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Donnerstag, 11. September 2025

Wendenstöcke - Troja (7a+)

Zum Ende der Sommerferien gab es nach 3 Jahren Absenz endlich wieder einmal Ausflug an die Wendenstöcke, der Initiative von Bernat sei Dank! Wie so oft hatten wir uns auch dieses Mal bei der Routenwahl aufgrund der vielen Möglichkeiten etwas schwer getan. Schliesslich fiel unsere Wahl auf die bisher selten begangene Troja am Excaliburpfeiler. Sie erhiesch grössten Respekt: erstbegangen durch Profi-Alpinist Roger Schäli und Wenden-Urgestein Michal Pitelka, im Topo mit 7a obligatorisch und expo angegeben und die wenigen Internet-Einträge berichteten von langen Runouts und teilweise zweifelhaftem Fels. Wir wollten es genauer herausfinden und siehe da: wir trafen auf affengeile, athletisch-steile Henkelkletterei an weitestgehend bestem Fels und dies erst noch bei einer prima Absicherung. Das Resultat: einer meiner bisher besten Klettertage an den Wendenstöcken!

Der stolze Excaliburpfeiler an den Wendenstöcken mit dem Verlauf von Troja.

Wegen einem gewissen Gewitterrisiko am Abend starteten den Zustieg schon um 6.05 Uhr und liefen den gewohnten Weg hinauf zum Einstieg am Excaliburpfeiler. Viel hat sich dabei gegenüber früher nicht geändert, einiges aber doch: kürzliche Starkregenfälle haben den Graben beim Parkplatz (und einen Teil von diesem selbst) mit Geröll und Geschiebe aufgefüllt und überflutet, weiter nimmt die Wegspur mal kurz einen anderen Verlauf wie früher. Das sind aber alles Details, wichtig ist nur eines: keinesfalls über die steilen Schrofen direkt zum Einstieg gehen, sondern im gestuft-felsigen Gelände in der Falllinie vom Elefantenohr aufsteigen, bis man horizontal über Bänder zum Einstieg bei zwei Sanduhren queren kann. Um 7.20 Uhr waren wir da und legten um ca. 7.40 Uhr mit der Kletterei los.

Morgenstimmung am Einstieg.

L1, 40m, 6b: Diese Länge hatte ich schon 3x zuvor geklettert (für Excalibur, Lancelot und Blaue Lagune). Mehr oder weniger auf los geht's los: ein erstes Überhängli, dann kurz nach links zu gleich mal recht fordernder Plattenkletterei. Während ich mich früher da jeweils mit grossem Respekt hochgezittert hatte, lief es dieses Mal sehr flüssig. Im zweiten Teil dann etwas einfacher bei grösseren Sicherungsabständen. Erst wieder leicht rechts, dann gerade hoch.

Plattige Kletterei zum warm werden in L1 (6b).

L2, 40m, 6b: Für die Troja ist es definitiv günstiger und logischer, hier die häufiger gekletterte, linke Variante zu wählen. Achtung, wie auch die erste Länge ist sie nur teilsaniert, d.h. teilweise stecken noch altertümliche Kronenbohrhaken. Daher nicht optimal für längere Sturzübungen, aber das ist auch nicht nötig. In feiner Kletterei geht's gut abgesichert nach links hinaus auf die Kante, dann jenseits von dieser hinauf. Das Ende ist dann sehr gesucht. Während es links erst via Wasserrillen und dann Schrofen zugänglich wäre, locken zwei Bolts in kompakte Wandabschnitte mit Löchern, welche nochmals 6b-Moves bieten. Achtung, die Kombi von Absicherung und Sturzgelände ist da ist nicht gerade optimal.

Die Querung nach links hinaus auf die Kante charaktersiert L2 (6b).

