"Ich will nach Chamonix und dann ein paar Tage dort bleiben", so tönte es zum Beginn der Sommerferien von meiner Tochter. Musik natürlich in den Ohren jedes alpinen Kletterers und Vaters. In erster Linie wollte sie zwar beim Lead-Weltcup als Zuschauerin mit dabei sein. Aber das lag ja womöglich nur daran, dass sie von den tollen Klettermöglichkeiten in dieser Gegend noch gar nichts wusste. Geworden ist es schliesslich eine tolle MSL-Kletterwoche, über welche hier in loser Folge berichtet wird. Den Auftakt machten wir bereits auf der Anreise an den unmittelbar über der Grenze Frankreich/Schweiz gelegenen Felsen bei Le Châtelard.
Blick von der Grenze F/CH auf die Felsen von Barberine/Châtelard. Der Beginn von L1 versteckt sich hinter dem Hotel. |
Hier stehen mit kurzen Zustieg von nur 15 Minuten gut 10 MSL-Routen von bis zu 12 SL zur Verfügung. Auf den ersten Blick sieht man wohl einige Felspfeiler aus dem steilen Wald ragen. Doch dass die Kletterei derart gut ist, würde man von der Strasse definitiv nicht erwarten. Ich hatte vor rund 10 Jahren auf der Durchreise in den Süden bereits einmal diese Erfahrung mit der 'Autoroute Blanche' (6 SL, 6c) gemacht. Aufgrund von Zeitbudget, der südöstlichen und damit ein bisschen weniger nachmittagssonnigen Ausrichtung und der Befindlichkeit wollten wir es schliesslich mit der Cacao Girls (12 SL, 6b) probieren. Es handelt sich dabei mutmasslich um die einfachste Route an der Wand, welche aber mit einer Kletterlänge von 380m doch ein respektables Unternehmen darstellt. An Beliebtheit mangelt es einer solchen Route natürlich nicht. Bereits vom Parkplatz war so gut wie jeder Standplatz mit einer Seilschaft markiert. Da wir eher spät dran waren, sollte es aber trotzdem passen. Um 12.45 Uhr brachen wir beim Auto auf, nach wenig Wartezeit auf eine eben gestartete Seilschaft ging's für uns um 13.15 Uhr auch los.
Erster Aufschwung
L1, 5b+: Schöne, positiv-leistige Kletterei, geht leicht von der Hand.
L2, 5c+: Querung nach rechts, feine Reibungsstelle, dann einfacher
Vom zweiten Stand muss man diagonal nach rechts ca. 15-20m absteigen, um den Beginn des zweiten Routenteils zu erreichen. Achtung, es handelt sich dabei nicht um die (neue) Linie mit den Klebehaken, welche schon mittig in der Wand beginnt. Die Cacao Girls befindet sich ganz unten am Pfeiler. Um etwas Zeit zu sparen, kann man vom letzten Zwischenhaken auch direkt nach rechts queren und zum Beginn von L3 absteigen.
Ausstieg aus der schön griffigen ersten Seillänge (5b+), das Hotel beim Startpunkt auch hier gut zu sehen. |
Zweiter Aufschwung
L3, 5b: Griffige Platte, dann ein steiler Abschnitt mit einem breiten Riss.
L4, 5c+: Steiler Beginn über den Spalt hinweg, später 1x fein links um die Ecke.
L5, 5b: Steile, super griffige Wandkletterei, eine der besten Seillängen der Route.
L6, 5c: Kurze Stelle über den linken Ausläufer des markanten Wulsts hinweg.
L7, 5c: Technische Wandkletterei an kleinen Griffen, dann eine einfache Platte.
L8, 5b: Die linke Linie nehmen! Steiler Piazriss zu Beginn, dann plattig und etwas gesucht.
Man erreicht eine schöne Terrasse am Ende des zweiten Aufschwungs, von wo man zu Fuss retour durch die Schlucht nach Châtelard oder auch nach Barberine absteigen könnte. Aber die Route geht ja noch weiter! Auf Wegspuren steigt man leicht rechtshaltend ca. 50m durch den Wald hoch und gelangt in die (hier wenig ausgeprägte) Gorge. Gleich gegenüber ist die Fortsetzung der Cacao Girls angeschrieben.
Ausstieg aus der super lässigen, griffig-steilen L5 (5b). Hinten das nächste Team, das nicht ganz Schritt zu halten vermochte. |
Pfeiler-Ambiente in L7 (5c), die Vegetation stört die Kletterei wirklich nie! |
Dritter Aufschwung
L9, 5c: Interessante Mischung zwischen Rampe, Verschneidung, Kamin und breitem Riss.
