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Mittwoch, 29. September 2021

Rätikon - Lilith (7c+)

Ja die Lilith, diese mit 5 Sternen hoch dekorierte Route am Schweizereck, hatte ich natürlich schon lange auf dem Radar. Aber wie so oft hat es sich auch hier gelohnt, auf den richtigen Moment zu warten, bis der Wunsch in Erfüllung ging. Stimmen muss nämlich nicht nur die Form für diese anhaltend schwierige, steile Kletterei, sondern es gilt auch, die äusseren Bedingungen perfekt zu erwischen. In der WSW-Wand kommt die Sonne nämlich erst nach dem Mittag zu Vorschein, zudem pfeift hier nahe am Übergang des Schweizertors oft ein lästiger Wind. An manchen Tagen hat man die Wahl, entweder zuerst an der Kälte zu schlottern oder dann in der Sonne geröstet zu werden. Beides zusammen zu vermeiden ist gar nicht so einfach, doch an einem windstillen, traumhaften Septembertag ist uns dies fast perfekt gelungen. Von den zahlreichen Routen (1,2,3,4,5,6) die ich am Schweizereck bisher klettern konnte, fand ich die Lilith die beste - das will etwas heissen!

Die Wand am Schweizereck mit dem Verlauf der Lilith (9 SL, 7c+)

Nach schon vielen Besuchen in den vergangenen Jahren, zuletzt kurz davor für die Beendigung des Lanciamira-Projekts (Blog folgt) gibt's über den Weg nicht mehr viel Neues zu erzählen. Ausser, dass der Alpweg von Schuders zum Grüscher Älpli neu mit einer Taxe von 10 CHF/Tag belegt ist, welche am Ortseingang von Schuders per Twint- oder Parkingpay-App bezahlt werden muss. Hoffen wir, dass der Obulus dazu genutzt wird, um mittels Unterhalt die Piste immer vernünftig befahrbar zu halten. Der Parkplatz unterhalb der Kletterhütte war an diesem Tag verwaist, somit gab es keine Sorgen, das Automobil zu platzieren. Um ca. 9.40 Uhr liefen wir guter Dinge los. Auf dem üblichen Weg ging's unter die Kirchlispitzen und über den Klettersteig in ca. 45 Minuten zum Einstieg. Dieser befindet sich ca. 5m links vom Punkt, wo der kleine Pfad vom Klettersteig wieder auf den Wanderweg trifft. Angeschrieben sind die Routen nicht (mehr), es starten an dieser Stelle gleich drei Touren unmittelbar nebeneinander (Intifada, Lilith, Blue Veins). Die Lilith in der Mitte weist am Einstieg einen Mammut-Longlife-BH als Erkennungsmerkmal auf. Um ca. 10.45 Uhr stiegen wir schliesslich ein, noch tief im Schatten des Berges. Die Sonne bestreicht den Einstieg erst ab ca. 12.00 Uhr, die mittleren Seillängen der Route sogar erst eine halbe bis eine ganze Stunde später.

Ein Vorgeschmack auf das was folgt soll nicht fehlen!

L1, 40m, 6c: Tja, über die allesamt nicht leichtverdaulichen Auftaktseillängen der Schweizereck-Routen hatte ich ja schon hin und wieder lamentiert... Auch wenn's im Topo der Lilith mit einer 6c nach einem im Vergleich zum Restprogramm gemächlichen Länge aussieht, so stimmt das nicht ganz mit unserer Realität überein. Schlabbrig-glatt und knapp strukturiert kommt auch hier der Fels daher, noch ohne das Mojo in der Tasche und bei kühlen Temperaturen steigt man hier nicht wirklich entspannt. Auch wenn diese Länge in jeder Hinsicht zugänglicher ist wie jene der Intifada gleich nebenan: zum hoch steckenden zweiten Haken klettert man de fakto ein Stück freesolo auf bereits beunruhigender Höhe; ein dafür nahe am dritten steckender vierter Haken lässt eine erste Crux vermuten und bietet diese stehtechnisch, inkl. einem heiklen Klipp und einem Grasbüschel-Mantle als Exit. Die plattige Querung danach ist herausfordernd und schwierig zugleich, der abschliessende Runout über eine Grasrampe zwar relativ einfach, aber stürzen sollte man da besser nicht.

Nein, nicht das beste Foto... aber solche Verrenkungen sind in L1 (6c) tatsächlich nötig, um für Fortschritt im unangenehm abschüssig-glatten Fels zu sorgen. Der Exit übers Gras und nicht mehr ganz so soliden Fels 6-8m über der letzten Sicherung sorgt dann auch noch für Anspannung.

L2, 35m, 7a+: Links geht's weiter (die goldenen Bolts rechts gehören zur Route Blue Veins). Man überlistet die ersten 2 Haken, nimmt die sauberen Tropflochleisten zum nächsten, klettert griffig und eng gesichert ein kleines Dach und gelangt so zur Cruxzone. Athletisch-crimpy geht's zur Sache, ein wenig passen die Tritte nicht zu den Griffen (oder umgekehrt) und nachdem ich eine entscheidende Leiste erfolgreich ausblende klappt's leider nicht im Onsight. Im nächsten Anlauf passt's dann, nun muss noch der Rest zum Stand sitzen. Der wartet noch mit einer sloprigen Stelle auf, welche einiges an Entschlossenheit verlangt, gemessen an den restlichen Abständen dieser Länge könnte man sagen "da fehlt ein Bolt". Zuletzt dann gut abgesichert und gemässigt schwierig zum Stand, wo mich beim Nachsichern die ersten Sonnenstrahlen treffen.

Aaaah, Sonne! Angie folgt im etwas gemütlicheren Finish von L2 (7a+), während ich die erste, wohlige Wärme geniesse. Es war davor zwar nicht sonderlich kalt, aber auf diesen Moment freut man sich trotzdem. 

L3, 30m, 6c+: Eine richtige Genusslänge, nach unserem Gusto der zugänglichste Abschnitt der Route, den wir mühelos durchsteigen konnten! Die griffige Tropflochkletterei ist hervorragend, absolut vergleichbar mit dem, was man in den Längen 2, 4, 5, 8 auch trifft, einfach ohne eine richtig giftige Stelle wie in jenen Sequenzen. Auch hier ist die Absicherung ein wenig inhomogen - erst sehr eng, da wo es am schwierigsten ist aber doch wieder etwas weiter. Passt aber, das muss man in dieser Route einfach bieten. Danke Jack für den im Zuge einer Sanierung etwas nach oben verschobenen Stand, der hier einen bequemen Aufenthalt ermöglicht!

L3 (6c+) bietet super schöne Kletterei, nach unserem Gusto die am leichtesten verdauliche Seillänge der ganzen Tour (definitiv angenehmer wie L1!). Wie man sieht bewegen wir uns hier um 13.00 Uhr immer noch hart an der Licht/Schatten-Grenze. Die mittleren Seillängen erhalten erst etwas später Sonne wie der Einstieg.

L4, 30m, 7a+: Rechtsherum zu einer ersten, schwierig zu lesenden Sequenz in etwas schräg geschichtetem Fels, der kurzfristig nicht ganz der Top-Qualitätsklasse zuzuordnen ist. Nachher verläuft die Route im Bereich einer schwach ausgeprägten Kante - ob links, zentral oder rechts möge jeder Aspirant für sich entscheiden, die Haken jedenfalls wären ziemlich weit links aussen. Die Crux folgt schliesslich im letzten Drittel mit einer Sequenz, wo man mutig auf abschüssigem Gelände antreten muss und nachher an Tropflöchern durchzuziehen hat. Der Bolt steckt da nicht sonderlich konsumentenfreundlich (etwas abseits, schwierig zu klippen, die härtesten Moves sind Kopfsache). Doch inzwischen war mein Flow da, ich konnte die unangenehme Situation ausblenden und den Fokus aufs Weitersteigen legen. Mit ein paar richtig coolen Tropflochmoves erreichte ich den etwas nach oben in die bequeme Nische verlegten Stand im Onsight, mein erster Vorstiegsblock war damit abgeschlossen.

Zwischendurch muss man schon ein wenig 'auspacken', hier in L4 (7a+), zudem auch die Felsstruktur klar erkennbar!

