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Freitag, 27. September 2024

The last piece of the puzzle!

Nach der MSL am Tour Termier beim Col du Galibier hatte ich auf Insta konstatiert, dass unser Ferienpuzzle nun schon fast komplett sei, nur ein kleines Stück 🧩 würde noch fehlen. Dies in vollem Bewusstsein, dass das letzte Stück womöglich nicht aufzufinden sei und das schöne, grosse Bild unserer Ferien so möglicherweise einen kleinen Makel enthielte. Es ging nämlich um den Erfolg in einer (einigermassen) schwierigen Sportklettertour, und der lässt sich halt einfach nicht nach Belieben erzwingen oder erkaufen - das ist ja genau das schöne an diesem Sport. An dieser Stelle ein kleiner Round-Up über die umfangreiche Sportklettertätigkeit in unserem Sommerferien, plus eben das Erlebnis mit dem letzten Puzzlestück.

Hannah in der Ciao Criquet (8a) im Gebiet Rue des Masques.

Ja, zum Sportklettern in der Briançon-Gegend gäbe es sowieso noch viel zu schreiben ✍🏼. Das habe ich bisher immer unterlassen. Denn einerseits sind die guten Gebiete sowieso schon stark besucht. Und dort wo es einem auch noch gefällt und die Frequentierung angenehm tief ist, muss man ja nicht zwingend mehr Leute anlocken. Sowieso folgen meine Blogs nicht in erster Linie der Idee, Besucher anzulocken oder Werbung für gewisse Routen zu machen. Sie sollen einfach meine Erlebnisse festhalten, damit ich später alles was mir wichtig ist noch im Detail nachvollziehen kann. In Sachen Sportklettergebiete im Haut Val Durance war das so gesehen bisher nicht nötig, da wir jedes Jahr einen Besuch dort machen und die Tricks & Tipps zu den Gebieten so ständig im Kopf bleiben.

Trotz viel Sportklettern doch noch ein Hauch von Abenteuer. Der Zustieg zum Gebiet in Entraygues war dieses Jahr wegen dem vielen Restschnee in höheren Lagen und den intensiven Regenfällen im Juni deutlich schlechter mit durch den Fluss waten möglich wie in anderen Jahren. Wie man sieht, mit dem Gewicht von Jerome geht die Querung am Fixseil, ohne ein nasses Füdli zu kriegen. Mit meinen 80kg und dem schweren Rucksack hingegen...

Wie ebenfalls bereits beschrieben, dieses Jahr waren wir mehrere Wochen vor Ort und mit den Comp Girls in erster Linie zum Sportklettern. Nebenher gingen sich zur Abwechslung und "Erholung" doch auch noch 6 MSL-Touren aus, die inzwischen alle auf dem Blog beschrieben und veröffentlicht sind. So bestand unser üblicher Tagesablauf aus Ausschlafen, einem gemütlichen Frühstück und dem Aufbruch an einen steilen Fels, welcher Schatten, interessante Kletterei und spannende Projekte bot. Wobei ich persönlich kaum ernsthaft projektiert habe. Sich in den Ferien auf eine schwierige Route "einzuschiessen", dann Tag für Tag immer wieder am selben Ort zu klettern und sich dazwischen echte (!) Ruhetage zu nehmen, um auch voll performen zu können, das dünkt mich einfach eine Verschwendung von vielen spannend-reizenden Klettergelegenheiten. Und im dümmsten Fall zieht man dann doch mit leeren Händen von dannen. Routen am persönlichen Limit werden darum daheim projektiert, wo Arbeit und Lebensumstände einem sowieso Ruhetage aufzwingen und man nicht durch das drohende Ferienende ein Zeitlimit hat.

1x habe ich sogar eine Biketour 🚵🏼‍♀️ gemacht und an einem Tag überhaupt keinen Fels berührt! Hier die Sicht auf Briançon vom Croix de Toulouse, wo ich bei meiner Runde mit der Nord-Süd-Überquerung des Col du Granon vorbeigekommen bin - viele Singletrails und viel Schotter gab's da. Danke Basti für den Tipp!

Somit bin ich wo möglich auf Onsight-Jagd gegangen oder habe mich auf zügig in 2-3 Go's machbare Sachen beschränkt. Das ist mir ganz gut gelungen und ich konnte meine Ticklist um die schöne Menge von 47 Einträgen (>=7a) bereichern - wie so oft hat es der Dettling mit der Menge statt der Schwierigkeit gemacht. Das wirft natürlich die Frage auf, wie es denn überhaupt möglich ist, mehr oder weniger täglich zu klettern und anzugreifen?!? Der Punkt ist eben, dass mir in unserer Konfiguration und mit unserem Rhythmus gar nicht so viele Gelegenheiten vergönnt waren, um mich ins Seil einzubinden. Das waren nach einem seriösen Aufwärmen nur 3x bis max. 5x am Tag. Da versuchte ich aber immer, mein Bestes zu geben, d.h. gut zu klettern (vorausschauend, taktisch aber entschlossen, mutig) und mit 100% try hard. Oder kurzum einfach der vollen Absicht, ohne Sturz und Hänger zum Umlenker zu kommen.

Die Girls haben auch noch am internationalen Wettkampf vom Tout à Bloc mitgemacht. Ich hatte mich dagegen entschieden. Zwar gab es sogar eine Veteranenkategorie. Diese hätte aber nicht am selben Tag stattgefunden wie die U16, um parat zu sein hätte ich vorher Ruhetage einlegen müssen, so war mir das zu viel Opfer von Zeit am Fels. Das Mitfiebern an den Wettkämpfen war aber doch ein Teil der Ferien: nicht nur am Micro-TAB, sondern auch als Zuschauer beim Wettkampf der Elite, sowie bei Lead World Cup in Briançon.

Nun aber zurück zum letzten Stück vom Puzzle: das war ein 8a-Double-Send mit Larina. Einige Tage zuvor hatten wir eine gute Session in einem neuen Crag bei Briançon. Einer der diesen Sommer zum Glück sehr raren Regenschauer hatte uns an den Fuss des grössten Überhangs vertrieben, wo diese Route startete. Irgendwie war es logisch, sich dann auch dort zu probieren, denn die weniger steilen Touren waren alle zumindest parziell nass geworden. Bei unserer Erkundung wurde eine Lösung gefunden und die Route als prinzipiell machbar taxiert. Doch schliesslich vertrieb uns die wieder hervorkommende Sonne, welche für zu hohe Temperaturen sorgte. Ein Rotpunkt-Durchstieg war an diesem Tag nicht mehr realistisch.

Wer sucht der findet... Larina in der Tri Sert à Tops (7c+). Dieser Triple Send mit den Girls in der gewaltigen Grotte war auch ein grosses Highlight in der Ferien. Zuerst war nach dem Motto "Alter, häng schon mal die Exen in die Route" der Autor dran und reüssierte gleich mit einem Onsight. Auch Hannah konnte die Route gleich im ersten Go ziehen. Und so lastete plötzlich etwas Druck auf Larina... sie war aber schliesslich auch im ersten Go erfolgreich.

Doch ohne das ganze (Familien)programm auf den Kopf zu stellen, kam die Gelegenheit, es dort nochmals zu probieren erst bei der allerletzten Session am Heimreisetag, mit schon bereits gepackten Koffern. Unweigerlich setzt das einen gewissen Druck auf, dann auch wirklich erfolgreich zu sein. Gut, für eine Wettkampfkletterin wie Larina vielleicht auch nicht verkehrt, nach den Sommerferien erfolgte ja sowieso die Rückkehr ins kompetitive Dasein. Wir wärmten uns auf und checkten dann nochmals sorgfältig alle Moves. Dann war mein erster scharfer Go an der Reihe. So wie oben beschrieben (entschlossen, zügig, fluid) ging ich ans Werk, überstieg die Crux sauber und mit Reserven – nur um dann am letzten, abtropfbaren Move zu scheitern. Ich hatte die Füsse für den kräftig-weiten Zug für meine Durchstiegs-Disposition nicht optimal platziert und nicht mehr den Tiger im Tank, um das auszubügeln. Das war sowieso das «Hauptproblem» der wochenlangen Kletterei. Die Ausdauer im 7bc-Bereich wurde zwar immer besser, dafür ging aber der Extragang, d.h. der Punch für die härteren Moves, mehr und mehr verloren.

Ein gewaltiger King Swing beim Ausräumen der Tri Sert à Tops (7c+).

Dann war Larina dran. Ihre Hauptsorgen bestanden aus dem Crux-Move, den sie vorerst mit einem weit aufgespannten Deadpoint gelöst hatte. Einzeln ging er immer, aber im Durchstieg leicht angezählt war es Low Percentage, sprich es wollte er bis da nicht funktionieren (sonst hätte sie die Route vermutlich bereits in unserer ersten Session gepunktet gehabt). Nun aber hatte sie beim nochmaligen Checken der Moves eine etwas aufwändigere, dafür viel stabiler ausführbare Beta gefunden. So war der Durchstieg dann fast schon ein leichtes Spiel, bravo! Tja, ohne mein Unvermögen von zuvor hätten wir den Double Send gehabt. Es fühlte sich ein wenig an, wie wenn wir das letzte Puzzleteil schon gefunden hatten, ich es dann aber total blöd wieder aus der Hand fallen liess.

