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Montag, 17. Februar 2020

Onsernone / Parete ai Monti - Dimitri (7a)

Die Parete ai Monti im Val Onsernone liegt sehr sonnig auf nur rund 1000m und gibt ein ideales Ziel für die kältere Jahreszeit her. Schon lange war die 'Dimitri' (11 SL, 7a) weit oben auf meiner Wunschliste. Doch die Anfahrt für eine Tagestour ist (zu) weit und als Familienziel war die Sache dann bis dato doch zu anspruchsvoll. Umso besser, dass mit Viktor nun ein topmotivierter Partner bereitstand, um endlich einmal steil im Gneis angreifen zu können. Nach einem Preludium mit einfacherer Plattenkletterei offeriert die 'Dimitri' vier absolut herausragende, athletische Seillängen in vorzüglichem Fels und ein interessantes Dessert zum Abschluss - ein genialer Klettertag!

Blick von Berzona auf die Parete ai Monti (im Vordergrund). Links ist auch noch Parete Sud sichtbar.
Nach einer Weckerpanne stand das ganze Ticino-MSL-Weekend schon auf der Kippe. Doch als dann endlich wieder Verbindung hergestellt war, hiess es nix wie los - denn so sollte es doch auch am ersten Tag noch für eine MSL, ja sogar die Dimitri als dem Hauptziel reichen. Unsere Tour startete schliesslich wenige Minuten vor 11.30 Uhr in Berzona. Wir nahmen den im Extrem Sud bezeichneten Parkplatz und wählten den Zustieg gemäss Skizze - erst durchs Dorf, dann die lange Querung nach links (Westen). Einmal an den letzten Häusern vorbei, wurde die Sache rasch unübersichtlich. Überall lag tiefes Laub, Pfadspuren waren keine mehr zu erkennen und Markierungen bzw. Steinmänner gab's auch nicht. Man muss dabei aufpassen, dass man nicht zu hoch hinaufsteigt, da der Graben oberhalb von ca. 850m nicht mehr passierbar ist. Ideal ist es, dem auf der Swiss Map verzeichneten aber vor Ort unsichtbaren Pfad zu folgen. Vermutlich wäre es aber sowieso effizienter, vom Parkplatz gleich links des Baches weglos hinaufzusteigen. Das ist zwar sicher ebenso weglos, aber kürzer und schneller, zudem sind's nur 100hm, bis man mit der anderen Route zusammentrifft. Von diesem (hypothetischen) Vereinigungspunkt geht's dann weiter weglos aber etwas besser gangbar über ein Blockfeld mit umgestürzten Bäumen hinauf zum Einstieg. Die Skizze im Extrem Sud bezeichnet diesen sehr genau. Wir brauchten gerade eine halbe Stunde Gehzeit (ca. 270hm). Einmal vor Ort, galt es keine Zeit mehr zu verlieren und um Schlag 12.00 Uhr ging es los.

Aus dieser Perspektive sieht L1 (6b) arg grasig aus. Ist aber nicht so, klettert sich genussreich und ist schon knifflig!
L1, 6b, 45m: "Man wundere sich nicht über die scheinbare Überabsicherung, der Einstieg hat es in sich" schreibt Röbi Bösch in seinem Buch "Schweiz Alpin, die schönsten Touren in Fels und Eis". Treffender kann man es nicht ausdrücken. Der Steilaufschwung vom Boden weg ist strukturiert-griffig, die nachfolgende Platte geneigt und etwas vegetativ. Sieht völlig easy aus, doch der Mantle vom Steilen auf die Platte nach dem ersten Bolt hat es echt in sich. Auch danach heisst's noch länger sorgfältig antreten, erst als der Vorsteiger aus dem Sichtfeld entschwindet, geht's dann zügiger voran.

L2, 5b, 50m: Easy Platte, das kann man nun weitgehend als verschärftes Gehgelände bezeichnen. Zum Ende kommt dann allerdings noch eine reichlich glatte Stelle mit einem Runout zum Stand hinauf, die den Schwierigkeitsgrad durchaus rechtfertigt.

Kennt ihr den Lasso-Trick?!? Hilft, wenn der Vorsteiger unmögliche Reibungsstellen überwinden muss ;-)

L3, 6a+, 45m: Vom Stand weg easy an die etwas gesucht scheinende Reibungsmauer. Die spielt sich nach unserem Empfinden echt voll an der Haftgrenze ab - 6a+, wtf?!? Ich würde hier ohne Witz eher eine 6c veranschlagen - im Gesamtkontext fand ich z.B. L8 (7a) weniger fordernd. Wie immer natürlich schwer zu vergleichen, wenn es in einer Länge Griffe hat und in der anderen eben keine. Der Rest der Seillänge kommt dann leichtverdaulicher daher.

L4, 5c, 45m: Eine weitere, gemütliche und schnell erledigte Seillänge ohne schwierige Stelle. Bolts stecken hier am Anfang und in der Mitte eher wenige. Daher unbedingt die Cams mitführen und ein Auge auf die Placements werfen. Es hat welche, sogar auch gute - aber nicht à discretion.