Mein erster Vorstiegs-Block war mit L4 (7a+) beendet, Zeit für eine kleine Pause. Ich meine, dass Schoggimuffin-Power deutlich besser über die anstregenden, oberen Längen hilft wie Carrot-Power - in diesem Sinne vielen herzlichen Dank fürs Backen Larina und Noemi, hat suuuper geschmeckt! 

L5, 30m, 7a+: Auf dieser Länge beschreibt die Route ein grosses 'S' und bietet hervorragende, ziemlich homogene Kletterei an Tropflöchern. Während sich auch hier eine Cruxsequenz identifizieren lässt, so empfanden wir dies als die 7a+ Länge mit den anhaltendsten Schwierigkeiten. Inzwischen gut aufgewärmt ging mir dieser Abschnitt ziemlich leicht von der Hand - wobei man im Nachstieg halt immer noch ein wenig frecher und kraftsparender klettern kann, selbst bei so guter Absicherung wie hier.

Nicht nur die Ästhetik passt, auch die Kletterei ist genial gut in L5 (7a+)!

L6, 20m, 7b: Hier hat die Kletterei einen anderen Charakter wie davor, so viel ist bereits vom Standplatz aus klar. Denn die initiale Balance-Traverse über die blau-grau versinterte Wand bietet eher wenig Struktur. Während für die Füsse ein paar vernünftige, aber (zu) weit auseinander liegende Tritte erkennbar sind, fehlen umso mehr die Möglichkeiten für die Hände, die es hier trotz leicht liegendem Charakter zwingend braucht. Am Abschmier-Limit ging's mir schliesslich grad auf, aber ob ich es bei einem nächstem Mal wiederholen könnte, ist unsicher... Nach dieser Stelle kann man sich kurz etwas sammeln, danach musste ich mich dann aber nochmals zünftig anstrengen, in einem seichten Winkel sehr kleine Griffe bedienen und mich geschickt reinstemmen, bevor der bequeme Stand erreicht wird.

Die heikle, sehr technische Querung am Anfang von L6 (7b).

L7, 20m, 7b+: Was für eine absolut geniale Seillänge, vielleicht die allerbeste einer erstklassigen Route! Gerade der Start könnte aber gerne nass sein, bei unserer Begehung hörte der Wasserstreifen jedoch 10m oberhalb auf und schickte nur vereinzelt einmal ein paar Tropfen herunter. Geklettert wird entlang von einer (mehr oder weniger) henkligen Fuge, die sich diagonal nach rechts oben zieht. Das Trittangebot ist nicht immer üppig, d.h. es ist so richtig athletisch und man wird je nach vorhandenen Körnern und Fitnessstand durchaus schon gut gegrillt. Die Klimax dann dort, wo man vom Ende der Fuge gerade hinauf muss - die Griffe sind "gut", es hat kleine, positive Leisten. Doch man muss hier schon echt aufs Gaspedal drücken! Leider, leider habe ich hier im Notstrom-Modus und leicht benebelt von all den Botenstoffen an der Blut-Hirn-Schranke die entscheidende, kleine Trittmöglichkeit nicht wahrgenommen, welche wohl den Unterschied zwischen Durchstieg und einem Absitzer ins Seil gemacht hätte. Diese Länge wurde ursprünglich als 7c gehandelt, aber 7b+ passt wohl tatsächlich besser.

Erst henklig, dann den Turbo zünden - L7 (7b+) ist eine absolut geniale Länge!

L8, 30m, 7a+: Zurück ans Ruder für meinen zweiten Vorstiegsblock hiess es hier - also erst mal den Pump von der Länge davor vergessen machen! Auch hier geht's auf einem etwas verschlungenen Pfad durch die attraktive und weiterhin steile Wand, welche sich aber gegenüber L7 doch massiv zurückgelegt hat. So löst sich auch alles, erst rechts, dann links und wieder rechts, vorerst einmal ziemlich gut auf. Das Problem ist mehr, dass die Haken etwas kreuz und quer seilzugträchtig stecken. Das wird in der Crux zum Faktor, denn auch da steckt der Haken alles andere als optimal und bietet das Potenzial für zwar nicht sehr weite, aber unangenehme Stürze bei der bouldrigen Stelle, wo es wieder einmal schwierig ist, den nötigen Druck von mässigen Griffen auf fast inexistente Tritte zu bringen. Das Finish bietet dann nochmals eine Linksecke mit echt coolem Rettungsgriff, toll!

Geniale Wandkletterei in L8 (7a+). Und wie das Foto schon erahnen lässt, stecken nach meinem Gusto hier nicht alle Haken ganz auf der logischen Linie... nicht böse gemeint, so geht's halt manchmal aus, wenn man von unten bohrt und der weitere Verlauf nicht glasklar gegeben ist.

L9, 30m, 7c+: Nun wartet noch das Schlussbouquet, wohl dem, der seinen Extrastrom noch bis dahin konservieren konnte. Wobei, so viel sei an dieser Stelle verraten: sollte dies nicht der Fall sein, so wird es mit dem schieren Hochkommen vermutlich doch noch klappen. Die Länge ist freundlich gebohrt und wenig obligatorisch. Unter dem Strich sind es nur ca. 3m, welche hier richtig Bauchweh machen, nämlich die Passage gleich unter bzw. ins Dach oberhalb vom Stand. Im nahezu strukturlosen, senkrechten Gelände heisst es sich zu positionieren, um den offensichtlichen Henkel zu schnappen. Doch wie macht man einen langen Move nach oben-hinten-aussen, wenn man schon die  Ausgangsposition an der Abschmiergrenze kaum halten kann und alles nach unten zieht?!? Mir hat sich das nicht erschlossen und während ich sonst den ganzen Rest klettern konnte, fand ich da keine Lösung - allzu lange gesucht habe ich dann aber eben auch nicht. Oberhalb vom Dach geht's erst technisch fordernd weiter, der Fels hat hier wieder die typische Schweizereck-Tendenz, glatt und abschüssig zu werden - passt aber schon. Bald einmal trifft man dann auf den grossen Quergang der Intifada, wo man noch die klettertechnische Crux jener Länge klettert (laut dem Topo von Thomas Behm, ich habe nicht viel davon bemerkt), einen längeren Hakenabstand in einfachem Gelände überwindet (Cam im Grössenbereich 0.3-0.5 evtl. nützlich) und mit einem Ausstiegsmantle das Routenende erreicht.

Schau genau... 'free the heel' lautet da Angies Motto am Ende von L9 (7c+) ;-) Die Wahl der Schuhwerks ist übrigens gar nicht mal so einfach. Enge, präzise Schuhe sind grundsätzlich sehr hilfreich an den Cruxen, aber die Belastung auf die Füsse ist während den vielen Stunden an schwieriger Kletterei dafür entsprechend hoch. Meine bequemen Treter machten diesbezüglich weniger Sorgen, dafür mehr Schwierigkeiten an den oft kleinen Strukturen anzutreten (d.h. ich hätte mir hier und da härtere Schuhe gewünscht). 

Um 17.50 Uhr und somit nach rund 7:00 Stunden Kletterei hatten wir diesen erreicht. Sicher keine Speedbegehung - nein, wir hatten es sehr genossen und waren ja gekommen, um möglichst jeden Meter der Route sauber zu klettern. Dieses Ziel hatten wir zwar wegen der bockharten, technischen Passage in L9 nicht ganz vollständig erreicht, es tat dem Vergnügen und der Zufriedenheit aber keinen grossen Abbruch. Das war nun eine echt geniale, fordernde und homogen schöne, anhaltende Kletterei gewesen. Noch dazu waren die äusseren Bedingungen perfekt gewesen. Beim Start im Schatten war es zwar frisch, aber nicht unangenehm kalt gewesen, später an der Sonne dann einfach perfekt angenehm warm. Traumtag, Traumkletterei, was will man mehr?!?

Eigentlich ist's ja nur Beigemüse nach dem Hauptgang, aber im Prinzip ist das Abseilen über solch extrem steile Wände ja schon unglaublich spektakulär. Auch hier gibt's die Emotion, dass die Seilenden 50-60m weiter unten ins Leere baumeln und man pendelnd dafür sorgen muss, wieder an die Wand zu kommen. Sehr cool, nicht nur für die Fotos!