Im Rue des Masques gibt's noch viel zu tun am Konglomerat. Im Bild der Fluss Guil, gut sichtbar die Wände vom Gebiet Mont-Dauphin. Wer genauer hinschaut, erkennt auch das gleichnamige Fort, welches oben auf dem Hügel thront. Talauswärts geht's weiter in Richtung Lac de Serre-Ponçon und schliesslich nach Céüse, wo wir auch diesen Sommer wieder 2x waren. Bei genialem Ambiente und toller Kletterei wie immer - diesmal ohne weitere Würdigung im Blog jedoch.

Die Frage war nur noch, ob ich es 🧩 einfach wieder aufheben und ins Bild einsetzen könnte… oder ob es dummerweise in einen Abgrund gefallen und nicht mehr beizubringen war. Das musste sich nun zeigen: mit dem Spanner an der Crux hatte ich dank mehr Spannweite wenig Probleme. Diese bestanden mehr im Rési-Finish, wo ich einfach zu wenig Reserven hatte. Und natürlich war ich nun, nachdem ich die Route ja schon beinahe 1x durchgestiegen hatte, noch schlechter disponiert. Aber ich musste es probieren und alles geben. Schon bald merkte ich, dass ich nicht mehr mit derselben Leichtigkeit kletterte wie beim ersten Mal – jeder Move fiel schwerer und wo ich vorher kurz inne halten und schütteln konnte, schien das nun nur noch eine Kraftverschwendung. Dafür passte es mental bestens: es gab kein Zögern, nach dem Motto so schnell und effizient wie möglich kletterte ich, um möglichst vor dem Ausgehen der Kräfte den Henkel nach dem letzten weiten Zug in die Hände zu kriegen. Flucht nach vorne, und das total! Tatsächlich, auf dem letzten Blatt schnappte ich diesen Griff und der Double Send war Tatsache, das letzte Stück vom Puzzle wieder gefunden 🏆 Was für ein wunderschöner Ferienabschluss. Mit hohem Einsatz allerdings, denn das Risiko hier betrübt von der Stelle zu trotten war natürlich erheblich. Natürlich liessen wir es bei diesem letzten Send Go bewenden, verschoben zu Kaffee ☕ und Kuchen 🍰 in der Stadt und machten uns dann auf den Heimweg. We'll be back, that's for sure!

Fast schon dachartige, athletische Kletterei in der Double-Send-Route (Blessing, 8a). Ideal für Gym Rats, geht aber sogar auch für ältere Männer 😁

Sonntag, 22. September 2024

Tour Termier - L'usure du temps (7c+)

Eine MSL-Tour am Col du Galibier, dieser Programmpunkt gehört fix in die Sommerferien. Schliesslich führen wir diese Tradition seit 2019, als ich mit der damals 9-jährigen Larina die Ponant Neuf (6a+) am Tour Termier geklettert hatte. So packten wir in den vergangenen Jahren jeweils die erste Gelegenheit, um in dieser rauen Umgebung auf 3000m zu klettern. Diesen Sommer war ein längerer Schnauf gefragt: wir waren in wechselnder Besetzung in erster Linie zum Sportklettern vor Ort und konnten nicht nach Belieben an den Galibier aufbrechen. Mit etwas Geduld kam aber in diesem schönen Sommer 2024 natürlich die Chance und wir erkoren erneut den Tour Termier als Ziel. Gut, dass Larina inzwischen ein wenig älter geworden ist und beim Klettern massive Fortschritte gemacht hat. Denn die logische Steigerung nach der von uns zuletzt begangenen Feu Sacré (7a) war eben die hier beschriebene L'usure du temps (7c+), welche dann gleich mit mehreren Längen im siebten Franzosengrad auftrumpft und mit Fels, Anspruch und in der Schärfe des Gesteins den Vergleich mit den Routen am Rothorn im Färmeltal nicht zu scheuen braucht.

Die fantastische Westwand des Tour Termier mit dem Verlauf von L'usure du temps (7c+)

So fuhren wir, wie aus den früheren Jahren gewohnt, hinauf Richtung Col du Galibier bis zur Kehre auf 2500m. Dort schlugen wir um 11.20 Uhr den mehr oder weniger horizontalen Climbers Trail in Richtung der Wand ein, nur rund 300hm sind bis zum Einstieg zu absolvieren. Wie schon in den früheren Berichten beschrieben, macht es wenig Sinn, hier tageszeitlich früh zu starten, da die Westwand des Tour Termier erst am Nachmittag besonnt ist und man selbst an Hitzetagen (und sonst natürlich sowieso) morgens wahrscheinlich nur Frostzittern und kalte Griffel kriegt. Wir liefen zügig und waren um 12.05 Uhr am Einstieg. Dieser ist nicht näher bezeichnet und relativ unscheinbar, man muss ihn anhand der Fototopos identifizieren, was eine gewisse Orientierungsfähigkeit am Fuss dieser Riesenwand voraussetzt. Für uns war es nicht so schwierig, da wir 4 Jahre zuvor die rechts daneben startende Marmotta Impazzitta (6c) geklettert hatten, deren Startpunkt wir noch zweifelsfrei zuordnen konnten.

Zustieg auf dem ziemlich bequemen Climbers Trail zum Tour Termier.

Bei einem kleinen Imbiss diskutierten wir die zu wählende Strategie. Eigentlich klettert Larina ja inzwischen universell besser als ich. Also nicht nur Indoor und im Steilgelände, sondern ebenso (wenn auch weniger deutlich) am vertikalen, knapp strukturierten und schwierig zu lesenden Fels, der auf MSL typisch ist und auch etwas Erfahrung und Selbstvertrauen erfordert. Trotz meinen Ermunterungen entschied sie, dass wir an diesem Tag noch bei den gewohnten Traditionen blieben und der Vorstieg komplett meine Aufgabe wäre. Dankbar darum, diesen in einer solch schwierigen Route noch ausführen zu können und noch nicht zum alten Eisen zu gehören, nahm ich diese Aufgabe an und startete in der Gegend von 12.20 Uhr mit der Kletterei.

Super Panorama: die Écrins-Berge und der Col du Lautaret, welcher Briançon mit Grenoble verbindet.

L1, 25m, 6a+: Eine relativ kurze Seillänge, mit einem ersten Haken, der nicht gerade bodennah steckt. Die Kletterei im plattigen Terrain hat Rätikon-Feeling und nach dem zweiten und letzten Bolt kommt eine Crux, die es in sich hat: ein richtig taffer Move von einem Seitgriff, dann Mantle ins flachere Gelände. Kurzum, eine 6a+ die man vermutlich nur kann, wenn man viel schwieriger klettert. Falls das zutrifft, dann kommt's ja auch nicht so darauf an, wie der Abschnitt bewertet ist... im Vergleich zu dem was später noch kommt, ist's ja effektiv "einfach".

L2, 30m, 6b+: Anhaltende und bereits recht steile Seillänge an vom Wasser zerfressenem Fels. Sie hat sich schwieriger angefühlt, wie ich dies aufgrund vom Schwierigkeitsgrad her erwartet hätte. Larina und ich teilten uns den Eindruck, dass man hier nie so recht weiss, ob man sich einfach ungeschickt anstellt, oder ob man tatsächlich schon solch kräftige Moves ausführen muss. Hinweis: das Plättli am zweiten Bohrhaken ist vom Steinschlag plattgebogen, mit schmalem Karabiner oder einer Schlinge aber noch klippbar. Der Bolzen sieht noch ok aus.

Steile Kletterei an wasserzerfressenem Fels in L2 (6b+), man muss sich durchaus schon festhalten!

L3, 35m, 7b: Hier startet man mit einer noch gut machbaren Querung nach links (ca. 6c), welche einen zu einer athletischen Sektion an Unter- und Seitgriffen bringt. Da heisst es zupacken und gleichzeitig möglichst effizient durchkommen, um die Körner für das kleingriffige Finale zu sparen. Entschlossenheit und hohes Antreten sind dort neben ein wenig Fingerkraft wohl der Schlüssel zum Erfolg. Diese Stelle ist zwar dicht abgesichert (A0 dürfte problemlos sein), dafür ist es wegen der feingriffigen Natur nicht so einfach, stabile Klipp-Positionen zu finden. Ich dachte schon mal kurz, es gehe nicht mehr, bevor ein magischer Toehook mich aus der brenzligen Situation gerettet und den Onsight konserviert hat. Larina marschierte im Nachstieg dann völlig easy über die Stelle - wer kann der kann!

Diese Seillänge (L3, 7b) ging ihr leicht von der Hand - mir nicht ganz so sehr.

