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Montag, 7. August 2023

Sanetsch - Damned (7a)

Im Bericht zum Teil 1 unserer Sommerferien 2023 im Wallis hatte ich ja die MSL-Tour am Sanetsch bereits angetönt - ähnlich wie ich in früheren Berichten (1,2) über die Klettereien dort oben geschwärmt hatte und von meiner persönlichen Begeisterung und Bedeutung dieser Gegend für mich geschrieben hatte. Nun sollte es also für Hannah die MSL-Premiere geben, zusätzlich war als Abwechslung und Erholung vom Sportklettern ein chilliger MSL-Tag gefragt. Dafür ist das Gebiet mit seiner zwar langen Anfahrt, dem dafür aber kurzen Zustieg sehr geeignet. Noch dazu sollte die Novizin ja nicht irgendwo durchs Gemüse klettern, sondern die MSL-Vibes von luftigem Ambiente, einer schönen Berglandschaft und göttlichem Gestein der Note extrascharf gleich richtig vermittelt erhalten.

Sicht auf die Paroi de Dam am Sanetsch mit dem Verlauf der Route Damned (7a).

Unsere Wahl fiel schliesslich auf die Route Damned an der Paroi de Dam, einem Subsektor an welchem ich bisher noch nie geklettert war. Dieser befindet sich quasi direkt oberhalb vom Parkplatz und ist in 15 Minuten zügig erreicht. Die gut erkennbare, rot markierte Wegspur führt zuerst direkt hinauf zum Sektor Orphée, von dessen Einstiegen quert man dann horizontal und weglos nach Norden zum Einstieg, welcher mit Farbe angeschrieben ist. Eingerichtet wurden die Touren hier schon in der "Sturm und Drang"-Phase der 80er-Jahre. Vor rund 5-10 Jahren wurden die Routen dann mit zusätzlichen BH saniert, die Verläufe korrigiert bzw. die Touren neu zusammengestellt und anders benannt - mit meinem ersten Führer dieser Gegend (Schweiz Extrem Kalk von 1994) würde man sich überhaupt nicht mehr zurechtfinden. Um 12.15 Uhr startete ich in die Route - wir operierten als 4er-Seilschaft im 1-2-1-Modus.

L1, 40m, 6c: Der optische Eindruck vom Start ist noch nicht restlos überzeugend, es folgen tatsächlich erst ein paar Meter in durchzogenem Gelände. Bald aber bieten zwei erste Verschneidungen lässige und steile Turnerei, die noch gut von der Hand geht. Oben zieht's dann an, erst erfordert eine steile Wandpartie kräftige Züge, bevor der Ausstieg auf die verschneidungsähnliche Rampe gutes Positioning und Vertrauen in die Haftreibung verlangt - trotz prima Absicherung ziemlich obligatorisch, alles in allem ein perfektes Aufwärmprogramm.

Nach ein paar kräftigen Zügen in steilem Gelände ist der Exit auf die Rampe am Ende von L1 (6c) knifflig-cruxig.

L2, 30m, 5c: Grosse Traverse nach rechts mit einem etwas gesuchten Routenverlauf durch die schönsten Felspartien. Schon der Auftakt direkt über die Haken geklettert ist wohl eher im Bereich 6a+ als 5c, auch nachher ist es nicht immer restlos trivial (war uns aber natürlich recht so). Gerade in den Querungen ist die Absicherung sehr dicht und man läuft kaum Gefahr, sich zu verirren - möglich ist es aber, weil eine alte Variante hier gerade hinaufführt.

Auch ein sehr eindrückliches Erlebnis: mit dem Bartgeier auf Tuchfühlung. Mehrmals flog dieser Riesenvogel nur wenige Meter an uns vorbei 😲 Das Foto zeigt ihn etwas weiter weg und ist nicht so top, denn natürlich waren wir vorerst einmal mit Schauen beschäftigt.

L3, 35m, 7a: Hier geht's nun so richtig zur Sache, mit leicht überhängender Wandkletterei an super fetzig scharfem, orangefarbenem Tropflochfels. Nach einem kurzen Boulderauftakt findet man über weite Strecken stets gute Griffe, bis sich die Sache am Ende zuspitzt. In einer kniffligen Traverse nach rechts will die richtige Linie erkannt werden, ein paar Moves verlangen dann auch eine gewisse Entschlossenheit, sowohl im feinen Antreten wie im Bedienen von ein paar sloprigen Strukturen.

