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Montag, 19. September 2016

Rätikon / Schweizereck - Schweizerzoo (7a)

Nach unserer Begehung der New Age lockte mich das Schweizereck schon bald wieder ins Rätikon. Dafür sprachen verschiedene Gründe: in erster Linie lag es mir daran, den Schweizerzoo endlich einmal zu komplettieren. Bereits 1999 war ich ein erstes Mal eingestiegen, wobei uns ein gewittriger Schauer in L5 stoppte. Dann war da natürlich kürzlich das Klettern von L1-L3 als Zustieg zur New Age womit ich die Route ein weiteres Mal angefangen, aber nicht komplettiert hatte. Somit lag es mir daran, hier endlich einmal bis zum Ausstieg zu klettern. Dass der angeknackste Fuss meines Kletterpartners sowieso keine weiten Zustiege und extralangen Routen zuliess, passte auch ins Konzept und als Zückerchen würde es obendrein noch einige interessante Sachen am Schweizereck zu beobachten geben...

Wandansicht mit Routenverlauf von Schweizerzoo (7a) am Schweizereck im Rätikon.
Während wir vor Wochenfrist alleine im Sektor waren, herrschte diese Mal schon beinahe Grossandrang. So wollten nicht nur Dani & Kojak die New Age sanieren und klettern, sondern es fand sich mit Babsi & Erik ein weiteres Team zur Jagd auf den roten Punkt ein. Mehr oder weniger gleichzeitig mit den letzteren beiden gingen wir am Parkplatz los. Nach einer halben Stunde hatten wir unseren Einstieg erreicht. Dieser ist nicht markiert und auch sonst ziemlich unauffällig, etwa 20m rechts der markanten Eisenleiter geht's los - man sehe sich vor, dass man nicht irrtümlicherweise in die haarsträubend abgesicherte Tschechenvariante links davon gerät. Wir hielten einen letzten Schwatz mit Babsi & Erik, die beiden wollten die Einquervariante zur New Age wählen. Oben am Berg ratterte hingegen bereits Danis Bohrmaschine und so stieg ich um 10.20 Uhr ein.

Sanierung der Route New Age (8a+) durch Dani & Kojak - herzlichen Dank für diese Arbeit!
L1, 40m, 7a: Ein fulminanter Auftakt mit anhaltender, technisch anspruchsvoller, senkrechter Kletterei. Es wartet viel Abwechslung, feine Stehprobleme, Unter- und Seitgriffe, kleine Tropflochcrimps, grosse Sloper, einfach von allem ein bisschen. Um hier stilrein durchzusteigen braucht es Geduld, Übersicht, die nötigen Bewegungsmuster und auch ein wenig Kraft. Im Internet und in einigen Kletterführern liest man, diese Länge sei nach Griffausbruch härter wie 7a. Ich konnte jedoch nicht erkennen, dass ein entscheidender Griff fehlt, es gibt auch keine Einzelstelle, welche deutlich schwieriger wie der Rest ist. Die Bewertung mit 7a ist global gesehen sicherlich hart, für Rätikon-Verhältnisse aber auch nicht völlig aus dem Rahmen. Andererseits fand ich persönlich eigentlich alle MSL-Routen im 7ab-Bereich, welche ich diesen Sommer geklettert hatte, eher einfacher. Wie auch immer, die RP-Begehung konnte ich mir sichern. Zur Absicherung ist noch zu sagen, dass diese hier grundsätzlich sehr eng gehalten ist (11 BH). Der erste Bolt steckt aber nicht gerade bodennah (Klemmkeil oder Microcam dienlich) und auf den letzten, etwas einfacheren Piaz-Ausstiegsmetern ist ein Runout fällig. Zudem ist am Ende der Rechtsquerung nach dem ersten Drittel eine wirklich zwingende Stelle nahe der Hauptschwierigkeiten zu finden. Der Abstand ist zwar nicht sehr weit dort, es droht aber ein unangenehmer Pendler und vor allem lässt sich der nächste Bolt auch nur notorisch schwer klippen - hier gab's wohl schon manchen Abflug, wie die böse verbogene Öse am Bolt darunter zeigt.

