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Sonntag, 23. Dezember 2012

Der Umlenkkarabiner: billig oder gut?

Wer kennt sie nicht, und hat sie beim Klettern nicht auch schon angetroffen: die Feuerwehrkarabiner aus dem Baumarkt (siehe Foto unten). In Klettergärten sind sie hin und wieder an den Ständen anzutreffen und als Umlenkkarabiner im Einsatz. Doch was halten die? So genau wusste das bisher vermutlich niemand. Aber da ja schon andere zuvor daran abgelassen haben, wohl genug, um sicher wieder auf den Boden zu kommen. Also rein mit dem Seil, und runter geht's - meist wohl nur langsam, und nicht im freien Fall.

Eigentlich ist das ziemlich paradox. Denn während wir auf unsere persönlichen Karabiner schön acht geben, vertrauen wir beim wichtigsten Karabiner der Sicherungskette hin und wieder auf ungeprüfte Ware dubioser Herkunft. Auf Planetmountain habe ich einen ausführlichen Bericht gelesen, der die Verwendung dieser Teile kommentiert. Zahlreiche Bruchtests wurden vorgenommen, mit dem Fazit, dass diese Feuerwehrkarabiner nicht einmal die Hälfte dessen halten, was ein Kletterkarabiner zu leisten vermag. Die Festigkeiten waren im Bereich von 7-15kN. Genügend für ein Ablassmanöver, wo die Kräfte kaum über 3-4kN hinausgehen. Das ist natürlich der Grund, warum schwere Unfälle mit diesen Feuerwehrkarabinern bisher ausgeblieben sind. Aber klaro, normgerecht und sinnvoll ist die Verwendung dieser Karabiner nicht!


Per Zufall kam mir dann heute Abend auch noch ein solcher Karabiner in die Hände. Eingestanzt ist "CE 350daN DIN5299C 100x10". Mit etwas googeln habe ich dann herausgefunden, dass die DIN5299C tatsächlich eine Norm oder zumindest Standardbezeichnung für solche Feuerwehrkarabiner ist. Weitere Infos findet man z.B. auf diesem Datenblatt. Der hier abgebildete Karabiner entspricht genau den dortigen Spezifikationen. Die Angabe von 350daN (=3.5kN) entspricht einem WLL (= Working Load Limit). Wie ich schon beim Beitrag zur Festigkeit von Maillon Rapides erklärt hatte, ist darin einen 5-fache Sicherheit eingerechnet. Beim vorliegenden Karabiner könnte man also eine Bruchkraft von 17-18kN erwarten. Gemäss den italienischen Tests wird diese typischerweise nicht erreicht, wobei wir aber natürlich nicht wissen, was für welche Karabiner dort getestet wurden.

Weitere Zitate aus dem Artikel:

  • Solche Baumarkt-Karabiner haben oft ein "CE" eingeprägt. Es steht für "China Export" und soll das "CE" der "Conformité Européenne" imitieren, welches die Konformität des Produktes mit den europäischen Normen anzeigt. Für Kletterkarabiner fordert diese eine Bruchlast von minimal 20kN, was die Feuerwehkarabiner nicht halten können.
  • Selbst uralte und halb durchgescheuerte Kletterkarabiner halten weit mehr wie die Feuerwehrkarabiner. Wie die Tests ergaben, zumeist über 25kN, und daher mit einem Kletterseil unzerstörbar. So lange bei Kletterkarabinern der Schnapper noch schliesst und vom Querschnitt noch mehr als die Hälfte da ist, kann man sie zum Ablassen als sicher betrachten.
  • Nebenbei wurden auch noch einige Fixexpressen getestet. Die grosse Gefahr bei jenen ist die potentiell scharfe Kante am seilführenden Karabiner, siehe hier. Aber es ist klar, dass die Schlingen draussen in Wind und Wetter auch an Festigkeit verlieren. Beobachtet wurden Bruchkräfte von 8-18kN. Auch das untere Limit reicht für einen dynamisch gesicherten Sportklettersturz typischerweise noch aus, ohne grosse Reserve allerdings. Bei einem harten Sturz könnte eine alte Schlinge auch mal reissen. Man bedenke dabei, dass das Versagen einer Zwischensicherung zumeist weit weniger gravierende Konsequenzen wie ein Versagen der Umlenkung oder ein Seilriss hat.

Donnerstag, 20. Dezember 2012

Avers - Thron (WI5+)

Der Thron (traditionell: der Grosse Aversfall oder für die Italiener: Il Mostro) ist unter den regelmässig begehbaren Eisfällen in der Schweiz sicher einer der imposantesten. Weitere Pluspunkte sind das Fakt, dass er trotz grosser Steilheit und recht hoher Schwierigkeiten als sicher eingestuft werden kann, da keine fragilen Säulen und Zapfen vorhanden sind. Ob man die Lage unmittelbar neben der Strasse als weiteres Positivum werten will, sei der individuellen Vorliebe überlassen. Zur Popularität der Linie hat das aber sicher beigetragen.
Der Thron in seiner ganzen Pracht (20.12.2012). Er ist länger und steiler, als es hier aussieht!
Die Erstbegehung dieser Linie ist strittig: es wird von einer erfolgreichen Begehung in den 1960er-Jahren gemunkelt, dann gab es 1978 einen Versuch bis weit hinauf, doch wer als erster das Top erreichte, ist nicht bekannt. Für mich ist es schon erstaunlich, dass sich die Kletterer mit derlei Dingen so schwer tun. In meinem beruflichen Umfeld, der Wissenschaft, läuft es so: die Ehre fällt demjenigen zu, der (typischerweise durch eine Publikation) den frühesten Nachweis erbringt, dass er etwas erreicht hat. Es ist dann auch nicht nötig zu beweisen, dass noch niemand sonst dies zuvor gemacht hat. Logo, denn das ist auch schlicht unmöglich. 

In der ersten Ausgabe von "Eiskalt: Wasserfallklettern in der Schweiz" (Urs Odermatt, 1996) wird der Thron noch mit WI6 bewertet, versehen mit dem Zusatz "noch keine freie Begehung bekannt". Inzwischen wurde die Bewertung nach unten korrigiert, Begehungen sind häufig und Rotpunkt dürfte die Norm sein. Auch Free Solo wird der Fall hin und wieder gemacht. Für mich persönlich ist dies unvorstellbar, und ich bin verblüfft, dass ein solches Teil seilfrei begangen wird, während dieser Stil im Fels bei uns kaum praktiziert wird. Müsste ich (z.B. um dem Weltuntergang zu entgehen) zwingend für ein Solo zwischen Thron und Excalibur (die Felstour an den Wendenstöcken) wählen, so fiele meine Wahl bestimmt auf letztere.

Zustieg über den Bach: via Lawinenkegel sind wir drüber, und dann die Stufe hoch. Weiter rechts (nicht im Bild) ist's einfacher.
So, nun aber zum Tourenbericht: durch einen Besuch im Gebiet kurz zuvor hatten wir die Gewissheit, dass der Thron bereits in sehr guten Bedingungen ist. Von den anderen Touren im hinteren Avers sind auch viele schon gut. Selbst weiter vorne sind die tiefer gelegenen Diedrolux und das Rote Vergissmeinicht vermutlich machbar, auch wenn sie noch teilweise dünn aussehen. Noch ein bisschen schwieriger als sonst war einzig der Zustieg: es liegt aktuell nur etwa 30cm Schnee, der Rhein ist noch kaum zugefroren oder mit Lawinenschnee aufgefüllt. Trotzdem liess er sich dann trockenen Fusses überqueren, und mit etwas Mixed-Kletterei gelangten wir vom Bachbett auch hoch zum Einstieg. Mein persönlicher Tipp: man steigt besser von der hinteren Parkbucht zu, nicht so wie wir von derjenigen direkt vis-à-vis vom Thron.

Drei erste, gestreckte 60m-Längen führen hoch zum wesentlichen, steilen Teil. Diese sind gemütlich, und waren sehr schön zu klettern, mit genügend und sehr gutem Eis. Die Schwierigkeiten sind dort sehr überschaubar: wählt man die schwächste Linie, so überschreitet man die 75 Grad nirgends, längere Stücke sind auch im Bereich von 50-60 Grad. Sprich, Terrain ein bisschen wie in der Grandes Jorasses Nordwand, oder auch in der Fläscheposcht im Sihltal.

Auf geht's! Steht man einmal am Einstieg, ist sofort klar, dass eine längere Reise bevorsteht.