L4, 30m, 6a: Henklige Fun-Kletterei einem System von Schuppen entlang. Im weiteren Verlauf dann der Ausstieg auf eine gebänderte Zone und linkshaltend zum Stand auf dem Pfeilerkopf hinauf. Dieser bequeme Platz bietet sich für eine Pause an, bevor es wieder zur Sache geht.

Das Finish von L4 (6a) ist nix fotogen, so zeigen wir lieber, wie wir uns mit einem Pain au Chocolat für die verbleibenden Seillängen gestärkt haben. Ich glaube man kann sagen, dass diese Sportlernahrung ziemlich gut funktioniert hat ;-)

L5, 40m, 7a: Schön zu kletternde Traverse nach rechts in griffigem Gelände, dann am Pfeiler aufwärts zur Crux, welche sich in einer seichten Verschneidung bzw. dem linkshaltenden Ausstieg aus dieser präsentiert. Wir fanden das ziemlich harmlos für den angegebenen Grad. Weiter oben wartet dann noch eine technische Sektion der Art "gewusst wie" bzw. "erkannt wie", wo man sich ein wenig engagieren muss. Am Ende muss man aufpassen, nicht zu hoch zu geraten. Beim letzten Bohrhaken heisst es scharf links abzubiegen und in einer horizontalen Traverse von 6-7m den nicht sehr offensichtlichen Stand zu erreichen. Die Orientierungs-Challenge besteht (weiterhin) darin, herauszufinden welches der letzte Bolt in dieser Länge ist... 😁

Im Bild die Traverse am Ende von L5 (7a), die für ängstliche Nachsteiger problematisch sein könnte.

L6, 35m, 7c+ oder 7a+ 3pa: Tolle, luftige Kletterei, welche einer Art Rampe folgend nach links in die steile Wand hinauszieht, zum markanten grauen Streifen hinüber. Lange geht's gut, aber dann ist wirklich fertig. Die Crux scheint extrem kleingriffig und ohne Tickmarks oder sonstigen Plan zu haben was es da zu tun gibt, waren wir völlig chancenlos. Wenn man die Lösung entziffern kann, so habe ich gelesen, sei es anscheinend nicht so schwierig (für eine 7c+). Hier haben wir beide, nachdem jeweils der Onsight/Flash vergeigt war, zügig das Handtuch geschmissen. Ein Restart zum Punkten würde zudem eine ziemlich mühsame Abseilaktion mit Traverse im Steilgelände bedingen. Mit dem Textilgriff lässt sich der kurze, schwierige Abschnitt problemlos meistern. Allerdings geht's danach gleich nochmals zäh weiter mit einer (gut abgesicherten) ~6c-Stelle, die relativ zwingend zu meistern ist. Dann kommt vermeintlich schon der Stand nahe. Jedoch ist der erste/untere nicht die richtige Adresse (er gehört zur En Short au Paradis), sondern es ist besser noch zwei Bolts höher zu klettern und den dortigen Stand zu verwenden (die beiden Routen verlaufen auf diesem letzten Abschnitt gemeinsam).

Orange-graues Gestein mit Struktur der Marke "extrascharf", so lautet das Programm in L6 (7c+).

L7, 30m, 6a+: Auf dem Papier ein einfacherer Abschnitt, beginnt es in der Realität gleich mit einem "pas si facile que ça"-Abstand zum ersten Haken. Die L'usure du temps ist die rechte Linie, d.h. rechtshaltend gewinnt man eine Verschneidung, ignoriert den Abseilstand rechts aussen und gewinnt in sehr schöner Kletterei im Winkel bzw. der Tropflochwand links daneben an Höhe - tolle Moves und Genuss satt!

Die rechte Verschneidungswand geschickt in die Sequenz eingebaut heisst Kraft gespart in L7 (6a+).

L8, 45m, 6c: Ulala, ulalalala! Hier verspürte ich schon beim Nachsichern ein gewisses Muffensausen, denn die furchtsamen Ankündigungen online ("un pas bien teigneux et obligatoire entre les points #2 et #3") schienen sich für einmal zu bewahrheiten. Der Abstand ist tatsächlich markant und während man im Vorfeld noch auf gut versteckte (oder versteckte gute) Griffe hoffen kann, so zeigt sich: sie existieren nicht wirklich, die Kletterei spielt sich im feinen, leicht überhängenden Tropflochgelände bei mässigem Trittangebot ab. Die schwersten zwei Meter, d.h. drei, vier Moves startet man, wenn man mit den Füssen auf Hakenhöhe steht, nachher wartet noch ein etwas wackliger Klipp. Nicht extrem wild also, auch nicht gefährlich, aber die Crux ist zwingend, mit dem Potenzial für einen etwas unangenehm harten Sturz. Dies umso mehr für mich, da wir wegen dem potenziellen High-Energy-Fall und der Gewichtsdifferenz auf die wenig dynamische Fixpunktsicherung setzen mussten. Nein, locker habe ich diese Stelle ganz sicher nicht bewältigt... aber geschafft habe ich sie, uff! Ehrlich gesagt kam sie mir deutlich schwieriger vor wie 6c, aber mit der Angst im Nacken verschiebt sich da der Bewertungsraster ja gerne einmal. Auch Larina konnte die Stelle natürlich ziehen, doch selbst im Nachstieg mit ein wenig Beta-Vorinfo befand sie es für taff. Sicher schwieriger wie die 7a-Stelle in L5, meinen wir. Zur Entschädigung ist der Rest der Länge in strukturiert-griffigem Fels dann leicht zu haben (ca. 6a). Oben zieht's etwas nach rechts, man kommt auf das Abschlussdach, wo der finale Stand ein paar Meter gerade voraus gut sichtbar ist und über sehr schöne Wasserrillen erreicht werden kann.

Am Ende von L8 (6c) gibt's noch Plaisir-Wasserrillen, allerdings ist der Start nicht ganz so Plaisir.

Es gibt etwas Unklarheit darüber, ob man am Stand nach L8 das Routenende erreicht hat oder nicht. Die Literatur gibt variable Informationen und das Fototopo im ONOS ist schlicht und einfach falsch. Zu dieser Einsicht waren wir schon bei der Begehung der Marmotta Impazzitta (6c) gelangt, wo wir diesen Stand nach L8 ebenfalls passiert hatten. Damals kletterten wir noch etwa 10-15m höher hinauf, dies entspricht wohl dem als 5b gelisteten Teilstück in einigen Topos. Klettertechnisch bringt das wenig, nur die Abseilerei wird umständlicher, somit liessen wir es gerne sein. Auf 17.50 Uhr war die Uhr zu diesem Zeitpunkt vorgerückt, was eine Kletterzeit von 5:30h ergibt. Ich glaube, als extremen Zeitverschleiss muss man das nicht taxieren: wir hatten versucht, die Route onsight/flash zu klettern. Das war uns für die 7b-Version, d.h. bis auf die p.a.-Haken in L6 gelungen. Oder halt eben nicht gelungen, wenn man die Wand als Ganzes betrachtet... es wäre spannend zu wissen, wie oft (und ob überhaupt) die 7c+ schon onsight geklettert wurde.

Yeehaa - happy on the top!

Wie schon bei den früheren Gelegenheiten hatten wir auf das Abseilen gesetzt, was als letzte bzw. einzige Seilschaft in diesem Wandbereich gut machbar ist. Mit 2x60m-Seilen ist das zügig zu meistern. Es sind 50m zum Abseilstand der sich (im Aufstiegssinn) rechts in L7 befindet, dann eine kurze 30m-Strecke zum Stand nach L5. Wer sich dann 55m gerade runter wagt, findet auf der Höhe von einem kleinen Band den Stand nach L3 von Ici mieux qu'en face (7b), von welchem man in 58m zurück auf Terra Firma (etwas oberhalb vom Einstieg) gelangt. Hinweis: auf den Bändern liegen lose Steine herum, das Seilabziehen geht kaum vonstatten ohne dass Material in die Tiefe fällt. Die Eigengefährdung dadurch ist gut überschaubar, jedoch sind andere Seilschaften in der Wand oder im Einstiegsbereich gefährdet. Daher nur dann Abseilen, falls man die Wand für sich alleine hat, sonst wählt man besser den Fussabstieg.

Dieser Shot und ebenso wenig der Spruch dazu darf natürlich nicht fehlen: "la fille n'est plus parmi les  petites, mais la paroi reste parmi les grandes". Man vergleiche mit den früheren Editionen: Ponant Neuf (6a+)Marmotta Impazzitta (6c), Feu Sacré (7a).  

