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Dienstag, 14. August 2012

Rätikon / Schweizereck - Schatila (7c)

Nach seiner Hochzeitsreise soll es heute die erste MSL-Tour der Saison zusammen mit Dani werden. Während es ihn immer magisch an seine Hausberge zieht, kann ich ihn dann doch für das auch nicht ferne Rätikon begeistern. Ans Schweizereck soll es gehen, dort haben wir zusammen schon die Solo Para Locos geklettert. Da er die Lilith kennt, und ich bereits Intifada und Schweizerzoo gemacht habe, ist die Schatila die logische Wahl.

Auf gut ausgeebneter Piste erreichen wir den Melkplatz und im Nu über den kurzen Drahtseil-Klettersteig den Einstieg. Regenfälle in den vergangenen Tagen hinterlassen in den Wänden ihre Spuren in Form von schwarzen Wasserstreifen. Für uns sieht es aber recht gut aus, soweit man die Linie verfolgen kann, ist es trocken. Die Intifada andererseits, die wäre nicht gegangen. Aber logo, irgendwie müssen all diese Tropflöcher ja auch entstehen. Als wir am Einstieg sind, macht die Schatila ihrem Namen alle Ehre: die Sonne kommt hier erst nach der Mittagszeit um die Ecke, und dementsprechend etwas frostig-kühl ist die Atmosphäre. Der hartgesottene Sportkletterer würde von idealen Bedingungen sprechen, der Geniesser zieht seine Softshell an. Angemerkt sei an dieser Stelle auch noch, dass die Route ihren Namen nicht wegen ihrer Lage, sondern wegen diesem dunklen Kapitel der Zeitgeschichte erhalten hat.

Die Wand am Schweizereck mit Routenverlauf und Schwierigkeiten
Ich beschliesse schon am Einstieg, mich heute für einmal mit dem Nachstieg zu beschränken. Es wäre schade, im Vorstieg etwas zu "verheie", denn Dani hat hier Chance und Ambitionen für den kompletten Onsight-Durchstieg. Ausserdem kenne ich die Wand, und von der Intifada her weiss ich, dass auch die einfacher bewerteten Längen Knacknüsse sind, die mit manchmal weiträumiger, ganz sicher aber obligatorisch gehaltener Absicherung fordern. Um etwa 9.30 Uhr sind wir bereit und steigen ein.

SL 1, 45m, 6c: noch recht gemütliche Seillänge mit plattiger Wandkletterei in einigermassen strukturiertem Fels. Die Absicherung kann man als einigermassen gut bezeichnen, zwischen dem zweiten und dritten BH ist der Abstand allerdings so gross, dass man durchaus einen Bodenleger fabrizieren kann, wobei man dann sicher nicht mehr auf den eigenen Füssen ins Tal gelangt. Sechs Bolts auf 45m Kletterstrecke sind halt nicht der Luxus, zumal die Kletterei jetzt nirgends wirklich einfach ist.

SL 2, 25m, 7a: vom Stand ein noch gut gangbarer, plattiger Quergang nach rechts, dann nach links, entlang einer schwach ausgeprägten Schuppe hoch. Die Crux, ein Gegendruck-Bewegungsproblem folgt schon bald, ist aber mit nahe steckenden BH gut abgesichert. Hier hänge ich dann schon das erste Mal im Seil... Im Vorstieg richtig fordernd ist auch der Schluss, wo es etwa 7-8m im plattig-sloprigen Runout an den Stand geht. Hier sollen sogar schon 8B+ Boulderer gescheitert sein...

Sieht einfach aus, ist aber die erste sackschwere 7a-Stelle in SL 2, der kritische Blick ist voll berechtigt
Reibung total auf glattem, abschüssigem Fels: der Runout zum Schluss von SL 2.
SL 3, 25m, 7a+: gleich vom Stand weg richtig schwere, technisch äusserst anspruchsvolle Kletterei. Vernünftige Griffe und Tritte gibt es hier kaum, dennoch kann und muss man sich irgendwie hochzaubern, was mir an einer Stelle nicht auf Anhieb gelingt. Die Absicherung an dieser Stelle +/- wie im Klettergarten, ob der anhaltenden Natur der Sache aber ziemlich obligatorisch. Oben raus dann nicht mehr ganz so schwer und natürlich wieder plattig-sloprig. Einfach? Denkste!

Abadakabra Simsalabim... Hypertechnisches Geschurbel zu Beginn von SL 3, 7a+. Magische Kräfte könnten nötig sein.
SL 4, 35m, 6c+: sehr schöne, steilere und nun auch endlich etwas griffigere Seillänge. Weitgehend ist die Kletterei recht gemütlich im 6b+/6c-Bereich, nur die Crux will natürlich auch wieder deutlich über dem Haken bewältigt werden. Alles safe hier allerdings, und im Nachstieg kann ich hier auch problemlos durchsteigen.

Poweriger Kreuzzug, aber wenigstens mal sowas wie richtige Griffe. Crux von SL 4, 6c+.
SL 5, 25m, 7c: Achtung, hier muss man links halten, rechts führt eine im neusten Panico-Führer unverständlicherweise nicht mehr verzeichnete Verhauer-SL in die Sackgasse. Die Kletterei auch hier extrem technisch, die Wand schon steil, aber doch nur knapp senkrecht. Man muss an kleinsten Schüpplein moven, die Füsse meist auf Reibung, oder vielleicht mal an einem Tropfloch. Die Crux dann an einem leicht überhängenden Wulst, kleingriffig, athletisch und sehr untrittig. Im Prinzip gut und eigentlich klettergartenmässig abgesichert, aber sehr, sehr verpflichtend. Wer 7c in diesem Gelände nicht sauber draufhat, kommt hier nicht hoch. 