Und hat man einmal eine Seillänge geklettert, ist auch sofort etwas Exposition da, auch wenn es von unten flach aussieht.
Danach steilt es dann ordentlich auf, und zwei weitere, fast komplette 60m-Längen führen zum Top. Die erste der beiden beginnt noch moderat (80-85 Grad) und wartete zudem mit perfekt bissigem Eis und guten Tritten auf, ein wahrer Genuss. Der Schluss dieser Länge dann, zu einer bequemen und gut geschützten Nische hin, war senkrecht und wartete mit nicht mehr ganz so einfach zu kletterndem Eis (Blüten und Blumenkohle) auf. 

Sicht auf den oberen und wesentlichen Teil des Thron. Ab der Position des Akteurs geht's +/- senkrecht dahin bis zu Kante!

Eisblüten-Kletterei im oberen Teil der vierten Seillänge.
Ebenso der Start in die letzte Seillänge: kompromisslos senkrecht geht es zuerst dahin, weil einige Wulste überwunden werden müssen war es durchaus ein bisschen athletisch. Das Eis war dann bisweilen auch ein bisschen röhrig und splittrig, also nicht ganz einfach zu schlagen. Trotzdem, auch hier prima Bedingungen, nicht dass dies falsch verstanden wird. Ein WI5+ ist halt auch kein Spaziergang, in diesem Rahmen lagen die Schwierigkeiten halt eben schon. Vom Ende des ganz steilen Teils (wo viele umdrehen) geht es dann über rund 30 deutlich einfachere Meter zum Top.

Steil, eindrücklich und nicht mehr ganz triviales Eis in der letzten Seillänge.
Der Rückweg ist zwingend per Abseilen zu erledigen. Nicht dass ein Fussabstieg unmöglich wäre, doch wegen der Wildruhezone ist er vom 20. Dezember bis 30. April eines jeden Jahres verboten. In der Hauptsaison wird man jedoch meist auf bereits eingerichtete Abseilstellen zählen können, und muss nicht wie wir noch eigene Abalakovs drehen. Mit vier ganz gestreckten Abseilern (60m-Seile mit ausnützen des letzten Zentimeters inklusive der Seildehnung) und etwas Abklettern am Schluss erreichten wir zügig wieder den Einstieg. Retour über den Rhein, zurück beim Auto der Blick auf die Uhr: nein, das Mixedklettern in Campsut verschieben wir auf eine andere Gelegenheit, jetzt geht's nach Hause.

Bye-bye! Nach unten geht's via Abalakov.
Facts

Avers - Thron (WI5+) - 5-6SL, 280m Kletterlänge - Erstbegehung unbekannt

Imposanter Eisfall mit 180m an einfacherem Zustieg und einer kompromisslosen, beinahe senkrechten 80m Headwall. Da in kompaktem Eis und praktisch frei von Säulen und Zapfen ist der Thron für die Schwierigkeit als ausserordentlich sicher einzustufen. Gefahr droht jedoch durch Lawinen, welche über den Fall abgehen können: nach grösseren Neuschneefällen und wenn spontane Schneebretter, Nassschneelawinen oder Gleitschneerutsche zu befürchten sind, ist ein Verzicht angezeigt. Ebenso ist zu beachten, dass das Gelände oberhalb sowie der Fall selber (je nach Sonnenstand) spätestens ab frühem Nachmittag besonnt sind.   

Sonntag, 16. Dezember 2012

Windows of Opportunity

Leider haben Regen, Wärme und Wind den schönen Pulver nicht nur in unserer Gegend, sondern weitherum wieder weggefressen. Wie schade, denn am letzten Mittwoch waren die Bedingungen gut wie nur selten. Stahlblauer Himmer und allerbester Pulver in Hülle und Fülle. Definitiv eine Gelegenheit, die es zu packen galt! Noch besser ist es natürlich, wenn man diese Bedingungen für eine Tour nutzen kann, die nur selten solch gute Bedingungen bietet.

Immer wieder schön, eine erste Spur legen zu können!
Die Gelegenheiten, ja eben die Windows of Opportunity zu erkennen, liegt am Grund jeder erfolgreichen Alpinkarriere. Denn erzwingen lässt sich in den Bergen wenig bis nichts. Man muss die Demut haben, auf den richtigen Moment zu warten. Beim Skitouren heisst das für mich: wenn schon einmal bis in tiefe Lagen viel Schnee liegt, dann macht man jene Touren, die zu diesem Zeitpunkt erst möglich sind. Und sicher nicht solche, welche ein viel grösseres Begehungsfenster aufweisen. Denn Perioden, wo man erst auf 800, 1000 oder gar 1200m Höhe genügend Schnee findet, gibt es ja leider mehr als genügend.

In meinem Fall war die Tour der Wahl ein steiler Südhang im Züri Oberland. Er bietet ideale Neigung über 400hm (in der oberen Hälfte rund 32 Grad, in der unteren Hälfte rund 20 Grad, insgesamt etwa 24 Grad). Selbst auf vielen bekannten Skitouren in den höheren Alpen finden sich nicht allzu viele Hänge, die ein dermassen ideales Profil aufweisen. Wegen Exposition, Steilheit und dem etwas rauhen Gelände als Unterlage braucht es aber genügend Schnee, damit es Spass macht. Am vergangenen Mittwoch war dies mit einer Schneedecke von gut und gerne 1m gegeben.

Nach der ersten Runde: super Hang, bester Schnee, traumhafte Bedingungen.
Natürlich "musste" ich meine eigene Spur in den noch vollkommen jungfräulichen Schnee legen. Die Abfahrt war dann einfach der Oberhammer. Wirklich optimales Gelände, stiebender, gut gesetzer aber doch schön weicher Pulverschnee und im oberen Teil gar noch einige Obstacles (gut eingeschneite Wurzelstöcke), welche wilde Sprünge zuliessen. Natürlich liess ich es mir nicht nehmen, auch noch einen zweiten und einen dritten Aufstieg hinzulegen. Mit 1300hm im Kasten zog ich dann von dannen, es rief das Skifahren mit meiner Tochter und die Anwesenheit an einer Schnapszahl-Zivilhochzeit. Ansonsten hätte ich bestimmt noch weitere Spuren gelegt, bis die Beine leer gewesen wären...

Kurzer Umweg im Aufstieg über ein Plateau, um das Winter-Wunderland voll auszukosten.

On Top, einfach wunderschön!

Blick Richtung Zigerschlitz.

Und auf die andere Seite, in Richtung von meinem Hausberg Bachtel, den ich diesen Winter auch schon 5x mit Ski besucht habe!

Sonntag, 9. Dezember 2012

Schibenstoll - Rauchpause (6c, A0)

Schon seit Jahren war sie auf der Liste meiner Wunschtouren, die Rauchpause am Schibenstoll. Immer wieder gab es den einen oder anderen Grund dagegen, und so harrte die Route bis im Sommer 2007 meiner Begehung. Ja, das liegt schon lange zurück. Weil ich diese Tage per E-Mail über die Route diskutiert habe, eben wieder einmal durch meine Fotos gezappt bin und mit dem Topo die Erinnerung an die Route aufgefrischt habe, gibt es an dieser Stelle nun doch noch einen kurzen Bericht darüber.

Zustieg zur Route, d.h. Querung auf dem Schüerliweg unter der Schibenstoll Südwand.
Während ich vermute, dass sich der bequemste Zustieg von der per Auto erreichbaren Selamatt (P.1537, Schribersboden) via Stollenfurgge und Schnüerliweg in ca. einer Stunde vollzieht, gelangten wir mit der Seilbahn von Unterwasser auf den Chäserrugg. Mit dabei war nicht nur die Kletterausrüstung, sondern auch der Gleitschirm, den wir per Veloschloss an den Windmesser auf dem Hinterrugg ketteten. Er sollte uns später einen bequemen Weg ins Tal ermöglichen. Für uns indessen ging es erst einmal zu Fuss runter, in die Scharte an der Mündung des Gluuristals.

Von dort wartet ein steiler und ziemlich herbalpiner, grasiger Abstieg nach Süden (T6). Ein Sturz oder Rutscher wäre unmöglich aufzufangen, der beste Weg ist von oben kommend nicht ganz einfach einzuschätzen. Aber es ging alles gut. Erst die letzten 15m, wo das Gelände noch steiler ist, kann man dann abseilen. Danach geht es immer unter der Wand entlang auf dem sogenannten Schnüerliweg gen Westen, bevor man kurz vor dem ziemlich markanten Chiantiegg den Einstieg erreicht. Auch dieser Abschnitt gilt als ein T5, im Vergleich zum Abstieg aus dem Gluristal-Sattel ist er aber ein Kinderspiel.

Hier muss man runter: grimmiges, ungesichertes T6-Gelände im Abstieg vom Gluuristal-Sattel.
Schliesslich konnte es losgehen mit der Kletterei.