Wir packten unsere Sachen und liefen bei schöner Abendstimmung zügig zurück zur Passstrasse. Der Galibier bzw. der Tour Termier hatte wieder einmal geliefert, was wir uns versprochen hatten. Und natürlich ist die Vorfreude auf die Rückkehr gross. Spannende Projekte gibt's gleich noch mehrere, für den nächsten Besuch müssen wir uns aber steigern: diese Routen sind alle anhaltend im siebten Franzosengrad und 7a obligatorisch. Ob das dannzumal dann eine (Vorstiegs-)Aufgabe für den immer älter werdenden Herr oder die immer stärker werdende Dame ist, werden wir dann ja sehen 😎

Facts

Tour Termier - L'Usure du Temps 7c+ (6c obl.) - 8 SL, 270m - Desseux/Voldoire 2005 - ****;xxxx
Material: 2x50m-Seile (zum Abseilen besser 2x60m), 14 Exen, Cams/Keile nicht nötig bzw. einsetzbar

Hervorragende alpine Sportkletterroute, welche durch steiles, wasserzerfressenes Gestein führt. Ein bisschen ähnlich wie am Rothorn im Berner Oberland oder auch in Taghia, so sagt man. Nach meinem Gusto reicht's nicht ganz für die vollen 5 Sterne. Dafür ist die Linie zu wenig luftig-attraktiv, die Kletterei zu wenig aussergewöhnlich und der Fels zu wenig durchgehend perfekt. Also schon sehr, sehr gut, aber irgendwie fehlt mir persönlich der Wow-Effekt, den es für die Höchstnote zwingend braucht. Die Kletterei ist relativ anhaltend im 6bc-Bereich, die schwierige(re)n Stellen sind jeweils kurz. Die Absicherung mit verzinktem Material (Fixé-Plättli, Zustand 2024 gut) ist meist prima. An den Schlüsselstellen sogar eher xxxxx als nur xxxx, jedoch gibt's ein paar 6bc-Stellen, wo man dann doch auch über dem Haken etwas bieten muss. Und die angegebene 6c obligatorisch findet man spätestens in der letzten Seillänge definitiv. Als gedruckte Literatur gibt's (glaube ich) nur den Oisans Nouveau, Oisans Sauvage. Sehr nützlich sind die Hinweise auf C2C, wo man auch gleich mehrere Topos vorfindet.

Dienstag, 17. September 2024

September-Skitour zum Rütistein (2025m) & Fidisberg (1919m)

Nachdem wir am Samstag davor noch bei sommerlicher Wärme am Klausenpass am Fels gewesen waren, folgte in der Woche darauf ein massiver Kaltlufteinbruch mit Schneefall bis unter 1000m, ein aussergewöhnliches Ereignis für die Jahreszeit von Mitte September. Wie meine Analyse mit Schneestationen und Webcams zeigte, war oberhalb von 1400m eine sehr solide Schneedecke vorhanden. Nachdem auch noch ein sonniger Sonntag mit einer klaren Nacht davor angekündigt war, so gab es keine Zurückhaltung mehr. Die Skiausrüstung wollte aus dem Keller geholt werden, weniger als 4 Monate nachdem sie dort verstaut worden war.

* Aus Gründen der Aktualität folgt hier nun zuerst dieser Bericht, bevor es dann wieder chronologisch weitergeht mit weiteren Kletterblogs aus den Sommerferien, sowie tollen MSL-Routen und Neutouren aus der Schönwetterzeit unmittelbar danach.

Sicht von der Kapelle (ca. 1600m) auf (v.l.n.r) Fidisberg, Pfannenstöckli, Rütistein und Twäriberg.

Bei der Planung galt es, sich eine gute Strategie zurechtzulegen, bzw. den Sweet Spot für die Tour zu finden. Naturgemäss war es in den höheren Lagen kälter gewesen und hatte etwas mehr Schnee gegeben. Dafür ist dort das Gelände rauer und steiniger, so dass es auch deutlich mehr davon braucht, um gut touren zu können. Meine Überlegungen konvergierten schliesslich zum Ybrig: das erforderte keine weite Anreise, mitunter war da am meisten Schnee gefallen und der Wiesenuntergrund im Gebiet der Druesberghütte versprach minimal holprige Tourerei. 

Impressionen vom Weg zum Schnee.

Den Rütistein und einige Konsorten (Piet, Pfannenstöckli) hatte ich bisher erst ein einziges Mal besucht. Das war noch ganz zu Beginn meiner Tourenkarriere vor über 30 Jahren gewesen. Seither hatte mich das Gebiet nicht mehr stark angezogen. Die Gipfelregionen müssen zuerst mit einem Waggel über Pisten und Wege erreicht werden, der Start aus dem schattigen Weglosen-Kessel dünkt mich im Winter eher bedrückend, noch dazu der dortige Andrang mit dem Skigebiet, gemixt mit dem für Tourengänger unsympathischen Parkregime - naja. Die erwähnten Pisten resp. Strassen sollten mir nun aber zum Vorteil werden, konnte doch mit dem Bike bequem zum Schnee gefahren werden. Das Zweirad diente dann auch gleich noch als "Stinkefinger für die Parkplatzabzocker", um es mit dem auf Social Media erlernten Vokabular auszudrücken.

Erstes Weiss am Boden auf ca. 1100m, dazu der Blick auf Fidisberg, Schülberg, Pfannenstöckli, Rütistein und Twäriberg.

Jedenfalls, ich startete in Unteriberg, zuerst mit einem Einrollen bis Weglosen, dann steiler bergan in Richtung vom Chäserenwald. Ab ca. 1200m lag Schnee, ab 1300m so viel, dass man selbst im Wald auf dem Trassee mit den Ski hätte gehen können. Nachdem die Strasse aber mit PWs befahren worden war, konnte ich in den festgefahrenen Spurrinnen noch bis zum Waldausgang (P.1420) fahren, wo ich mein Gefährt deponierte und auf die Ski wechselte. Erfreut stellte ich fest, dass der Schnee in der kalten Nacht hatte gefrieren können. Die Decke war also kompakt und tragend, was mir einen zügigen Aufstieg in Richtung der Druesberghütte erlaubte. Kaffee und Kuchen hätte es da gegeben, doch ich ignorierte dies und zog gleich weiter dem Rütistein entgegen.

Das war eine richtige Skitour bei winterlicher Stimmung! Hier an der Gipfelkrete vom Rütistein.

Höher oben war die Schneedecke immer noch kompakt, nun jedoch mit einer pulvrigen Auflage versehen. Die Bedingungen fühlten sich richtig winterlich an und versprachen eine genussvolle Abfahrt. Dies manifestierte sich umso mehr im sehr stimmungsvollen Schlussaufstieg auf dem Gipfeldach und dem finalen Grat entlang. Ganz alleine war ich in dieser weiten Gegend unterwegs, zudem gab es nördlich von mir ein Wolkenmeer, das ein wenig tiefer lag als ich - genial! Am Gipfel herrschten angenehme Bedingungen für eine gütliche Pause, bevor ich mich zur Abfahrt vorbereitete und diese dann bestritt. Es liess sich prima Skifahren - natürlich nicht in einem halben Meter stiebendem Powder. Aber definitiv lohnender, wie dies oft im Hochwinter der Fall ist.

Gipfelkreuz am Rütistein mit Blick zu Mieserenstock, Höch Hund, Chläbdächer und Druesberg.

Zurück bei der Kapelle oberhalb der Druesberghütte schien es mir verfrüht, nun schon nach Hause zu gehen. Am effizientesten wäre es bestimmt gewesen, in der nun vorhandenen Spur nochmals auf den Rütistein zu fellen. Doch das war mir zu repetitiv und noch viel mehr sprach mein Entdeckergeist dagegen. Der wurde nämlich von den famosen Hängen am Fidisberg gelockt, welche bei den vorherrschenden Bedingungen eine fantastische Abfahrt versprachen. Der Nachteil war in diesem Sinne, dass zuerst 1km an (mehr oder weniger) Flachlauf zu absolvieren war, um an den Fuss dieser Flanke zu kommen. Aber ich hatte ja Zeit und obendrein war es ein Genuss, durch die winterliche Landschaft zu schreiten.

Am Rücken vom Fidisberg, prominent in Bildmitte der schwierig zu erreichende Schülberg.

Am Fidisberg fand ich dann genau das, was ich gesucht hatte. Also zuerst einen Gipfel, den ich bisher noch nie besucht hatte. Und danach eine absolut tolle Abfahrt auf kompakter Unterlage mit etwas sulzig-feuchter Auflage - wie bei einer richtig guten Frühlingstour, Genuss pur! Ich liess die Bretter laufen, bis ich am Waldrand angelangt war. Nun hiess es nochmals die Felle zu montieren, um zurück zur Schülberghütte zu laufen. Von dort folgte eine letzte Abfahrt retour zum Bikedepot. Hier waren die Conditions nun nicht mehr so berühmt. Der Schnee war schon pflüttrig geworden, weiter unten begann er schon mehr und mehr, seinen Aggregatszustand zur flüssigen Form zu wechseln. Das war der Lauf der Dinge, der in den Folgetagen die Hänge wohl wieder grün machen würde.

Absolut tolle Bedingungen und eine geniale Abfahrt auch am Fidisberg - so macht's Freude!