Nachdem wir für ein paar Minuten auf dem bequemen Grasband gechillt hatten, warfen wir die Seile aus. Das Abseilen vollzieht sich sehr speditiv, selbst mit 2x50m reicht's gerade knapp in 4 Manövern (9 -> 7 -> 4 -> 2 -> Boden), auch wenn man jeweils unter Nutzung der Dehnung bis ganz ans Ende abfahren muss. Alternativ entweder längere Seile mitbringen oder mehr Manöver durchführen, es sind ja alle Standplätze zum Abseilen eingerichtet. Es sei auch erwähnt, dass man in der steilen Wand teils reichlich pendeln muss, um die nächste Kette zu erreichen. Wir packten unsere Siebensachen und liefen bei wunderschönem Alpenglühen zurück zum Parkplatz - an diesem Traumtag waren wir die einzige Seilschaft im ganzen Bereich des Grüscher Älpli gewesen, was die Erfahrung umso spezieller machte.

Alpenglühen an der Drusenfluh, wunderschön!

Facts

Rätikon/Schweizereck - Lilith 7c+ (7a obl.) - 9 SL, 250m - Tischhauser/Wieser 1996 - *****;xxxx

Material: 2x50m-Seile (2x60m komfortabel zum Abseilen), 12 Express, Cams/Keile nicht nötig

Grandiose MSL-Sportkletterei in meist bestem Tropflochfels, welche die proklamierten 5* absolut verdient, trotz dem Wermutstropfen, dass sie nicht die ganze Wand bezwingt, sondern mittendrin aufhört. Mit Ausnahme der noch nicht so attraktiven, plattigen ersten Seillänge verläuft die Route durchgehend im senkrechten bis leicht überhängenden Steilgelände und bietet technisch anspruchsvolle Wandkletterei. Die Schwierigkeiten sind sehr anhaltend im 6c+/7a-Bereich, gewürzt mit ein paar meist eher kurzen, schwierigeren Einzelstellen (mehrmals 7a+, 7b, 7b+) und einem kleinen "Schönheitsfehler" in der letzten Seillänge, eine 3m lange, nahezu grifflose, ultratechnische Passage im Bereich 7c+. Die Absicherung ist meist sportklettermässig sehr gut (xxxx), wobei dies für die erste Länge nicht zutrifft (xx-xxx) und man auch sonst hin und wieder etwas erratisch auf einen längeren Abstand mit xxx-Charakter trifft. Auch die Angabe von 7a obligatorisch trifft wohl zu, wobei dies nicht harakirimässig 3m über dem letzten Haken im unsicheren Stehgelände zu bieten ist, sondern eher so in der Art von 1m diagonal versetzt vom Haken weg an Tropflochcrimps, sprich vergleichsweise (psychisch) angenehm. Mit Cams/Keilen kann und muss man wenig anfangen, einzig in der Schlusslänge gibt's einen 8-10m langen Abstand, den man gut verkürzen könnte, aber das ist höchstens 6a-Kletterei. Topos findet man z.B. im Extrem Ost (Filidor), Rätikon Süd (Panico) oder Kletterführer Graubünden (SAC), alternativ hier auch das originale PDF. Zuletzt: zum Zeitpunkt unserer Begehung waren die Standplätze sowie die letzte Seillänge saniert (1:1-Ersatz der Haken, durch Jack mit Material von Eastbolt, vielen Dank!), der Rest folgt dann möglicherweise noch!?!

Mittwoch, 22. September 2021

Zervreilahorn - Holy Smoke (7a, 6 SL, Erstbegehung)

Die hier präsentierte Holy Smoke ist die mittlere Route von unserer Trilogie in der Zervreilahorn SE-Wand. Das Urteil, welche der drei Touren die schönste ist, überlassen wir gerne den Wiederholern. Uns haben alle gleichermassen begeistert und jede von ihnen trumpft mit ein paar unvergesslichen Stellen auf. In Sachen Anspruch ist das Bild ein wenig klarer, bzw. lässt sich dieser Aspekt wohl ein wenig objektiver beurteilen. Da sind wir der Meinung, dass die Holy Smoke etwas mehr fordert, wie Maverik und Nightcrawler. Nicht nur mit einer kniffligen Wandstelle in der ersten Länge, sondern mit einer anhaltenden, etwas kühnen Sequenz in Länge 4 und ein paar komplett cleanen, steilen Rissen im 6c-Bereich. Es gibt etwas zu entdecken im Zervreila, allez les amateurs! 

Da steht es, das Zervreilahorn - stolz und schön wie eh und je!

Erschliessung

Die Geschichte der Holy Smoke begann im September 2019 mit der Rotpunktbegehung der Maverik gleich nebenan, ja oder eigentlich noch früher. Beim Studium der Wandbilder für die Maverik waren wir uns dem Potenzial für mehrere Neutouren gewahr geworden, beim Klettern nebenan lockten uns die Risse und Verschneidungen linkerhand umso mehr auf eine Entdeckungstour. So starteten wir dann gleich nach dem Abschluss des Maverik-Projekts in die erste Seillänge und setzten noch die ersten vier Bohrhaken. Für mehr reichte die Zeit an diesem Tag nicht mehr, so dass wir das Projekt aufgrund vom nahenden Winter auf die folgende Saison verschieben mussten. 

Der Weg ans Zervreilahorn - jedes Mal mit viel Vorfreude und landschaftlich ein Hochgenuss!

Im Juli 2020 tauchte schliesslich die nächste Gelegenheit auf dem Radar auf. Da schon Schulferien waren allerdings nur unter der Nebenbedingung, dass Larina mit von der Partie sein würde. Sie fand es cool, Viktor auch, ich natürlich sowieso. Organisatorisch bedingt standen uns nur 1.5 Tage zur Verfügung - so entschieden wir, am ersten Tag schwer bepackt aufzusteigen und alles Material an den Wandfuss zu bringen. Um weiteren Einblick in die nach links offenen Verschneidungen zu erhalten, sprich Potenzial und Verlauf weiter zu festigen, kletterten wir an diesem Tag noch die einfachere Route Alphornklänge (6a+, Blog folgt). Natürlich wurde unsere Begeisterung nicht kleiner - nach einer nicht allzu langen Nacht standen wir um 8.00 Uhr am Einstieg, mit dem Ziel, die Holy Smoke am 13. Juli 2020 zu vollenden.

Einer der Ausblicke, die wir bei der Erkundung gewinnen konnten. Die Holy Smoke verläuft entlang der markanten Verschneidungen, welche das Bild von rechts unten nach links oben durchziehen. Naja, ohne besondere Beziehungen sind hier wohl einfach Felsen auf dem Bild... für uns erzählt aber jede Struktur eine Geschichte :-)

Nachdem wir auch hier, wie schon in der Maverik, über weite Strecken mit mobiler Sicherung klettern konnten, kamen wir zügig vorwärts. Auf den 6 Seillängen und 250 Klettermetern stecken gerade einmal 17 Zwischenhaken - bei gleicher Kletterlänge somit 1 weniger als in der Maverik und nur halb so viele wie  in der Braveheart (rein informative Angabe, ohne jede Wertung von besser oder schlechter!). Trotzdem, dem sei sich jeder versichert, wo nötig ist die Route gut mit Inox-BH eingerichtet, aber wo man zuverlässig mobil absichern kann, muss man zu 100% auf die Cams vertrauen, denn es stecken dort keine BH. Jedenfalls, um 17.30 Uhr abends erreichten wir an diesem Tag sehr zufrieden den Ausstieg. Und es war trotz zwei, drei kniffligen Aufgaben gelungen, die ganze Route freizuklettern. Halb Sechs abends tönt jetzt noch nicht so gravierend, aber mit einigen Nachbesserungen (Standplätze) beim Abseilen, der Reorganisation vom Material und dem schwer bepackten Abstieg wurde es schlussendlich doch spät - und ich mag mich noch gut erinnern, wie ich mich reichlich erschöpft die Naturstrasse zurück hinauf zur Kapelle kämpfte - mit meinem elend schweren Haulbag auf dem Rücken, dem Bike und der 10-jährigen Larina im Schlepptau.

Trio Infernale am Abend nach der Alphornklänge, in gespannter Erwartung auf den Folgetag.

