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Sonntag, 15. Oktober 2023

Horefelliflue - Knecht Klemenz (7a+)

Die Horefelliflue ist eine 350m hohe, eindrückliche Wand mit grossen, glatten Plattenschüssen in der Voralp, einem Seitental der Göscheneralp. Lange Zeit hatte ich dieses verlockende Gemäuer auf meinen Touren im Gebiet nur bestaunt, denn die wenigen Routen aus den 1980er-Jahren waren spärlich abgesichert und in Vergessenheit geraten. Im 2021 wurde Mastermind (6b+) dann saniert, ich konnte sie kurze Zeit später mit Kathrin und Larina an einem Top-Herbsttag wiederholen (Blog dazu folgt...). Nicht nur mir hatte diese Wand gefallen, auch die Urner Locals Bruno und Kurt Müller waren so begeistert, dass sie kurzum eine neue Linie in die Wand legten. Es dauerte dann noch einige Zeit bis zu deren kompletter Fertigstellung und Freigabe im 2023. Nachdem der Kalender auf Oktober vorgerückt war, kam für uns die Chance zu einer frühen Wiederholung.

Blick auf die tolle Wand der Horefelliflue mit dem Verlauf von Knecht Klemenz

Unsere Tour startete um 8.30 Uhr bei der Voralpkurve (1402m), wo wir das Glück hatten, den letzten freien Parkplatz zu ergattern. Auf bekanntem Weg liefen wir die Kehren durch den Wald hinauf und ins Tal hinein. Es ergab sich ein interessantes Gespräch mit einem Urner Wanderer, der mit seiner Oldtimer-Ducati angereist war. Er erzählte von den winterlichen Töfffahrten mit seiner Maschine zum Nordkap, bei Temperaturen von bis zu -40 Grad. Wir Kletterer seien etwa gleich verrückte Vögel, war schlussendlich das Fazit. So verging die Zeit rasch, wir erreichten die Alp Horefelli und folgten der inzwischen recht deutlichen Spur zur Wand hinauf. Nach einer Stunde und ein paar Zerquetschten waren wir am durch das Bohrmaschinen-Graffitti gut identifizierbaren Einstieg und bereiteten uns auf die Kletterei vor. Um 10.00 Uhr ging es los, die Sonne hatte gerade eben den Wandfuss erreicht.

L1, 45m, 6a+: An einem kleinen Pfeiler geht's los, erst kann dieser einfach erstiegen werden. Doch schon bei dritten BH wartet eine knifflige Stelle, wo man mit Seitgriffen seine Füsse auf Reibung anpressen und durchmoven muss. Einfacher geht's zu einem Riegel hinauf, wo man sich einen geschickten Weg zwischen einigen dumpf klingenden Schuppen hindurch suchen muss. Der Weiterweg zum Stand ist dann Formsache.

Los geht's! Von L1 haben wir allerdings kein Lichtbild, das ist schon der Start in L2 (6b).

L2, 40m, 6b: Zuerst geht's über einen einfachen, etwas durchzogenen Vorbau hoch und dann um die Ecke (was in der Fortsetzung leider ziemlich Seilzug generiert). Die steil-imposante Wand danach klettert sich schliesslich leichter, wie man von unten zuerst denken würde. Der Fels ist da toll strukturiert und die Crux besteht darin, den Wechsel von der einen zur anderen Rissspur gut zu erwischen. Nach meinem Empfinden leichter wie L1, ich würde die Schwierigkeitsgrade tauschen.

Prima strukturierter, kletterfreundlicher Fels am Ende von L2 (6b).

L3, 40m, 6b: Mit einem Piaz-Vorgeplänkel geht's zu einer steilen Stufe, welche an Seit- und Untergriffen erklettert wird. Mir ging das problemlos auf, wobei die Körpergrösse da vermutlich recht stark hilft. Danach legt sich das Gelände wieder zurück und bietet schliesslich anspruchsvolle und auch recht zwingende Plattenkletterei. Für den Vorstieg vermutlich die anspruchsvollste Passage der Route.

Die Sequenz in der oberen Hälfte von L3 (6b) fand ich taff, aber vielleicht bin ich da im Nachstieg auch ein wenig unbedarft reingeklettert.

L4, 45m, 6a: Eine sehr gemütliche Seillänge zum Erholen. Der Anfang über Rampen und Piazschuppen klettert sich total lässig, zügig und genussreich. Auf etwa zwei Drittel habe ich einen kurzen, etwas schwierigeren Einzelmove im 6a-Bereich gemacht, der womöglich auch hätte umgangen werden können. Am Ende geht's nochmals über einen Aufschwung, aber auch das geht gut. Vielleicht auch eher nur eine 5c, diese Länge.

Wow, so richtig fotogen - dabei ist L4 (6a) echt ein chilliger Abschnitt.

L5, 40m, 6b: Zuerst geht's in gut strukturiertem, schuppigen Gelände rasch und ohne besondere Schwierigkeiten vorwärts. Das ändert sich im oberen Teil, wo sich eine relativ glatte Plattenzone in den Weg stellt. Der ökonomische Kletterer fragt sich schon, ob er das Teil mit Ausweichen ins erdige Gelände links leichter bewältigen kann. Dem ist kaum so, denn dies wäre a) mühsam und b) offeriert die Platte bei genauem Hinsehen genau an der richtigen Stelle eine kleine Leiste. Elegant über die Kante geht's zum Stand.

Die Stelle in L5 (6b) wo der ökonomische Kletterer... im Fels bleiben soll.