L3, 30m, Gehgelände: Linkshaltend über Schrofen zum eigentlichen Excaliburpfeiler zum gemeinsamen Einstieg von Zonda und Troja (mit verblasster blauer Farbe angeschrieben). Achtung, es gibt da keine Standhaken, man kann jedoch Cams platzieren. Der Start der beiden Routen (bzw. der erste BH) ist dann gemeinsam, Zonda zieht dann links weg.

L4, 50m, 6c+: Knallerplatte lautet das Programm hier, wie so üblich in der ersten Länge an diesem Pfeiler. In wunderbar gefinkeltem Fels schreitet man hier in die Höhe, wirklich sehr genussreich. Zudem auch recht homogen schwierig, eine klare Crux konnten wir nicht ausmachen. Während man zwischen den schön in gerader Linie steckenden Haken durchaus manchen Schritt tun und einige Schleifen klettern muss, so kann man ohne Zweifel sagen: gut abgesichert. Auch das BH-freie Ende der Seillänge löst sich prima auf. Am markanten Dachbogen lassen sich sichere Cams versorgen. Für die einfachste Linie steigt man dann nicht direkt über das Dach hinweg, sondern geht etwas tiefer rechts hinaus. Oben liegt dann nochmals ein guter Cam in einer Schuppe, so gelangt man ohne Angst und Knieschlottern zum Stand.

Die 50m lange Seillänge über die Knallerplatte von L4 (6c+) ist ein absolutes Highlight.
Die Gegenperspektive: der Fels in L4 (6c+) ist genial strukturiert und kletterfreundlich.

L5, 15m, 6c+: Kurz, hat es aber in sich! Also zuerst einmal: wie Spuren am Stand davor und danach, sowie der Hakentyp zeigen, wurde diese SL offenbar schon früher vor der eigentlichen Erschliessung von Troja geklettert und auf anderem Weg erreicht?!? Die kompakte Wandstufe will bei enger BH-Absicherung reibungslastig und mit ein paar Leisten und Löchlein erklettert werden, wobei es die richtige Sequenz zu ertüfteln gilt. Nach unserem Empfinden sind die Moves hier klar schwieriger wie in L1. Dieselbe Bewertung zu vergeben kann aber aufgrund der Gesamtanforderung/Länge aber schon Sinn machen.

L5 (6c+) ist zwar nur kurz, bietet aber knifflige technische Wandkletterei.

L6, 40m, 7a: Nach rechts zieht eine einfache Rampe, nach links wäre es womöglich auch zugänglich, aber nach Troja geht's schlicht und einfach gerade voraus. Jedenfalls ist das der Pfad, welchen die Hakenlinie vorgibt. Die einfachste Linie findet man hingegen etwas darum herum mäandrierend, aber das ist genau richtig so. Die Seillänge ist wohl anhaltend und braucht etwas Ausdauer, eine wirklich schwierige Stelle konnten wir jedoch nicht ausmachen. Für Wenden-Standards sicherlich eine gutmütige 7a, oder mit anderen Worten: da haben wir wohl die richtige Linie gefunden. Das soll aber nicht abwertend tönen: die Henkelkletterei im griffig-rauen Gestein ist einfach fabelhaft!

Der Blick voraus auf die steile, griffige und anhaltende L6 (7a).
Der Blick zurück zeigt die hammermässige Felsqualität.

L7, 30m, 7a+: Bernat meint zu mir aufgrund von Topo und Ferndiagnose "this one could be a bit more bouldery". Und damit trifft er den Nagel durchaus auf den Kopf. Insgesamt auch eine affengeile Länge, auch wenn die ersten Meter nicht durch Gestein der ersten Güteklasse führen (die mässig gut verankerte Schuppe rechts besser pfleglich behandeln!). Nachher ist's dann aber top: an guten Griffen über die Steilstufe, dann mit deutlicher Rechtsschleife zum dritten BH und einfacher hinauf an den zweiten Wulst mit der Crux. Kräftige Moves an Seitgriffen bieten da die Lösung, dies bei Top-Absicherung. Vor der Pause am Stand gilt es dann noch eine plattige Verschneidung zu meistern.