Das ist die ideale Überleitung zur Wahl des Routennamens. Unglaublich, wie zäh und anspruchslos uns Larina an diesem Tag begleitet und unterstützt hatte, noch dazu hatte sie äusserst gewandt die schwierige Alpinroute mit für sie oft ungewohnten Moves geklettert. Ihr zu Ehren hatten wir erst an den Namen 'Iron Maiden' gedacht. Wir spannen die Assoziation zur Metal-Band zum etwas ketzerischen Songtitel 'Bring your Daughter to the Slaughter' weiter. Aber naja, eine Erstbegehung mit einer Metzelei zu vergleichen erschien uns dann doch zu schwülstig. So gelangten wir schliesslich zu Holy Smoke - ebenfalls ein Iron-Maiden-Song und passend auch vor allem, weil das Zervreilahorn auf dem Heimweg im Rückblick eine Wolke zeigte, die einer dem Gipfel entschwundenen Rauchfahne glich. Es schien, als müsste der Berg Dampf ablassen und uns mitteilen wollen: "Leute, was war das bloss für eine verrückte Aktion". Leider, leider, leider haben wir von diesem Anblick kein Foto gemacht, zu erklären ist das mit unserem zu dieser Zeit reichlich ermüdeten Zustand und dem Stalldrang bei einbrechender Dunkelheit aber sehr wohl. Aber offenbar müssen auch andere Berge hin und wieder ein wenig Dampf ablassen, und so will es der Zufall, dass Jacopo Larcher auf Instagram ein sehr ähnliches Bild vom Uli Biaho publiziert hat - noch dazu gleicht dessen Silhouette verblüffend ähnlich dem Horn im Valsertal!

Ziemlich genau so hat es damals ausgesehen - kein Witz!

Offen blieb noch das Rotpunkt-Business, das ja immer die Krönung eines MSL-Projekts darstellt. Mit den Sommerferien gingen einige Wochen ins Land, doch am 19. September 2020 konnten wir schliesslich angreifen, die Route mit leichtem Gepäck klettern und tatsächlich punkten. Nun, seit diesem Zeitpunkt ist bei der Publikation dieses Beitrag schon >1 Jahr verstrichen. Das liegt daran, dass wir uns an diesem Rotpunkt-Tag der Möglichkeit für ein weiteres Projekt links der Holy Smoke versichert hatten. In weiser Voraussicht hatten wir das Bohrzeug gleich mitgebracht. Bevor wir aber anpacken konnten, mussten wir erst mehr schlecht als recht einen Regenschauer am Wandfuss aussitzen. Sodann wurde aber bis zur Dunkelheit an diesem neuen Projekt gewerkelt. Mit einer weiteren Nachtaktion im 2021 fand auch jene Tour links der Holy Smoke ihren Abschluss. Den Erlebnissen gerecht ist der Name dieser Route Nightcrawler, Blog & Topo sind inzwischen auch erhältlich.

Abendstimmung am Horn, immer wieder fantastisch - und etwas Holy Smoke gibt's sogar auch, so ähnlich sah es direkt am Horn aus!


Zustieg

Per Auto oder öV auf kurvenreicher Strasse von Chur via Ilanz nach Vals und weiter nach Zervreila zum Parkplatz bei der Kapelle (P.1984). Nun der mit Fahrverbot für Motorfahrzeuge belegten Schotterstrasse entlang ca. 2.7km zum Beginn des Wanderwegs nach Furggelti, dabei vernichtet man rund 130 Höhenmeter. Es ist sehr empfehlenswert, für diesen Abschnitt ein Bike zu verwenden. Die Zeitersparnis auf dem Hinweg beträgt ca. 30 Minuten, auf dem Rückweg ca. 15-20 Minuten. Dann zu Fuss dem Wanderweg entlang bis zu dieser Stelle auf ca. 2240m (Steinhaufen, Eisenstange mit weiss-rot-weisser Markierung), wo man diesen nach rechts verlässt.

Auch der Zustieg ist schon ein Erlebnis - check out the Munggeltier!

Die Pfadspur zum Zervreilahorn ist ganz am Anfang nicht sehr ausgeprägt, wird aber bald deutlicher. Sie verläuft später am Fuss des markanten, diagonal verlaufenden Felsbands - im Zweifel einfach in diese Richtung gehen. Man erreicht schliesslich den flachen Boden (Biwakplatz) auf ca. 2420m und wenig später übers Geröllfeld den Fuss der Wand. Von dort auf Pfadspur links aufwärts und über den Graskegel zur Kraxelstelle, die aufs grasige Einstiegsband leitet. Auf diesem noch ca. 200m nach links, man passiert dabei die Einstiege von Medea, Nanouk und Braveheart. Ca. 25m links der letzteren befinden sich die angeschriebenen, unmittelbar beieinander liegenden Einstiege von Holy Smoke (links) und Maverik (rechts) auf ca. 2550m, ein kurzes Fixseil erleichtert die letzten Meter. Alternativ und einen Tick schneller kann man auch unterhalb der Wand gut begehbar übers Geröllfeld queren und erst hinten über die Stufe direkt zum Einstieg der Braveheart hinauf (Fixseil vorhanden). Unser totaler Zeitbedarf von der Kapelle bis zum Start der Route belief sich am Tag der Rotpunktbegehung (mit Bike, zügiges Gehen, inkl. der Bohrausrüstung im Gepäck) auf 1:15 Stunden. In der Literatur steht 2:30h, man kalkuliere also selbst.

Routenbeschreibung

Zervreilahorn - Holy Smoke 7a (6c obl.) - 6 SL, 250m - Marcel & Larina Dettling, Viktor Wegmayr 2020

L1, 40m, 7a: Los geht's wie bereits erwähnt wenige Meter links der Maverik, eine unschwierige Verschneidung führt auf ein Band hoch. Hier geht's los mit cooler Wandkletterei an schönen Schuppen, gefolgt von einer Rissspur, mit welcher man die Rampe rechts entert. Auf Reibung und an abschüssigen Strukturen nähert man sich der Crux. Kurz aber heftig heisst es hier sauber antreten und an einem dünnen Riss dafür zu sorgen, dass die Tür nicht aufgeht. Wir sagen 7a, es wurde aber auch schon 7b vorgeschlagen.... Wie auch immer, falls nötig wäre klettertechnischen Sorgen mit 6b 1pa Abhilfe zu schaffen. In der Folge zeigt sich die Wand wieder strukturierter und gängiger. Es verbleibt die abschliessende Dachzone, welche athletisch-griffig und mobil gesichert überwunden wird.

Viktor unterwegs beim Punkten, kurz vor der Crux in L1 (7a).

Rückblick auf L1 (7a), die Crux eben gemeistert - am Tag der RP-Begehung hatten wir die beiden Cruxlängen jeweils beide vorgestiegen und entsprechend jeweils nochmals im Nachstieg geklettert. Die einfacheren bzw. cleanen Seillängen hatten wir schon bei der Erstbegehung im Onsight machen können, da stieg jeweils derjenige vor, der die Länge noch nicht vorgestiegen hatte. 

L2, 35m, 6b+: Zuerst hinauf durch die Verschneidung/Rinne - vorerst mal "nette Kletterei", gut mobil zu sichern. Die attraktiv-logische Kletterlinie wechselt dann aber an den Riss/Schuppe rechts. Da zwischendurch unterbrochen, sieht diese ziemlich herausfordernd aus, es löst sich aber dann doch alles in Minne auf - der nötige BH markiert den Weg und sichert die wandartig zu kletternde Crux. Wenig später trumpft die Schuppe dann aber mit herrlichen Griffen auf und nimmt die Cams à Discretion, so dass es elegant und sehr genussvoll an den Stand geht.

Viktor folgt an der griffigen, mobil zu sichernden Schuppe im oberen Teil von L2 (6b+).

L3, 30m, 6c: Steile, herausfordernde und komplett cleane Länge! Fragezeichen zum Weiterweg gibt's da keine. Durch die scharf geschnittene Verschneidung geht's hinauf, der saubere Splitter im Grund bietet die Möglichkeit zur Absicherung - Risshandschuhe sind hier übrigens durchaus komfortabel. Kulminieren tut dieser Abschnitt mit seinem dachartigen Ende. Mit dem nötigen 3d-Vorstellungsvermögen und den durchaus vorhandenen Griffen löst sich dieser Abschnitt aber prima auf und bringt die Möglichkeit zum Durchschnaufen auf einem Podest mit etwas Grünzeug, bevor man schön aber etwas gemütlicher als unten der nun nach rechts offenen Verschneidung entlang zum bequemen Stand klettert.

