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Montag, 22. August 2022

Tour Termier (3070m) - Le feu sacré (7a)

Der Col du Galibier ist für uns ein magischer Kletterplatz. Schon vor 3 Jahren waren Larina und ich das erste Mal über die Ponant Neuf (6a+) durch die eindrückliche Westwand des Tour Termier geklettert. Seither bestritten wir jedes Jahr eine MSL in dieser Gegend (2,3) und somit erstaunt es nicht, dass auch für diese Ferien ein Ausflug an die Galibier ganz oben auf der Wunschliste stand. Die beste Linie am Gipfelturm ist sicherlich die Feu Sacré, welche lotrecht und fast pfeifengerade auf den über 3000m messenden Gipfel zieht. Sie war schon Mitte der 1980er-Jahre von J.M. Cambon und G. Fiaschi mit dem Handbohrer erschlossen werden, ein kühne Sache für die damalige Zeit!

La fille grandit - la paroi reste aussi imposante! Tour Termier mit dem Verlauf des Feu Sacré (7a).

Der erwünschte und erhoffte Top-Tag kam zum Glück schon am vierten Tag unserer Ferien. Den wollten wir auch gleich für die Tour nutzen, denn einige Parameter müssen schon stimmen, damit man an dieser Wand genussvoll klettern kann. Idealerweise ist es warm (bzw. im Tal heiss), windarm und stabiles Wetter erlaubt es, erst nach Mittag anzugreifen, wenn die Wand von der Sonne beschienen wird. Das alles war gegeben, so kurvten wir vom Camping zum Galibier hinauf und starteten um 11.30 Uhr bei der letzten Kehre auf der Südseite auf 2510m. Der Zustieg führt erst mit etwas Auf und Ab horizontal ca. 2km dem Hang entlang. Erst im Geröllkessel unter der Wand gewinnt man dann so richtig an Höhenmetern. 

Auf dem Zustiegspfad - inzwischen lastet nicht mehr das ganze Material auf des alten Esels Schultern ;-)

Wir waren uns inzwischen bewusst, dass die ideale Route möglichst lange auf der Spur zum Col Termier bleibt und strikte dem Wandfuss entlang zum Einstieg am Pfeiler führt. Nach 1:00 Stunden Gehzeit waren wir vor Ort auf ca. 2810m. Der ganze Pfeiler war (scheinbar) für uns reserviert, darauf kann man bei diesen beliebten Routen bei guten Bedingungen nicht unbedingt zählen. Da schon etwas mit dem Sektor vertraut, war der Einstieg für mich einfach zu identifizieren. Die Route war rudimentär mit Chalk angeschrieben, sonst gibt es aber keine Markierung. Die steile Verschneidung der ersten Länge (siehe Foto) ist aber ziemlich charakteristisch. Da niemand zugegen war, setzten wir erneut auf die Option Abseilen anstatt Fussabstieg, liessen die Treter am Einstieg und zogen dafür ein Hilfsseil mit. Um 13.00 Uhr stiegen wir ein.

Hier geht's los mit der Feu Sacré, vielleicht hilft das Bild ja einmal jemandem, den Einstieg zweifelsfrei zu identifizieren. Sonst ist er nämlich nicht näher bezeichnet, auch bei den umliegenden Routen ist dies nicht der Fall und die Orientierung am Wandfuss ist durchaus nicht komplett trivial.

L1, 25m, 6a: Ziemlich imposant und gar nicht mal so üppig abgesichert sieht das aus, da könnte man durchaus einen gewissen Bammel bekommen. Naja, wir waren uns der Sache aber sicher und so legte ich los. Steil geht's erst hinauf, das Gestein entpuppt sich als prima henklig. Auch die Verschneidung danach klettert sich gutmütiger wie man befürchten könnte, da man die Sache recht gut wegstehen kann - leicht überhängend ist die Wand aber durchaus.

Die erste Etappe ist geschafft (L1, 6a).

L2, 45m, 6a+: Verschneidungskletterei zum zweiten, dieses Mal durchaus ein bisschen verschärft. Erst geht's noch, aber nachher wird der Riss unangenehm breit und abdrängend, das Trittangebot eher schmal. Ohne den Füssen zu vertrauen geht's nicht, die zu verwendenden Strukturen zeigen durchaus schon einige Abnutzungserscheinungen - ce n'est pas facile! Hat man dann etwas einfacheres Gelände erreicht, so folgt man der nun rampenähnlichen Verschneidung nach links, der offensichtliche Bolt gerade hinauf in der Wand gehört hingegen zur benachbarten Oxygène. Zuletzt über ein Grasplätzli mit sehr vielen Edelweiss nach links zum Stand.