Man sieht's: Sloper soweit das Auge reicht, wenige Tropflöcher. Aber Henkel? Fehlanzeige. SL 5, 7c.
Zu sagen das seien die besten Griffe der Tour wäre übertrieben. Aber endlich was zum Halten am Ende von SL 5, 7c.
SL 6, 25m, 7a+: ab hier klettern wir nun endlich in der Sonne! So steil wie hier ist die Wand sonst nirgends, und tatsächlich gibt es nach dem Stand mal ein paar etwas grössere Griffe - allerdings alles Sloper, und gut hinstehen kann man auch hier nicht. Am steilen Wulst (d.h. der rechten Verlängerung des New Age Daches) setzt ein cooler Handriss an, wo man gar einige Klemmer benötigt. Diese SL kann ich nun recht easy durchsteigen, für mich fühlt sich das deutlich einfacher an wie SL 2 und 3. Auch die BH-Absicherung ist prima.

Eigentlich die einzige überhängende Stelle der Route, der Beginn von SL 6, 7a+.
SL 7, 35m, 7a: sehr schöne, plattige Kletterei in nun ausreichend strukturiertem, etwas kantigerem und rauherem Fels, so wie man es sich z.B. von den Kirchlispitzen gewohnt ist. Die Schwierigkeiten auch einigermassen überschaubar, gefühlt (bis auf SL 1) die bisher einfachste Sequenz. Unter dem Stand dann aber der Stopper: das grasige Gelände, wo sich der Stand befindet, sifft hier die ganze Wandpartie voll. Weil das öfter der Fall sein dürfte, ist der Fels belagig und daher alles super-glitschig. Der Hakenabstand ca. 8m, mit ungünstigem Sturzraum auf ein Bändchen. Schwierigkeit vielleicht so 6b - Dani meint, für ihn unpassierbar, er habe Angst um seine Fussgelenke, und kommt runter.

Endlich etwas rauherer und kantigerer Fels in SL 7, 7a.
Ich will mal den wesentlichen Teil dieser Länge noch klettern und oben nachschauen, ob ich mit mehr Reichweite vielleicht etwas ausrichten kann. Das scheint ganz und gar nicht der Fall zu sein, und ich sehe mich vor dem geistigen Auge mit kaputten Füssen in Kalymnos am Strand sitzen, während meine Freunde alle am Klettern sind. Dieses Risiko ist es mir dann doch nicht wert. Zuletzt probiert es Dani nochmals, mit dem gleichen Fazit: unpassierbar. Schade, so geben wir halt 25m unter dem Ausstieg auf. Dani baut die SL tschechisch ab (wuuaaahhh!). Mit 4x Abseilen sind wir danach zügig am Wandfuss und treten den Heimweg an. Schweizereck, du hast es mir wieder mal gezeigt!

Bye bye Schweizereck. Das nächste Mal dann die Lilith?!?
Facts

Rätikon - Schweizereck - Schatila 7c (7a+ obl.) - Wyser/Tischhauser/Steiner/Morel/Götz 1992 - 8 SL, 240m - ****, xxx
Material: 10 Express, 2x50m-Seil. Keile/Friends nicht nötig bzw. nicht Nutzen bringend einsetzbar.

Sehr anspruchsvolle, alpine Sportklettertour mit anhaltenden Schwierigkeiten. Auf den ersten 3 plattigen SL ist der Fels abschüssig-glatt und weist nur mässige Reibung auf, diese sind noch nicht so das Gelbe vom Ei. Danach wird die Kletterei etwas steiler, der Fels bleibt aber knapp strukturiert: häufig kleingriffig, schwer zum Stehen, Henkel und richtige Füsse gibt es nicht, insgesamt sehr anhaltend. Die BH sind an den schweren Stellen nie weit auseinander bzw. fast wie im Klettergarten vorhanden, die Sache ist aber dennoch sehr verpflichtend. Man kann sich hier halt einfach nicht an den Bolts zum nächsten guten Griff hochziehen, sondern muss praktisch jeden Meter ehrlich klettern. Bei wenigen einfacheren Stellen im Grad 6b, immer noch im plattig-anspruchsvollen Gelände, gibt es Runouts von bis gegen 8-10m, wo man sich bei Stürzen weh tun kann. 

Wissenswertes

  • Ein dem Führer Schweiz Extrem (Edition Filidor, 1994) entnommenes Topo, das von alpinrouten.de stammt, ist unten 'verhotlinkt'. Auch wenn nicht viele Details vorhanden sind reicht es für eine Wiederholung der Route problemlos aus.
  • Die Sonne bescheint den Einstieg ab ca. 12-12.30 Uhr, die steilen Längen im Mittelteil der Route sind sogar bis gegen 14 Uhr im Schatten. Ausser an hochsommerlich heissen Tagen mit >= 30 Grad im Flachland ist es im Schatten eher ungemütlich, und man steigt besser erst mittags in die Wand ein.
  • Achtung, bei Südwind (Föhn) bildet das nahe gelegene Schweizertor den einfachsten Übergang für die Luftmoleküle und entfaltet so eine Düsenwirkung. Dies ist bei der Wahl des Begehungszeitpunktes nebst dem Sonnenstand auch noch zu berücksichtigen.
  • Ein gutes Trainingsgebiet für die Anforderungen in der Schatila ist das Schibenchnölli oberhalb von Amden. Es wurde auch vom Duo Götz/Wyser erschlossen und bietet ebenso technisch anspruchsvolle Kletterei mit verpflichtender Absicherung.


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