Das Finish von L4 (5c) und damit das Ende der gemütlichen Zustiegslängen.
L5, 6a+, 35m: Kurze Linksquerung über den Dornenbusch hinweg (eine Gartenschere mitzuführen wäre kein Seich!!!) und dann einem Riss/Verschneidung entlang hinauf, kurz etwas athletisch und komplett selber zu sichern. Hierfür ist 6a+ wohl durchaus passend. Ich muss jetzt hier nicht nochmals schreiben, um wie viele Grössenordnungen ich sowas einfacher finde wie die Stelle in L3 - tue es aber trotzdem ;-)

Hinein ins steilere Gemäuer geht's in L5 (6a+), die nach der Querung einem steilen, mobil zu sichernden Riss folgt.
L6, 7a, 40m: Nun geht's los! Es folgt gleich das Prunkstück der Route bzw. die Seillänge, welche mir mit ihrer anhaltenden Kletterei am besten gefallen hat. Es geht grob der offenen Verschneidung entlang nach oben. Diese wird allerdings nur extensiv genutzt, hin und wieder kann man ausspreizen. Viel mehr hat die Sache den Geschmack von technischer Wandkletterei, da man vorwiegend die linke Wand mit ihren Leisten, Noppen und Untergriffen nutzt. Die kniffligste Stelle folgt nach der Mitte, ein supercooler Boulder der etwas Imagination und Vorausplanung erfordert. Sodann wird man in rissigeres Gelände befördert. Das Finish dann athletisch am steilen Riss (erst Finger, dann Hand), der zum Glück schön scharfe Kanten hat - dafür sind die Tritte eher Mangelware. Die Sache kulminiert im Gegendruck-Ausstieg, der dann auch selbständig mit Cams abgesichert sein will - Hammer!

Kräftiges Gegendruck-Finish am Ende von L6 (7a). Hier heisst durchziehen, kleiner Runout über einem Cam.
L7, 6c+, 25m: Ein bisschen leichter, aber ebenso spektakulär geht's weiter! Die Route folgt nämlich nicht weiter der Verschneidung (da wäre der Fels wohl etwas brösmelig), sondern zieht luftig an die exponierte Kante. Jene nutzt man schlussendlich kaum, sondern klettert mehrheitlich unmittelbar rechts davon an Leisten - eine fantastische Passage. Nicht ganz erschlossen hat sich mir hier die "expo"-Bewertung im Extrem Sud. Die Haken stecken dicht und fair, das dünkte uns völlig problemlos.

Superspektakuläre Linienführung an der exponierten Kante in L7 (6c+).
L8, 7a, 20m: Jetzt wird gleich nochmals eine Schippe an Luftigkeit draufgelegt! Ein horizontaler Quergang führt an Untergriffen athletisch ca. 8m nach rechts. Man muss kurz schon etwas zupacken und Entschlossenheit zeigen, es geht aber gut. Auch hier steht im Extrem Sud nochmals "expo". Auf der Querung stecken aber 3 BH und ausser, dass auch der Nachsteiger hier parat sein muss, sahen wir das alles im dunkelgrünen Bereich. Am schlausten für den Seilverlauf ist's übrigens wohl, alle Bolts direkt und mit kurzen Exen einzuhängen, auch wenn am zweiten Bolt eine Verlängerung montiert ist und der Haken rechts nach einer langen Schlinge ruft. Nach der Querung einem etwas glatten Handriss entlang knifflig hinauf, bald kommt der Stand.

Der Kletterer ist noch nicht parat. Hier in Bildmitte quert L8 (7a) luftig horizontal hinaus.
L9, 6c+, 25m: Der einfachste Weg oder unnötiger Special Effect? Die Gestaltung der Route gleich nach dem Stand wirft Fragen auf. Vom Stand geht's in heikler Querung trittlos an schlechten Untergriffen nach links, wobei es direkt hinauf (vermeintlich?!?) auch einfacher ginge. Auch der Klipp des zweiten Hakens zeigt sich biestig, worauf eine athletische Passage erst an Rissspuren und dann über eine henklige Stufe folgt. Die Route geht im direkten Seilverlauf gerade über den Überhang (nicht linksrum!), der Bolt ist von unten nicht sichtbar.

Erneut fantastische, athletisch-kräftige  Kletterei in L9 (6c+).
L10, 6a+, 20m: Griffige und luftige Kletterei. Irgendwie nie schwierig, irgendwie auch nie so richtig einfach. Im Originaltopo steht eine 6b, das hätten wir wohl auch geglaubt. Allerdings, wenn die Reibungsstelle in L3 wirklich nur 6a+ ist, dann würde hier auch etwa 5b reichen (aber das hatten wir ja schon ;-))

L11, 6b, 30m: Zum Schluss wartet nochmals eine richtige tolle Seillänge über eine rissdurchzogene Platte, wobei sich hier immer wieder formidable Klemmer offenbaren, ohne welche die Sache dann alles andere als leichtverdaulich wäre. Ein toller Abschluss - nur scheinen aus heutiger Perspektive einige der Bolts hier neben perfekten Placements als verzichtbar. Doch wie dem so ist, bei der Erstbegehung war der Riss wohl noch grasgefüllt und nahm keine mobilen Sicherungen auf. Da hätte man schon erst von oben Abseilen und Putzen müssen. Für die alpinen Puristen ist weder A noch B ein gangbarer Weg - zeigt wieder einmal, dass im Nachhinein kritisieren immer einfach ist.