Die athletische Crux in L7 (7a+) hat Bernat geschafft, nun wartet noch die plattige Verschneidung.

L8, 35m, 7a+: Hier befindet man sich unterhalb vom grossen Dach, welches wenige Meter rechts von der Excalibur mit der charakteristisch-luftigen Passage über die Seitwand gemeistert wird; Troja geht hingegen direkt drüber. Die ersten Meter bis unter den Überhang gehen gut, auch wenn die Felsqualität da kurz nicht erste Sahne ist. Die nicht ganz horizontale Dachpassage im grossen Überhang trumpft dann wirklich mit 1a-Henkeln auf. Wer öfters mal in einer Boulderhalle rumturnt, wird da kaum Probleme haben. Am schwierigsten ist noch der Ausstieg ins wieder vertikalere Terrain am Schluss, aber auch das löst sich auf. Gefolgt wird dies von traumhafter Kletterei an guten Griffen in Top-Gestein: nie mega schwierig, nie banal, somit genial.

Am Dach in L8 (7a+) gibt's 1a-Henkel, da kann man nicht nur, sondern muss eine Pose werfen.
Das Ende der Seillänge (L8, 7a+) trumpft mit absolut göttlichem Gestein auf!

L9, 40m, 7a: Das ist jetzt eben die Expo-Pitch, wobei ganz so wild oder gefährlich dünkte es uns nicht. Der erste BH steckt nicht gerade eben nah und am Ende von einer reibungslastigen Rampe auch etwas wacklig zu klippen - geht aber schon. Als nächste Sicherung wartet dann leider nur eine mässig gute SU-Schlinge. Die Crimpy-Wandkletterei ist zwar gut kontrollierbar, nach meinem Gusto aber mehr oder weniger die Hauptschwierigkeit dieser Länge - auch da, ein paar Mal kräftig zuschrauben, dann geht es schon. Es kommen dann wieder BH, die Moves am nächsten Überhang sind richtig cool und gut gesichert, der Runout danach ist problemlos. Beim BH am nächsten Wulst stellen sich nochmals Fragezeichen: da scheint der Weg nach rechts auf die Rampe der Excalibur absolut logisch (einfachste Lösung) und man weiss nicht so recht, ob man nochmals steil ins Ungewisse klettern soll. Die Antwort ist aber ja: Troja geht tatsächlich dort hoch. Es kommen noch 2 SU (u.U. mit fixer Schlinge), das Terrain ist griffig und es löst sich gut auf. Zuletzt erreicht man dann die Kante, der Fels wird etwas lottrig und es geht nach rechts zu gemeinsamem Stand aller Routen in diesem Bereich.

Über diese Rampe ist der erste BH in L9 (7a) etwas weit anzuklettern.

L10, 30m, 6c: Dieses Teilstück gehört formell zur Excalibur, war aber trotzdem neu für mich. Es wurde erst bei der Sanierung im 2011 eingerichtet und war bei meiner damaligen Begehung im 2007 noch nicht existent. Die Länge führt nochmals in steiles Gelände - schon gutgriffig, aber irgendwie dann doch nicht ganz so easy und man muss ein wenig schauen, wie es aufgeht. Erst gut gesichert mit 2 BH, dann 2 SU-Schlingen (obwohl die zweite etwas rechts abseits ist, dürfte es besser sein daran vorbeizuklettern), bevor es an einem letzten BH vorbei auf die einfache, aber ungesicherte Abdachung geht. Achtung, da liegen viele lose Steine herum. Trotzdem ist diese neue Variante die viel bessere Lösung als die ursprüngliche 4c, wo man die vollen 30m ungesichert im Lottergelände zu klettern hatte.

Panorama am Top vom Excaliburpfeiler. What a place to be!