Auf jeden Fall war ich froh, dieses (vermutlich kurze) Wintermezzo genutzt haben zu können. Es markiert den frühesten Saisonstart in 35 Jahren an Skitourenaktivität. Zuvor war der früheste Startpunkt bei der Tour auf den Gulmen am 27. September 2020 gelegen. Die damalige Rekordverbesserung war gegenüber dem 18. Oktober 2003 und der damaligen Tour zum Pischahorn durch das Mattjisch Täli gewesen. Der späteste Zeitpunkt für eine Tour ist schon lange her und datiert immer noch auf dem 3. Juli 1995 mit dem Ausflug zum Galenstock. Somit fehlt mir einzig noch der August als Skitourenmonat. In diesem Sinne war der Schneefall im 2024 also gute zwei Wochen zu spät gekommen...

Facts

Unteriberg (925m) - Chäserenwald (P.1421) per Bike (8.8km, 500hm)
Chäserenwald - Rütistein (2025m) - Abfahrt zur Kapelle (1600m), 600hm Aufstieg
Kapelle - P.1697 - Brücke auf ca. 1660m - Fidisberg (1919m), 300hm Aufstieg
Fidisberg - Untergänigen (1600m) - Schülberghütte (1700m), 100hm Aufstieg
Abfahrt zum Chäserenwald (P.1421) und retour nach Unteriberg per Bike

Samstag, 14. September 2024

Le Ponteil - Rôle en Dalles (6c)

Es war wieder einmal Zeit für einen Tag Abstinenz vom steilen Sportklettern. Unsere Devise war, es den Radfahrern an der Tour de France gleichzutun. Die machen an ihrem Ruhetag auch keine Pause, sondern strampeln eben mal 150km in (relativ) gemütlichem Tempo ab, um im Rhythmus zu bleiben. Des Vertikalathleten Pendant zu dieser Strategie ist das Klettern einer schönen Recovery-MSL mit ein paar genussreichen Seillängen. Das attraktive Gesamtpaket von einfacher Zugänglichkeit per Bike, nachmittäglichem Schatten und spannend-steiler Kletterei sprachen erneut für das Gebiet von Le Ponteil, dieses Mal war Larina mit von der Partie.

Sicht auf die S-Wand vom Gebiet Le Ponteil mit dem Verlauf der Rôle en Dalle (6c)

Allzu viele Routen kenne ich an dieser Wand noch nicht (Surplomb Jaune, Nid d'Aigle), aber nach einhelliger Meinung sei die von uns anvisierte Rôle en Dalles die beste Route im Gebiet. Was natürlich die Frage aufwirft, ob es denn weise ist, beim ersten (oder einem der ersten) Besuche in einem Gebiet gleich die beste Route zu klettern. Was kommt denn danach?!? Eigentlich gibt's nur zwei Optionen, entweder 1) gibt man sich danach mit weniger (Schönheit) zufrieden, oder 2) man zieht weiter zum nächsten Gebiet, um dort auch wieder (nur) die schönste Route zu klettern. So richtig das Gelbe vom Ei ist weder das eine noch das andere, jedenfalls führt die ausschliessliche Jagd nach dem Perlen vielleicht nicht unbedingt zu nachhaltiger Befriedigung beim Klettern, so scheint es mir die Logik zu diktieren. Nun denn, die snobistische Haltung zuerst bzw. nur die besten Routen zu klettern ist mir generell fremd, an diesem Tag war aber die Rôle en Dalles trotzdem das am besten passende Projekt, für die anderen Linien an der Wand kommt die Gelegenheit hoffentlich auch einmal.

Das Panorama vom Einstieg - es ist wirklich ein sehr schöner Ort zum Klettern!

Mit dem Bike gondelten wir, so wie ich es kürzlich schon mit Jerome gemacht hatte, die ca. 10km hinauf nach Le Pont (P.1447). Auch für die Rôle en Dalles startet der Zustieg bei der Infotafel, von wo man in 10 Minuten zur Wand gelangt. Eigentlich ist der Start angeschrieben (nicht so gut lesbar), aber die Routendichte ist so hoch, dass es trotzdem nicht ganz trivial ist, die richtige Linie zu verfolgen. Auch die Topos entschlüsseln die Sache nicht einwandfrei, am besten beschreibt die Situation meines Erachtens der Oisans Nouveau, Oisans Sauvage (ONOS). Jedenfalls startet die Rôle en Dalles gemeinsam in der steilen Verschneidung mit der Les Diables und hält sich dann im weiteren Verlauf an die Rampe links der Verschneidung. Um 13.50 Uhr ging es los mit der Kletterei, dies bei angenehmen Bedingungen. Damit man diese im Sommer vorfindet, ist eine gewisse Planung nötig. An diesem Tag im enorm heissen Sommer 2024 waren die Temperaturen für einmal ca. 5 Grad tiefer angekündigt, zusätzlich minderten Schleierwolken die Einstrahlung der Sonne, welche die Wand am Nachmittag sowieso nur noch seitlich bescheint und es ging ein thermischer Wind - so passte es perfekt.

L1, 30m, 6b+: Zuerst gut 10m steil durch die Verschneidung an speckigen Henkeln gemeinsam mit der Les Diables, nachher sehr schöne Tropflochkletterei in der Wand links der Verschneidung. Die Crux an ein paar Tropflochleisten gegen das Ende hin, da muss man sich durchaus mal kurz festhalten! Wer möchte, kann diesen Abschnitt komplett durch die Verschneidung einfacher umgehen, dort führt eine in den meisten Topos nicht verzeichnete, gut mit BH abgesicherte Route/Variante durch, welche offenbar bei 6a+ eincheckt.

Sehr schöne Tropflochkletterei im oberen Teil von L1 (6b+), fast wie im Gufechüssi auf der Galerie.

L2, 25m, 6a+: Steile Wandkletterei im Tropflochgelände, toll! Die Crux im Wandstück kurz vor dem sehr bequemen Standband, da muss man sich schon wirklich festhalten für eine 6a+. Vielleicht in etwa so wie in der Crux vom Zigerchrapfe (hart 6a+) auf der Galerie, wenn wir schon dabei sind, derartige Vergleiche zu ziehen.

Das Finish von L2 (6a+) hat es in sich!

L3, 20m, 6c: Fulminanter Auftakt in drückender Wand, athletisch und technisch-knifflig zugleich. Topoguide bewertet hier mit 6c+/7a, in diese Richtung zielen auch die Berichte auf C2C, wobei jene Autoren die Stelle meist nicht klettern konnten. Uns gelang dies und wir fanden die 6c schon taff, im Vergleich zum Rest aber nicht extrem unpassend. Dann ist es noch so, dass eine harte 7a in Céüse definitiv höhere Anforderungen stellt... aber ob dies die Messlatte sein soll, ist dann halt auch wieder fraglich. Jedenfalls, nach der anfänglichen Cruxzone legt sich das Gelände etwas zurück, eine Rissspur will erobert werden. Eine Special-Mention verdient noch das Finale, wo es vor allem die richtige Beta zu erkennen gilt.

"Think lateral" heisst es am Ende von L3 (6c) bei dieser fotogenen Stelle.

L4, 15m, 5b:  Schöne, steile Wandkletterei, welche man vermutlich besser mit einer 5c bewerten würde. Es ist eine eher kurze Seillänge, welche an L3 angehängt werden könnte, wenn man genügend Exen mitführt. Wobei auch die Kombo L4/L5 fast noch besser möglich ist und auch weniger Hardware erfordert.

L5, 25m, 4b: Generell nur eine Übergangslänge durch den Gemüsegarten, die paar Moves vom Stand weg in plattigem Fels haben es allerdings durchaus noch in sich! Ich bin logisch gerade hoch aufs Band zu einem Kettenstand geklettert. Die Fortsetzung im steilen, roten Fels sieht sehr attraktiv aus, hierbei handelt es sich jedoch um die FOMEC. Wer auf der Rôle en Dalles bleiben will, muss...

Ein attraktiveres Foto kriegt man da kaum hin: die letzten Meter der Kombo L4/L5 (5b, 4b).

L5bis, 25m, 2a:  ...auf dem Band ca. 10-15m nach links queren, dann über eine einfache Stufe eine Etage höher steigen und am Fuss einer steilen Verschneidung Stand beziehen (zur Zeit unserer Begehung war da ein Stein mit stark verblasster Aufschrift vorhanden). Ab Stand 3 reicht das Seil sicher nicht bis dahin.

L6, 25m, 6b: Geniale 3d-Turnerei durch die eindrückliche Verschneidung hoch - immer schön fordernd, aber genau dann, wenn's nötig ist, taucht wieder wieder eine Struktur auf, welche die Sache im 6b-Rahmen hält. Toll!

