitz ist ein regionaler Boulderwettkampf in der Lintharena in Näfels, der heuer zum ersten Mal auf dem Programm stand. Das hatte mich als passionierten Wettkämpfer natürlich sowieso schon sehr gereizt, die sich präsentierende Situation erzwang meinen Besuch schon fast. Hier meine Geschichte von und mit diesem Anlass.

* Alle Fotos in diesem Beitrag sind von Martin Knobel Photography (knobelphoto.com) 🙏

Das Foto alleine ist fast schon ein Spoiler für diesen Blog, da soll es die Caption nicht auch noch sein!

Nach sehr frühem Aufstehen (zwecks Versorgung der Kinder), einem chilligen Vormittag daheim, der Anreise nach Näfels und einem seriösen Aufwärmen fiel um 13.00 Uhr der Startschuss zur Qualifikation. Total 42 Boulder standen auf dem Programm, 5 Stunden Zeit gab es dafür zur Verfügung, "Achtung, fertig, los!" hiess das Motto. Geschraubt war hervorragend, abwechslungsreich und in der Schwierigkeit perfekt passend - Chapeau 🤠. Das ist natürlich der Verdienst des Schrauberteams, sicher nicht erschwert wurde dessen Aufgabe durch die Tatsache, dass die Anlage in der GLKB-Boulderhalle ja sowieso etwas vom Besten weitherum ist. Von der fordernden, bewegungsintensiven Platte bis zur ausdauernden (Seilfrei-)Kletterroute in der grossen Grotte war das ganze Spektrum an Problemen vorhanden. Das eine um das andere Top fand Aufnahme auf meinem Laufblatt - dank dem grosszügig bemessenen Zeitbudget war (vorerst) keine Eile, sondern das Einteilen der Kräfte angesagt.

Gut studiert und gut geputzt ist die halbe Miete!

Gegen das Ende hin wurde es aber doch spannend und eine gewisse Hektik kam auf:  die persönliche Ranglistenposition konnte im Live-Ranking auf einer Onlineplattform verfolgt werden. Es kristallisierte sich heraus, dass für mich die realistische Chance auf eine Teilnahme am 5er-Final bestand. Natürlich aspirierten diverse Konkurrenten ebenso darauf, ein paar zusätzliche Tops an den nunmehr allesamt schwierigen Restproblemen waren also gefragt. Einfacher gesagt als getan, doch mit dem Mobilisieren aller verbleibenden Kräfte konnte ich 15 Minuten vor Ablauf der Quali einen harten, punkteträchtigen athletischen Boulder im x-ten Go doch noch toppen und mich temporär auf den entscheidenden Rang 5 schieben. Wenn nun nur nicht meine Mitstreiter noch irgendwo ein Top buchen würden...

Hat es draussen doch nicht nur geregnet 🧐 Naja, es hat sich wohl nur um eine kurze Aufhellung bei typischem Aprilwetter gehandelt. Aber natürlich hatte ich keine Zeit, um mich um solche Kinkerlitzchen zu kümmern. Dieser Quali-Plattenboulder forderte meinen ganzen Einsatz, für mich war das die schwierigste Slab.

Der Fokus richtete sich auf einen dynamischen Koordinationsboulder, wo sich eine Art High Noon einstellte. Mehrere Akteure aspirierten da auf ein potenziell wertvolles Last-Minute-Top, welches die Rangliste möglicherweise erneut auf den Kopf gestellt hätte. Natürlich musste ich mich da auch einreihen, um gegebenenfalls mein Punktekonto weiter äufnen zu können. Also hauten wir abwechselnd Versuch um Versuch raus, was mir nun neben dem bereits aufgebrauchten Strom auch noch die letzte Haut von den Fingerkuppen schliff. Naja, strategisch-haushälterisch war das nicht, in der Situation aber irgendwie erforderlich. Schliesslich kam der Schlussgong, tatsächlich hatte es keine Tops mehr gegeben und mein fünfter Rang, d.h. die Finalquali blieb bestehen. Erst einmal war 1 Stunde Pause angesagt. Die Erkenntnis, dass die nicht reichen würde, um Kraft und Haut zu regenerieren war offensichtlich - ebenso die Einsicht, dass ein pokerndes Abwarten beim Quali High Noon vielleicht noch ziemlich schlau gewesen wäre.

Ziemlich harter Athletikboulder (aber nicht der alles entscheidende der Quali...).

