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Montag, 16. November 2020

Hinter Glatten - Let's Go (7b)

Ein wunderbarer Martinisommer lädt Mitte November noch zum Klettern. Der HiGla bietet sich idealerweise für eine solche Spätsaison-Begehung an, zumindest sofern die Passstrasse noch geöffnet ist. Mit einem kurzen Zustieg warten gut 250m an lotrechter bis überhängender Kletterei in meist bestem, rauem Klausenfels und die Wand steht von 8.30 Uhr bis kurz vor Sonnenuntergang im Licht. Als Projekt wählten wir für diesen Tag die Let's Go (7b, 6 SL), da wir hier mit einem Mix von einfacheren und schwierigeren Seillängen ideal im Überschlag klettern konnten und zudem auch noch eine lässige Freikletter-Herausforderung wartete.

Die Wand am Hinter Glatten mit dem Verlauf von Let's Go (6 SL, 7b)

Nachdem die ganze Familie Dettling verschlafen hatte und mein Kletterpartner leider auf mich warten musste, starteten wir schliesslich wenige Minuten nach 9.00 Uhr bei der letzten Kehre auf der Glarner Seite (P.1888), ca. 1km vor dem Klausenpass. Obwohl seit meinem letzten Besuch doch auch schon wieder 5 Jahre vergangen waren, kenne ich hier Weg und Steg. Wobei der Clou eben ist, dass kein Weg zum Einstieg führt und man sich ohne Spuren hinauf zum Einstieg zu begeben hat. Im Aufstieg geht dies über weite Strecken am bequemsten im Bachbett, erst oben geht's auf den grasigen Sporn rechts und zuletzt über Geröll zum Wandfuss. In 30 Minuten Gehzeit hatten wir die ~350hm erledigt und obwohl auf Einstiegshöhe nur etwa 2 Grad an Lufttemperatur vorhergesagt waren, herrschte dank windarmem Sonnenschein perfektes Ambiente. Den Einstieg im linken Wandteil hatten wir bald identifiziert. Ein nochmaliger Kontrollblick von Routenverlauf und Topo zeigte schliesslich, dass wir uns beinahe in die Ellman verkoffert hätten. Achtung, die beiden Einstiege liegen nur ca. 5m auseinander, beide sind mit gebohrten SU-Schlingen gekennzeichnet, wobei jener von Ellman deutlich offensichtlicher ist. Um nach den spärlichen Haken zu spähen, welche inzwischen felsfarbig angelaufen sind, braucht es hingegen gute Augen. Ein paar Minuten vor 10.00 Uhr fiel der Startschuss.

Super Ambiente mit dem Clariden im Hintergrund (die Skitour wäre mit 200-300hm Portage möglich!)

L1, 6c, 35m: Ein anspruchsvoller Auftakt! Die ersten, noch moderat schwierigen Meter in etwas lottrigem Fels bringen einen an die steile Wand. Nach dem zweiten BH muss man sich in Wandkletterei scharf nach rechts halten, die Rissschuppe direkt hinauf ist der falsche Weg. In ortstypischer Kletterei an Leisten und rauen Auflegern gewinnt man sehr schön an Höhe - recht anhaltende Sache mit ein paar spicy Sektionen und zwar guter, aber auch verpflichtender BH-Sicherung. Nach rund 25-30m heisst es dann, nach links auf den Pfeiler zu wechseln. Ziemlich tricky und die ersten Moves am Pfeiler waren für mich die Crux der Länge. Mein Nachsteiger wechselte erst ein paar Meter weiter oben so richtig auf den Pfeiler, das schien einfacher, wäre aber für den Vorsteiger in Bezug auf Seilverlauf bzw. Sturzraum unangenehm. Achtung, diese Länge ist etwas seilzugträchtig, unbedingt die erste Exe verlängern und nachher schadet es auch nicht (sofern man sich denn traut).