In L2 (6a+) ist der Ausblick auf die pas-si-facile-que-ça Verschneidung fotogener als der Ausstieg auf das Grasbödeli. Dafür sieht man halt niemanden in Aktion beim Klettern...

L3, 45m, 6a+: Startet mit steilplattiger Wandkletterei, berührt kurz eine Verschneidung um wieder über die Platte zu führen - es gilt die Optimallinie zu erkennen, man kann es sich hier definitiv auch schwierig machen. Das Gelände verflacht sich dann zusehends und man trifft auf den (Abseil)stand bei einem bequemen Bödeli. Achtung, die BH-Linie direkt ob diesem ersten Stand ist die Oxygène! Das Feu Sacré verläuft weiter links, damit man die nächste Seillänge vernünftig klettern kann, muss man noch schrofige 10m zum eigentlichen Stand traversieren. Dieser ist nicht so offensichtlich und auch nicht saniert, er besteht noch aus den originalen Spits.

Ausstieg auf die Bänder am Ende von L3 (6a+), hinten der Roc Termier, wo es auch Routen gibt.

L4, 25m, 6c/+: Nun also rechtshaltend hinein in diese steile Mauer - man wird sich subito Gewahr, dass dies eine erste Prüfung wird. Zumindest wenn man freiklettern will, denn die Bolts stecken eng und erlauben A0, so wäre es kein Problem. Das Gestein ist hier leider erst von der Sorte 'bof bof', sprich etwas glatt, ungriffig, abgelutscht und zumindest von der Optik her geht's in Richtung splittrig. Wir finden aber den Schlüssel und können die bouldrige Stelle passieren - danach ist der Fels schöner, wird zerfressen mit Tropflöchern und wasserrilligen Strukturen (die aber teils schon deutlich poliert sind). Auch da muss man sauber geplant Moven, so einfach fand ich das nicht!

Nach einem bouldrigen, nicht so überzeugenden Auftakt folgt in L4 (6c/+) eine prima Steilplatte.

L5, 20m, 6a+: Optisch sieht's vom Stand her durchaus anspruchsvoll und kompakt aus, man könnte einen Sandbag vermuten. Das trifft dann aber doch nicht zu, auf der richtigen Linie besticht der Fels durch formidable, stark zerfressene Struktur mit Tropflochgriffen und man gewinnt doch recht mühelos an Höhe. Eine sehr schöne Seillänge! Schade nur, dass schon bald das nächste Band kommt, der Stand dort gemeinsam mit der Ponant Neuf (6a+) - auch hier gibt's nur die alten, handgebohrten Spits.

Gegend, Panorama und die Routenlinie sind einfach fantastisch. Hier Larina am Ausstieg von L5 (6a+).

L6, 35m, 6b+: Der Auftakt in diese Länge bietet etwas ein Déja Vu zu jenem in L4. Es ist gleich knifflig-bouldrig, schwierig zu lesen, das Gestein unangenehm glatt-abgelutscht und hier durchaus nicht nur optisch auf der splittrigen Seite. Ich muss ein paar Mal ansetzen, bis ich eine stabil ausführbare Lösung finde - habe ich mich nur dumm angestellt oder ist es wirklich so schwierig? Es folgt eine kleine Verschneidung, erst danach geht's dann im Schaulaufen an griffigem Gestein linkshaltend aufwärts zum Stand. Am Ende folgen dann noch ca. 5m horizontale Querung nach links, der Fels da wieder etwas brüchig, aufgrund der Absicherung etwas unangenehm für den Nachsteiger.

Die ganze Anlage fast schon wendenmässig. In diesem Ausblick sieht man im Vordergrund L5 (6a+), in Originalauflösung sieht man auch unsere Vorgänger-Seilschaft, die ich bei Ankunft an Stand 4 das erste Mal überhaupt wahrgenommen hatte. Der Nachsteiger dieser Seilschaft ist in L6 (6b+) unterwegs.