L6, 40m, 7a: Nun gilt's ernst - das sagt nicht nur das Topo, sondern das wird auch im Gelände subito klar. Die superkompakte Platte mit der eng gesteckten Absicherung gleich ob dem Stand macht es aus. Ich mache mich mal ans Werk, das aber nicht so einfach ist. Klar sind die Abstände kurz, aber grifflos und mehr im Schlittern wie im Stehen das Seil einzuhängen ist dann eben doch schwierig. Schliesslich lässt sich aber eine tragfähige Beta entschlüsseln und wenn man einmal weiss wie und wo, so kann das Seil mit Minimalaufwand in den Karabiner einschnappen. Einzig der letzte BH dieser Sequenz steckt nach unserem Gusto ausserhalb der einfachsten Linie und ist nur erschwert zu klippen. Ich entschliesse mich zu einem 2nd Go und kann tatsächlich Rotpunkt passieren - gefühlt mit 0.0% Marge an der Abrutschgrenze, aber es geht, geilo! Wirklich eine extrem fusslastige Bewegungspassage, bei der man einfach den Glauben in die Haftreibung nie verlieren darf! Den einfacheren, oberen Teil der Seillänge klettere ich dann im Onsight. Er bietet genüssliche, abwechslungsreiche Granitkletterei mit am Ende tollem Tiefblick in die Schlucht linkerhand.

Das Foto zeigt nicht so viel von L6 (7a), aber nach der Cruxzone geht's noch lange einfacher weiter zum Stand hoch.

L7, 25m, 7a+: Als Viktor bei mir ankommt, heisst er mich die nächste Seillänge ebenfalls zu führen, ich hätte es ja so gut gemacht (in der Tat sind es wohl eher seine nach dem Effort schmerzenden Füsse, welche eine Pause verlangen). So mache ich mich auf den Weg in die grosse, diagonale Querung. Die Haken stecken auch da freundlich, ob dem diagonalen Verlauf kann man auch im Vorstieg fast beständig im Toprope moven. Das macht es sicher (noch) einfacher als in L6, voll das Limit auszuloten. Zudem ist dieser Abschnitt doch einen Tick weniger fusslastig, sprich mehr mit kleinen Leisten gespickt, welche das Aufbauen des nötigen Drucks erlauben. Ich kann alle Klippen umschiffen (von denen es zwei wesentliche und etliche kleinere gibt) und mir den Onsight holen.

L7 (7a+) ist zwar die Crux, auf dem Foto sieht's aber blanker aus, wie ich es empfunden habe.

L8, 30m, 5c: Während die Route bis dato fast ausschliesslich Wandkletterei bot, kommt nun doch noch ein Riss. Viktor korrigiert mich gleich, das sei bloss eine "Schuppe" und kein "Riss". Stimmt vermutlich und ist kein Nachteil, denn so kann man sich an dem Ding wenigstens gut festhalten. So ist trotz der Steilheit der Grad wirklich nur bei einer 5c, die man vielleicht noch mit einem Plus versehen darf. Genau genommen hatte ich diesen Abschnitt schon damals auf der Mastermind geklettert. Das gereicht mir besonders insofern zum Vorteil, dass ich aus puristischer Sicht ja sowieso keinen Komplett-Onsight der Route hätte holen können... so spielt auch der "nur" 2nd Go Erfolg in L6 keine Rolle 😁

Viktor turnt dem Himmel entgegen in L8 (5c), welche eigentlich zur Mastermind gehört.

Um 15.00 Uhr sind wir nach ziemlich exakt 5:00 Stunden der Kletterei am Top. Während ich auf den ersten zwei Seillängen noch nicht ganz restlos überzeugt war, bin ich später in einen tollen Kletterflow gekommen und erreichte das Top komplett begeistert. Wir notieren im Buch die sechste Begehung der Route, halten uns sonst aber nicht lange auf, denn Viktor muss noch weiter ins Tessin. Eventfrei geht's über die Mastermind in die Tiefe und dann wandernd das Tal hinaus. Wir diskutieren, was das Tal wohl sonst noch an Klettererlebnissen für uns zu bieten hat... da wird wohl noch etwas kommen in Zukunft 😎 Um rund 17.00 Uhr sind wir zurück bei der Voralpkurve. Glücklich über diesen tollen Klettertag mache ich mich auf den Heimweg.

Facts

Horefelliflue - Knecht Klemenz 7a+ (6b obl.) - 8 SL, 300m - B. & K. Müller 2023 - ****;xxxx
Material: 2x50m-Seile, 12 Experess, Cams/Keile nicht nötig und kaum einsetzbar

Eine richtig lässige Route vom Typ Sportkletter-Plaisir. Der Fels ist über weite Strecken prima und gut mit Schuppen, Leisten und hin und wieder einer Rissspur (bzw. Verschneidung, Piazschuppe) garniert. Die beiden schwierigsten Sequenzen bieten 15m an extremen Reibungsmoves und 25m an plattiger Wandkletterei. Die Absicherung mit rostfreien BH ist prima. An den einfacheren Stellen bzw. Seillängen sind die Abstände etwas weiter. Nie aber heikel, gefährlich oder psycho, die Haken stecken auch einfach am richtigen Ort. Die beiden Cruxlängen sind eng gebohrt, so dass die Schwierigkeiten mit Griff zum Haken entschärft werden können. Wir hatten mangels genauerem Wissen ein kleines Camset mitgenommen, welches aber ungenutzt blieb und bald einmal den Platz am Klettergurt des Nachsteigers innehatte. Das Topo zur Route sowie den Bericht zur Erstbegehung findet man auf der Seite von Bruno Müller. Vielen Dank für die Route und die Informationen dazu, das ist einfach toll!

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