Etwas vor 14.00 Uhr waren wir nach rund 6:15h an Kletterei am Top, und dies mit einer beiderseits einwandfreien Onsight/Flash-Begehung, wow! Ich erinnere mich, bei den früheren Begehungen gerne im exklusiven Gipfelbuch gelesen zu haben. Doch dieses war nirgends mehr auffindbar, selbst der Steinmann am Top des Pfeilers (welcher nur wenige Meter an Prominenz aufweist) hatte das Zeitliche gesegnet. Letzterem konnten wir Abhilfe schaffen und weil der Himmel noch freundlich aussah, gab es keinen Grund zur Eile. Schliesslich warfen wir die Seile aus und glitten über die Excalibur in die Tiefe. Das geht recht effizient, einzig der Stand unter dem Dach ist nicht so einfach zu erreichen. Zurück am Wandfuss erhielten wir Besuch von der Steinbock-Gang und entschlossen uns, vor dem Abstieg noch einen Blick ins links oberhalb des Einstiegs gelegene Biwak zu werfen. Die Installationen sind zwar noch vorhanden, werden aber scheinbar nicht mehr gepflegt/genutzt und sind am Verfallen. Auch das sehr interessante Biwakbuch mit seinen lesenwerten Stories konnte ich nicht mehr auffinden. Prinzipiell wäre es langsam an der Zeit, hier einmal eine Aufräumaktion durchzuführen und die Überbleibsel ins Tal zu tragen. 

Man sieht's, die Steinbock-Gang hat ganz klare Erwartungen an uns.

Zügig, aber mit der nötigen Vorsicht stiegen wir über das steile Gelände zurück Richtung Wendenalp. Mehr oder weniger mit unserem Eintreffen dort fielen doch noch einige Tropfen vom Himmel, welcher sich erstaunlich zügig verdunkelt hatte. Dies sollte uns nicht weiter stören oder behelligen, doch es rief eindrücklich in Erinnerung, wie delikat die Kletterei an den Wendenstöcken bei Gewittergefahr sein kann. Die Lage kann sich deutlich schneller verändern, wie man in der Wand oder selbst im exponierten Teil des Zustiegs reagieren kann. Mich hat es zum Glück nie erwischt, bzw. ich hatte immer ausreichend defensiv geplant. So ging auch meine persönliche #43 am Massiv mit einem grossen Glücksgefühl zu Ende. Eine perfekte Begehung, gleichzeitig mit der 7a+ eine persönliche Onsight-Bestleistung an den Wenden und dies auf einer Route, wo ich lange Zeit Hemmungen hatte, überhaupt erst einen Versuch zu starten. Sicherlich einer der besten meiner sehr vielen guten Klettertage an den Wenden, und sportlich gesehen bis dato vermutlich sogar der wertvollste. Auf bald wieder, kann man da nur sagen!

Facts

Wendenstöcke - Troja 7a+ (6c obl.) - 10 SL, 350m - Schäli/Pitelka/Iff 2004 - ****;xxx/xxxx
Material: 2x50m-Seile, 12 Express, Cams 0.2-2