L7, 20m, 7a: Nein, diese Cruxlänge fand ich nicht die Zierde der Route! Los geht's noch gemässigt schwierig im 6a/+ Bereich. Der Fels nicht schön, er wirkt etwas splittrig. Man erreicht dann eine Struktur, an welcher die Linie erst nach rechts und dann aufwärts führt. Leider sind die zu nutzenden Tritte auf dem glatten Fels inzwischen hochpoliert. Es heisst also, ordentlich Druck aufs Geläuf zu bringen, was erst an Untergriffen und kleinen, fragil wirkenden Leisten, später dann an Seitgriffen zu erfolgen hat. Immerhin, die Bolts stecken eng, so ist bei dieser unangenehmen Kletterei immerhin der psychische Anspruch nicht hoch und bei Nichtbeherrschen die A0-Möglichkeit gegeben. Zuletzt stellt sich dann noch die Frage, auf welcher Höhe man sich von der linken Struktur löst und an die rechte Schuppe wechselt, wo sich schlussendlich der Stand befindet. Solcherlei konkrete Beta gehört ja nicht in einen Tourenbericht, zumal ich mir auch nicht anmasse, dass meine Version die Optimallinie gewesen sein muss. 

Am Ende der Cruxlänge (L7, 7a) hat's wieder gute Griffe, davor fand ich es eher etwas murksig.

L8, 35m, 6b: Die Crux dieser Länge könnte man beim Blick nach oben leicht übersehen... sie befindet sich nämlich gleich beim ersten Schritt, wo man wieder an die linke Struktur wechseln muss. Das ist bestimmt auch ziemlich morpho, mit reichlich Spannweite war das einmal hopp und gegessen, Larina musste sich da wesentlich mehr mühen. Der Rest der Seillänge ist dann mehr vom Typ "ça déroule". Nie ganz einfach, auf der richtigen Linie aber auch ohne üble Stopper-Moves, etwas Engagement ist aber auf der ganzen Strecke nötig.

Kleine Verschneidung am Ende von L8 (6b), die gutgriffiges, flowiges Steigen erlaubt.

L9, 25m, 6b: Ein schöner Abschnitt, der mit prima Kletterei an schönem, vom Wasser modellierten Fels beginnt. Zwei etwas bouldrige Stellen wollen entschlüsselt werden, was mit der richtigen Linienwahl gut möglich ist. Man gelangt dann unter ein Dächlein, welches im schwarzen Fels mehr umgangen als überquert wird. Darob befindet sich ein Stand, der gemäss manchen Beschreibungen als fakultativ bezeichnet wird. Doch einerseits fehlte mir die nötige Zahl an Exen um noch weiter zu klettern, andererseits ist es auch in Sachen Seilzug wohl beschränkt sinnvoll. Noch gewichtiger war für uns aber das Argument, dass wir hier endgültig auf eine Seilschaft vor uns aufliefen, die wir auf dem Anmarsch und während langer Zeit auch beim Klettern nicht bemerkt hatten. Sie waren schon um 9 Uhr morgens und damit 4 Stunden vor uns eingestiegen, mühten sich über die Seillängen hoch und kamen nur in Zeitlupe vorwärts. Zum Glück hatten wir lange geschlafen und nachher gemütlich gefrühstückt, kann man da nur sagen!

Umkletterung eines Daches am Ende von L9 (6b), unten sieht man die Abfahrts-Geröllreisse.

L10, 20m, 6c: Die letzte klettertechnische Herausforderung auf dem Weg zum Gipfel! Ohne besondere Probleme geht's an den Wulst heran, dessen Überwindung v.a. beim Mantle in die Platte darob einen guten Plan, etwas Bewegungstalent und Vertrauen in die Füsse erfordert. Ich fand es schlussendlich aber doch deutlich einfacher wie L4, L6 und erst recht L7. Aufgrund der Mühen unserer Vorgänger ist's vermutlich auch mit Hakenhilfe nicht ganz geschenkt bzw. ein plattiger Aufsteher noch halb zwingend (schwierig zu sagen für mich). Nachher geht's einfacher zum Stand, wobei man sich durchaus nochmals fordern kann, wenn man sehr strikte die Hakenlinie benutzt.

Plattiger Ausstieg aus L10 (6c), in direkter Hakenlinie ziemlich fordernd.

L11, 40m, 5c: Es geht gerade hinauf in die markante Verschneidung, nach etwa 15m mündet von links her die Ponant Neuf ein. Das Gestein ist hier formidabel griffig, so erfreut man sich hier einer genussvollen Turnerei. Der Stand befindet sich dann ca. 5m unter dem Gipfelkopf auf einer Plattform. Wer es eilig hat, wieder ins Tal zu kommen, macht da Stand (Abseilen von da über die Wand möglich, ebenso auf die Rückseite für den Fussabstieg). Aber natürlich ist es schade, den über 3000m hohen Gipfel mit seinem bequemen Rastplatz zu verzichten. Also über die Wandstufe hinauf, zum Nachnehmen muss man dann etwas unbequem den Ausstiegsstand der Boucs en Stock nutzen, der sich weitere 5m drüben an der Kante befindet. 