L7, 25m, 6b+: Hier verlässt man die Verschneidung nach links hinauf und klettert in fantastisch schönem und auch 45 Jahre nach der Erschliessung noch beinahe jungfräulich wirkendendem Tropflochfels (schaffen es viele von den Anwärtern etwa nicht bis hier hinauf?). Es gibt nur eine kurze Crux, die für 6b+ gutmütig ist. Man könnte auch mit 6a+ bewerten, wir fanden die Länge einfacher wie L1, L2 oder L6. Der Stand am Ende links und eher unbequem, alternativ gleich gerade hinauf ins Gemüse und Stand am BH vom Drahtseil machen. Tipp: der Link von L6/L7 ist mit 50m-Seilen möglich, allerdings braucht es ca. 17-18 Exen, wenn man alle Bolts klippen will. Ich habe jeweils dort, wo sie eng stecken die untere Exe wieder mitgenommen, so ging es auch gut mit nur 12 Stück.

Sehr schöner, rauer Tropflochfels in L7 (6b+).

Um 16.50 Uhr waren wir nach ziemlich genau 3:00h Kletterei am Top - natürlich mit einer beidseitigen Onsight/Flash-Begehung. Dies war nicht die grosse Challenge gewesen (welche wir ja auch nicht gesucht hatten), doch ein wenig anstrengen mussten wir uns dann doch einige Male. Aber das entsprach genau unserem Gusto. Obwohl im ONOS strikt davon abgeraten wird, wäre das Abseilen über die Route/Wand in 3x oder 4x ziemlich sicher die schnellste und beste Abstiegsvariante (zumindest wenn keine anderen Seilschaften präsent sind, was bei uns der Fall gewesen wäre). 

Der Vorteil vom Abstieg zur empfohlenen Abseilvariante: man sieht den oberen Teil der Wand sehr schön im Profil. Und da zeigt sich, dass dass Terrain da schon richtig steil ist!

Wir hielten uns indessen ohne viel zu überlegen an die empfohlene Option und stiegen zu Fuss zum Top von Nid d'Aigle ab. Der Weg dahin war weiter als gedacht, der Pfad in den Schrofen ob der Wand ist nicht so ausgeprägt und teils recht ausgesetzt (an einigen Stellen sind Drahtseile vorhanden). Die letzten 5m von der Kanzel ob der SE-Wand müssen dann an einem (maroden) Fixseil noch abgestiegen werden, bevor zwei sehr bequeme, steile ja teils freihängende Abseiler (50m, 40m) zurück auf den Boden führen. Von da brachte uns ein kurzer Marsch zu den Velos und wenig später waren wir nach einer Schussfahrt retour bei unserem Camp. Sehr zufrieden, denn das war wirklich eine prima Art gewesen, an unserem Ruhetag noch zu etwas Bewegung zu kommen.

Steile Abseilerei über Nid d'Aigle.

Facts

Le Ponteil - Rôle en Dalles 6c (6b obl) - 7 SL, 190m - M. & JJ. Rolland 1978 (!!!) - ****;xxxx
Material: 2x50m-Seile, 12 Express, Cams/Keile nicht nötig

Die Route bietet 4.5 SL mit wirklich superschöner Tropflochkletterei, dazu in Wandmitte zwei einfachere Überführungsabschnitte. Meist handelt es sich um Wandkletterei und doch wird einem Abwechslung geboten mit 3d-Verschneidungskletterei und Risspassagen. Das einzige was fehlt ist das Feeling einer grossen MSL-Tour, dafür ist die Route dann doch eher zu kurz, zu wenig isoliert bzw. zu fest im Gemüse rundherum eingebettet. Auf jeden Fall ist es aber eine prima Möglichkeit, bei überschaubarem Aufwand und Zeitbudget mehrere Seillängen am Stück zu klettern. Bei geschickter Planung ist dies auch im Sommer möglich, die Vorzüge der Wand zeigen sich umso mehr in der kälteren Jahreszeit, wobei man dann tageszeitlich früh genug starten sollte. Die Absicherung der Route mit verzinkten BH ist sehr gut ausgefallen. Nicht ganz so eng wie in den Routen von JMC, aber doch so, dass man eigentlich alle schwierigen Passagen ab ca. 6a+ mit Griff zum Haken entschärfen kann. Um die Route weitgehend frei und zügig absolvieren zu können, sollte man jedoch schon über ein Onsight-Niveau von 6b/6b+ verfügen, die Cruxpassage verlangt dann noch ein wenig mehr (ist aber A0 machbar). Topos von unterschiedlicher Qualität findet man im ONOS, im Briançon Climbs, im Plaisir Sud, im Topoguide Band III und womöglich weiterer Literatur. Sehr nützlich wie immer auch die Beiträge auf C2C.

Dienstag, 10. September 2024

Le Ponteil - Nid d'Aigle (6a)

Beim steilen Sportklettern hält sich Jerome meist vornehm zurück - nun aber war er am Restday von den Girls dazu beordert worden, mit dem Papa eine MSL zu klettern. Dies vielleicht insgeheim nach dem Motto "lieber er als ich", aber schlussendlich wurde das so geschickt kaschiert, dass der Deal für alle stimmte. Ein passendes Ziel zu finden, war dann gar nicht so einfach: an diesem Tag war das sonst so stabile Wetter auf nachmittägliche Schauer eingestellt, es herrschten brütend heisse Temperaturen und nicht zuletzt durfte auch der Anspruch nicht zu hoch liegen. Da scheint es womöglich verrückt, an die selbst im Winterhalbjahr kletterbare Paroi du Ponteil zu pilgern - Bewölkung und Wind sei Dank ging der Plan jedoch bestens auf, wir konnten eine spannend-spektakuläre Route bei angenehmen Bedingungen klettern.

Die fantastische, steile Wand von Le Ponteil mit dem Verlauf der Nid d'Aigle (6a).

So fuhren wir vom Basecamp mit den Bikes die ca. 10km hinauf nach Le Pont (P.1447), wo der Zustieg bei der Infotafel startet und einen in ~10 Minuten an den Fels bringt. Man passiert dabei zwei Verzweigungen, beide Male heisst es die rechte Spur zu nehmen. So gelangt man mehr oder minder direkt zum Einstieg, welcher angeschrieben ist ("50" und weniger deutlich, "Nid d'Aigle"). Wir schirrten uns auf und starteten um 11.15 Uhr in die Route. Die ersten der versprochenen Wolken tauchten langsam aber sicher am Himmel auf und ermöglichten uns die Kletterei bei angenehmen Bedingungen. Sonst wäre es im Sommer noch eine Option, erst um ca. 14.30 Uhr mit der Kletterei zu beginnen, wenn die Sonne um die Ecke verschwindet.

Steil bergauf geht's nach Le Ponteil (ca. 600hm von der Talsohle).
Unzweifelhaft, hier startet die Route!

L1, 25m, 4b: Über eine erste Stufe hinauf in nochmals einfaches Gelände. Da besser nicht stürzen, denn der zweite Bolt steckt hoch, ein "retour au sol" würde da sehr ungünstig enden. Dann folgt tolle Kletterei rechts hinauf in orangem Fels mit irrer Tropflochstruktur - unglaublich für den Grad. Man erreicht einen ersten Stand (BH und NH), derjenige 4m weiter rechts mit 2 BH liegt eher besser.

Super Tropflochkletterei in L1 (4b) - da kriegt man etwas geboten für den Grad!

L2, 25m, 4c: Man quert weiter nach rechts in erneut toll strukturiertem Tropflochfels. In der Mitte der Seillänge orientiert man sich dann über eine Rampe nach links hinauf. Achtung, hier besteht eine gewisse Gefahr, sich zu verkoffern. Links auf dem korrekten Routenverlauf sind die Haken nämlich nicht sichtbar (es kommen aber welche), während einem fixes Equipment nach rechts lockt. Der Stand befindet sich dann auf einer sehr bequemen Terrasse - die zwei unverbundenen BH rechts liegen für die Fortsetzung geeigneter wie der Ketten-Abseilstand links.

Les Français disent 'magnifique'!

L3, 30m, 4c: Für diesen Abschnitt gibt es zwei Möglichkeiten (plus die Option, sich in die nach rechts führende La Martine zu verkoffern): entweder die Verschneidung in hellem Fels gerade hinauf (5c) oder die liegende Platte weiter links. Das ist recht gängig, aber dünkte mich doch klar schwieriger wie L1 und L2. Oben auf der nächsten horizontalen Verwerfung quert man dann nach rechts zurück. Diese Traverse ist v.a. für den Nachsteiger nicht optimal gesichert (Keil oder kleiner Cam nicht unnütz, da ich selbiges nicht dabei hatte, war auch mit einer Knotenschlinge für Sicherheit zu sorgen, das Placement ist super).

Auch hier in der 4c-Version von L3 wartet hervorragende Tropflochkletterei.
Die Traverse am Ende von L3 (4c) ist easy, aber für's hintere Seilende ohne mobile Ergänzung nicht optimal gesichert.