SL 1, 2a: In ähnlichem Stil wie auf dem Zustieg fängt die Route an, grasig und etwas heikel. Absichern kann man nicht recht, so dass die Sache durchaus eine gewisse Ernsthaftigkeit aufweist. Als Bewertung passt daher T6+ besser als 2a.

SL 2, 6a+: Nun geht es mit der richtigen Kletterei los. Schon unmittelbar nach dem Stand fordert eine plattige, aber gut mit Bohrhaken abgesicherte Querung in eine Verschneidung hinein alles. Ich schaffte das gerade so am Limit, und ich denke 6b+ wäre als Bewertung sicher passender. Die Verschneidung dann schön, einfacher und gut selbst abzusichern.

SL 3, 5c: Einfachere Kletterei in mässigem Fels, die zudem auch noch selber abgesichert werden will, teils auch etwas grasig. An der Bewertung habe ich für einmal nichts auszusetzen. 

Der Fels ist an sich von guter Qualität, in manchen Seillängen aber immer wieder mit etwas Gras durchsetzt. Ausstieg aus SL 3 (5c).
SL 4, 6a: Kurze, steile und selbst abzusichernde Verschneidung. Klettert sich schliesslich einfacher, als man von unten zuerst denken würde. Danach auf dem Band noch etwas nach links halten.

SL 5, 6a+: Die schönste Seillänge der Route: Steilplattenkletterei in tollem Fels. Wirklich schwer ist nur eine kurze Stelle zu Beginn, danach tauchen immer schön griffige Leisten auf und auch zum Stehen ist der Fels prima strukturiert. Die Absicherung teilweise etwas weit, aber ok. Der Schluss der Länge ist sicher deutlich einfacher, wenn man nicht den direkten Weg wählt (siehe Topo, Achtung Seilzug!).

Prima Kletterei in SL 5 (6a+), mit schönem Tiefblick auf den Schnüerliweg, der über das Band am Wandfuss verläuft.
SL 6, 6b/A0: Noch, und immer noch ein Freikletterproblem: insgeheim hatte ich mir erhofft, hier etwas in freier Kletterei ausrichten zu können. Nachdem das aber bereits 20 Jahre lang niemandem geglückt war, ein ziemlich vermessenes Vorhaben. Und es wurde nix: weil die Uhr schon vorgerückt war und die Moves auch gar nicht banal aussahen, bediente ich rasch die Textilgriffe. Vermutlich ist die Stelle kletterbar, aber halt stehtechnisch anspruchsvoll, kleingriffig und nicht besonders hübsch. Die obere Hälfte der Länge klettert man in schönem Fels frei, erst an einem Riss, dann mit einer kühnen Querung nach rechts.

SL 7, 6c: Zuerst etwas rampfig einen steilen Riss hinauf, dann querend nach links. Das ist die Crux, etwas plattig und nicht besonders elegant. Nachdem man nochmals einen Haken geklippt hat, gilt es dann den bereits vom Gras überwucherten Stand zu lokalisieren (NH plus Sanduhr). Der macht nicht so richtig Freude, unbequem ist er auch. 

Die obere Hälfte von SL 6 (6b/A0) bietet schöne Freikletterei. Trotz etwas Restnässe war sie gut passierbar.
SL 8, 1a: Querung über das Grasband hinweg, Fels gibt es eigentlich keinen, als Bewertung passt T6 besser.

SL 9, 5c+: Anspruchsvolle Verschneidungskletterei, die bis auf einen unguten Normalhaken selber abgesichert werden muss. Das ist zwar recht gut möglich, trotzdem sollte man hier noch einige Reserven haben, zumal auch die beste Linie gar nicht so offensichtlich ist. Würde ich eher mit 6a+/6b bewerten.

SL 10, 2a: Über den Sandstein der Garschella-Formation, oder wahlweise ziemlich viel Gras erreicht man den Gipfel. Haken stecken sowieso keine mehr, also wählte ich eine Variante, die mehr durch den Fels führt und eher 4b als 2a war. 

Nun gut, der Gipfel war erreicht, und die für mich letzte Churfirstenwand nun auch durchstiegen. So richtig schlecht war das jetzt nicht, aber in Begeisterungsstürme versetzte mich die Route nun auch nicht gerade. Aber sowieso war noch nicht aller Tage Abend, auf dem Programm stand ja noch einiges. Zuerst der alpine Abstieg über die Ostflanke: während das erst noch gut geht, wird das Terrain bald steil und eine erste Felsstufe muss abgeklettert werden (T6). Sorgfältig erreichten wir den Abbruch des zweiten Felsriegels, wo sich schliesslich ein Stand identifizieren liess. Mit einem 50m-Abseiler reichte es gerade so in einfacheres Gelände hinunter, von wo zum Gluuristal-Sattel abgestiegen werden kann.

Schibenstoll Ostflanke: vom Gipfel über Gras und die erste Felsstufe nahe der Kante abklettern. Über steile Schrofen runter zum nächsten Felsriegel, wo man mit 1x50m Abseilen die grasige Schrägrampe erreicht, über die man zur Geröllhalde absteigen kann.
Die Schwierigkeiten waren nun zwar vorbei, doch mit gemütlich (aber weit, ca. 1.5h!) ins Tal bummeln war aber nix. Unser Weg nach Hause führte nochmals hinauf zum Hinterrugg. Viel Zeitreserve blieb nicht mehr, so übergab ich Kathrin das Klettermaterial und sprintete so schnell ich noch konnte die 260hm hinauf zum Hinterrugg, um den Gleitschirm für den Flug vorzubereiten. Oder, im schlechteren Fall, ihn zu schultern und zurück Richtung Tal zu steigen. Keuchend kam ich an und konnte immerhin konstatieren, dass der angesagte WNW-Wind perfekt mit 15km/h anstand und somit ideale Startbedingungen versprach. Als dann Kathrin verschwitzt und erschöpft bei mir auftauchte, gab es keine Pause. Sondern es hiess gleich rein in den Sitz, anschnallen und los, denn die Dunkelheit war bereits am Hereinbrechen.

Immerhin gelangten wir inklusive dem Kletter-Karsumpel mit einem sauberen Start in die Luft. Der Gleitflug nach Unterwasser dauerte bloss gute 15 Minuten, somit hatte sich die Fliegerei zeitlich doch noch ausbezahlt. Im letzten Licht landeten wir am Parkplatz in Unterwasser und packten unsere 7 Sachen zusammen. Müde und erschöpft ging es nach Hause. Eine Frage beschäftigte uns die ganze Fahrt: "was machen wir morgen?" Perfektes Wetter war angesagt, die Excalibur an den Wendenstöcken angedacht. Nach einigem Ringen stellten wir den Wecker auf 5 Uhr früh - eine Entscheidung, die wir vielleicht beim Aufwachen kurz bereuten, die aber, erst recht im Rückblick 5.5 Jahre danach, vollkommen korrekt war!

Facts

Churfirsten/Schibenstoll - Rauchpause 6c, A0 (6b obl.) - 10 SL, 325m - Wiesmann/Ott 1988 - **, xx(x)
Material: 12 Express, Keile 4-9, Camalots 0.3-3

Abenteuerliche Kletterei in an sich gutem und zumeist solidem Fels, der aber immer wieder von grasigen Stellen unterbrochen wird. Die Absicherung kann als gut bezeichnet werden. Wo nötig stecken solide, durchdacht platzierte Bohrhaken. Dazwischen muss aber viel selbst gelegt werden, teilweise über ganze Seillängen hinweg, was aber zumeist gut möglich ist. Insgesamt würde ich meinen, eine Tour eher für den Liebhaber einsamer Wege, von regionaler Bedeutung und nur bei ausreichender Alpinerfahrung anzuraten.

Ein Topo findet sich im exzellenten SAC-Kletterführer Churfirsten - Alvierkette - Fläscherberg von Thomas Wälti.

Sonntag, 2. Dezember 2012

Im Falle des Falles...

Mit den Schneefällen der vergangenen Woche ist die Skitourensaison 2012/2013 nun auch auf der Alpennordseite definitiv eröffnet. Zusammen mit Kathrin konnte ich am gestrigen Samstag eine Tour auf die frisch und tief verschneite Schafwies im Toggenburg geniessen. Nachdem wir uns im ungespurten Gelände erst den Weg durch dichten Nebel suchen mussten, gab es dann oberhalb Sonne satt. Dieser Eintrag ist allerdings nicht in erster Linie als Tourenbericht gedacht, sondern spinnt einige Gedanken zur mitgeführten Sicherheitsausrüstung.