Ausblick auf die steile, mit kleinen Dächern gespickte, cleane Verschneidung von L3 (6c).

Viktor chillt auf dem Podest nach der steilen Verschneidung in L3 (6c), Larina hat einen ihrer geliebten No-Hand-Rests gefunden.

L4, 50m, 7a: Eine laaaange und aufregende Reise mit viel Abwechslung. Doch aufgrund der Gegebenheiten ergab sich hier keine sinnvolle Alternative zu dieser Monsterpitch. Gleich schon steil und natürlich clean geht's der nun wieder nach links offenen Verschneidung entlang - ein erster Höhepunkt besteht in der Überwindung eines kleinen Dachs, welches ein paar knifflige Moves verlangt. Wir befanden, dass an dieser Stelle ein mittlerer-grosser Keil die perfekt sitzende, BH-äquivalente Sicherung darstellt. Nachdem es nochmals in der 'dihedral' vorangeht, erreicht man schliesslich die "Changing Corners"-Stelle, wo sich die Verschneidung kurz verliert, bzw. von links zu rechts offen wechselt. Mit BH-Sicherung klettert man hier rechts an Leisten in der orangen Wand, geil! Nochmalige Rissmeter bringen einen an den Punkt, wo man nach rechts zu einer sekundären Rippe traversiert. Knifflig ist schon der Quergang, aber die Rippe ist dann erst recht vertrackt - gebohrt zwar, aber recht zwingend und aufgrund der Art der Kletterei durchaus etwas Kopfsache - "Holy Smoke!" eben, fantastisch! Zur Belohnung erreicht man dafür bald einen bequemen Stand.

Cooler Auftakt in der cleanen Verschneidung in L4 (7a), es wartet aber noch viel Programm!

L5, 50m, 6b: Vom Stand weg dem logischen Weg folgend gerade, über ein paar Stufen hoch - hier gibt's für einmal nicht sehr üppig Placements, aber der tiefen Schwierigkeit entsprechend doch genügend. Bald einmal zieht's wieder an, mit BH-Absicherung geht's leicht rechtshaltend hinauf in griffiger Wandkletterei in den grossen Spiegel. Was von Weitem bzw. auf den Wandfotos sehr unnahbar ausgesehen hatte, offeriert aber ausreichend Strukturen für richtig genussvolles Steigen - mit der Klimax an einer prima Rissspur. "Reachy" schreibt der gute Viktor auf seinem Topo, nachvollziehbar diese Bemerkung auch aus meiner Sicht - Larina hat aber mit ihren 1.45m bewiesen, dass es auch ohne den Go-Go-Gadget-o-Arm geht. Bald einmal nach dieser Stelle steigt man rechts auf die Rampe aus und geht über diese noch ein paar Meter weiter zu Stand.

Ausblick auf L5 (6b) bei der Erstbegehung...

...hier der Rückblick, Larina hat eben den berüchtigten Reachy Crack in L5 (6b) erledigt.

L6, 45m, 6b+: Diese markante, kleine und steile Verschneidung war uns bereits aus der Ferne und auf den Fotos aufgefallen, so dass sie imperativ in unser Projekt integriert werden musste (es ist aber auch der logische Verlauf). Zuerst geht's noch einfach und rampenartig empor, der Riss im Grund ist breit, so dass zuerst nur der 4er-Cam passt. Nach unserem Empfinden kann man aber gut auf dieses sonst nicht benötigte Stück am Gurt verzichten. Ein, zwei unschwierige Moves, dann passt auch der 3er, in der Folge verengt sich der Riss dann sowieso. Und es ist wirklich Straight-in-Jamming à la Yosemite angesagt bzw. dies bietet die einfachste Lösung - mit Risshandschuhen sicher viel komfortabler wie ohne! In Absenz der geeigneten Technik und der Jammies mag das viel schwieriger scheinen, wir haben auch schon den Vorschlag 7a/+ gehört. Wie dem auch sei, bzw. was immer man für lokale Verhältnisse als korrekte Bewertung empfindet, eins ist sicher: im Valley wäre es keine 5.11+.  Man steigt schliesslich auf ein Podest aus, es folgt ein BH und noch ein paar Stufen, über welche man der Nase nach den Stand am Ausstieg erreicht (Wandbuch).

Die markante Verschneidung im Bildzentrum ist das Herzstück von L6 (6b+). Sieht hier auf dem Foto klein und niedlich aus, ist aber beim Klettern dann deutlich länger, wie es hier den Anschein macht. Leider haben wir es verpasst, ein richtig gutes Action-Bild zu machen.

Abseilen

Man kann direkt über die Route abseilen, mit 2x50m-Seilen ist jeder Stand zu nutzen (6 Manöver), mit 2x60m gelangt man direkt von Stand 3 nach Stand 1 (d.h. 5 Manöver). Falls andere Seilschaften in der Route oder im Sektor sind, ist es sicher keine schlechte Idee, die Abseilpiste zu nutzen. Dazu steigt man auf dem Gipfelplateau ca. 50m ab. Der Beginn der Piste ist von oben kommend auch ohne Ortskenntnisse gut zu finden (Steinmann, Gipfelbuch, man kann an dieser Stelle auch nicht mehr viel weiter absteigen). Mit 2x50m sind auf der Piste 5 Abseiler nötig und man ist mit einer kurzen Querung rasch wieder zurück am Einstieg und allenfalls dort deponiertem Material.

Unser eigenes Wandbuch befindet sich direkt beim letzten Stand - nicht zu verfehlen!

Material

Unverzichtbar ist 1 Set Cams 0.2-3, dazu 1 weiteres Set 0.3-1. Optional, d.h. einsetzbar aber nicht zwingend, auch den 2er-Cam doppelt sowie die Grösse 4 mitnehmen. Dazu ein mittlerer-grosser Keil für die im Text erwähnte Stelle in L4. Im Topo haben wir angegeben, welche Grössen in welchem Abschnitt der Route bevorzugt zum Einsatz kommen. Wie immer sind solche Angaben natürlich ohne letzte Gewähr (à la "da steht 0.3-0.5, ich habe aber ein super Placement für einen 1er gefunden"), sondern mehr zur groben Planung und zur Vermeidung von bösen Überraschungen gedacht. Seile sind wie erwähnt 2x50m nötig. Mit 10 Exen (wovon mind. 4 verlängerbare Alpine Draws) sollte man gut durchkommen, wenn man dort wo durch geraden Seilverlauf möglich/sinnvoll die Cams direkt und ohne Exe klippt. Risshandschuhe sind für L3 und L4 bequem, L6 würden wohl nur extreme Puristen lieber ohne klettern. 

Topo

Hier gibt's rein visuell Wandbild (vom Autor) und Topo (von Viktor), man kann auch beides zusammen in voller Auflösung als PDF herunterladen. Mit dem Blog vom Nightcrawler wird dann auch noch eine Gesamtdokumentation von allen drei Routen in diesem Sektor folgen. Zuletzt der Hinweis: die Route ist nur dort, wo es nicht anders geht mit BH gesichert, sonst müssen zwingend Cams gelegt werden, auch an schwierigen Kletterstellen. Kenntnisse und Erfahrung im Umgang mit mobiler Absicherung sind unerlässlich, ebenso wie die nötige Erfahrung fürs Klettern in alpinem Gelände.

Topo der Holy Smoke am Zervreilahorn von Viktor - vielen Dank!

Wandbild der SE-Wand am Zervreilahorn mit dem Verlauf von Holy Smoke.

Samstag, 18. September 2021

Zürcher Klettermeisterschaft 2/2021 - Lead im 6aplus

Als ich zum Ende der Sommerferien von einem Kollegen gefragt wurde, was denn meine Ziele für das verbleibende Bergjahr seien, war ich wie immer um eine Antwort verlegen. Denn eigentlich ist das Ziel ja einfach, tolle Erlebnisse beim Klettern zu haben, bei was auch immer sich ergibt. Schliesslich konnte ich dann aber etwas konkreter noch die RP-Erstbegehung der Lanciamira nennen, die inzwischen tatsächlich geglückt ist :-) Deutlich weniger ernst nannte ich noch die Titelverteidigung in der Fun-Kategorie der Zürcher Klettermeisterschaft im 6aplus. Denn als Coach und Helfer war mein Einsatz an diesem Event bereits gebucht, bei der letzten Durchführung vor 2 Jahren ging ich als Kategoriensieger nach Hause und so brannte ich auch dieses Mal dafür, das Maximum herauszuholen.