L4, 25m, 6a: Los geht's mit einer steilen Verschneidung - auch hier ist das helle Gestein grundsätzlich von prima Qualität, dann aber auch etwas glatt anzufassen. Dass hier schon hunderte von Klettererhänden nach Halt gesucht haben, macht das auch nicht unbedingt besser. Geht aber schon - mit geschicktem Placement ist's gar nicht mal so anstrengend und geht prima auf. Das gilt dann nicht unbedingt für das folgende Dach mit der Crux: es ist rasch vorbei und vorzügliche Henkel hat es auch, aber herrlich kräftig ist es eben dennoch. Bald darauf folgt der Stand erneut auf einer bequemen Terrasse. Hier wird man sich gewahr, dass die gesamte Überhangzone, welche man vorher beklettert hat, eigentlich aus vom Fels losgelöstem Gestein besteht und ein breiter Spalt klafft. Irgendwie wirkt das alles ziemlich absturzbereit... aber solange die Häuser unterhalb noch bewohnt sind und die Strasse nicht gesperrt, wird es wohl nicht so gravierend sein (oder es hat's einfach noch niemand bemerkt, der dafür verantwortlich wäre).

"Das isch Musig!" - super steile und henklige Kletterei zeichnet die Cruxlänge (L4, 6a) aus.

L5, 25m, 5c: Nochmals eine coole und sehr steile Seillänge, die als frühen Programmpunkt gleich ein markantes Dach bereithält. Auch nicht ganz einfach, aber doch eine Runde zahmer als dasjenige in L4 kommt es schliesslich daher. Steil und griffig geht's dann mit einer kleinen Rechtsschleife dem Top entgegen. Die Absicherung ist auf der zweiten Hälfte der Seillänge eher weit und die Blöcke da am Ende sind auch nicht alle topsolide - vermutlich hält aber alles, auch wenn der Kletterer wie ein Ochse selbst am bedenklichsten Stein zieht.

Steil, luftig und gutgriffig geht's auch in L5 (5c) zur Sache.

Kurz vor 13.00 Uhr hatten wir nach 1:45 Stunden sehr vergnüglicher Kletterei das Routenende erreicht. Ein kurzes Fixseil würde hinauf ins einfache Gelände führen, wo man bei nachfolgenden Seilschaften auch zur Abseilpiste gelangen könnte, die wir damals nach der Surplomb Jaune genutzt hatten. Da wir alleine in der Wand waren, sparten wir uns diesen Aufwand und seilten gleich über die Route in die Tiefe. Steil, ja teilweise freihängend geht's gestreckte 50m hinunter zur Terrasse, wo sich Stand 2 befindet. Von da sind es dann weitere 40m bis zum Turnschuhdepot am Einstieg. Zufrieden mit der tollen Tour packten wir unsere Ware zusammen, stiegen ab zum Bikedepot und rollten in rauschendem Tempo zurück ins Tal - mit kurzem Zwischenstopp beim Brunnen mit 'eau potable' in Champcella, denn trotz der angenehmen Bedingungen hatte es doch einen rechten Durst gegeben.

Facts

Le Ponteil - Nid d'Aigle 6a (5c+ obl.) - 5 SL, 130m - JJ. & M. Rolland 1973 - ***;xxxx
Material: 2x50m-Seile, 10 Express

Kurze, aber eindrückliche MSL, welche dem leichtesten Weg durch eine irre steile Wand folgt. In den steilen Abschnitten warten anstrengende Verschneidungen und kräftige Henkeldächer. Auf den geneigteren Wandabschnitten findet man hingegen aussergewöhnliches Tropflochgestein, gerade für diesen tiefen Schwierigkeitsgrad. Vielerorts liest man, die Route sei stark abgespeckt. Ich glaube, das teilweise wie marmoriert wirkende Gestein war da schon immer glatt. Logischerweise ist es nach 50 Jahren intensiver Nutzung nicht rauer geworden - aber lohnend Klettern kann man da auf jeden Fall noch immer. Mehr Argwohn verursachen mir hier schon die teilweise massiven, halb losgelösten, überhängenden Felspakete (welche die zu überkletternden Dächer definieren), die da in dieser Verschneidungslinie hängen. Für die geologische Ewigkeit haben die sicher nicht Bestand... doch wann deren Stunde gekommen ist, steht natürlich auch in den Sternen. Die Absicherung mit verzinkten BH ist gut, aber nicht so üppig, wie man es aus den teils sehr konsumentenfreundlich präpariertem JMC-Touren kennt. Eine 5c sollte man schon solide Vorsteigen können, damit man hier Spass hat. Topos findet man z.B. im Briançon Climbs, dem Oisans Nouveau, Oisans Sauvage, im Plaisir Sud oder im Topoguide Band II.

Mittwoch, 4. September 2024

Tête de Gaulent - Les promesses de l'aube (6c+ oder 6a+ A0)

Restday - das war das Motto für diesen Sonntag. Auch mir war ein gemütlicher Vormittag nach viel strenger Sportkletterei nur recht. Faulenzen wird aber doch bald einmal weniger spannend wie auf Entdeckungsreise gehen und so lockte mich das tolle Wetter doch noch für einen Ausflug in die Berge. An die Tête de Gaulent sollte es gehen, wo ich im 2018 mit Larina die Top-Plaisirtour Gaulent Tement geklettert hatte. Das war ein mit dem Bike erreichbares Gebiet, es gab mit der Promesses de l'Aube ein in Sachen Schwierigkeit, Absicherung und Länge ideales Ziel für ein Rope Solo und dank der SE-Exposition mit Einstieg auf 2600m würde man spätnachmittags auch an einem der wärmsten Tage im 2024 angenehm klettern können. Also packte ich meine Ware und los ging's!

Sicht auf das Massiv der Tête de Gaulent. Alle anderen modernen und gut abgesicherten Routen befinden sich am linken (Vor)gipfel, in der Wand rechts gibt's nur die hier eingezeichnete und von mir gekletterte Promesses de l'aube. Der eigentliche Gipfel der Tête bietet keine Kletterrouten und ist noch weiter zurückversetzt.

In meinem Fall mit einer längeren Bikestrecke, aber auch mit dem Auto ist für die Fahrt zum Ausgangspunkt viel Sitzleder nötig! Die Schotterpiste hinauf nach Tramouillon (1950m) ist lang und ruppig - Rätikonstyle. So wie ich mich von meinem letzten Besuch erinnerte, rechnete ich mir gute Chancen aus, mit dem Bike noch ein Stück weiter fahren zu können. Das materialisierte sich, auf 2250m war schliesslich Bikedepot und Zeit für eine Pause. Puh, das hatte doch schon einige Körner gekostet: mit dem Auto nach Tramouillon zu düsen und dann zu Fuss zu gehen ist sicher die weniger anstrengende Lösung. Aber auf die war ich natürlich nicht ausgerichtet, der autofreie Triathlon Bike, Hike & Climb war genau meine Absicht.

Bikedepot... aus dem Talboden sind es 1300hm bis dahin.

Weiter ging's zu Fuss, bald kreuzte ich eine Seilschaft, die mich wie einen Ausserirdischen musterten. Sie hätten nach der Gaulent Tement noch eine zweite Route (die hier von mir beschriebene) klettern wollen, aber es sei viel zu heiss gewesen. Meine Antwort: "ça va bientôt passer à l'ombre" - bald kommt der Schatten 😎 Das willst du zu dem Zeitpunkt vermutlich nicht hören, erst recht nicht von einem Schweizer Mr. Schlaukopf 🤓 Jedenfalls, das letzte Stück zur Wand hoch zog sich. Unten hat's noch eine dünne Wegspur, oben dann eher nur noch vermeintliche. Ich meine, am besten steigt man nach links ausholend, dann im Bereich links der Geröllreisse, welche von der Wand runterzieht. Oben muss man dann ca. 40hm unterhalb vom Einstieg nach rechts wechseln und umgeht zuletzt einen Vorbau rechtsrum. Der Start der Route selbst bei 2 BH mit Schlinge ist offensichtlich, es ist die einzige Linie in diesem Wandteil. Ein paar Minuten vor 16.00 Uhr startete ich in die Route.

Am Einstieg angekommen. Wie erwünscht verabschiedet sich die Sonne gleich aus der Wand.

L1, 35m, 6a: Am Anfang über einen Aufschwung, dann in grasigem Gelände zur nächsten Wand. Die bietet dann tolle Kletterei in fantastischen Fels - bis auf die eher braun-graue Färbung rätikonlike mit Rauigkeit, Tropflöchern, Dellen, Wasserrillen - das ganze Programm. Der Nachteil: es wirkt ein wenig so, wie wenn man nebenan von einem T6-Hikr überholt werden könnte. Die Crux bei der Querung nach links auf die Kante.

L2, 40m, T5: Wie bereits im Text zu L1 angetönt: gerade im unteren Teil haben wir es hier nicht mit einer kompakten Wand zu tun. So wartet hier ein Schrofenintermezzo mit mehr oder weniger horizontaler Querung einem Fixseil entlang in eine Geröllrinne, am Ende geht's dann noch kurz und leicht mühsam hinauf zum nächsten Stand. Der vorhandene Strick hat definitiv schon bessere Zeiten gesehen, teilweise hängt er nur noch in den Fäden, es ist ihm nicht zu vertrauen.