Eine absolute Top-Kletterei mit bestechender Linie am Excalibur-Pfeiler. Nach drei Seillängen mit eher steilplattiger Kletterei (L1, L2, L4) geht's bis zum Ausstieg mit gutgriffig-steiler, athletischer Kletterei weiter. Der Fels ist dabei bis auf zwei, drei kurze, einfachere und absolut problemlose Abschnitte von bester Qualität. Für mich ist es absolut unverständlich, warum Troja nicht viel populärer ist: aus meiner Optik ist sie in vielerlei Hinsicht mit einer Patent Ochsner vergleichbar. Die Bewertungen sind für Wenden-Massstäbe absolut fair und realistisch. Auch die Absicherung darf man gerne als gut bezeichnen: klar, wir reden hier von Wenden-Standards, es hat nicht alle 2m einen BH und die Strategie A0 ist höchstens von beschränktem Nutzen. Die Bolts sind aber fair gesetzt, es gibt keine krassen Runouts und auch keine schwierigen Stellen weitab der letzten Sicherung. Ich meine, 6c obl. ist ausreichend, Troja gehört nicht in die "7a obl."-Liga wie Transocean, Blaue Lagune, Das 11. Gebot, Batman oder Tsunami. Am anspruchsvollsten ist wohl effektiv L9 (7a), wobei das "expo" für uns nicht wirklich nachvollziehbar war (d.h. es drohen keine gefährlichen Stürze mit Auf-/Anprallgefahr). Hier und da, insgesamt aber doch eher nur punktuell sind Cams zu legen. Ein Set von 0.2-2 ist dementsprechend mitzuführen. Die Grösse 3 hatten wir dabei, fanden jedoch keine Einsatzmöglichkeit dafür. Ein präzises schematisches Topo habe ich bisher nirgends gefunden, daher habe ich selbst eines angefertigt (Download in voller Auflösung). Die besten und neusten Infos zum Gebiet findet man sonst im Extrem West, Band II.

Mein Topo zur Troja, hier geht's zum Download in voller Auflösung.

Montag, 1. September 2025

Pic de l'Aigle - Maëlstrom (7a)

Mit Larinas Teilnahme an der Jugend-WM und dem Trip nach Helsinki schrumpften unsere Sommerferien in den französischen Hautes-Alpes im 2025 auf ein Minimum zusammen. Mit nur 8 Klettertagen mussten wir uns auf "das Beste vom Guten" beschränken. Eine MSL im Massif des Cerces in der Nähe vom Col du Galibier gehörte da ganz eindeutig dazu, schliesslich galt es auch die schon über 7 Sommer fortgeführte Tradition zu bewahren. Nach zwei Limit-Sportklettertagen war das stabile Hochsommerwetter gegeben und der Wunsch nach etwas Erholung von den harten Moves präsent. So beschlossen wir, weder die längste noch die härteste Route anzugehen, welche für uns drin gelegen wäre. Trotzdem ist die hier beschriebene Maëlstrom kein "halbes Programm": toller Fels, eindrückliche Kletterei und ein super Ambiente charakterisieren diese Mega-Route.

Die fabelhafte Wand des Pic de l'Aigle mit dem Verlauf der Route Maelstrom.

Der von mir schon mehrfach beschriebene Vorteil der Wände um den Col du Galibier liegt darin, dass ein früher Aufbruch weder nötig noch vorteilhaft ist. Nach einem gesunden Schlaf und einem ausführlichen Zmorge machten wir uns in der zweiten Vormittagshälfte auf den Weg. Um 12.35 Uhr starteten wir schliesslich zu Fuss bei Les Mottets (2140m). Sprich, im Gegensatz zu unserer ersten Tour am Berg hatten wir noch die (schlimmer als) rätikonmässig holprige Piste von der Passstrasse bei Plan Lachat genutzt, um bis zur Barrieren-Absperrung zu fahren. Mehrheitlich den Kehren der Strasse folgend erreichten wir das Militärcamp bei Les Rochilles (2412m, 13.05 Uhr), wo allerhand Betrieb war (mehr dazu später). Nun gilt es noch, über ein Wiesen-Geröllgemisch, teilweise auf Wegspuren zum Einstieg zu gehen, welchen wir mit dem Fototopo problemlos anlaufen und identifizieren konnten (13.20 Uhr). Um 13.45 Uhr starteten wir mit der Kletterei.

Start zur Tour bei der Barriere von Les Mottets (2140m).

L1, 35m, 6a: An einem griffigen Riss geht's gleich steil in die Höhe, für die ausgegebene Bewertung doch gar nicht mal so einfach. Im oberen Teil dann einige Aufschwünge, bevor das Gelände abflacht und einfacher, ja am Ende gar etwas schrofig wird.

Schrofiger Ausstieg aus der sonst lässigen L1 (6a), hinten das Militärcamp Les Rochilles.