Fantastische Frühwinterstimmung an der Schafwies, hinten die Churfirsten
Ab sofort werde ich nämlich nun (endlich!!!) auch mit einem ABS-Rucksack auf Touren gehen. Und nämlich mit diesem hier: Mammut Ride Airbag 30l. Schon 3-4 Saisons hatte ich mit einer Anschaffung eines solchen Teil geliebäugelt, und sie doch immer wieder nach hinten verschoben. Preis, Gewicht, die nicht funktionellen  Rucksäcke (der Konkurrenz...), zig Gründe liessen sich finden. Und das Wesentliche: erst wenige hatten einen, und ich fühlte mich auch ohne sicher. Ein Irrglauben!?!

Bricht man ohne LVS, Schaufel und Sonde zu einer Tour auf, so würden das wohl die meisten Tourengänger als fahrlässig bezeichnen. Ohne ABS-Rucksack zu gehen ist hingegen akzeptiert. Objektiv betrachtet ist das absurd, ziemlich sehr absurd sogar. Gilt es doch inzwischen als erwiesen, dass der Airbag eine Verschüttung durch ein typisches Skifahrer-Schneebrett in den allermeisten Fällen erfolgreich verhindern kann, und man meist glimpflich davonkommt. Die traditionellen Rettungsmittel (LVS, Schaufel und Sonde) bringen erst bei einer Verschüttung einen Nutzen. Dann ist die lebensgefährliche Situation bereits Tatsache. Und es ist leider so, dass trotz diesen Hilfsmitteln längst nicht in jedem Fall geholfen werden kann. Fazit: geht es wirklich um Sicherheit und man müsste zwischen ABS und den traditionellen Rettungsmitteln wählen, so müsste man objektiv betrachtet den Airbag wählen. Beides zusammen ist natürlich noch besser. Nur LVS, Schaufel und Sonde ist wohl in der Community akzeptierter Standard, aber gegenüber ABS ungenügend.

Aufstieg im samtenen Pulver über dem Nebelmeer
Die Werbung und (damit?) auch der Fokus der Tourengänger lag in der vergangenen Dekade auch sehr stark auf dem LVS. Im Vergleich zu vor 15 Jahren gab es hier enorme Entwicklungen, vom analogen 1-Antennen-Gerät zum digitalen Modellen mit 3 Antennen und bequemer Bedienerführung. Natürlich ist diese Entwicklung sehr zu begrüssen, doch ich bin sehr der Meinung, dass ihr tatsächlicher Nutzen in der Praxis stark überschätzt wird. Erstens hilft das LVS erst bei einer lebensgefährlichen Ganzverschüttung und zweitens  involviert die Rettung eines Ganzverschütteten mehrere Schritte, wobei die reine LVS-Suche bei entsprechender Übung zeitlich einen relativ kleinen Raum einnimmt. Das beschränkt schlicht und einfach den Praxisnutzen der verbesserten LVS-Technologie.

Machen wir doch hier einmal die hypothetische Betrachtung, was wirklich zählt, wenn man im Hang steht oder fährt, und die Schneedecke ins Rutschen kommt. Welche Faktoren sind entscheidend in Bezug auf die Überlebenswahrscheinlichkeit? Idealerweise hätte man eine umfassende Datenbasis zur Verfügung. Mit den Methoden der statistischen Datenanalyse würde man zu jedem Faktor eine Odds Ratio schätzen, die man mit einem p-Wert versehen könnte. Leider fehlt das quantitative Material, so dass ich nur einige qualitative Überlegungen anstellen kann.

Gipfelblick: erst 9 Tage zuvor war ich noch zum Klettern an den Churfirsten unterwegs

  • ABS-Rucksack: bei einer typischen Skifahrerlawine verhindert ein ABS-Rucksack effektiv und mit sehr grosser Wahrscheinlichkeit eine Komplettverschüttung, da gibt es inzwischen mehr als genügend Daten, welche dies belegen. Ist man nicht ganz verschüttet, so besteht eine sehr grosse Wahrscheinlichkeit, die Sache mit nichts mehr als einem Schrecken zu überstehen. Fazit: dieses Gadget ist sehr entscheidend und sicher das wesentliche Element, wenn es soweit ist.
  • Kamerad: kann man sich nicht aus eigener Kraft aus den Schneemassen befreien, so ist Hilfe nötig. Wie rasch das geschieht, hängt in erster Linie von den Qualitäten des Kameraden ab. First and foremost: behält er einen kühlen Kopf, reagiert rasch und weiss was in welcher Reihenfolge zu tun ist? Zügig muss er (von oben oder unten) auf den Lawinenkegel gelangen. Da zählt wie gut er skifährt, oder wie fit er ist. Dann die Suche per LVS und Sonde: stimmen Strategie, Gerätebedienung und Fitness? Hat er die Stelle bestimmt, muss geschaufelt werden, bei Ganzverschüttung muss meist extrem viel Schnee bewegt werden. Wie viele Kubikmeter schafft er pro Stunde? Fazit: wird man komplett verschüttet, so zählen Wissen/Erfahrung und Fitness des Kameraden am meisten.
  • Schaufel: wer einmal im Lawinenschnee ein Loch gegraben hat, das zum Freilegen der Atemwege einer 1m tief verschütteten Person taugt, der weiss dass die verwendete Schaufel einen grossen Einfluss hat. Ein genügend langer Stiel und ein solides, wohlgeformtes Blatt sind absolut unerlässlich. Die Differenz zwischen guter und schlechter Schaufel macht für ein- und denselben Schaufler rasch mehrere Minuten (!) aus. Fazit: kaum jemand macht sich Gedanken über die Schaufel. Doch hier könnte man mit wenigen zusätzlich investierten Franken viel Zeit gewinnen.  
  • LVS-Modell: Nun der Knackpunkt: spielt es (unter Voraussetzung guten Beherrschens) eine wesentliche Rolle, von welcher Generation das LVS ist? Ich behaupte nein: ok, ein mit allen Geräten geübter User gewinnt mit einem 3-Antennen-Gerät gegenüber dem analogen Modell Zeit. Im Schnitt sind vielleicht 15-30 Sekunden, kaum mehr. Wenn ich nun bedenke, wie viel Zeit zwischen dem Moment, wo ich als Retter reagieren muss und dem Ausgraben vergeht, so dürfte diese Zeitspanne von 3-6 Atemzügen vernachlässigbar sein. Mit Strategie, Fitness und Schaufel kann man die Minuten hingegen bündelweise wettmachen.
Wie schränke ich also die Gefahr durch Lawinen ein? Dies durch zuhause bleiben, Pistenfahren oder durch Restriktion auf zu 100% lawinensicheres Gelände zu erreichen, dürfte für die meisten Tourengänger keine Option sein. Bricht man trotzdem auf, so zählen die Dinge meines Erachtens in der folgenden Reihenfolge:

Lawinenwissen -> defensives Verhalten -> ABS-Rucksack -> Schaufel/Sonde/LVS -> Rettungsstrategie -> Fitness -> Schaufel-Modell -> LVS-Modell

Freitag, 23. November 2012

Gonzen - Miss Marple (7b)

Die Absicht war, mit Kathrin nochmals eine lange Route zu klettern diesen Herbst. Doch wenn Mami und Papi an den Fels wollen, so muss auch für die Kinder gesorgt sein. Wir können hierbei zwar auf ein sehr gutes Netz zählen, doch dieses Mal war es schwieriger, und wir hatten die Tour bereits abgeschrieben. Spontan meinte dann mein Vater, es wäre doch Sünd und Schade, wenn wir diesen traumhaften Herbsttag auslassen würden. Er würde die Kinder den ganzen Tag hüten. Für ihn eine Premiere, einen ganzen Tag zu 100% alleine zuständig zu sein. Das ist die Grundlage, warum dieser Bericht überhaupt existiert, darum an dieser Stelle herzlichen Dank.

Herbstliches Nebelmeer über dem Sarganserland, gesehen von der Wang. Es blieb den ganzen Tag über erhalten.
Uns zog es derweil an den Gonzen. Der eignet sich für den Spätherbst bestens, da freistehend und sehr sonnig weit über dem Tal gelegen, mit einer Gipfelhöhe von nur 1829m. Der obere Wandteil hat mit rund 200m Höhe und 6-8 Seillängen auch das richtige Ausmass für eine November-Tour. Während ich vor ziemlich genau einem Jahr mit Dani die erste Rotpunktbegehung von Metronom (8a) machen konnte, sollte dieses Mal einer der Klassiker wiederholt werden. Gonzo, Ablöscher, Aischans Weg oder Miss Marple? Alle wären interessante Herausforderungen, für dieses Mal wählten wir die Miss Marple.