L3, 30m, 5c: Auch hier wieder die tolle Kletterei in einer kompakten Wand mit rätikonlikem Fels. Zu einem grossen Teil geht das wirklich gut, nur in einer kurzen Querung in der Mitte heisst es, seine Moves sorgfältig zu planen. Ich fand das gar nicht mal so einfach. Wenn bei den Franzosen der Grad 5c+ nicht so stiefmütterlich behandelt würde, wäre es vielleicht zum Einsatz gekommen.

L4, 40m, 5c: Diese Länge folgt zuerst einem kurzen Grat und macht dann eine grosse Rechtsschleife. In Seilschaft ist da der Seilzug programmiert. Als Rope Soloist ist der kein Thema, trotzdem hatte ich den Stand nach L3 erst an der hinteren Wand improvisiert (die nahe steckenden BH erlauben dies), was sicher auch zu zweit eine prüfenswerte Option ist. Die Querung klettert sich dann easy, um die Verschneidung zu gewinnen holt man dann noch weiter nach rechts aus wie die seilzugoptimierten BH suggerieren, so ist auch dieser Teil und das Finish recht gängig.

L5, 25m, 5c+: Auch hier kurz nach rechts und gleich steil mit ein paar Zügen am verblockten Riss hoch. Auch wenn's etwas spooky ist, man kann m.E. bedenkenlos an den eingeklemmten Steinen ziehen, die sitzen solide. Der obere Teil führt dann der Kante entlang, die Haken locken einen zu Gunsten von höheren Schwierigkeiten eher auf die rechte Seite, leichter geht's links. Nach einem prüfenden Blick zur Anzahl noch an meinen Gurt baumelnden Expressen entschliesse ich mich, den etwas unbequemen und (v.a.) für's Rope Solo ungünstig platzierten Stand auszulassen und gleich weiterzugehen (in Seilschaft keine gute Option!)

Beim Rope Sole natürlich wieder einmal keine Kletterfotos gemacht. Hier der Blick vom Stand nach L5 auf die freiklettertechnische Crux der Route an diesem splittrigen Wulst zu Beginn von L5. Man geht in links der Bildmitte an und klettert in etwa dort, wo die Gesteinsfarbe von gelbbraun zu weissgrau wechselt (in voller Auflösung sieht man die BH). Dann in die Verschneidung hinein und henklig übers Dach raus - kurze Stelle 6c/6c+.

L6, 25m, 6c/+ oder 6a 2pa: Von der Flachzone weg gleich die Crux mit der als A0 propagierten Passage. Ich hatte mich im vornhinein nicht im Netz schlau gemacht, ob das auch frei geht, wollte es aber auf jeden Fall probieren. Jedenfalls, es stand schon zuvor im Netz und nun ist's auch hier festgehalten: es geht und es ist noch nicht einmal extrem viel schwieriger wie der Rest der Route. Jedenfalls: die Wand hat hier kurz einen splittrigen Gürtel. Ich habe in diesem Bereich eigentlich keinen Griff genutzt. Oberhalb findet man zum Greifen kleine Tropflochcrimps - dann heisst's 1x im splittrigen Fels antreten (da gibt es schon zuverlässig-solide Tritte, nur halt keine guten). So sind es quasi 2 Moves, dann hat man einen Henkel in der Hand und muss schauen, wie man athletisch aus der Verschneidung entkommt - dieser Teil gehört auch der der A0-Variante dazu. Der Rest der Länge ist dann leichter verdaulich und folgt einer Art Rampe in Tropflochgelände zum Stand.

L7, 35m, 6b+: Super Abschlussbouquet zur Route - steil, eindrücklich und luftig! Los geht's griffig und entlang von Rissen, wo ich sogar ein paar Jams gesetzt habe. Schon diesen Teil empfand ich als recht zupfig und als Crux der 6a+ Bewertung entsprechend, welche JMC propagiert. Aber damit ist noch längst nicht fertig, aus einer steilen Verschneidung klettert man rechts um die Kante. Da muss man sich kurz mal echt gescheit festhalten, das sprengt den Rahmen von 6a+ definitiv. Nach ein paar Zügen in flacheres Gelände wartet dann noch eine feine Linksquerung und das einfachere Finish, welche im Vergleich zum Rest der Route eher luftig gesichert sind.

Schon beim Ausräumen der steilen und luftigen L7 (6b+). Die Crux besteht bei der Querung nach rechts aus der Verschneidung raus (da wo das Seil sichtbar ist). 

L8, 20m, 4c: Hm, das sieht schon a priori eher bof bof aus und für ein einfaches Abseilen ist der Weiterweg auch nicht so günstig. Aber meine Meinung zum verfrühten Abbrechen von MSL ist ja bestens bekannt und hier gibt's sogar noch einen Gipfel zu besuchen. Ich spekuliere, dass ich mit meinem 70m-Seil nach L7 gleich weiter und dann auch ausräumen kann, ohne nochmals runter zu müssen - das ging grad auf (mit Abziehen und nochmals fädeln an Stand 7). Sonst gibt's zu dieser Länge wirklich nicht viel zu sagen, die Kletterei an einer Art Grat und zuletzt über einen Aufschwung ist nicht schön und der letzte Stand ist unbequem platziert. Allerdings ist's auch schnell erledigt.

Vom Gipfel bietet sich ein super Panorama über unsere geliebte Feriengegend 😀

Natürlich machte ich den kurzen Abstecher zum Gipfel. Eigentlich ist's nur ein Turm vor der eigentlichen Tête de Gaulent, aber doch eigenständig und vor allem mit 360 Grad Rundumsicht - genial schön da oben! Die Uhr zeigte 17.50 Uhr, somit hatte ich etwas weniger als 2:00h gebraucht - super zügig also. Wie gewünscht hatte ich alles schön am Schatten bei angenehmen Bedingungen klettern können, da war die Planung perfekt aufgegangen. Das Abseilen führte ich dann genau so aus wie im ONOS und im Plaisir beschrieben. Die Abseilstellen messen wirklich nicht mehr wie die dort angegebenen 35m. Allerdings muss man im Bereich von L2 zuerst etwas mühsam im Geröll absteigen und dann dem Fixseil entlang zurück zu Stand 1 gehen (wobei längere Seile da nur beschränkt helfen, man wird sowieso ein Stück zu Fuss absteigen müssen, was für meinen Geschmack problemlos ist).

Zurück am Einstieg - faut pas trainer...

Einmal zurück am Einstieg (18.20 Uhr) sah es so aus, als ob der Giftpilz auf der gegenüberliegenden Talseite mich tatsächlich noch behelligen könnte. Also rasch die Ware gepackt und zügig zum Bikedepot (18.40 Uhr), dann erst in holpriger, später in rauschender Fahrt die 18km zu Tale mit Basecamp an um 19.10 Uhr. Warum ich die Zeiten hier so genau nenne? Weil ich diese erst jetzt anhand der Fotos rekonstruiert habe und es selbst kaum glauben kann, dass Gipfel-Camp in 80 Minuten möglich ist, so weit wie dies optisch aussieht! Jedenfalls, das war eine super Tour und trocken bin ich übrigens auch geblieben 😁

Facts

Tête de Gaulent - Les Promesses de l'Aube 6c/+ (6a+ obl.) - 8 SL, 250m - Cambon/Bidault 2010 - ***;xxxxx
Material: mind. 1x70m-Seil, 14 Express, Cams/Keile nicht nötig

Eine wirklich lässige Plaisirroute in meist sehr gutem, rauem und strukturiertem Fels, die jedoch durch eine ziemlich gegliederte Wand führt und so das Feeling einer grossen Unternehmung etwas vermissen lässt. Ich habe hier auch Plaisir geschrieben, meine damit aber etwas anderes als im Plaisir Sud und im OSON (wo JMC zusätzlich schreibt, die Route sei weniger anforderungsreich wie die Gaulent Tement, was m.E. nicht richtig ist). Also, die Beschreibungen suggerieren 6a+ mit 3pa und 5c obl. Das dünkt mich klar zu tief, man sollte sich auch mit Hakenhilfe auf 6a+ obligat einstellen, sonst hat man in L7 mehr Stress als Spass. Wenn man die Route freiklettert, so destillieren die Berichte auf C2C zu einer 6c/6c+ in L6 und 6b+/6c in L7. Damit bin ich einverstanden, was nun der genaue Grad ist, muss ich ja nicht zwingend entscheiden. In L6 ging ich mangels Vorrecherche mit der Einstellung rein, dass das möglicherweise noch gar nie freigeklettert wurde und fand es dann überraschend einfach. In L7 war ich in der Vorstellung, dass es auch ohne Hakenhilfe 6a+ oder maximal 6b sein sollte und so empfand ich es als deutlich schwieriger wie erwartet. Abgesichert ist die Route mit verzinktem Material und Fixé-Laschen auf Stufe super. Am meisten engagieren muss man sich in der zweiten Hälfte von L7. Topos findet man wie schon erwähnt das Original des Erschliessers im Oisans Nouveau Oisans Sauvage, dann im Plaisir Sud und auch im Topoguide Band III.