Kurze Kontemplation (und Fotogelegenheit), bevor es in L3 (7a) mit der Crux zur Sache geht.

L4, 35m, 6b+: Die Felsfarbe wechselt von orange zurück zu (vorwiegend) grau und ein bisschen gelb. Ebenso warten hier nicht mehr die extrascharfen Tropflöcher, sondern meist so richtig kernige Henkel. Einigermassen mithalten mit diesem absolut genialen Gestein mögen da vielleicht die Ausstiegslängen vom Elefantenohr an den Wendenstöcken oder der letzte Teil von Millenium oberhalb der Dächer. Und das will etwas heissen: wir vergleich hier gegen das Beste vom Allerbesten! Auf jeden Fall ein Riesengenuss, leicht überhängende Wandkletterei, die stets perfekt griffig ist.

Der absolut geniale, ja göttliche Fels in L4 (6b+) kommt auf dem Foto leider nicht zur Geltung.

L5, 25m, 6b: Ein absolut geniales Abschlussbouquet, der Fels ist auch hier von erlesener Güte! Die Kletterei hier nun auf der günstigen Seite der Senkrechten, sprich eher steilplattiger Charakter. Aber die Struktur des Gesteins, mit unerwarteten Taschen und Löchern, wirklich ein Wunderwerk der Natur!

Hier sieht man es schon eher - wasserzerfressener Kalk von höchster Güte bis zum Ausstieg (L5, 6b).

Um 15.45 Uhr und damit nach rund 3:30h der Kletterei (in 4er-Seilschaft) hatten wir das Top mit einer 75%-Erfolgsquote was den stilreinen Durchstieg anbetrifft erreicht - und nein, die MSL-Novizin war es nicht, die macht in einer 7a keine Kinkerlitzchen 😎. Vom Top wäre es gut möglich, zu Fuss durch das Couloir zwischen Paroi des Montons und Orphée abzusteigen, doch dafür müsste man die Schuhe mitnehmen. Das hatten wir nicht so gemacht, somit glitten wir am Seil in die Tiefe, was ebenfalls sehr zügig vonstatten geht: 1) ca. 20m direkt hinunter zu Stand einer Nachbartour, 2) volle 60m in überhängendem Gelände mit leichtem Pendeln zu Stand 2 und 3) nochmals volle 60m teils freihängend auf den Boden, wo man mit ein wenig Fussabstieg retour beim Einstieg ist. Bei diesen beiden letzten Strecken gibt es Zwischenstände die man nutzen kann, wenn man nur über kürzere Seile verfügt. Bald waren wir zurück an der Strasse und gondelten mit einer genialen Sanetsch-Route im Palmares zurück ins Tal. Il reste tant à faire la haut - on retounera!

Facts

Sanetsch / Paroi de Dam - Damned 7a (6b obl.) - 5 SL, 165m - C. & Y. Remy 1986/2017 - ****;xxxx
Material: 1x oder 2x50m-Seile (zum Abseilen 2x60m praktisch, 14 Express, Cams/Keile nicht nötig

Eher kurze, aber tolle MSL-Sportklettertour, welche in den oberen 3 Seillängen absolut geniales Gestein bietet, wie man es nicht vielerorts findet. Die ersten beiden Abschnitte sind dagegen von der Sorte "nettes Aufwärmprogramm". Die Absicherung ist seit dem Restyling der Route (zuletzt im 2017) prima auf Stufe xxxx, ein gewisser Anspruch an die vorsteigende Person ist aber dennoch vorhanden. Wie bei den Brüdern üblich steckt ein wilder Mix von altem Material, verzinkter Ware und sonstigen Basteleien. In dieser wenig korrosiven Umgebung passt das aber (aktuell und auf die nächsten Jahre hinaus) schon. Wem die 5 SL zu kurz sind, findet gleich nebenan weitere Möglichkeiten sowie am Wandfuss ein paar Baseclimbs. Die beste Übersicht über alle Möglichkeiten findet man im Führer der Gebrüder Remy.

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