Nochmals eine super genussreiche Seillänge über die rissdurchzogene Platte in L11 (6c).
Um 16:45 und damit nach rund 4:45h Kletterei schütteln wir uns am Top die Hand und dürfen uns zu einer perfekten Onsightbegehung beglückwünschen. Wir verschieben gleich noch weiter hinauf auf den ebenen Block, an welchem das Routenbuch befestigt ist. Wie immer bietet dieses spannende Lektüre: in den 90er-Jahren, bevor die Route in den Führern publiziert wurde, waren fast nur italienisch sprechende Kletterer da. Später hat's dann gedreht und heute sind es praktisch ausschliesslich deutschsprachige. Allerdings ist die Route doch erstaunlich wenig frequentiert, in den letzten 10 Jahren waren es im Schnitt nur noch 3-4 Seilschaften pro Saison - kaum zu glauben für eine solch tolle Linie. Nachdem wir einen wunderschönen Sonnenuntergang bestaunt hatten, machten wir uns auf die Suche nach dem Abstieg. "Suche" darum, weil wir ja schon auf dem Zustieg Erfahrungen mit dem weglosen, mit viel Laub bedeckten Steilgelände und den vagen Beschreibungen gemacht hatten. Mit der Landeskarte, Spürsinn und "der Nase nach" fanden wir schliesslich einen guten Weg. Trotzdem schadet eine genaue Textbeschreibung wohl nicht...

Fantastisches Ambiente und ein toller  Sonnenuntergang grüssten uns am Top der Route.
Abstieg

Zuerst heisst es noch ca. 50hm aufsteigen bis zum deutlich ausgeprägten Vorgipfel (auf älteren Karten als P.1333) kotiert, wobei man den "Gipfel" ganz am Ende in der Ostflanke umgehen kann und in den Sattel dahinter gelangt. Nun gut 100m die Höhe haltend in offenerem Gelände nach NNE auf den breiten, mässig steilen Rücken queren und auf keinen Fall direkt vom Sattel direkt das steile Couloir hinunter!!! Auf dem Rücken wird das Gelände nach ca. 60hm (1260m) steiler, bleibt aber gut begehbar, auch dank Pfadspuren bzw. Wildwechseln. Man kommt dort unter der im Originaltopo erwähnten "bogenförmigen Birke" vorbei. Weiter auf dem wieder flacheren, breiten Rücken hinunter, bis man auf ca. 1170m auf offeneres Gebiet und die Ruinen von einem alten Steingebäude trifft. Möglicherweise müsste man "offiziell" irgendwo dort nach N den Bachgraben überqueren. Wir taten dies erst weiter unten auf 1100m. Dieser Weg dünkte uns logisch (Wildwechsel in den Graben hinein, jenseitig das am besten gangbare Gelände, wo auch eine Wasserleitung für die Hütten von Iasco verlegt war). Gemäss der Beschreibungen sollte es aber für den Ausstieg aus dem Graben Fixseile haben, die wir vor Ort weder finden noch sehen konnten. Diese können aber eigentlich nur höher als auf 1100m liegen, wobei unser Weg für die Bachquerung ganz kommod war. Wenig später (in der Vegetationsperiode durch einen Farndschungel) erreicht man Monte Iasco, von wo ein erkennbarer Pfad zurück nach Berzona führt.

Facts

Parete ai Monti - Dimitri 7a (6c obl.) - 11 SL, 370m - G. Cugini et al. 1992 - ****; xxxx
Material: 1x oder 2x50m-Seil, 12 Express, Camalots 0.2-2

Sehr schöne und abwechslungsreiche Kletterei. Die ersten 4 Seillängen führen noch mässig spektakulär über Reibungsplatten, halten aber auch schon die eine oder andere  Knacknuss bereit. Danach steilt das Gelände auf, Wandkletterei an Leisten, athletische Henkelpassagen, Risse und Verschneidungen bilden das Menü bei oft luftiger Exposition. Die Route ist mit Inox-BH solide und gut bis sehr gut grundabgesichert. Vereinzelt muss mit Cams selber abgesichert werden, jedoch wirklich nur an Stellen wo dies sehr gut möglich ist - manchmal stecken auch an Orten Bolts, wo es ein schönes Placement hätte. Am meisten Genuss findet man in dieser Route sicher im Winterhalbjahr. Während der Vegetationszeit spriesst sicher überall das Grün, was v.a. Zu- und Abstieg mühsam und zeckenverseucht machen dürfte. Der Weg zu und von der Route ist zwar nicht allzu lang, aber doch recht steil. Vor allem aber konnten wir keine Wegspuren erkennen oder Markierungen finden, so dass etwas alpiner Spürsinn nicht schadet.

Sehr schönes Originaltopo der Erstbegeher aus dem Wandbuch. Grazie mille Glauco et al!

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