*Hinweis: alles Fotos in diesem Beitrag sind von Peter Huser / Kletterhalle Winterthur - vielen Dank!

Alles geben, 100% Fokus und Entschlossenheit - das Bild könnte es nicht besser zeigen!

Das war gar nicht einmal so einfach. Erst amtete ich als Judge für die Quali der Elite-Kategorien, besichtigte mit Larina ihre Routen und sorgte dafür, dass sie so gut wie möglich für ihre Einsätze parat war. Das hiess konkret, ab 8.15 Uhr morgens eigentlich keine freie Minute mehr zu haben, bis ich mich ab 14.00 Uhr doch noch um die eigene Kletterei sorgen konnte. Es hiess, in den verbleibenden knapp 2 Stunden die 10 Quali-Routen mit Schwierigkeiten von 5b-7c+ zu absolvieren. Ein dicht gedrängtes Programm und ohne zu rushen ging dies nicht. Klar, die ersten drei, vier einfacheren Touren gingen zum Aufwärmen her und in Minutenschnelle weg, aber oben raus hatten die Schrauber doch auch noch einige pumpige Herausforderungen für uns kreiert, konkret 2x7a, 1x 7a+, 1x 7b und 1x 7c+. Doch ich war auf der Höhe der Sache und konnte alle Qualirouten toppen, insbesondere der Onsight in der schwarzen, technisch-kniffligen 7c+ mit den vielen Volumen war einfach megacool. So hatte ich als Qualisieger für das Finale schon einmal den Countback-Bonus auf meiner Seite. 

Kathrin ist eben in ihre Finalroute mit den violetten Donuts gestartet.

Tja, die Geschichte vom Finale ist dann schnell erzählt. Es galt, eine pumpig-athletische 7c, eine richtig typische Wettkampfroute zu meistern. Die Frische war nach dem happigen Qualiprogramm nicht ganz erstaunlicherweise schon vor dem Start in den Höhepunkt aus meinen Adern entschwunden, aber dass ich schon auf zweidrittel Höhe bei einem harten Untergriffzug abgeworfen wurde, war für mein persönliches Gusto trotzdem enttäuschend. Zwar war diese Vorstellung gut genug, um den Wettkampf trotzdem auf Platz 1 zu beenden - aber wie sagt man doch so schön: "gut genug ist weder das eine noch das andere". Jedenfalls, den Flow, den harten Fight gegen den Pump und die Top-Performance wenn es zählt hatte ich hier gar nicht gefunden - und genau diese Emotionen sind der Grund teilzunehmen, nicht etwa Ruhm & Ehre beim Gang aufs Podest.

Body Tensiooooon - oder mit anderen Worten, so geht Reichweite!

Nun ja, ich will, soll, darf jetzt nicht zu fest lamentieren. Aber es war wieder einmal eine Lektion gewesen. Klar, der Move von diesem seichten Untergriff mit extrem hohen Tritten war für meine Körperlänge ungünstig und hart. Natürlich war es a priori vernünftig, auf die offensichtliche Standard-Beta zu setzen... aber hätte ich nicht doch schon im Vornhinein spüren können, dass der Move so für mich nicht durchführbar ist?!? Ja, dieser Instinkt ist im Wettkampfgenre (wie auch beim harten Onsighten am Fels!) unabdingbar, denn in Routen am persönlichen Limit bleibt keine Zeit zum hin-und-her Probieren oder Studieren, sondern der Entscheid muss sofort fallen und passen. Unter höchstem Druck und Pump im Hier und Jetzt perfekt zu klettern und die optimale Beta zu finden ist der Ansporn - welch eine Challenge, aber was für eine interessante Betätigung - just loving it!

Podest Damen & Herren Fun

Während Jerome beim Skispringen war, performten meine beiden Damen sehr gut! Kathrin konnte bis auf die schwierigsten beiden sämtliche Qualirouten toppen. Auch ihre Begehung im Finale war tipptopp, Rang 3 schliesslich das Resultat - bravo und herzliche Gratulation! Auf Larina wartete noch härtere Konkurrenz als im Griffig, war doch die nationale Elite breit(er) am Start. Aber sie hat in den letzten Monaten solche enormen Fortschritte gemacht, dass sie mit solchen Challenges umgehen kann. Von den 3 Qualirouten gelangen 2 perfekt und eine immer noch sehr gut, so dass sie vom dritten Rang ins Finale gehen konnte. Voller Feuer und Energie stieg sie da ein, am Ende der Kräfte dann kühn weiter, genau so wie man es an einem Wettkampf machen muss. Was dann folgte, war dann aber nicht wie aus dem Lehrbuch - viel zu hart gesichert gab's einen heftigen Anprall auf die Wand, was mit Tränen, Schürfungen und Prellungen endete :-/ Naja, zum Glück nichts Schlimmeres passiert... Mir ist schon klar, wie schwierig es ist, genügend Sicherungspersonal für einen Wettkampf zu rekrutieren. Und leichte Kids gut zu sichern ist ein Task, für den es viel Erfahrung, Gefühl und Verstand bedarf. Aber ich finde, an einem Wettkampf muss man dies erwarten dürfen, da müssen die Athletinnen einfach ohne jeden Hintergedanken voll angreifen können und aus jeder Lage sanft abgefangen werden.

Podest U14 Boys & Girls.

Der harte Sturz war ein Wermutstropfen, die Tränen und Schmerzen konnten aber mit dem Gang aufs Podest vergessen gemacht werden. Der dritte Platz war es schliesslich in der Endabrechnung, für ganz nach vorne hätte es nicht viel mehr gebraucht - ein super Erfolg und hervorragend gekämpft, Larina! Um den erlebnisreichen Tag noch abzurunden, gab es nachher noch gemütliches Beisammensein zum Znacht, Spiel und Spass in der inzwischen (fast) leeren Halle. So wurde es schliesslich 22.30 Uhr, bis wir sie wieder verliessen und schon fast eine Nightsession, bis ich den schweren Sack für das dieses Jahr zur Tradition werdende After-ZKM-Bohrabenteuer packen konnte - notabene mit einem "Gegner" vom Wettkampf. Vielen herzlichen Dank ans Regionalzentrum Zürich fürs Organisieren des Wettkampfs, dem Team vom 6aplus um Damaris und Simon für die genialen Routen, das feine Essen, die schönen Preise und das ganze Drumherum und natürlich allen die dabei waren für die Kameradschaft und die guten Klettervibes - es hat einfach gfägt, was für ein toller Tag.

Dienstag, 14. September 2021

Sanetsch - Axis (7a)

Auf dem Sanetsch war ich das erste Mal vor fast 30 Jahren, noch ganz am Anfang meines Kletterdaseins. Sehr eindrücklich fand ich die Routen dort oben und wunderbar das Leben an diesem abgeschiedenen Ort. Im Lauf der Jahre kehrte ich dann das eine oder andere Mal zurück. Nur relativ selten eben, liegt der Pass halt eben weit abseits, egal woher man kommt und sich gerade befindet. So hatte ich auch noch nie eine "richtig schwierige" Route geklettert, nur gerade für die die steilste Wandpartie flankierenden 'Douce Violence' und 'Ivan' hatte es gereicht. Somit war das eine Lücke, die schon lange einmal gefüllt werden wollte. Dass es nun dazu kam, ist in erster Linie der Verdienst von Tobias und der Tatsache, dass die Axis (7 SL, 7a) im Sammelband Moderne Zeiten gelistet ist. Er als Sammler wollte da unbedingt hin, ich als Aficionado von steilem, bestem Fels liess mich noch so gerne überzeugen. Und ich kann sagen, es hat sich mehr als gelohnt! Fünf Sterne, keinen weniger verdient die Axis, die mit bester Felsqualität und so richtig geiler Kletterei vom ersten bis zum letzten Meter überzeugt.

Die Paroi des Montons am Sanetsch mit dem Verlauf des Remy-Klassikers 'Axis' (7a, 1984).