L10, 6b: Athletischer Start, Gegendruck an guten Griffen und rutschigen Tritten, A0 möglich.
L11, 5b: Querung nach links, danach eine kurze Stelle, die man zu kompliziert löst.
L12, 5c: Steiler und griffiger Auftakt, sehr schön! Zum Schluss einfacher und plattig.
Die letzten 4 Seillängen lassen sich mit einem 50m-Seil auch in 2 Teilstrecken machen. Allerdings empfiehlt sich dies nur, wenn man deutlich über dem Niveau steht, da jeweils der Beginn von L10 und L12 athletisch über flacherem Gelände darunter ist. Um 16.20 Uhr hatten wir nach gut 3:00h Kletterei das Top erreicht, das war also ziemlich flott gelaufen! Und obendrein waren beide Seilenden während der ganzen Route unbelastet geblieben, bravo! Während die Nachsteigerin am Top eine kurze Pause einlegte, erkundete ich den Fussabstieg von ebenda. Dieser erfordert aber noch ca. 100hm Aufstieg und ist ineffizient, das Abseilen über den dritten Aufschwung dürfte die schnellere Lösung bedeuten. Für uns hiess das 1x25m zurück an Stand 11, von wo ein Fixseil zurück zum Fuss der dritten Aufschwungs genutzt werden konnte. Ab da dann zu Fuss durch die Gorge (zuerst ein paar Fixseile, aber problemlos), an den Einstiegen von interessant aussehenden Sportkletterrouten vorbei (gibt's da ein Topo davon?). Ein paar Minuten nach 17.00 Uhr waren wir retour an der Strasse.
Da entsteigt sie eben der Crux (L10, 6b). Souverän durchgezogen, erst noch mit Heel Hook fürs Foto ;-) |
Nun hiess es, das Basecamp für die nächsten Tage aufzuschlagen. In Chamonix war bereits kein Platz mehr verfügbar, so dass wir unser Zelt auf dem ruhigen und schönen Camping in Vallorcine aufstellten. Im Nachhinein war das eine sehr gute Lösung, manchmal leitet einen das Schicksal auch einfach in die richtige Richtung. Meine Zeitbudgetierung für den Tag hatte perfekt gepasst. Bereits vor 19.30 Uhr und damit über eine Stunde vor dem Beginn der Finals waren wir auf der Place du Mont Blanc in Chamonix und konnten uns einen prima Platz für das Spektakel sichern. Zuerst waren die Frauen an der Reihe, bevor es dann die Männer krachen liessen. Wow, war das einen Show! Es waren 12'000 Zuschauer zugegen - vor dieser johlenden Meute, bei Partysound und dem in der Sonne glühenden Mont Blanc eine knallharte Finalroute ziehen zu können, das muss schon ein ultimatives Klettererlebnis sein. Zum Schluss kam dann noch der Chef und richtete die Sache mit dem Sieg höchstpersönlich: 1. Ondra, 2. Megos, 3. Schubert, die Crème de la Crème des Sportkletterns auf dem Podium vereint. Tja, das ist noch Stoff, aus welchem Kletterträume sind!
So etwas lässt sich einfach nicht mit einem Foto einfangen. Grandioser Event vor atemberaubender Kulisse! |
Facts
Paroi de Barberine - Cacao Girls 6b (5c obl.) - 12 SL, 380m - Raoul Crettenand 2012 - ***;xxxx
Material: 1x50m Seil, 12 Express
Sehr schöne Plaisirkletterei mit kurzem Zustieg und abwechslungsreichen Moves in griffigem Gneis, welche pfeilerartig direkt über der Landesgrenze in die Höhe führt. Die Route ist mit rostfreien Bohrhaken sehr gut abgesichert und das Ambiente ist gutmütig, d.h. hier kann man sich problemlos an die eigene Leistungsgrenze tasten bzw. ein neues Niveau versuchen. Allerdings darf man zu den Hauptkletterzeiten nicht mit freier Fahrt rechnen, eine solche Route ist wenig überraschenderweise sehr beliebt. Vom Top seilt man am besten über den dritten Aufschwung ab (mit 1x50m-Seil möglich) und steigt dann zu Fuss durch die Gorge ab. Unten ist das Übersichts-Topo von Hervé Thivierge abgebildet, nähere Infos findet man im Plaisir West Band II, von welchem ich auch die Bewertungen übernommen habe.
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