Yours truly ist gestartet zur Mission Rotpunktbegehung in L1 (7a). Bis zur  sichtbaren Stelle ist's zwar auch nicht völlig banal, aber ab hier geht's dann so richtig los mit der schweren Kletterei. Die Rechtsquerung, zu der ich ansetze, hat es in sich. Danach geht's mehr oder weniger dem schwach sichtbaren gelben Streifen oberhalb meiner rechten Hand entlang.
Ich bin schon gut aufgewärmt, nun hat Frieder das grosse Vergnügen in L1 (7a) - eine wirklich tolle, anhaltende Länge!
L2, 35m, 6a: Vom Stand weg sieht's formidabel aus und genauso klettern sich die ersten Meter auch. Bald folgt ein weiter Hakenabstand mit etwas unklarer Routenlinie (mehrere Optionen möglich, mittlere Cams dienlich). Danach wird das Gelände einfacher und etwas weniger schön, es geht diagonal nach rechts hoch (es steckt 1 weiterer Bolt, 1 grosser Cam ist hilfreich).

L2 (6a+) von Schweizerzoo ist nicht so fotogen, darum hier ein Seiteblick zu L1 (7a) von New Age.
L3, 40m, 6b: Auch hier wieder klettert man die ersten 20m sehr schön in einem kompakten Wandabschnitt mit grauem, strukturiertem Fels. Am Ende dieser Wand wartet dann eine ziemlich arschige Stelle, wo der Bolt erst nach dem schwersten Zug dieser Länge geklippt werden kann. Der Hakenabstand ist hier erneut nicht sonderlich weit, es ist aber halt einfach zwingend und das Potenzial für einen unangenehmen Sturz deutlich vorhanden. Danach geht's in der zweiten Hälfte dieser Seillänge mehr oder weniger geradeaus in schrofigem, einfachem Gelände. Der nächste Standplatz befindet sich am Fuss des markanten Turms. Babsi & Erik hatten inzwischen gerade mit der ersten Länge der New Age begonnen - das lässt vermuten, dass man mit der Einquervariante gegenüber dem Klettern der ersten 3 Schweizerzoo-Längen wohl nicht allzu viel Zeit spart.

Die Felsqualität überzeugt auch im ersten Abschnitt von L3 (6b) vollends. 
L4, 30m, 6b+: Zu Beginn versucht die Route (bzw. die Erstbegeher) einen mittels eng gesetzten Haken vom unschön-brüchigen, kaminartigen Riss links fernzuhalten, um stattdessen in der kompakten Wand rechts davon zu klettern. Das lohnt sich auch wirklich, wobei die linke Hand gerne die Kante des Kamins benützt. Somit passiert man hier ohne grössere Sorgen und bei sehr guter Absicherung. Der obere Teil dieser Seillänge ist dann etwas grasig und einfacher. In Summe eher einfacher wie L3, ja vielleicht sogar die gängigste Länge überhaupt.

Zu Beginn von L4 (6b+) stecken die Bolts rechts im kompakten Fels, doch der brüchige Riss links lockt mit besseren Griffen.
Wir haben einen Logenplatz, um dem Treiben in der New Age (L2, 7c) zuzusehen. Babsi gibt einen guten Onsight-Fight.
L5, 35m, 6c+: Ein ziemlich überraschendes Teilstück mit verblüffenden Windungen! Der erste Teil bietet vorwiegend Reibungskletterei in sehr kompaktem, reichlich glattem Fels. Die Absicherung ist gut, aber dennoch zwingend. Wer dem Gummi nicht vertraut, wird sich hier vermutlich schwertun. Danach folgt dann eine Querung nach links, wer die Halbseile nicht vorausschauend getrennt einhängt, bremst sich wohl bald durch üblen Seilzug aus. Doch damit ist noch nicht fertig: nun will nämlich der beinahe schluchtartig anmutende Kamin (in welchem der historische RS-Ausflug (6b) verläuft) gequert werden. Gefragt ist ein athletischer Boulder an der überhängenden Seitenwand, ein stehtechnisch heikler, weiter Zug an einen guten Henkel und der abschliessende Aufrichter, wobei die Hände die Grasbüschel benützen müssen - alles an sich gut gesichert, aber auf A0 kann man hier nicht zurückgreifen.