Zustiegsgelände. Wer genau hinschaut, erkennt die beiden Kletterer, die uns folgen.
Von Trübbach gelangt man auf einer guten Bergstrasse bis zu den Rieterhütten P.1576. Von da mit einem horizontalen Marsch bis zur Abbruchkante bei der Wang, wo man die Gemsweid hinuntersteigt, um aufs Band zu gelangen, auf welchem man inmitten der riesigen Gonzenwand den Einstieg erreicht. Im unteren Wandteil gibt es auch einige Routen, über welche man das Band erreichen könnte. Schon rein aufgrund ihrer Länge sind sie für den Herbst weniger tauglich. Und auch wenn sie interessante Kletterei in gutem Fels bieten, vermögen sie dem eher plattigen und von einigen Bändern durchzogenen Gelände wegen nicht gleich viele Begeher anzuziehen wie der obere Wandteil.

Der Zustieg aufs und übers Band ist zwar nirgendwo richtig schwierig und an den schwersten Stellen zumeist mit Fixseilen ausgerüstet, aber doch auf lange Strecke ausgesetzt (T5,I), so dass ein Ausrutscher ein böses Ende nehmen würde. Um ca. 10.45 Uhr waren wir, nach einem freundlichen Rencontre mit Blogleser Toni, am Parkplatz aufgebrochen, um 11.30 Uhr konnte es mit der Kletterei losgehen. Die Sonne bescheint die Wand um diese Jahreszeit bereits ab etwa 8.30 Uhr (Winterzeit), zwei Stunden früher dran zu sein wäre also gut möglich, war aber in unserer Situation, mit den Kindern und der Organisation darum herum, nicht zu realisieren.

Situation am Einstieg, steil geht's los. Rechts der Kletterer zwar nicht das Metronom-Dach, dieses sieht aber ähnlich aus.
SL 1, 20m, 6b+: die ersten Meter geht's noch einfach gerade hinauf bei sehr enger Absicherung, danach wird nach links gequert. Erst eher technisch, wo gutes Hinstehen und sauberes Positionieren gefragt ist. Dann werden aber bald Bizeps und Unterarme gefordert. Die Kletterei an den schräg verlaufenden Querschlitzen mit den Auflegern-Henkeln ist pumpig und erstaunlich knifflig, am Stand ist man um eine erste Ruhepause nicht unfroh.

SL 1 (6b+) ist wohl meist henklig-griffig, aber man sieht's dem Seil an, auch sehr steil und ziemlich pumpig.
SL 2, 20m, 6c+: gleich vom Stand weg kommt die Crux in Form einer zähen Boulderstelle. Von guten Untergriffen muss an Tropfloch-Rauhigkeiten ein Aufrichter an schlechten Tritten eingeleitet werden. Ein Sturz führt erst mal zum Zusammenprall mit Kathrin. Nachdem ich die Moves ausgiebig studiert habe, schaffe ich den Boulder dann knäppstens. Definitiv die Stelle der Route, die mir am meisten Mühe bereitet hat! Ich würde jedenfalls für eine Aufwertung auf 7a plädieren. Auch danach ist es nicht geschenkt, wenn auch nicht mehr ganz so hart. Die richtige Linie muss erkannt werden, zum Stand hin kommt dann an besseren Griffen auch wieder der Pumpfaktor ins Spiel.

Super Leisten-, Loch- und Schlitzparade zum Ende von SL 2 (6c+), bereits mit grandiosem Tiefblick.
SL 3, 40m, 6a+: aufgewärmt sind wir schon lange richtig, ja fast schon froh, dass nun eine gemütliche Seillänge kommt. Mit einem Linksbogen gelangt man auf eine plattige, wieder nach rechts ziehende Rampe und muss zuletzt eine einschüchternd aussehende Verschneidung hoch. Die eng steckenden Haken lassen Böses vermuten, doch einigen komfortablen Tritten sei Dank löst sich das Piazproblem easier und kraftsparender als befürchtet.

Kathrin auf der plattigen Rampe in der Mitte von SL 3 (6a+).
SL 4, 30m, 6b: vom Stand weg über eine nicht schwere Platte unter das Dächlein hoch. Da gilt es kurz mal anzuziehen, die Henkel oberhalb sind aber perfekt. Der Rest ist dann einfacheres Gelände im fünften Grad. Ein bisschen grasig auch, aber ok. Wir finden retrospektiv, dass dies die gängigste Seillänge der ganzen Route ist.

Unterwegs in der bis auf ein kurzes Dächli gutmütigen SL 4 (6b). Oben etwas grasig, stört aber nicht weiter.
SL 5, 25m, 7b: das bisschen Erholung war aber nicht schlecht, da jetzt die Cruxlänge wartet. Nach rechts hoch ist es zuerst einmal noch nicht schwer, dann gilt es einen Doppelwulst zu überwinden. Der erste Teil mit der eigentlichen Crux (?) geht mir erstaunlich problemlos von der Hand, eventuell dank vorteilhafter Reichweite?!? Der zweite Teil dann kniffliger, Seitgriff blockieren, in schlechter Untergriffschuppe etablieren und trittlose Querung danach nach links. Hart an der Sturzgrenze komme ich ganz, ganz knapp durch und habe den Henkel in der Hand. Nun sich nur noch zitternd, gempumpt und pumpend voll Adrenalin, über den einfacheren, athletisch-griffigen Piaz an den Stand retten. Onsight, so cool!

Steile Wandkletterei in SL 5 (7b), die letzten Meter sind aber formidabel griffig!
SL 6, 25m, 6c: Kathrin ist schneller am Stand als mir lieb ist, noch ohne voll bei Kräften zu muss ich weiter. Tatsächlich beginnt mein Bizeps zu krampfen. Die SL ist aber mehr technisch als pumpig-athletisch, daher komme ich dann doch problemlos durch. Schon zum 2. BH ein Bewegungsproblem, danach Reibung/Aufleger, ein kniffliger Move hoch an eine Schuppe, mal etwas kräftiger an Seitgriffen und zuletzt eine einfachere Linksquerung zum Stand. Gefühlt um Welten einfacher als SL 2!

Picobello Stimmung in SL 6 (6c). Die Schrofen rechts am Bildrand übrigens die Gemsweid, über die man zusteigt.
SL 7, 30m, 6a: Nach links hoch geht es, an zumeist sehr griffigen Querschlitzen. Oft fehlen aber die Tritte, d.h. man muss auf glattem Fels auf Reibung antreten, was die Sache etwas mühsam, anstrengend und irgendwie auch gar nicht so einfach macht. Aber ok, 6a kann schon sein. Übrigens gibt es auf dieser SL den einzigen Runout. Man könnte dort gut eine Sanduhr fädeln oder einen Friend/Keil legen. Es ging aber auch gut ohne, die Kletterei an jener Stelle ist nicht schwer.

Der Nebel sieht fast aus wie ein Gletscher, so war es wohl in der Eiszeit! Kathrin in SL 7 (6a).
SL 8, 25m, 6b: Man wähnt sich schon beinahe am Ausstieg und das nunmehr etwas grasig durchsetzte Gelände schaut von unten auch nicht mehr arg schwierig aus. Da der Fels aber zugleich plötzlich strukturarm, abschüssig und etwas glitschig ist, täuscht das sehr. Die Crux erfordert Leistenkrallen und gutes Anlaufen auf Reibung, um einen Untergriff zu gewinnen und dann ein Dächlein an scharfen Leisten zu handeln. Unter Ausnützung meiner Körpergrösse geht's kommod, wie macht man das, wenn man kleiner ist?!? Zuletzt dann die banal aussehende Verschneidung hoch, welche aber durchaus noch knifflig, aber zum Glück sehr gut abgesichert ist.

Die Sonne ist weg, ab nach Hause! Kathrin auf den letzten Meter in SL 8 (6b), die schwerer sind, als man meinen würde.
Um 16.15 Uhr erreichen wir das Top. Wow, das war jetzt eine richtige Superroute. Ich bin sehr zufrieden mit der Tourenwahl und meiner Performance! Wir verweilen aber nicht lange, sondern schlagen uns durch die Büsche und Lawinenverbauungen zum Weg durch, der in nur gut 20 Minuten retour zu den Rieterhütten führt. Sicher war es eine gute Idee, das komplette Gear mitzuführen, denn das Abseilen über die Tour und das Zurücksteigen über die Gemsweid ist schon viel zeitraubender (braucht ca. 1 Stunde mehr). Um nicht mit Rucksack klettern zu müssen entschieden wir uns mit dem Einfachseil zu klettern und an einer 50m-Line einen kleinen Haulbag aufzuziehen, was hervorragend geklappt hat.