Nun ja, die nicht eben kurze Anreise zum Sanetsch war ja schon im vorigen Abschnitt erwähnt. Um die Fahrerei noch ein wenig zu limitieren, setzten wir auf den Zugang von Norden, von wo im Talschluss bei Gsteig eine kleine Seilbahn zum Staudamm hinaufführt. Deren Betriebszeiten von 8.30-17.00 Uhr reichen gut als Zeitfenster für so gut wie alle Routen da oben, mit 22 CHF (18 CHF mit Halbtax) auch zu einem fairen Preis. Von der Bergstation sind es knapp 2km der Strasse entlang bis zum Abzweig des Zustiegspfads. Die sind in 20 Minuten gut zu laufen, die Mitnahme eines Bikes (7 CHF pro Weg mit der Bahn) schien uns nicht gerechtfertigt. Um noch ein wenig Zeit zu sparen, setzten wir schliesslich auf die Kickboards unserer Kinder. Die kann man viel einfacher und kostenfrei mitnehmen und ~10 Minuten pro Weg lassen sich damit einsparen. Zudem war's natürlich ein Novum, denn auf ein solches Gefährt im Zusammenhang mit einer MSL-Tour hatte ich noch nie gesetzt.

Das ist ja ein Stausee und somit keine echte Naturlandschaft, trotzdem schööön hier oben!

Zustieg per Tretroller, das ist mal etwas Originelles :-)

Der Zustiegspfad ist gut ausgetreten und mit roten Punkten markiert, es sind rund ~250hm. Vom Wandfuss geht's über steile Schrofen das Diagonalband empor, zuletzt mit leichter Kletterei links auf eine Kanzel unter der steilsten Wandpartie (T5), wir brauchten rund 40 Minuten von der Bergstation. Die Routen sind alle mit Farbe angeschrieben, wobei diese doch schon deutlich abblättert. Trotzdem konnten wir den Start der Axis zweifelsfrei identifizieren. Da schon auf den ersten 10m die Crux der Route wartet, machten wir noch einige Aufwärmübungen, spähten ausgiebig nach den Grifflein an diesem Überhang und legten dann in der Gegend von 9.50 Uhr los. 

Ready to rumble! In L1 (7a) geht's praktisch ab dem ersten Meter gleich volle Kanne los.

L1, 35m, 7a: Nach kurzem Geplänkel geht's wie erwähnt zur Sache - konkret heisst's kleine, scharfe Crimps ohne Rücksicht auf Verluste zuzuballern und die Füsse über den Überhang zu bringen. Aufgrund der Vielzahl von ähnlich guten bzw. eben schlechten Strukturen mag es dazu unzählige Ansätze zu geben und es ist alles andere als einfach, auf die (persönlich) richtige Beta zu setzen. Kommt noch hinzu, dass das Einhängen des dritten BH heikel ist, weil es da einfach keinen komfortablen Klippgriff gibt. Aber nicht falsch verstehen, die Bolts stecken eng da (A0 gut möglich), aber man ist noch nahe am Boden und wenig in Schwung, so muss es auch gleich mit der Psyche passen. Der Leser mag's ob diesen ausführlichen Worten erahnen, ich konnte diese Stelle leider nicht im Onsight passieren, schade! So ging's von BH #4 nach dem Zimmern einer Sequenz retour auf den Boden, um die Stelle im zweiten Angriff sauber zu passieren. Ohne Pause ging's gleich los und es klappte - aber nur am Limit, das ja sonst eigentlich >7a liegt. Der Grip fühlte sich irgendwie mässig an, die Power ebenso, sicher war die Beta nicht perfekt optimiert und so musste wohl oder übel die Brechstange zum Einsatz kommen. Ich vermag nun nicht zu sagen, ob's wirklich so schwierig ist oder ob es an mir lag. Nach diesem kräftigen Auftakt geht's dann von BH #4 wo man leidlich schütteln kann noch anhaltende 25m super schön in steil-griffig-wasserzerfressenem Gelände im Bereich 6b+ hinauf zum Stand - am Ende von der letzten Zwischensicherung auf dem schräg geneigten Band einige Meter nach links, da wäre er dann.  

Nach dem harten Auftakt folgt in L1 (7a) noch sehr genussreiche Kletterei im Bereich 6b+.

L2 & L3, 35m, 6b: Die Route wählt hier eine originelle Linie mit einem grossen Quergang nach rechts auf den Pfeiler hinaus, wobei sie dem schönsten Fels und dem Weg des geringsten Widerstands folgt. In den älteren Topos ist dieser Abschnitt als zwei Seillängen mit Stand in der Mitte aufgeführt. Dieser existiert allerdings nicht (mehr?) und man kann das wirklich problemlos in einer Länge klettern. Der Auftakt dem diagonalen Riss entlang - erst gängig, aber dann doch mit einem kräftigen Zug hinauf zur Nische, wo die 'Amusement Sauvage' kreuzt. Richtung 2 Uhr geht's weiter, der grosse Quergang in der kompakten Wand klettert sich überraschend einfach, weil sich genau an der richtigen Stelle jeweils gescheite Griff- und/oder Trittleisten offerieren - genial. Kurz vor Ende mündet noch die Piola-Route 'Equinoxe' ein, der Stand dann an der Kante drüben, gemeinsam mit der 'Starions', mit welcher man sich auch die folgende Seillänge teilt.

Tobias im grossen Quergang von L2 & L3 (6b), der Stand kommt rechts an der Kante draussen.

Ja, der Luis Trenker hätte an diesem fantastischen Quergang sicher auch helle Freude gehabt!

L4, 25m, 6c: Eine absolut fantastische Seillänge! Nach links hinüber zum Pfeiler, der gleich zum Auftakt mit einer zähen, bouldrigen Stelle aufweist. Der Fels hier vorübergehend ganz speziell, quasi "Dual Texture" - sprich weitflächig glatt mit vereinzelten Tropfloch-Rauigkeiten, echt genial. Dann in sehr stark strukturiertem Gestein griffig-athletisch aufwärts, die Formationen erinnern beinahe an Kalymnos (kein Wunder, haben sich die Remys später dort so daheim gefühlt ;-)). Am Ende der Seillänge dann kurze Verwirrung. Die älteren Topos zeigen den Stand hier links aussen. Dort befindet sich auch einer, der gehört aber zur 'Equinoxe'. Richtig ist es hingegen, den BH folgend nach rechts zu steigen, am Ende nochmals mit einer kniffligen Querung.

Die 'Dual Texture'-Stelle mit der Crux zu Beginn von L4 (6c).

Das Bild erzählt die Geschichte: die Wand ist enorm steil und der Fels einfach vorzüglich (L4, 6c).

L5, 40m, 6c: Hier muss man sich zuerst bewusst sein, dass die 'Starions' vom Stand nach rechts wegzieht. Die 'Axis' nimmt den logischeren Weg Richtung 11 Uhr, wo man gut griffig in einem wenig ausgeprägten Winkel an Höhe gewinnt. Danach wird das Terrain sogar noch gängiger und trumpft mit grossen Sanduhren auf. Selbst hier wurde im Zuge der Sanierung ein BH gesetzt, fast ein wenig schade da man problemlos selber fädeln könnte und die Strukturen bombensolide sind. Dann zieht's aber an, es wird steil und bald auch ziemlich knifflig. Hier ist eine Stelle im 6b+/6c-Bereich obligatorisch zu meistern und es folgt danach in einfacher werdendem Gelände ein ziemlicher Runout - nachdem man einige Meter über den letzten BH hochgestiegen ist eher links halten, es folgt dann schon wieder ein Bolt. Zum Ende der Seillänge dann deutlich linkshaltend in fantastischem Fels mit Löchern. Trotz der Querung ist der Verlauf logisch und gut sichtbar, die Gefahr sich in die hier nochmals kreuzende 'Equinoxe' zu verkoffern klein.

Tütato, Runauto! Ab der Position des Kletterers folgt in L5 (6c) eine der zwingendsten Kletterstellen der Route. Auch wenn bei der Sanierung vor dem ursprünglichen Bolt etwas tiefer ein zusätzlicher gesetzt wurde, muss man sich hier immer noch ziemlich engagieren. Die Route führt später übrigens in L6 und L7 über die beiden Höcker an der Kante, links vom Kopf des Kletterers. 

Der Fels einfach mega, die Kletterei genial - auch hier am Ende von L5 (6c).