Dass der Final zu einer schwierigen Angelegenheit werden könnte, lag nicht nur an meinem Zustand, sondern auch an den Konkurrenten. Ich hatte die grosse Ehre, mich u.a. mit Giani zu messen, einem vortrefflichen Outdoor-Boulderer mit 8C/+ im Palmares. Weiter war Daisuke dabei, wie stark er bouldert hatte ich schon bei mancher Gelegenheit beobachten können - zuletzt im Final der Tifigen am Quadrel Rock Rodeo, wo er gegenüber den nationalen Eliteathleten eine richtig gute Figur abgab und seinen japanischen Wurzeln alle Ehre machte. Schon a priori fühlte sich das in etwa so an, wie wenn man mit einem alten Traktor gegen zwei Ferraris ein Rennen fährt... noch dazu war beim Traktor auch noch der Tank leer Dass sich das irgendwie ausgehen würde, da musste schon eine ziemlich spezielle "Rennstrecke" definiert werden.

Das ist der plattig-technische Finalboulder - für mich leider alles ein bisschen nahe beisammen.

Im Final - vor grossem Publikum - standen uns 3 Boulder bevor, die im Weltcup-Modus nach einer vorgängigen, gemeinsamen Besichtigung mit 4 Minuten Zeitlimit geklettert sein wollten. Nr. 1 eine Platte mit Volumen und Slopern, Nr. 2 ein dynamisches Koordinationsproblem mit Sprung zur Seite und Nr. 3 ein athletischer Boulder mit "Off the Wagon"-Campus-Schlussequenz. De visu schienen das alles ein wenig wie Boulder, wo man bei einer normalen Session lieber gleich zum nächsten, machbar erscheinenden Problem weiterzieht 🙈. Diese Option stand nun aber nicht zur Verfügung, also positiv denken! Wer weiss, Platten sollten dem Autor ja eigentlich liegen, beim lateralen Koordinationsmove könnte die Reichweite helfen und im Überhang dürfte es ja vielleicht zumindest für die Zone reichen... 🤞🏼

Getting ready to rumble with a French blow 😁

Eigentlich war das ja eine ganz interessante Situation für mich. Ich verfolge ja viele Wettkämpfe als Coach oder Zuschauer von der Seitenlinie oder am Livestream und fiebere mit Athletinnen mit. Für einmal in ihrer Haut zu stecken und vor Publikum, mit Zeitlimit, an (persönlich zu) schwierigen Bouldern in suboptimalem Zustand gegen übermächtige Gegner bestehen zu müssen... so etwas am eigenen Leib zu erleben und es sich nicht nur vorzustellen, ist doch einfach nur so richtig lehrreich. Wobei ich ja sogar noch in der privilegierten Situation bin, dass es bei mir persönlich "um nichts geht", d.h. nicht noch Druck und Erwartungen von dritter Seite auf mir lasten. Das demonstriert sehr eindrücklich, dass das Sportlerleben nicht nur ein Zuckerschlecken ist.

Nochmals ein Qualiboulder - harter Angriff auf die Senioren-Hamstrings - besser schnell toppen 🤨

Die Realität zeigte dann, dass positives Denken zwar sicher nicht fehl am Platz ist, aber ohne etwas Power im Bizeps halt eben doch nicht zum Toppen von schwierigen Kletterproblemen reicht... 🤷🏼‍♂️ mein Frame passte schlecht für die Platte, da war alles zu nahe beisammen für mich. Die Koordination hätte ich mit mehr Zeit und Versuchen eventuell sogar gepackt, aber 4 Minuten sind mehr als nur schnell rum, vor allem auch weil die Startposition und der erste Move bockhart athletisch waren und nicht in beliebiger Kadenz repliziert werden konnten. Und tja, beim letzten Boulder kam ich zwar tatsächlich etwas voran (siehe Titelfoto), die üble Kugel der Zone aber tauchte auch nicht auf meinem Resultatblatt auf. C'est la vie, ich blieb auf meine Qualirang 5. Gewonnen wurde der Anlass von Daisuke vor Giani, die sich beide alle 3 Tops holten im Final holten - herzliche Gratulation, das war 👌🏼.

101% Fokus im Koordinationsboulder des Finals 

Endlich konnten meine geschundenen, pink gefärbten und teil sogar schon blutigen Griffel in den Ruhezustand versetzt werden. Nach der stimmungsvollen Siegerehrung mit grosszügigen Preisen (herzlichen Dank an die Sponsoren 🙌🏼) liessen wir den Abend beim gemeinsamen, im Startgeld inbegriffenen Pastaplausch ausklingen. Dort und auch später ergab sich die Gelegenheit, ein Resüme zu ziehen. Und das kann nur lauten "wow!". Der Zigerschwitz hat für einen solchen Regionalwettkampf neue Standards gesetzt! Super Boulder, ein Finale mit allem drum und dran, 1a-Stimmung am Wettkampf, viele motivierte Helfer und ein Profi-Fotograf, der erstklassige Bilder gemacht hat. Ich kann dem Team von Vertical Glarnerland nur ein grosses Lob und meinen herzlichsten Dank aussprechen! Das hat einfach gfägt, ich freue mich schon auf die Ausgabe im 2024 🤗