So rollen wir um 16.45 Uhr talwärts, schon bald beginnt es einzudunkeln. Ein Anruf aus dem Bockmattli, wo Bekannte in ihrer Tour vermeintlich blockiert sind, schreckt uns auf. Wir stellen uns darauf ein, dort noch in einer Nachtaktion zu Hilfe eilen zu müssen. Schliesslich lässt sich das Problem mit genauen telefonischen Instruktionen aber beheben, meinen guten Kenntnissen des Geländes, dem fotografischem Gedächtnis und einem voll geladenen Handyakku sei Dank. So treffen wir zeitig bei Neni und den Kindern ein, die mit Spielen, Wasserfarbe malen, Keller streichen und Modellautorennen besuchen einen zufriedenen Tag verbracht haben.

Facts:

Gonzen - Miss Marple 7b (6b+ obl.) - Wälti/Götz/Gamper 1997 - ****, xxxx
Material: 11 Express

Tolle, abwechslungsreiche und bestens abgesicherte Route in zumeist rauhem, griffigem und solidem Fels. Nur vereinzelt gibt es wenige Grasbüschel, erst ganz am Schluss ist der Fels ein bisschen abschüssig-glatt. Ein bisschen entgegen dem, was das Topo suggeriert, ist schon solides Kletterkönnen (ca. ein 7a-Klettergartenniveau) nötig, um in der Tour Spass zu haben, 6b reicht da nirgends hin. Die Sache ist recht anhaltend und während die Absicherung, gerade an einfacheren Stellen, üppig ausgefallen ist, warten an den Schlüsselstellen in SL 2/5/6 dennoch zwingende Moves, die m.E. ein 6b+ obl. auf jeden Fall verlangen.

Links:

- Sehr guter und in den meisten Aspekten übereinstimmender Bericht von Chris Moser
- Webcam in Fläsch, die einen sehr guten Blick auf die Gonzenwand bietet
- Das sehr gute Originaltopo von Erstbegeher Thomas Wälti

Samstag, 17. November 2012

Ofen - Planet der Affen (7b+)

Der Martinisommer steht an, d.h. eine Inversionslage mit milden Temperaturen in der Höhe. Der Schnee und die ersten Skitouren von Ende Oktober sind längst wieder Geschichte, es ist nochmals Gelegenheit für eine MSL-Tour. Ein gutes Tourenziel für diese Jahreszeit ist der Ofen im Melchtal. Dank einer Gipfelhöhe von nur 2188m und exakter Südexposition erwehrt sich das Gebiet meist lange vor winterlichen Verhältnissen.

Um 8.50 Uhr starten wir im Melchtal von Turrenbach P.985. In normalen, aber zügigem Marschtempo sind wir nach 38 Minuten am Ende der Fahrstrasse bei Unter Boden P.1455. Weiter geht es über den noch schneefreien Bergweg und zuletzt einige Schrofenhänge an den Einstieg, den wir nach total 1000hm Aufstieg um 10.17 Uhr erreichen. Ging beim Anmarsch noch ein kühler Bergwind, sind die Temperaturen hier höchst angenehm. Wir vespern noch etwas, um 10.40 Uhr kann es dann losgehen.

Die gut 200m hohe Südwand am Ofen. Gut 15 MSL-Touren gibt es hier in diesem Sektor, der Hauptwand.
SL 1, 35m, 6c+: in zwei mir vorliegenden Berichten wird vor der herben Natur der ersten Seillänge gewarnt. Anspruchsvolle Absicherung und anhaltende Schwierigkeiten würden sie zur Crux in Sachen Hochkommen machen. In der Praxis folgt nach ein paar unschönen Startmetern mit Gras und hohlen Blöcken sehr gute Kletterei in bestem Fels. Senkrechtes Gelände, gespickt mit kleinen Grifflein an den richtigen Stellen, geht tiptop auf. Mässig abgesichert (xx), aber im Prinzip eine gängige 6c+.

SL 1 (6c+). Es hat schon regelmässig Bohrhaken, aber die Sache ist ernster, wie man auf den ersten Blick vermutet.
SL 2, 40m, 6b: zum Auftakt die Crux mit griffiger, leicht überhängender Kletterei an Querleisten. Weil der erste BH hoch steckt, droht ein unangenehmer Sturz in den Stand. Danach wird die Kletterei einfacher, dafür steckt nicht mehr viel, die Felsqualität lässt auch etwas nach. Ein 12m-Runout kann nicht entschärft werden, der Bolt kommt erst bei einer guten Friendstelle!?! Insgesamt: halt relativ easy, aber expo (xx).

Na ja, von SL 2 (6b) sieht man auf diesem Bild nur die letzten Meter. Dafür den imposanten Weiterweg sehr gut.
SL 3, 15m, 7b: hier wartet der erste überhängende Wulst. In leicht brüchigem Fels kommt man bei guter Absicherung (xxxx) athletisch aber problemlos unter die Dachlippe. Darüber hinweg wartet ein heftiger Boulder mit ganz und gar nicht einfach zu lesender Sequenz, bzw. einer eher unterwarteten Lösung. Dann einfach hoch aufs Querband und einige Meter nach rechts.

In der Crux von SL 3 (7b). Echt zäher Boulder an dieser Stelle, oberhalb vom Dach hat es nur noch schlechte Aufleger.
SL 4, 35m, 7b+: zum Start wieder eine stark überhängende Stelle: die ersten Meter noch nicht so schwer, griffig und leicht brüchig. Bald aber perfekter Fels und die Crux, wo man sich an einer Schuppe etablieren muss und mit einigen Vollgas-Gegendruckzügen zu den Henkeln oberhalb retten muss. Danach bleibt die Länge anhaltend, technische Kletterei an Querrillen und Tropflöchern wartet. Am Ende dann einfacher einer Verschneidung/Schuppe entlang, wo es dienlich ist, zwei Friends oder Keile dabeizuhaben.

Blick auf SL 4 (7b+). Die Crux bereits passiert, nun geht's im weniger steilen, aber anhaltend technischen Gelände zur Sache.
SL 5, 20m, 7a: technische Kletterei an perfektem Fels mit kleinen Schüpplein und Tropflöchern. Der Start ist gut gesichert. Nach dem dritten BH wartet die rund 3m lange Cruxsequenz, welche etwa 1m über dem Haken beginnt und daher (bei gutem Sturzgelände) zwingend in einem Runout gemeistert werden muss. Bretthart für 7a, sehr gute Fusstechnik ist obligatorisch. Falls nötig, könnte man hier über die unmittelbar daneben verlaufende Kreml auskneifen.

Der Fels wie Spritzbeton: SL 5 (7a). Der Hexer hat gut lachen, zwar kurz in Bedrängnis gekommen, aber souverän drübergeklettert!
SL 6, 35m, 7b: zuerst wartet eine ausladende Dachzone, wo wie überall in diesem Gelände, der Fels zwar griffig-leistig, aber nicht von allerbester Qualität, d.h. teils ein wenig brüchig ist. Dafür ist die Absicherung perfekt (xxxxx). Mit viel Kraft und Ausdauer geht es bis zur Dachlippe, wo wir die Crux erwarten. Von einem Griffausbruch und dem Vorschlag 8a haben wir gelesen. Mit einem Untergriffzug kann die Stelle aber gut überwunden werden. Bis zum Stand hoch folgt dann noch sehr schöne Tropflochkletterei im 7a-Bereich. Weite Züge und etwas raumgreifendere Absicherung erfordern dort gewisse Reserven.

Eine weitere steile Dachzone wird in SL 6 (7b) überwunden.
SL 7, 40m, 7b: zum Abschluss wartet nochmals eine Power-Seillänge. Über ein erstes, noch griffiges Dach hinweg geht es zur Steilzone, wo an kleinen Leisten der letzte Strom aus den Armen gesogen wird. Der Fels auch da nur 1b, nicht 1a, die Absicherung (xxxx). Ein Riss führt einen dann endlich in weniger steiles Gelände, wo man über einen letzten Überhang auf der Route Kreml das Top erreicht.

Die letzte SL (7b) ist nochmals brutal athletisch. Wer den Schalter für den Notstrom nicht findet, packt das nicht mehr.
Um 16.10 Uhr sind wir nach 5.5 Stunden Kletterei oben. Das war jetzt keine Speedbegehung, aber die anhaltende und sehr kräfteraubende Kletterei braucht einfach seine Zeit, vor allem wenn man man alles freiklettern will oder gar auf einen Onsight zielt. Mein Seilpartner war bis zur Crux der letzten SL in einem perfekten Onsight unterwegs, bis auf der Zielgerade doch noch der Saft ausging, schade. Dennoch eine herausragende Performance, herzliche Gratulation!

Auf der Nordseite liegt bereits Schnee, zwecks eines bequemeren Abseilens wechseln wir aber trotzdem rüber zur zentralen Abseilpiste. Weil ich mal kurz etwas penne, finden wir uns dann zwar auf der Route Lügispiel wieder, wo wir aber ebenfalls problemlos an den Einstieg gelangen. Um 16.50 Uhr machen wir uns raschen Schrittes auf den Weg ins Tal. Um 17.45 sind wir retour beim Auto, es hat gerade noch vor der Dunkelheit gereicht, ohne dass wir die Stirnlampe hätten einschalten müssen.