Da wird einem warm ums Herz als Kletterer! Let's Go (L1, 6c)

L2, 6b+, 40m: Die Route führt nun direkt über den Pfeiler in die Höhe, wobei sich dieser bald in der Wand verliert. Der erste Haken muss etwas weit aber vergleichsweise gemütlich angeklettert werden. Doch dass da zwei Bolts so kurz hintereinander stecken, lässt etwas vermuten. Nämlich eine knifflige Stelle, wo man ein paar abschüssige Leisten identifizieren und zwicken muss. Fortan geht's wieder besser dahin, eine weitere, etwas einfachere Stelle mit zwei nahen Bolts fordert mehr fusstechnisch. Zuletzt dann an einem Riss/Schuppe hinauf, mit nochmals einem unterhaltenden Rätsel kurz vor dem Stand.

Links vom Pfeiler wieder in die Wand hinein heisst es in L2 (6b+).

L3, 6c+, 35m: Man wechselt hier vom Stand weg über den breiten Riss/Verschneidung hinaus in die rechte Wand. Diese präsentiert vorerst noch nicht die grossen Schwierigkeiten. Der Fels hat hier einen Anflug von der berüchtigten Klötzliware - fand das aber nicht weiter schlimm, mit etwas alpiner Erfahrung problemlos. The 'meat of the pitch' folgt dann auf den letzten 15m mit überhängender, athletischer Ausdauerkletterei an der Kante des markanten Turms. Die Griffe sind zwar schon durchwegs (recht) gut, zeigen aber oft in die falsche Richtung und man muss sich mit dem Körper durchaus mehrere Male hin- und her positionieren. Ich fand das noch eine zähe 6c+, konnte mit einem doch durchaus fühlbaren Pump aber onsight passieren.

Hinauf auf den steilen Turm in L3 (6c+). In Originalauflösung erkennt man auch 2 Adler über uns!

L4, 4a, 35m: Kurzes Überführungsstück an den oberen Wandteil. Erst gibt es noch ein paar schöne Moves in kompaktem Fels, dann wird das Gelände grasig, lottrig und einfach - dafür ein guter Platz für eine Pause und um nochmals Kräfte zu tanken für das Finale. Den laut (Original)topo vorhandenen, zweiten Standhaken konnten wir nicht auffinden - entweder Tomaten auf den Augen oder er existierte noch nie...

Nein, solch kompakten Tropflochfels findet man in L4 nicht, das Foto ist von L1 (6c).

L5, 7b, 40m: Auf dem Netz haben wir schon gelesen, dass die Crux der Route sich am Wulst ein paar steile aber gutgriffige Meter über dem Band befindet. So auf den ersten Blick denkt man sich zwar eher "kann das wirklich so schwierig sein?", denn sonderlich steil wirkt die Stelle nicht und gar nicht mal so wenige, griffig scheinende Seitleisten erkennt man bereits aus der Ferne. Tja, wie schon befürchtet liegt das Problem darin, seine Füsse über den Wulst zu bringen und auf  der wenig strukturierten Wand Gegendruck zu erzeugen. Wer kühn und stark ist, packt das so gleich im ersten Go. Das blieb mir verwehrt, ich konnte aber nach einigem Pröbeln eine elegante und tragfähige Lösung entschlüssen, wo ich onsight sicher nicht darauf gekommen wäre - also zurück an den Start! Schliesslich konnte ich die Stelle klettern und stand dann vor dem "Problem", nun noch den Rest der Länge onsighten zu müssen. Vorerst klettert man einfach an einem Riss (mit Cams zu sichern), gefolgt von einem griffig-pumpigen, eng gebolteten Steilstück. Uh, oh, so viele Körner waren nicht mehr übrig... zum Glück legt sich das Terrain wieder etwas zurück und fordert eher mutiges Antreten. Dies vor allem, weil hier ein 10m-Runout folgt. Dank dem unpräzisen Topo und den kaum sichtbaren Haken war ich auch gleich noch ahnungslos, welche Richtung anzupeilen wäre (ca. 1 Uhr, direkt hinauf!). Nun folgen nochmals drei eng steckende BH und wie man es sich denken kann, eine richtig schwierige, kleingriffig-technische Wandstelle. Meines Erachtens neben dem Wulst die zweitschwierigste Kletterstelle der Route, am Ende noch gewürzt mit einem netten Quergang (v.a. für den Nachsteiger). Achtung, diese Länge ist stark seilzugträchtig!

