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Sonntag, 9. August 2015

Skandinavien 2015: Heimreise und Fazit

In meinem letzten Bericht hatte ich vom Klettern und Wandern in Rogaland berichtet. Nun waren unsere Tage in Norwegen gezählt und die Heimreise anzutreten. Bevor wir die Fähre bestiegen, blieb noch Zeit für eine letzte Kletterei am Sykehusväggen in Kristiansand. Und weil dann auf der Fahrt von Hirtshals an der Nordspitze Dänemarks bis in die Schweiz noch 1400 Strassenkilometer warten, gönnten wir uns auf dem Rückweg auch noch zwei Kletterstopps auf dem Ith und im Frankenjura. Aber betrachten wir die Geschehnisse doch im Einzelnen.

Der Borestrand an der Nordsee ist wirklich paradiesisch. Wären nur Luft- und Wassertemperatur noch etwas höher...
Vom Bore Strandcamping führte unsere Fahrt in Richtung SE nach Kristiansand, wo wir die Fähre nach Dänemark besteigen wollten. Die Strecke verläuft in einer schönen Gegend, wiederum passiert man sehr viele Gewässer und noch mehr Felsen - natürlich alle unerschlossen, gewaltig was es hier noch für ein Potenzial gibt! Nach ein paar Stunden auf der Strasse erreichten wir schliesslich das Aros Feriesenter, unsere letzte Station auf norwegischem Boden. Doch gleich ging's weiter an den Sykehusväggen. Diese Wand liegt mitten in Kristiansand, unmittelbar nebem dem Spital. Man klettert dort an rund 15m hohen, aber umso steileren Granitfelsen in einem ziemlich urbanen Ambiente. Das Gestein ist fest und grundsätzlich meist grossgriffig. Allerdings bietet der Fels kaum scharfe Kanten und ist so nach vorne geneigt, dass man praktisch durchgehend an Slopern operiert. Wirklich eine ganz ungewohnte Kletterei für unser Gusto - aber total spannend, sehr lohnend und immer herausfordernd. Für eine letzte Bewegungstherapie vor der Heimreise auf jeden Fall äusserst empfehlenswert! Folgende Routen gab es für uns:

Urbane Atmosphäre am Sykehusväggen in Kristiansand. Sieht soso aus, bietet aber wirklich tolle Kletterei!
H5N1, 6c+, ***: Die zugänglichste Route in diesem Bereich, aber man kann es drehen und wenden wie man will. Auch diese ist sehr steil, athletisch und nicht einfach. Kniffliger Start, kräftige Sequenz in der Mitte (mit einem Faustklemmer zu entschärfen) und am Schluss muss man einfach die Sloper halten, bis die Umlenkung geklippt ist.

E Coli, 7a, ***: Sehr ähnlicher Charakter wie die H5N1, hier bewältigt man den Start am einfachsten mit einem Jump an einen guten Henkel - sehr aussergewöhnlich! Danach kräftig an abschüssigen Griffen zu Ruhepunkt und einem zähen Finale an Slopern.

Rigor Mortis, 7c, ****: Dachartiger Start an zum Glück gar nicht so schlechten Griffen. Korrekt gesetzte Hooks mit Zehen und Ferse sind der Schlüssel zum Weiterkommen! Danach wird an sloprigen Leisten geriegelt, zu einer harten Crux mit weiten Moves an Slopern. Zum Umlenker hin geht's dann wieder etwas einfacher, dranbleiben ist aber zäh!

Placebo-Effekten, 7b, ****: Wo liegt hier der Placeboeffekt? Vielleicht darin, dass es geht, wenn man der Reibung vertraut... "muesch nur dra glaube dases hebet, dänn gaht's". Wobei wir hier nicht von Stehproblemen auf einer Platte sprechen, sondern von riesigen Slopern (wie in einer Boulderhalle), die am Start mit den Händen gehalten werden wollen. Es ist eine sehr kräftige Sequenz, dachartig, hooken hilft. Obenraus dann ausdauernd und etwas einfacher.

