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Dienstag, 13. September 2022

Ailefroide / Paroi de la Draye - L'explosion des Calcanéums (6a+)

Weil es am Vortag so schön war, wollten wir gleich nochmals ein ähnliches Programm bestreiten. Am Vormittag eine kurze MSL am Schatten geniessen, danach weiter zum Sportklettern - für längere und alpinere Vorhaben war die Wetterlage nach wie vor nicht geeignet, da Tagesgangwetter mit abendlichen Schauern und Gewittern angesagt war. Somit war die bis nach dem Mittag schattige Paroi de la Draye wieder die erste Wahl, zumal es da noch sehr viele Touren zu klettern gibt. Mein Wunsch nach einer etwas schärferen Aufwärmtour fürs Sportklettern wurde von der Tochter ausgeschlagen. Gemütlich im 6ab-Bereich sollte es sein und somit entschieden wir uns für die beliebteste und begehrteste der Touren in diesem Bereich.

Die Paroi de la Draye bei Ailefroide mit dem Verlauf von L'explosion des Calcanéums (6a+).

Wir starteten erneut beim grossen Parkplatz auf der Wiese nach der Brücke, d.h. am Ausgang von Ailefroide. Am Vorabend war in dieser Gegend noch ein intensives Gewitter mit heftigem Regenfällen niedergegangen. Somit war das Gras feucht und die Wände auch nicht ganz einwandfrei trocken. Hätten wir auf eine schwierige Tour in Schattenlage gesetzt, so hätten mich wohl etwelche Zweifel beschlichen. Doch für diese gemütliche Route sollte es sicher passen - und genau das tat es dann auch. Um am effizientesten zum Einstieg zu kommen, geht man von der Parkplatzwiese am besten direkt zum Blockfeld und steigt darob auf dem etwas begrünten Konus auf Wegspuren die 50hm zum Startpunkt. Mit dem Foto aus dem 'Oisans Nouveau, Oisans Sauvage' ist dieser zweifelsfrei zu identifizieren. Wir aspirierten auf einen Fussabstieg, hatten also nur ein 1x50m-Seil dabei, steckten die feuchten Treter in den Seilsack, diesen auf den Rücken und waren kurz nach 9.45 Uhr startbereit. Im ganzen Sektor war (ziemlich aussergewöhnlich!) keine andere Seilschaft zugegen, ideal!

L1, 45m, 6a+: Über die mit Leisten gespickte Platte geht's zuerst gerade hinauf. Aber ACHTUNG, nach dem dritten Haken heisst es rechts abzubiegen, die Haken gerade hinauf gehören zur 'La lune et le papillon'. Kurz ist es etwas gemüsig, doch dann leitet eine kompakte Platte mit feinen Reibungsmoves zum Pfeiler rechts, der in schön griffigem Gelände wieder gerade hinauf erklommen wird. Im Finish wartet noch einmal eine etwas feine Stelle, die rechts durch die Botanik umgehbar wäre (sogar mit Extrabolt, damit der Ausflug nicht expo ist, diesen aber besser auslassen). Diese Länge ist etwas seilzugträchtig, mit verlängerbaren Exen kann man dem gut vorbeugen.

Hübsche, steilplattige Moves an der Pfeilerkante am Ende von L1 (6a+).

L2, 45m, 6a: Die Route führt im Bereich der Pfeilerkante weiter und bietet zuerst einen feinen, reibungslastigen Start. Dieser ist sehr eng, ja fast hallenmässig abgesichert. Nachher wird das Gelände etwas einfacher, bei genussreicher Turnerei legen dafür auch die Hakenabstände deutlich zu. Ein Abstand ist nahezu 10m, was im Angesicht der sonst plaisirmässigen Absicherung der Route etwas komisch und seltsam wirkt. Zum Ende steigt man in sich verflachendes Gelände aus, der (richtige!) Stand befindet sich erst ein Stück weiter hinten und rechts, nicht auf den ersten Blick offensichtlich.

L3, 40m, 4c: Überführungsstück an die obere Wand, welches wohl auch mit einem Waldspaziergang linksherum zu erledigen wäre. Die Route führt aber so gut wie möglich durch das felsige Gelände. Erst geht's diagonal nach rechts, dann gerade hinauf, zahlreiche Bohrhaken leiten den Weg.

Noch ein paar Faxen einbauen, so wird L3 vielleicht auch noch zur 4c+ :-)

L4, 40m, 6a: Zuerst führt die Route noch ziemlich unspektakulär über eine Art Vorbau mit einigen Aufschwüngen and die Headwall heran. Dort wartet dann ein echtes Highlight: nicht etwa über die Plattenrampe geht's hinauf zum Stand, sondern man klettert eine diagonal ziehende Verschneidung schon in der Steilwand - was aber vermutlich tatsächlich einfacher ist. Coole Moves an erstaunlichen Griffen, echt toll! Zu erwähnen ist auch hier: Seilzug vorbeugen mit langen Exen erhöht den Klettergenuss!