Zäher Auftakt in schwerer Reibungskletterei in glattem, strukturarmem Fels in L5 (6c+).
Blick nach oben aus der Mitte von L5 (6c+): Schluchtquerung (nicht sichtbar) und ein Boulder-Finish warten noch.
Der weite Move am Ende von L5 (6c+), je mehr man den Füssen auf der arschglatten Platte traut, desto besser geht's.
L6, 20m, 6c: Man wähnt sich schon beinahe am Ausstieg, blickt man nach links hinauf, so scheint die obere Begrenzungskante der Wand zum Greifen nah. Nichtsdestotrotz waren noch zwei so richtig anspruchsvolle Seillängen! Hier geht's noch einfach los, dann will ein erstes Dächli knifflig erbouldert werden, und der anschliessende Mantle erfordert auch etwas Einfallsreichtum. Hat mir sehr gut gefallen!

Die letzten zwei Längen von Schweizerzoo verlaufen durch die glatte Plattenzone, hier der Blick vom New Age Ausstieg.
Ein bisschen andere Perspektive, aber immer noch der Autor am kämpfen in L6 (6c).
Bouldrige Kletterei auf den glatten Steilplatten in L6 (6c), Bewegungstalent und Einfallsreichtum helfen.
L7, 20m, 7a: Das finale Testpiece, das wohl schon manchen Besucher perplex zurückgelassen hat. Bereits nach dem ersten Zwischenbolt folgt ein heftiger Boulder - gut gesichert, aber zwingend. Die beste Lösung für diese Traverse nach rechts ist nicht ganz offensichtlich, so wie ich es schliesslich geklettert habe, passt's meines Erachtens aber durchaus in den Rahmen von 7a. Nach 2-3m wird das Gelände einfacher (und der Fels etwas lottrig), es geht dann aber nochmals ca. 4-5m (gerade hinauf) zum nächsten Bolt. Die nun sehr nahe steckenden BH lassen vermuten, dass es nochmals zur Sache geht, und so ist es dann auch! Der glatte, griff- und trittarme Fels ist nicht einfach zu beklettern und direkt über die Haken ist's auch sicher deutlich schwerer wie 7a. Mit etwas freierer Interpretation der Linie (aber so, dass sich alle Haken gut klippen lassen) geht's aber durchaus. Natürlich, auch dies ist global gesehen eine harte und zudem sehr wenig offensichtliche 7a, im Vergleich zum Rest der Route und dem üblichen Massstab am Schweizereck aber schon +/- im Rahmen. Die letzten Meter haben es dann auch noch in sich: sie verlaufen gemeinsam in der überhängenden Verschneidung mit dem RS-Ausflug (V+ A2, frei 6b). Das mit dem A2 relativiert sich hier, da auf den letzten Metern keine NH mehr stecken - die 6b will demnach obligatorisch und etwas unangenehm 3-4m über dem letzten Bolt geklettert sein. Womöglich könnte man mobil sichern, doch die Cams hängen am Gurt des Nachsteigers - Augen zu und durch heisst die Devise.

Der erste Test in L7 (7a): zwingende Boulderstelle diagonal nach rechts hinauf über das Dächli - sehr abschüssig zum Treten und ausser ein paar mässigen Untergriffen gibt's für die Finger auch nicht allzu viel nutzbares. Nicht wirklich mein favorisierter Kletterstil, aber aussuchen kann man sich's nicht - man muss sich den Herausforderungen stellen, das ist doch auch das Schöne am Klettersport.
Das Finish von L7 (7a) wartet dann erst mit irre glatter Platte, wo man sich einen guten Plan entlang der wenigen verfügbaren Strukturen zurechtzimmern muss. Kurz vor dem Ausstieg wartet dann noch der cleane 6b-Riss vom RS-Ausflug im Vordergrund - nur nicht mehr abschütteln lassen!
Um 15.30 Uhr haben wir den Ausstieg erreicht. Gut 5 Stunden Kletterzeit für 7 eigentlich relativ kurze Seillängen zeigen: auch wenn noch diverse Pausen für das Spektakel in der New Age dabei waren, für einen sauberen Durchstieg muss man tüfteln und etwas Zeit einberechnen, jedenfalls auf meinem Niveau. Für den Weg zurück gibt's die Möglichkeit, über die Route abzuseilen. Der oberste Stand (1 BH, 3 NH) ist nicht so wirklich toll eingerichtet, diejenigen unterhalb dann aber prima). Mit 2x50m-Seilen kann aber nur ein einziger Stand übersprungen werden, 6 Manöver sind fällig. Ebenso gibt's die Möglichkeit von einem Fussabstieg hintenrum. Hierfür besser Turnschuhe mitnehmen, notfalls geht's auch mit Kletterfinken. Man steigt dabei die grimmig aussehende, geröllige Rinne hinab (ca. T5 II). Alternativ kann man vom Ausstieg auch der Abbruchkante der Wand folgen, und an einem (soliden) Einzelbolt einen 50m-Abseiler in weniger steiles Gelände ziehen.