L2, 40m, 2a: Eine einfache Traverse, meist im Gehgelände, mit ein paar Kletterzügen im einfachen Fels. Es sind 4 BH vorhanden, grob gilt es sich Richtung 10 Uhr zu halten, sonderlich schwierig ist die Orientierung nicht.

Die zweite Länge ist noch als Zustieg zur eigentliche Kletterei am Pfeiler zu verbuchen.

L3, 35m, 6b: Hier geht's nun richtig los, wobei man auf den ersten Metern noch etwas Schonfrist erhält (gestufte Kletterei von noch nicht Top-Qualität). Letztere kommt aber: in steilplattigem Gelände gilt es entschlossen anzutreten, teilweise sind einige weite Moves an guten Griffen durchzuriegeln. Es ist anhaltend und recht komplex, eine taffe 6b! Hinweis: nach ca. 20m sieht man an einer Stelle den nächsten Haken nicht, dort geht es in Richtung 13 Uhr weiter (nicht den scheinbar einfacheren Weg nach links nehmen!)

Prima Plattenkletterei in tollem Fels mit eher vertikal ausgerichteten Strukturen (L3, 6b).

L4, 40m, 6b+: Nochmals eine anhaltende, plattige und fordernde Seillänge. Der Fels ist wohl rau, aber irgendwie doch schlabbrig-glatt mit wenig horizontaler Struktur, was mich sehr ans Schweizereck im Rätikon erinnert hat. Nach zwei Dritteln steigt man zu einem Break aus, die eindrücklich-plattige Traverse der Schlusswand löst sich dann gut auf, wenn man die richtige Beta findet.

Knallerplatte am Ende von L4 (6b+). Das hier im Bild löst sich gut auf, vorher ist es aber fordernd.

L5, 20m, 6c: Nun wird es deutlich steiler und der Charakter der Route wechselt zu steiler Tropflochkletterei. Schon bald einmal gilt es einen richtig harten Blockierer zu vollführen. Ich dachte mir erst "sowas kann nicht die 6c-Lösung sein", habe dann aber doch keine bessere Alternative gefunden. Nach etwas Dranbleiben werden die Griffe grösser und mit etwas links/rechts an der Kante gelangt man zum Stand.

Nicht so repräsentatives Bild vom einfacheren Ende der steilen Tropflochkletterei in L5 (6c).

L6, 35m, 7a: Bisher hatten sich alle Längen hart angefühlt, so machte ich mich für die Crux auf etwas gefasst. Ein kurzer, eher plattiger Auftakt führt zur Kante, wo man im leicht überhängenden Gelände an zwei diagonalen Tropfloch-Rails für Fortschritt sorgen muss. Da eng gebohrt, wäre A0 problemlos, doch der Onsight gelang mir überraschend easy. 1-2x kräftig aus einem Gaston riegeln, dann geht's ähnlich wie in der Länge zuvor mit links/rechts an der Kante deutlich griffiger und einfacher (6b) zum Stand.

Auch in der Cruxlänge flacht das Terrain am Ende ab und führt zu einem bequemen Stand (L6, 7a).

L7, 30m, 6c+: Zuletzt kommt noch ein richtiger Knaller mit Ausdauerkletterei in steilem Tropfloch-Gelände. Zwar geniesst die Länge im Internet nicht die beste Presse ("rocher ultra aggressif", "râpe à fromage", usw.). Doch ich klettere gerne in scharfem Fels und fand das einfach mega! Nach einem zupfigen Start geht's anhaltend und in luftiger Position zur Sache, gegessen und gepunktet ist es erst mit dem letzten Piaz-Überhängli, super!

Auch dieses Foto zeigt nicht das, was im Text steht. Erst die letzten Meter in L7 (6c+) sind geschenkt.