Madame entspannt in der Verschneidung von L4 (6a) - auf den ersten Blick eigenwillige Linie, aber genial!

L5, 30m, 6a: Dieser Abschnitt beginnt mit einem Startboulder und zieht dann einfacher nach rechts hinaus. Die gut sichtbaren Bohrhaken gerade hinauf gehören zur 'La où vit Merlin' und böten deutlich schwierigeres Gelände. Rechts drüben wartet dann eine super-henklige Steilwand, welche zu einer weiteren Terrasse führt, von welcher noch ein ziemlich athletischer Abschlussboulder folgt. Aufgrund der Situation wäre da ein Sturz wohl ziemlich ungünstig... eigentlich sind es alles gute Griffe und mit etwas Reserven komplett unproblematisch, aber wenn man bei 6a am Limit ist, könnte es nicht ganz unbedenklich sein - man muss ja nicht dem Routennamen Genüge tun und an dieser Stelle das Calcaneum (Fersenbein) explodieren lassen!

Im Ausstieg von L5 (6a) muss man sich nochmals festhalten, nicht ganz trivial die Stelle!

L6, 30m, 6a: Geniale Abschlusslänge, ein wahres Turnfest! Man traversiert nach rechts an die steile Verschneidung, wo scharfkantige Henkel, bombenfest verkeilte Blöcke und ein paar ideale Handjams zahlreiche Möglichkeiten zur Fortbewegung bieten. Am Ende der Verschneidung zieht die Linie an tollen (wenn auch teils etwas dumpf tönenden) Schuppen nach rechts hinaus, ein grosser Genuss!

Ein geniales Turnfest an unzähligen Henkeln wartet auf der letzten Länge (L6, 6a).

Um Schlag 12.00 Uhr hatten wir nach knapp 2:15h vergnüglicher Kletterei das Top erreicht. Hier brannte schon die Sonne und auch für Speis und Trank mussten wir uns zurück zum Ausgangspunkt bewegen. Somit also rasch die Schuhe geschnürt und auf deutlichen Wegspuren horizontal ca. 80m gequert (problemlos seilfrei möglich, die L7 von C2C ist ein Witz!), bis wir auf den Sentier zur Tête de la Draye trafen. Auf diesem liefen wir (wie damals) talwärts, nahmen dann allerdings (am Punkt, wo der Weg wieder ansteigt) die Kletterer-Abkürzung durch die Rinne hinunter (ca. T4, sehr gut begehbar, spart wohl 10-15 Minuten). Um 12.30 Uhr waren wir retour beim Parkplatz und kauften uns im Laden bald etwelche Erfrischungen zum Reloading, bevor wir auf den Rest der Familie trafen und zum Sportklettern gingen. Das konnte nach dieser kurzen Tour noch mit mehr oder weniger vollen Kräften passieren. Die angekündigten Gewitter trafen später tatsächlich ein. Im überhängenden Klettergebiet zwangen sie uns nur zu einer kurzen Pause, danach konnten wir das restliche Pulver verschiessen. Am Abend liess sich die Sache dann etwas gröber ein und zwang uns, das Nachtessen im Vorzelt zuzubereiten und zu verspeisen. Es war aber der einzige, regnerische Abend der ganzen Ferien :-)

Nachmittagsspass im Klettergarten mit allerlei Beschäftigungen.

Facts

Paroi de la Draye - L'explosion des Calcanéums 6a+ (6a obl.) - 6 SL, 230m - Cambon/Fiaschi 1993 - ***;xxxx
Material: 1x50m bzw. zum Abseilen 2x50m-Seil, 14 Express, Cams/Keile nicht nötig

Ein Klassiker auf der (Morgen-)Schattenseite des Ailefroide-Tals, eine der beliebtesten Touren im 6a-Bereich. Das kommt sicher davon, dass sie sehr homogene Schwierigkeiten hat, aber trotzdem viel Abwechslung bietet. Von leistengespickten Platten zu griffiger Wandkletterei bis zu henkligen Verschneidungen und Schuppen wird so mancher Kletterstil abgefragt. Gerade in den oberen Seillängen handelt es sich für die Gegend (und den Grad) um aussergewöhnlich steile Turnerei. Die Absicherung ist generell sehr gut, an den Schlüsselstellen meist sogar noch enger. Ein, zwei Ausreisser (im Text) erwähnt sind vorhanden, zumindest eine 5c+ oder besser eine 6a sollte man wohl schon einigermassen souverän beherrschen. Vom Top gibt es eine Abseilpiste (4 Manöver plus Gehstrecke dazwischen), der Fussabstieg ist bestimmt deutlich effizienter. Topos findet man (mit teils etwas unterschiedlichen Bewertungen, ich habe jene von C2C verwendet) z.B. im Oisans Nouveau, Oisans Sauvage, im Plaisir Sud oder im Topoguide, sehr nützlich ist auch die Beschreibung auf C2C.

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