Facts:

Ofen - Planet der Affen 7b+ (7a obl.) - 7 SL, 210m - Kübler/Nuber 2002 - ****, xxx
Material: 12 Express, Camalots 0.3-0.75 dienlich, 2x50m-Seil

Mit Sicherheit eine der zwei, drei anspruchsvollsten Routen am Ofen mit anhaltend schwerer, oft athletischer Dach- und Überhangkletterei an Leisten, aber auch einigen fordernden, technischen Passagen an Tropflöchern, Querrillen und Schüpplein. Der Fels ist in den weniger steilen Zonen meist perfekt und rauh, insbesondere in den bzw. zu Beginn der grossen Dachzonen manchmal auch leicht brüchig, dennoch aber gut kletterbar. Die Absicherung fällt gerade im einfacheren und technischen Gelände manchmal fordernd aus (xx-xxx), während die steilen Dächer mit den Schlüsselstellen durchwegs gut gesichert (xxxx-xxxxx) sind.

Wissenswertes:

Der Ofen liegt im Jagdbanngebiet Huetstock. In verschiedenen Tourenberichten (1,2) liest man, dass vom 15.11. bis 15.5. nicht geklettert werden darf. Vor Ort finden sich aber keine solchen Hinweise, auch im Internet konnte ich die Regelung nirgendwo verifizieren. Ich bin daher der Überzeugung, dass diese Regelung aktuell nicht mehr gültig ist. Im Jagdbanngebiet ist es hingegen ganzjährig verboten "Wintersportarten verboten ausserhalb markierter Pisten, Routen und Loipen" zu betreiben, so steht es in der Verordnung über die eidgenössischen Jagdbanngebiete (PDF).

Das Klettern wird in dieser Verordnung nicht erwähnt. Da es ganz eindeutig keine Wintersportart ist, interpretiere ich den Gesetzestext so, als dass man am Ofen klettern darf, so lange kein Schnee liegt und man zu Fuss zur Wand aufsteigen kann. Oft ist das bis in den Dezember hinein der Fall, und auch im April geht die Saison nach einem trockenen und warmen Frühling bereits wieder los. Für die Tiere, um deren Schutz es ja letztlich gilt, dürfte vorwinterliches Klettern bei schneefreien Verhältnissen unproblematisch sein. Achtung, diese Angaben sind erstens ohne Gewähr und können zweitens auch wieder ändern. Man informiere sich also über die aktuell geltenden Vorschriften (z.B. hier)! Update vom 7.10.2013: die neuste Vereinbarung verbietet das Klettern vom 15.11.-15.5. jeder Saison, mit zusätzlichem, freiwilligem Kletterverzicht (was immer das heissen mag...) bis jeweils am 15.6.. Nachzulesen ist dies alles in der Luzerner Zeitung

Die Nordhänge sind bereits ein bisschen angezuckert, auf dem Weg zum Einstieg, bzw. an den Südhängen generell ist es noch aper.
Eine weitere Besonderheit am Ofen ist die Tatsache, dass in der Literatur eine Marschzeit von 2:45 Stunden angegeben wird. Zusammen mit der Tatsache, dass +/- die Hälfte des Zustieg über eine mit Fahrverbot belegte Strasse verläuft, wird dieses häufig missachtet. Dies sorgt vor Ort für viel böses Blut, und Bussen im Ausmass von 250 bis 400 CHF werden oft verteilt. Man solle also Strasse zum Unter Boden keinesfalls mit dem Auto befahren. Zu Fuss braucht man bis dahin aber lediglich 40 Minuten, und auch den Wandfuss hat man aus dem Tal schon nach 1.5 und nicht erst nach fast 3 Stunden erreicht! Die Sonne bescheint die Einstiege im Herbst übrigens ab etwa 10.00 Uhr (Winterzeit), allzu früh muss man also nicht aufbrechen.

Die Route wurde von den Erstbegehern mit UIAA-Graden bewertet. Die 9- der Cruxlänge habe ich zu 7b+ übersetzt, die drei SL die 8+ waren, zu 7b. Keine davon ist geschenkt und wesentlich einfacher als die schwerste Länge, somit erscheint mir dies gerechtfertigt. Für die 6. SL hat ein namhafter Alpinkletterer im Wandbuch gar den Grad 8a vorgeschlagen - was wir beide jetzt nicht unterstützen können. Aber es zeigt doch einmal, dass es sich nicht um einen vertikalen Spaziergang handelt, der mal gehörig abgewertet gehört.

Das Leuchten der Schneeberge: have a good night, and a good winter, Ofen!
Gemäss Wandbuch hat die Route bisher 20 Begehungen erhalten. Nach Selbstdeklaration haben die Erstbegeher keinen Rotpunkt realisieren können. Im Wandbuch gibt es auch keinen Hinweis, dass ein Wiederholerteam dies geschafft hätte. Vielleicht könnte man also noch eine Trophäe abholen! Aber maybe war der Rotpunkt-Gorilla ja still und heimlich erfolgreich: z.B. jener Ofen-Aficionado, der die Tour schon 3x oder 4x geklettert hat ;-) ?!?

Anzumerken ist auch noch, dass in der Tour verzinktes Hakenmaterial eingesetzt wurde. Einige Dübel sehen doch schon arg verrostet aus. Sollte ein Haken an einer neuralgischen Stelle bei einem Sturz versagen, so kann es dann definitiv echt gefährlich werden.

Das Topo zur Route kann man hier herunterladen.

Das Topo zur Route Planet der Affen (7b+)

Montag, 12. November 2012

Warum sind Kletterhallen so teuer?

Der Aufschrei der Entrüstung war gross, als das Kletterzentrum Gaswerk im Jahr 2011 seine Preise erhöhte und den Einzeleintritt auf stolze 36 CHF festlegte. Für viele aus der Szene war das Mass des Zumutbaren damals definitiv überschritten, die Suche nach Alternativen begann und wohl manch einer träumte von einer modernen, grossen und günstigen Kletterhalle in seiner nächsten Umgebung. Mittlerweile kocht die Diskussion nicht mehr auf ganz so heisser Flamme. Dennoch züngelt da und dort wieder die Idee hervor, es doch mit einem eigenen Projekt versuchen zu wollen.

Immer wieder hörte man im Zuge der heiss geführten Diskussion den Vorwurf, dass sich hier jemand auf dem Buckel der Kletternden eine goldene Nase verdienen würde. Doch stimmt das wirklich? Für mich selbst machte ich eine überschlagsmässige Erfolgsrechnung, die mich gleich von allen Illusionen beraubt hat: Kletterhallen sind keine Goldgruben. Und das selbst jetzt nicht, wo der Klettersport unzweifelhaft am boomen ist. Was die Zukunft bringt, ist erst recht unsicher. Jetzt mische man noch das Fakt dazu, dass für den Bau einer Kletterhalle erst Millionen investiert werden müssen. Und fertig ist der Mix, welcher viele Projekte schon in der frühesten Projektphase killt. Machen wir also einmal eine Aufstellung von im Laufe des Jahres anfallenden Kosten und Erträgen:

An einem regnerischen Novembersonntag, 17 Uhr, subjektiv stark frequentiert: wie viele Leute sind wirklich da?
Kapitalkosten und Abschreibung: 350'000 CHF

Der Bau einer Kletterhalle ist teuer, ja sehr teuer. Dem Projekt Wallhouse in Uster ist zu entnehmen, dass für den Neubau einer mittelgrossen Halle mit 2'000m2 Kletterfläche (zum Vergleich: Milandia hat 2'500m2, Gaswerk über 4'000m2) inklusive Infrastruktur (Parkplätze, Garderoben, Bistro, ...) ein Betrag von 5 Millionen CHF nötig ist. Die Investition in eine Kletterhalle ist keine sichere Anlage, sondern ist als Risikokapital zu bewerten. Kapitalgeber werden also einen anständigen Zins wollen. Rechnen wir einmal mit 5%. Somit betragen alleine die Kapitalkosten rund 250'000 CHF pro Jahr. Zudem sollte man die Halle wohl über die nächsten 50 Jahre auf null abschreiben. Somit kommen nochmals rund 100'000 CHF dazu.

Gut, jetzt kann man argumentieren, ein Neubau sei nicht nötig. Ich denke, die Suche nach einem für eine Kletterhalle geeigneten Gebäude an zentraler Lage in den Ballungszentren des Schweizer Mittellandes ist sehr schwierig. Mit Miete, Kapitalkosten für die nötigen Umbauten und der Abschreibung kommt man wahrscheinlich auch nicht wesentlich billiger weg wie die oben erwähnten 350'000 CHF pro Jahr. Und sollte einmal der Mietvertrag nicht erneuert werden, steht man erst Recht vor einem Scherbenhaufen.