L6, 40m, 7a: Traumlänge in Hammerfels mit kniffligem Ende! Am Anfang in gelb-rauem Fels griffig hinauf, um in einer noch griffigeren Linksquerung den steilen Wulst/Überhang nach links zu überqueren. Das gibt ordentlich Luft unter den Hintern und wird mit genialer Kletterei in perfektem, grauem, wasserzerfressenem Fels belohnt - moderat schwierig und einfach genial. Hier steckten früher wohl nicht viele Haken, seit der Sanierung ist es aber gut gesichert, nur zur finalen Querung hin muss man kurz und problemlos mal ein wenig 'wegrennen'. Und diese Querung dann: es sind zwar nur etwa 5m und damit ein Bruchteil der Länge, aber sie verdient in der Beschreibung mehr Platz. Plötzlich und für die Route atypisch ist der Fels glatt und erfordert katzenhafte Schleicherei. Von unmittelbar davor betrachtet, scheinen die Reibungstritte gar nicht mal so schlecht, einmal in der Passage drin ist's aber unangenehm abdrängend, man kann die Füsse nicht wie gewünscht belasten und für die Hände gibt es so gut wie nichts. Balance und Vertrauen sind gefragt, zum Ende der Passage hin dann auch die Intuition, um die nötigen Mikrogrifflein zu erspüren. Schliesslich rückt der 'strategisch positionierte' und deswegen unbequeme Stand in Reichweite. Man kann ihn klippen, bevor die schwierige Kletterei vorbei ist - um die Passage wirklich komplett zu klettern, muss man noch weiter bis zu den Henkeln beim ersten BH der folgenden Länge und sich dann wieder ablassen... Zu erwähnen ist noch, dass die 'Amusement Sauvage' gerade hinauf an denselben Stand führt.

Ausblick auf die glatt-abschüssige Balancecrux und den unbequemen Stand am Ende von L6 (7a).

Vor dieser Querung wartet in L6 (7a) jedoch auch super strukturierter, kletterfreundlicher Hammerfels.

L7, 30m, 6c: Hier wartet die Route mit einem weiteren Special Effect auf - in Form einer henklig-fotogenen Dachquerung, die man fast imperativ zu ein paar Stunts nutzen muss :-) Einmal drüben, ist aber wieder Seriosität gefragt, denn es wartet nochmals eine zupfige Steilplattenstelle in bestem, silbrig-grauem Fels. Der zweite Teil der Länge bietet dann einfacheres Gelände. Hier war mir der Verlauf vor Ort nicht ganz klar und auch im Nachhinein vermag ich nicht sicher zu sagen, was genau hier die Intention ist. Die BH leiten einen nach links, im Nachhinein habe ich aber von oben einen einsamen Kronenbohrhaken rechts unten gesehen, so dass der Originalparcours nach der schwierigen Stelle wohl gerade hinauf ging?!? Das bedeutet aber, etwas unlogisch und ohne erkennbare Sicherungsmöglichkeiten kühn zu steigen. Man erreicht schliesslich eine Art Band, wo sich horizontal um wenige Meter versetzt gleich mehrere Standplätze befinden. Man wähle jenen, der einem am meisten zusagt... welcher der richtige für die Axis ist, vermag ich nicht garantiert zu sagen.

Time to play in L7 (6c), wenn schon die Schwerkraft gerade mal Pause macht :-)

L8, 25m, 5b oder 6a: Die älteren Topos zeigen hier eine Fünferlänge entlang einer kleinen Verschneidung bzw. einer Art Rampe. Die gibt's und sie ist unschwierig zu klettern. Links davon befinden sich auch Bohrhaken in der grau-steilen Wand - das ist wohl der neue Parcours, der im Rahmen der Sanierung gelegt wurde und die eigentliche Schlusslänge der Axis definiert - spielt aber natürlich im Gesamtkontext keine grosse Rolle, da beides im Vergleich zum Rest unschwierig ist. Die letzten 10m klettert man schliesslich in stark quarzhaltigem Sedimentgestein mit runden Formen - eine geniale Abwechslung zum Ende. Auch wenn's so aussieht und manche davon schreiben, Granit ist das meiner Meinung nach nicht - wer geologisch bewandert ist möge mich korrigieren, sollte ich damit falsch liegen. Der Stand dann auf einem bequemen Band gut sichtbar.

Die letzte Länge (L8, 5b oder 6a) ist ziemlich easy und im Rückblick wenig fotogen.

Um 14.25 Uhr und damit nach gut 4:30 Stunden Kletterei hatten wir das Top nach absolut hammermässig genialer Kletterei erreicht. Nachdem ich gleich zu Beginn nochmals auf den Boden (der Realität ;-)) zurückgeholt wurde, konnte ich den Start der Route im zweiten Go punkten und ab dem vierten BH den Rest der Route onsight klettern. Vom Routenende heisst es Abseilen, so zeigen es alle Topos ausser jenes aus Moderne Zeiten, welches von 100m im 3./.4. Grad zum Gipfel spricht. In mir steckt noch genügend alpinistischer Geist, als dass ich das sehr gerne verifiziert hätte. Die Vernunft spricht aber dagegen - wer weiss, wie genau diese Angabe stimmt; wir haben nur minimalst Gear dabei und fixe Sicherung gibt's wohl keine mehr und vor allem müssten wir dann in den Kletterfinken zu Fuss absteigen und mit substanziellem Umweg nochmals zum Einstieg hinauf um die deponierten Sachen aufzulesen. Also werfen wir die Seile aus. Es geht zuerst 50m zu einem Stand auf der Rampe, ca. 5m direkt oberhalb von jenem von L6 der Axis. Dann 30m der Rampe entlang zu einem Stand an der Kante und von dort in 3 weiteren Etappen auf's Grasband am Einstieg. Tranquillo packen wir unsere Sachen, laufen zur Strasse runter und trottinettlen zurück zur Bahn, wo wir um 15.40 Uhr eintreffen und gleich zu Tale fahren können.

Sanetsch Vibes: paradiesische Gegend dort oben, und erst die Kletterrouten...

...wir aber müssen heim, back down to earth, sozusagen. Aber wir kommen wieder!

Facts

Sanetsch - Axis 7a (6b+ obl.) - 8 SL, 230m - C. & Y. Remy 1984 - *****;xxxx
Material: 2x50m-Seile, 12 Express, Cams/Keile nicht nötig

Die erste extreme MSL-Route in der Westschweiz, Trademark Remy im 1984 - das ist eine Ansage! Man kriegt hier aber nicht nur Geschichte geboten, sondern vor allem absolut geniale Kletterei in erstklassigem Fels. Kurzum und vor allem bezüglich des Gesteins etwas vom Besten, was ich je klettern konnte! Die Tour ist die 5* auf jeden Fall wert - nur auf sehr grosse Länge, eine markante Linie à la Blaue Lagune oder ein richtiges Gipfelerlebnis muss man verzichten. Die Route wurde im 2002 von den Erstbegehern "saniert". Das bedeutet konkret, dass alle Stellen, wo früher mit Keilen oder an Sanduhren gesichert wurde, mit Bohrhaken ausgerüstet wurden, sowie der eine oder andere längere Abstand in einfacherem Gelände entschärft wurde. Wie üblich wurde dazu entweder rein verzinktes Material oder Zink/Inox-Mischung verwendet. Die schwierigen Stellen blieben bei dieser "Sanierung" alle unangetastet. D.h., man klettert diese nach wie vor mit originalen Hakenabständen und an den Kronenbohrhaken von 1984. Diese sehen aber optisch noch gut aus und die Stellen >=6b waren schon damals gut gesichert. Insgesamt ist die Route bis auf zwei, drei Reminiszenz-Runouts in einfacherem Gelände sehr gut eingebohrt (Niveau xxxx). Sehr verwunderlicherweise ist das Topgebiet Sanetsch in den neueren Ausgaben (ab 1994) des Extrem West nicht mehr aufgeführt. Die vollständigste, aber auch nicht mehr ganz aktuelle und mässig präzise Beschreibung gibt's im Führerwerk der Erstbegeher von 2010, "Escalades Jura, Vaud, Chablais, Bas-Valais, Sanetsch". Das beste und präziseste Topo zur Route ist wie so oft jenes von Thomas Behm. Es ist noch vor der Sanierung entstanden, wir haben ein Update auf die aktuelle Situation gemacht.

Das hervorragende Topo von Thomas Behm, geupdated auf die Situation seit der "Sanierung" 2002.