Dort hinunter müssen wir wieder... Tiefblick zum Schweizertor vom Ende der Route Schweizerzoo.
In der New Age ist das Tageswerk hingegen noch nicht vollendet. Babsi in L4 (7a).
Für mich sind die Aufgaben noch nicht ganz erledigt. Ich muss noch zum Ausstieg der Kamala an der 7. Kirchlispitze hinauf, um endlich die Wandbuchdose wieder mit einem Deckel zu versehen und ein neues Buch zu legen. Bis die wassergefüllte Dose gereinigt und wieder einsatzbereit ist, und zudem alles gesichert, festgezurrt und beschrieben, vergeht doch seine Zeit. Während ich mich in den Rätikon-Spitzen herumtreibe, geniesst mein Kletterpartner bequem ein Nickerchen und lagert seinen angeschwollenen Fuss hoch. Das Wetter lädt ja förmlich dazu ein, und in der New Age gibt's erst noch gratis und franko faszinierenden Klettersport zu beobachten. Irgendwann haben wir's geschafft und rollen talwärts. Ich zähle darauf, dass das Aufwärmen am Schweizereck mir am Tag drauf wie nach der New Age wieder Schub in einem Sportkletterprojekt gibt. Mit 8b bewertet ist's dieses Mal (man kann's ja mal versuchen...), doch die Magie des Zauberstabs "Schweizereck" hilft leider nicht. Ausser von heftig wirkender Schwerkraft und blutigen Fingern gibt's dieses Mal nichts zu berichten.

Das Wandbuch der Kamala ist nun wieder einsatzbereit! Der Deckel bleibt von nun an hoffentlich vor Ort.
Facts

Schweizereck - Schweizerzoo 7a (6c obl.) - 7 SL, 220m - Adank/Bodenwinkler 1991 - ***;xxxx
Material: 2x50m-Seile, 12 Express, Camalots 0.3-1 plus 1 kleinerer

Schöne, abwechslungsreiche und interessante Kletterei in meist gutem Fels. Typisch für diesen Sektor ist er oft relativ struktur- und im oberen Teil auch reibungsarm, somit wirkt er nicht überaus kletterfreundlich. Für die erste Cruxlänge sollte man einerseits in senkrechter Wandkletterei bewandt sein, während in den oberen schwierigen Sequenzen eher gutes Antreten auf glatter Reibung und Bewegungsgefühl gefragt sind. Die Bewertungen dieser Längen sind auf der harten Seite und haben schon manchen Aspiranten auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt - mit roher Kraft allein ist es hier definitiv nicht getan. Die Route ist mit vielen BH gut abgesichert. In den schweren Längen stecken diese teilweise sehr eng (Niveau xxxx bis xxxxx). Trotzdem gibt's auch dort die eine oder andere zwingende Passage nahe der Höchstschwierigkeiten, weil's halt einfach keine guten Griffe hat und die Erstbegeher keine Hand zum Bohren frei hatten. Die einfacheren Abschnitte sind etwas weiter gesichert, so dass ein Set Cams von 0.3-1 plus ein kleinerer sich durchaus mitzunehmen lohnen. Alles in allem ist's vermutlich doch die zugänglichste Route am Schweizereck.

Topo

Ein solches findet man in diversen Rätikon-Führern (Extrem Ost, Panico Rätikon Süd, SAC-Führer Graubünden, Versante Sud Arrampicare in Svizzera). Die einen sind etwas besser, die anderen etwas weniger genau, eine grosse Rolle spielen tut's nicht. Hat man den Einstieg einmal gefunden, kann man einfach den BH entlangklettern, Routenfindungsprobleme gibt's hier keine. Daher reicht auch die Skizze aus dem 94er-Schweiz-Extrem, die es auf alpinrouten.de gibt:

Topo vom Schweizereck. Quelle: alpinrouten.de

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