Personalkosten: 450'000 CHF

In einer mittelgrossen Kletterhalle kommt man wohl nicht darum herum, ein Zweierteam für Kasse, Empfang und Aufsicht zu beschäftigen. Eine Kletterhalle ist 12 Stunden pro Tag geöffnet, an 7 Tagen pro Woche und in der Regel (fast) 365 Tage pro Jahr. Das ergibt bei 2000 Jahresarbeitsstunden pro Beschäftigten (2*12*365/2000=) rund 4.38 Vollzeitstellen alleine für Empfang, Kasse und Aufsicht. Auch wenn diese Jobs üblicherweise nicht allzu gut bezahlt sind, inklusive Sozialleistungen, etc. sind dafür auch rasch weitere 350'000 CHF pro Jahr notwendig. Darin sind noch keine Personalkosten enthalten für Reinigungspersonal, Routenbau, Administration undsoweiter. Da kann man wohl nochmals gut und gerne 100'000 CHF pro Jahr mit einrechnen.

Diverses: 200'000 CHF

Was fehlt noch, damit die Kletterhalle betrieben werden kann? Strom, Heizung und weitere Gebühren. Neue Griffe wollen ja auch hin und wieder angeschafft werden, Reparaturen sind nötig. Eine Haftpflicht-Versicherung ist ebenfalls fällig. Etwas für Werbung und das Weihnachtsessen für die Belegschaft wollen wir auch nicht vergessen. Wie viel das genau ausmacht, ist für mich nicht ganz einfach abzuschätzen. Sicher sind es nochmals einige Zehntausend CHF pro Jahr, vielleicht sogar noch mehr. Um schön runde Zahlen zu erhalten, rechnen wir pessimistisch mal mit 200'000 CHF pro Jahr.

Insgesamt fallen in einer mittelgrossen, professionell geführten Kletterhalle im Laufe eines Jahres also Kosten von gegen 1 Mio CHF an. Damit die Geschichte nicht defizitär ist, muss dieses Geld mit den Besuchern wieder erwirtschaftet werden. Welche Möglichkeiten bestehen da?

Auch das ist Realität: Nicht immer sind viele Kunden da, die Geld bringen.
Jahresabos: 600'000 CHF

Die Million ergäbe sich z.B. aus 1'000 Jahresabos à 1'000 CHF. Die muss man allerdings erst einmal verkaufen. Schafft man dies, so ist die Halle bereits ziemlich voll. Gehen wir mal davon aus, dass jeder Abobesitzer im Schnitt 2x pro Woche vorbeischaut. Also 2000 Eintritte pro Woche durch Abobesitzer, macht rund 285 pro Tag. Sagen wir mal 200 davon am Abend. Eine mittelgrosse Kletterhalle fühlt sich dann bereits an wie ein Bienenhaus, ist sicher im Vollbetrieb, wenn nicht sogar schon überfüllt!

Jetzt bedenke man, dass also trotz (zu den neuralgischen Zeiten) voll ausgelasteter Kletterhalle und einem teuren Abo von 1000 CHF noch kein einziger Franken verdient wurde, der zu den Reserven gelegt werden kann. Oder dem man dem Geschäftsführer auszahlen könnte, der gemütlich in seiner Villa Däumchen dreht, wenn er nicht gerade seinen Porsche Cayenne ausfährt. Realistischerweise muss man wohl eher von nur 700-800 verkauften Jahresabos und nur 800 CHF Jahregebühr ausgehen. Das macht dann 600'000 CHF.

Einzeleintritte: 365'000 CHF

Der Löwenanteil der restlichen Erträge muss aus Einzeleintritten akquiriert werden. Gehen wir mal von im Schnitt 40 Vollzahlern pro Tag aus. Klar, an einem regnerischen Novembersonntag sind es wohl mehr, aber was ist am sonnigen Samstag in den Schulsommerferien? Von den Vollzahlern nehmen wir 25 CHF, das gibt pro Tag einen Tausender und übers Jahr gesehen 365'000 CHF.

Bistro: 100'000 CHF

Weitere Einnahmen können aus dem Bistrobetrieb und aus allfälligem Sportartikelverkauf generiert werden. Ich wage jetzt mal zu behaupten, dass die Umsätze in diesem Geschäft eher bescheiden ausfallen und daher netto auch nicht allzu viel in der Kasse bleiben wird. Weitere 100'000 CHF pro Jahr liegen aber vielleicht drin?!? 

Den Ausgaben von 1 Mio CHF stehen also Einnahmen von gerade einmal 1.065 Mio CHF gegenüber. So kommt man auf einen bescheidenen Betrag von gerade mal 65'000 CHF, den man zu den Reserven legen kann. Für jene Zeiten, wo sich die Jahresabos mal nicht mehr wie frische Weggli verkaufen, oder wo beständig schönes Wetter die Frequenzen der Einzeleintritte kompromittiert, grössere Reparaturen fällig werden oder gesetzliche Auflagen Umbauten verlangen (Quelle), etc..

Bistro: ausgiebiger Getränkekonsum dürfte vom Betreiber höchst erwünscht sein!
Was tun?

Die Rechnung geht nur knapp auf. Wir brauchen also ein Massnahmenpaket, mit welchem die Kosten gesenkt und die Einnahmen erhöht werden können. Die meisten Kletterhallen wenden wohl einen Mix der folgenden Aktionen an.

  • Kapitalkosten senken: durch Zuwendungen von Gönnern (Alpenvereine, Sportförderung) und zinslose Darlehen versucht man die Kapitalkosten so tief wie nur möglich zu halten. Das klappt vermutlich meistens zu einem gewissen Teil, aber nie vollständig.
  • Personalkosten sparen: die Ausgaben können tief gehalten werden, indem man Kasse, Administration, Routenbau, Reinigung etc. in Personalunion macht. D.h. in schwach frequentierten Zeiten schiebt das Personal keine ruhige Kugel, sondern erledigt die sonst anfallenden Arbeiten. Dies erfordert Idealismus und Einsatzbereitschaft, wahrscheinlich sind bei der Qualität einige Abstriche zu machen. Klappen tut das wohl nur in Kleinbetrieben richtig gut.
  • Jahresabos verkaufen: ideal ist es natürlich, eine grosse Anzahl an Jahresabos zu verkaufen. Die sichere Einnahme ist schon da, ob der Kletterer dann kommt, ist ja egal. Man könnte z.B. auf die Idee kommen, durch geschickte Preispolitik auch Gelegenheitsbesucher in ein solches Abonnement zu drängen. Vielbesucher sind hingegen weniger attraktiv, die (über)füllen bloss die Halle...
  • Kursbetrieb: was oben auf der Einnahmenseite noch nicht erwähnt ist, sind Kurse. Hier kann man, zumindest in Zeiten des Kletterbooms, nochmals einen schönen Obulus einfahren.

Disclaimer

Zum Schluss möchte ich deklarieren, dass die Mathematik und damit die Zahlen zwar meine Welt sind, ich aber in Sachen Betriebswirtschaft kein Spezialist bin. Ebenso wenig habe ich je Einblick in die tatsächliche Buchhaltung einer Kletterhalle gehabt. Sämtliche Zahlen in diesem Artikel beruhen auf im Web gefundenen Informationen (z.B. hier und da) und Schätzungen aufgrund eigener Beobachtungen. Der Artikel ist somit Zahlenspielerei, bildet aber die Realität hoffentlich doch vernünftig ab. Ein Nachtrag: mittlerweile wurde ich bereits von 2 Kletterhallenbetreibern persönlich lobend auf meinen Artikel angesprochen. Beide haben sich für den Beitrag bedankt und dabei bestätigt, dass meine Angaben absolut stimmig seien.

Mein Fazit zum finanziell erfolgreichen Betreiben einer Kletterhalle fällt relativ pessimistisch aus. Ich hoffe, ich halte damit niemand vom Bau einer Kletterhalle ab. Mutige Macher braucht das Land. Wer es schafft, eine grosse, gut funktionierende Kletterhalle aufzubauen, administrativ gut zu führen und die Sache für die Zukunft auf finanziell sichere Beine zu stellen, der hat sicher unser Lob und einen anständigen Zahltag verdient - wohl mehr, als viele andere. 

Falls ich irgendwo einen Fehler gemacht haben sollte, so bin ich dankbar für Korrekturen. Genauere Infos und Kommentare zu diesem Blog sind natürlich ebenso erwünscht: bitte benütze das Kommentarfeld unten!