Bei dem Fels hat man fast Angst, dass er vornüber kippt... Sykehusväggen.
Damit waren die letzten Kräfte verschossen, und nach einer letzten Nachtruhe ging's früh los und mit der Fähre nach Dänemark. Dort dann flaches Land, nach Felsen sucht man vergeblich. Da hilft es nur, Kurs nach Süden zu halten. Unser Sitzleder reichte schliesslich bis nach Egestorf in der Lüneburger Heide etwas südlich von Hamburg, wo bereits wieder eine Übernachtung fällig war. Erstaunt waren wir hier vor allem über die sehr grosszügigen sanitären Anlagen für einen schwach besetzten Camping, in Norwegen hatte man sich oft 2 Lavabos und WCs mit vielen Dutzend bis Hundert weiteren Personen geteilt. Nach einer geruhsamen Nacht ging es am nächsten Tag weiter. Um nicht nur im Auto bzw. Wohnmobil zu sitzen war der Plan, die Fahrt mit einem Besuch der Felsen auf dem Ith, bzw. genauer den Lüerdisser Klippen, zu unterbrechen. Norddeutschland ist ja auch nicht gerade reich an Felsen, doch hier sollte man auf jeden Fall ein paar lohnende Moves ziehen können. Vom Mathias und Felix wurde ich mit erstklassigen Infos versorgt (herzlichen Dank nochmals!). Doch als wir nach reichlich Überlandfahrt endlich parat zum Aussteigen waren, zog leider gerade ein heftiges Gewitter durch und machte alles tropfnass. Somit reichte es dann nur für ein paar Boulder am Biwakdach, für Seilkletterei war es zu ungemütlich. Abwarten hätte vielleicht Besserung gebracht, doch der Weg nach Hause war noch weit und es blieben uns nur noch 24 Stunden.

Wir entschlossen uns für die Weiterreise südwärts, die letzte Nacht wollten wir im Frankenjura verbringen und dort dann tags darauf noch einige der charakteristischen Löcher ziehen. Gesagt getan könnte man meinen, tja zuerst hiess es nochmals gute 4 Stunden hinters Steuer. Dann waren wir auf dem Camping Rothenbühl bei Ebermannstadt angelangt, zum Znacht konnten wir die feinen Fleischgerichte im uns bekannten Mühlhof bei Forchheim geniessen. Da für den nächsten Tag warme Temperaturen angesagt wurden, war zum Klettern ein nordseitiges Massiv im Wald gefragt. Da schien mir der Dachsbau die richtige Wahl. Tatsächlich wurden wir nicht enttäuscht, die Bedingungen entpuppten sich als optimal und der Fels bot tatsächlich erstklassige fränkische Kletterei. Die Bewertungen schienen uns gegenüber den norwegischen Gebieten auch wieder auf der deutlich gutmütigeren Seite zu sein und so konnten wir den Trip mit einigen schönen Onsight-Erfolgen abschliessen.

Dachsbau im Frankenjura. Schaut irgendwie "jöö" aus, bietet aber kräftige, steile Kletterei vom feinsten!
Herbstzauber, 6b, ***: Lässige Aufwärmtour an guten Henkeln, welche durch den Quergang im ersten Routenteil noch etwas grössere Kletterlänge bereithält.

Yellow Level, 6c+, ***: Hier geht's schon direkt übers Einstiegsdach hinweg. Auch wenn dieses gute Griffe bereithält, ist schon etwas mehr Athletik gefordert. Oben dann etwas einfach an Leisten und Löchern zum Umlenker.

Meister Grimbart, je nach Quelle 7b oder 7b+, ***: Ähnlicher Charakter wie die Tour links. Bouldriger Einstieg übers Dach am Anfang, dann dranbleiben an teils etwas seichten Löchern bis man so richtig drüber hinweg ist und dann etwas einfacher zum Umlenker hinauf. Achtung, hier stecken keine Klebehaken sondern rostige Expansionshaken :-/

Marmot at Work, 7a, ****: Relativ kurze, aber ganz lässige Tour mit weiten Moves an meisten guten Löchern. Den Einstieg bin ich direkt mit dem Untergriff geklettert, von links her ist es wohl etwas einfacher. Frankenjura at its best!