Dass uns dies (bzw. eine beidseitig einwandfreie Onsight- bzw. Flash-Begehung) gelang ist zwar nicht selbstverständlich, dürfte aber vermutlich auch nicht für allzu grosses Erstaunen oder Beifall sorgen. Muss es natürlich auch nicht, aber die ganze Wand ohne Sturz und Hänger zu beschreiten erhöht halt eben den Erlebniswert gleich nochmals deutlich - deshalb ist das immer das ultimative Ziel. Jedenfalls, um 18.15 Uhr waren wir am Top, somit hatten wir 4:30h gebraucht. Doch einen Grund zu pressieren gab es nicht, also genossen wir es ausgiebig und bis sich Larina jeweils an jedem Stand in bzw. aus ihren engen Comp-Kletterfinken geschält hat, vergehen durchaus Minuten... in dieser Hinsicht fruchten meine Appelle zur Verwendung von etwas grösser bemessenem Schuhwerk bei den nicht ganz so matchentscheidenden Tätigkeiten an Fels und Plastik leider gar nicht.

Fantastisches Panorama am Top - ils disent "bucolique".

Nach einer Pause bei schönster Abendstimmung und Top-Aussicht auf die rückseitigen Bergseen machten wir uns auf den Fussabstieg. Ein Abseilen macht hier überhaupt keinen Sinn: es wäre sehr umständlich und die Route ist nicht dafür eingerichtet, ein notfallmässiger Rückzug ginge aber schon. Zügig geht's im Bereich der Krete (Wegspuren vorhanden) abwärts zum Col des Rochilles und hinab zum Militärcamp. Und eben, dieses war mit dem Helikopter Squad der französischen Armee besetzt. Immer mal wieder war mit den eindrücklichen Riesenbrummern tagsüber eine Runde gedreht worden, für entsprechende Unterhaltung an den Standplätzen war also gesorgt. Nun: wie wir da zum Camp liefen, kamen Offiziere und Soldaten gleich dahergelaufen und empfingen uns wie Helden. Mit den Bergen und der Kletterei offenbar nicht vertraut, waren sie äusserst beeindruckt von unserer Kletterei durch die (vom Camp gesehen durchaus eindrückliche) Wand. Umso mehr, als sie sich gewahr wurden, dass da noch ein 15-jähriges Girl mit von der Partie war. Ein lustiger Austausch war es (parfois ça vaut la peine de bien parler français) und definitiv nicht der Zeitpunkt für ein Understatement, dass die Maelstrom für uns jetzt nicht "that big a deal" gewesen sei. Das wäre zwar durchaus korrekt, im Vordergrund steht aber sowieso das tolle Berg- und Klettererlebnis.

A+, wir kommen sicher wieder!

Facts

Pic de l'Aigle - Maëlstrom 7a (6b obl.) - 7 SL, 240m - Déglise/Laferrière/Millot 2011 - ****;xxxx
Material: 1x oder 2x50m-Seil, 12 Express, Cams/Keile nicht nötig

Eine eher kurze, aber doch eindrückliche Kletterei welche zwar nicht mitten durch die steile Westwand am Pic de l'Aigle führt, aber doch über einen Pfeiler auf einen kecken Turm im rechten Teil. Bis auf die Schrofenzone in L2 wartet qualitativ hochwertige Kletterei: zuerst ein Riss, dann fordernde Platten und in den letzten drei steilen Seillängen verschärfte Tropflochcrimperei. Für die Höchstnote von 5 Sternen reicht es insgesamt nicht ganz, aber ein sehr, sehr gut gibt es auf jeden Fall. Die Absicherung mit verzinkten BH ist prima ausgefallen. In den plattigen Abschnitten von L3 und L4 heisst es auch zwischen den Haken mal noch gescheit auf die Füsse zu stehen. In den steilen Tropflochlängen danach sind die Abstände dann deutlich kürzer und die Kletterei schien mir wenig obligatorisch. Gedruckte Literatur zum Pic de l'Aigle gibt es meines Wissens nicht, informativ ist C2C und das Topo der Erschliesser.

Hier geht's los!