Am Ende von L5 (7b) darf sich auch der Nachsteiger engagieren!

L6, 6b, 35m: Die im Nachmittagslicht stehende Abschlussplatte wirkt sehr attraktiv und bietet tatsächlich nochmals sehr schöne Kletterei. Sie ist offiziell mit 6a bewertet, was ich aber klar zu tief finde. Mit grosszügigem Riesenslalom zu den (auch nicht etwa üppig steckenden) Bolts geht's vielleicht noch etwas einfacher, aber direkt in Hakenlinie durchaus eine nicht zu unterschätzende 6b. Vorsicht dann am Ende: bei deutlich nachlassender Felsqualität klettert man die letzten 8m gerade über den BH empor zum Stand - im Sturzfall knallt man ungebremst aufs Band. Klaro, schwierig ist das nicht, aber ein Fehler (v.a. in der Griff-/Trittwahl) liegt da nicht drin.

Sehr schöne Kletterei über die Abschlussplatte in L6 (6b).

Um 14.50 Uhr waren wir schliesslich beide am Top der Route, somit hatten wir doch fast 5:00 Stunden gebraucht für nur gerade 6 Seillängen. Das Gelände ist aber anhaltend steil und fordernd, geschenkte Meter gibt es ganz wenige. Vor allem hatte ich mir die Zeit genommen, alles freizuklettern und die Cruxlänge in mehreren Versuchen zu punkten. Bedingungen und Ambiente waren aber perfekt und so konnten wir hochzufrieden zum Fist Bump ansetzen. Über die Route könnte man rein aufgrund vom Verlauf zwar durchaus abseilen, die Stände sind aber weder verbunden noch mit Abseilringen ausgestattet. So wechselten wir ca. 100m hinüber zum Top von Königswasser, wo die steile Abseilpiste verläuft. Der Beginn ist mit einem Steinmann markiert, der Stand liegt ca. 5m weiter unten in der Wand, man kann/muss den Zugang mit einer Block-Sanduhr sichern! Dann geht's zügig in die Tiefe, in der steilen Wand positioniert sich das Seil stets selbst und so sind die 5 Manöver (25m, 35m, 40m, 50m, 50m) im Nu erledigt. Allerdings: das Material auf dieser Abseilpiste ist nicht mehr taufrisch, insbesondere neue Schlingen an den Standplätzen wären kein Luxus. Am Wandfuss war bereits der Schatten eingekehrt und auch der Tag neigte sich schon bald dem Ende entgegen. So stiegen wir zügig über die weglosen Hänge ab und erreichten bald hochzufrieden unser Automobil. 

Facts

Hinter Glatten - Let's Go 7b (6b+ obl.) - 6 SL, 230m - Pfenninger/Müller 1994 - ***;xxx

Material: 2x50m-Seile, 14 Express, Camalots 0.3-2

Sehr schöne Klausenroute mit athletischer Kletterei in meist prima Fels mit seinen ortstypischen Leisten, rauen Auflegern und flachen Henkeln. Wie üblich gibt es auch hier ein paar Meter von minderer Gesteinsqualität und ein Intermezzo über ein schrofiges Band, was aber nicht weiter stört. Die Route bietet anhaltende 6bc-Kletterei, gewürzt mit 2 schwierigeren Einzelstellen in L5. Die Absicherung ist an allen Stellen >=6c sehr gut ausgefallen (xxxx). Darunter auch meistens gut (xxx), stellenweise gilt es mit Cams zu ergänzen, vereinzelt muss auch einmal ein paar Meter in nichttrivialem Gelände 'marschiert' werden. Überwiegend handelt es sich um verzinkte Bolts, nur an den Ständen und im oberen Teil steckt teils rostfreie Ware. Sie sind aber 26 Jahre nach der Erstbegehung von aussen betrachtet noch in gutem Zustand. Hinweis: ein Rückzug über die Route sollte zwar gut möglich sein, zum Abseilen ist aber nichts eingerichtet, somit käme man nur mit Materialverlust runter. Ein Topo findet man im Extrem Ost oder im SAC-Kletterführer Glarnerland.

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