Kampf um Thule, 7a+, ****: Absolut geniale Tour, welche trotz der Kürze unglaublich variantenreiche Bewegungen verlangt. Nach einem schon etwas saugenden Zustieg geht an zwei Slopern los, pressige Schulter- und Seitgriffzüge folgen, dann wieder Sloper und Stehprobleme und ein Abschlussdynamo. Für mich war dies deutlich die schwerste an diesem Fels gekletterte Route, sie hätte einen höheren Grad verdient.

Shadow Warrior, je nach Quelle 7b+ oder 7c, ***: Zuerst weite Moves am Einstiegsüberhang, diesen zu überwinden ist die Crux. Das erfolgt an einem sloprigen Seitgriff, an welchem man kräftig piazen und die Füsse weit hochbringen muss. Danach etwas einfacher zum Top. In diesem oberen Teil steckt für meinen Geschmack ein Haken zu wenig. Wer im (schweren!) Move vor dem letzten Zwischenhaken oder bei der (etwas heiklen) Querung vor dem Umlenker fällt, kommt (im besten Fall) erst kurz vor Bodenkontakt zum Stopp.

Wie immer hatten die "Jööö-Felsen" im Frankenjura mit ihren 10m Wandhöhe ob der Steilheit doch für einen nachhaltigen Pump und Kraftverlust gesorgt, und wir konnten uns ermüdet und zufrieden hinters Steuer setzen. Da uns ein Teil der Reisegruppe bereits mit dem Wohnmobile vorausgefahren war, setzte ich mich nach langer Zeit wieder einmal ans Steuer des PWs. Durch den starken Kontrast mit dem Gefühl einen richtig guten Sportwagen zu lenken, ging es über die deutsche Autobahn nach Hause, wo wir wohlbehalten ankamen.

Fazit

Man kann den Trip natürlich in Zahlen fassen, dies wären z.B. die gut 4000 Kilometer, die wir mit dem Auto gefahren sind, die gegen 100 gekletterten Seillängen oder auch fast 4000 Klettermeter. Aber das wird natürlich dem Gesehenen nicht gerecht, meine verschiedenen Blogs vermögen die Erlebnisse besser wiederzugeben. Zum Schluss verbleibt die Frage, hat es sich gelohnt? Hier würde ich auf jeden Fall mit einem klaren Ja antworten! Nicht verschweigen will ich jedoch auch die Tatsache, dass die Anreise aus Mitteleuropa mit dem eigenen Fahrzeug ziemlich weit ist, und mit Hin- und Rückfahrt bereits rund eine Woche an Zeit auffrisst. Es sei denn, man ist wirklich ein Marathon-Mann (oder -Frau) hinter dem Steuer. Allerdings gibt's ja bereits auf dem Weg einige Klettergebiete, die man besuchen kann.

Weiter gilt es zu sagen, dass die Szenerie im Süden von Norwegen mit den vielen Wäldern und Gewässern zwar durchaus sehenswert und auch schön ist. Allerdings wird man gerade in den Alpen oder auch in gewissen ausseralpinen Reisegebieten (z.B. Kalifornien, Südamerika) sicherlich öfters auf Anblicke treffen, die einem geradezu ins Staunen versetzen und für Wow-Effekte sorgen. Die eher sanfte Landschaft im Süden von Norwegen ist jetzt nicht ultraspektakulär. In dieser Hinsicht bieten sicherlich die norwegische Westküste und der Norden mehr Highlights. Um dort ausgiebig zu reisen, ist für Mitteleuropäer dann jedoch entweder deutlich mehr Reisezeit, mehr Sitzeleder am Steuer oder eine Flugreise direkt vor Ort notwendig. Ich für meinen Teil werde kaum bald wieder nach Südnorwegen reisen, und wenn es einmal in den Norden geht, so werde ich den Trip gleich in Stavanger, Bergen oder Trondheim starten.

Unsere Reiseroute, ein paar markante Stationen sind angeschrieben. Norwegen ist natürlich noch viel grösser, auch so war's schon weit!
Bezüglich dem Wetter war es weniger schlimm, wie ich zuerst befürchtet hatte. In Skandinavien fiel uns kein einziger Klettertag dem Wetter zum Opfer. Allerdings war es auch nicht richtig sommerlich, die Maximaltemperaturen lagen stets im Bereich zwischen 15-20 Grad. Zusammen mit der häufig vorherrschenden Brise und ab und zu einer Wolke vor der Sonne war man doch von einem mitteleuropäischen Sommergefühl weit entfernt. Für mich fühlte es sich eher so wie bei uns ca. im April an. Was die Kletterei anbetrifft, so boten eigentlich die verschiedenen Klettergärten die aussergewöhnlichsten Moves und Felsstrukturen und waren eigentlich immer sehr lohnend. Die MSL-Touren waren auch schön, die eher plattige Granitkletterei jedoch für meinen Geschmack meist nicht umwerfend spektakulär, zumindest wenn man jetzt mit Topgebieten in den Alpen wie den steilen Dolomitenwänden, dem genialen Wendenfels oder dem super strukturierten Hochgebirgsgranit in Chamonix mit dem einmaligen Ambiente vergleicht.

Die Reise mit dem Wohnmobil hatte gut geklappt. Für eine Rundreise durch Skandinavien gibt es sonst nicht allzu viele Alternativen. Hotels gibt es ausser in den Städten keine und zum Zelten muss man aufgrund des Klimas eher etwas Hartgesotten sein. Einzig die auf den Campings üblicherweise angebotenen 4-Bett-Hütten sind mit Kosten von ca. 50-80 CHF pro Nacht eine gute Möglichkeit. Allerdings sollte man diese in der Hochsaison vorreservieren und damit seinen Reiseplan bereits im voraus festlegen, was in einer Weltgegend mit Wetterkapriolen ja auch nicht so einfach möglich ist. Mit dem Wohnmobil hatten wir auch ohne Reservation nie Probleme, einen Stellplatz auf einem Camping zu finden. Somit alles paletti? Ich will hier auch noch die Kehrseite vom Wohnmobil beleuchten. Diese Punkte waren mir alle schon vorgängig klar, deshalb besitzen wir ja auch keines. Also erstens ist's in der Anschaffung teuer (egal ob Miete oder Kauf), jede Nacht auf einem Camping schlägt dann nochmals mit 30-70 CHF zu Buche, die Betriebskosten sind hoch weil die Karre mehr als 3x so viel Durst wie der PW hat sowie auch alle Fähren, Maut, usw. mehr kosten und zuletzt sind Fahrkomfort und Geschwindigkeit gegenüber einem PW trotzdem massiv reduziert. Nichtsdestotrotz, es waren tolle Ferien und ich möchte die Erfahrung vom Reisen mit dem Wohnmobil keinesfalls missen!

2 Kommentare:

  1. Ihr hättet nur wenige Kilometer weiter, ins Jotunheimen fahren müssen. Da hätte es genug "Wow"-Aussichten gegeben.

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    1. Das mag ich gern glauben. Wobei, wenige Kilometer stimmt nicht einmal im Gesamtkontext. Von Nissedal wären das nach Routenplaner pro Weg nochmals 700km und 8.5h Fahrzeit gewesen. Bei unserem Rhythmus hin und zurück also je 2 Tagesetappen. Zudem, gibt's dort familientaugliche (d.h. vernünftig kurze Zustiege und Tour-Gesamtlänge) MSL-Touren und Klettergärten? Ich habe nix gefunden, lasse mich aber gerne eines besseren belehren. Denn mehr als nur Wow-Aussichten bestaunen will ich mit Wow-Effekt klettern :-)

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