Geschafft - angekommen auf dem Tour Termier (3070m). Man vergleiche zum Bild 3 Jahre zuvor...

Noch ein paar Minuten vor 19.00 Uhr und somit nach doch fast 6:00h Kletterzeit waren wir am Top angekommen. Unter dem Strich hatte es eher länger gedauert, als ich es bei der Planung erwartet hatte. Die Kletterei ist aber bedeutend steiler und anhaltender wie in der Ponant Neuf (6a+) nebenan, v.a. waren die laut Originaltopo vielen 6a/+ Seillängen durchaus schon fordernd und kein Marschiergelände. Und in den 4 schwierigsten Längen (L4, L6, L7, L10) mussten wir uns echt schon die nötige Zeit nehmen und voll Mühe geben, um sie stilrein Onsight/Flash zu bewältigen. Unsere letzte Unternehmung an diesem Berg, die Marmotta Impazzita (6c) sieht auf dem Topo im Schnitt durchaus ähnlich aus, die hatten wir aber doch als bedeutend einfacher in Erinnerung. Wie dem auch sei, geschafft ist geschafft und auf einige Minuten schneller oder langsamer kommt es schlussendlich nicht an.

Panorama vom Tour Termier (3070m) - einfach eine fantastische Berggegend!

Die andere Seilschaft wollte zum Glück zu Fuss absteigen, somit hatten wir einerseits die Wand für den Weg in die Tiefe für uns alleine, andererseits einen 1:1-Vergleich, welche Methode schneller ist. Befindet man sich einmal auf dem Gipfelkopf, so kommt man nicht mehr so einfach zu Stand 11 vom Feu Sacré und wählt besser eine der anderen Abseilpisten (die im Oisans Nouveau, Oisans Sauvage perfekt beschrieben sind). Wir indessen profitierten von den 60er-Seilen, kehrten nach dem ersten Abseiler ins Feu Sacré zurück und standen schliesslich in 6 zügigen Manövern wieder am Einstieg. Unser Getränkedepot ebenda war zum Glück schon kühl geblieben, so konnten wir vor dem Rückmarsch nochmals auftanken. Nachdem wir unsere Waren gepackt hatten, rutschten wir erst das Geröll hinunter und liefen dann bei wunderschöner Abendstimmung retour an die Galibier-Passstrasse, wo wir etwas vor 21.00 Uhr eintrafen. Glücklich und zufrieden über die Tour rollten wir talwärts. Erst nach Einbruch der Dunkelheit trafen wir auf dem Camping ein, assen noch einen Happen und legten uns dann aufs Ohr.

Sozusagen das Fazit des heutigen Tages :-)

Facts

Tour Termier - Le Feu Sacré 7a (6b obl.) - 11 SL, 340m - Cambon/Fiaschi 1987 - ****;xxxx
Material: 2x50m-Seil, 14 Express

Der grosse MSL-Klassiker am Col du Galibier im 7a-Bereich, in kühner Manier von J.M. Cambon und G. Fiaschi schon Mitte der 1980er-Jahre mit dem Handbohrer erschlossen. Erstaunlich eigentlich, dass nicht diese Route Eingang in das Buch Moderne Zeiten gefunden hat, das schiene mir irgendwie passender wie die getroffene Wahl. Die Linie, die steile Kletterei und oft auch der Fels sind durchaus überzeugend, trotzdem wurde die Route nicht ganz meinen sehr hohen Erwartungen gerecht. Die Stellen mit der schwierigsten Kletterei sind allesamt etwas unschön in glattem, etwas splittrig wirkendem Fels, der gerade dort auch schon sehr deutliche Nutzungsspuren zeigt. Alles in allem ist es aber doch eine 4*-Tour, die man gemacht haben muss, wenn man in dieser Gegend klettert. Wie schon erwähnt, fand ich die Bewertungen im lokalen Kontext strenger wie erwartet. Ich habe daher die offizielle 6a obl. nach oben korrigiert. Eine 6b sollte man schon sauber onsight vorsteigen können, sonst ist man in dieser Route sicher an der falschen Adresse. Die Absicherung ist seit dem Remodelling durch die Erschliesser im 1998 durchaus sehr gut - wie gewohnt sind schwierigsten Stellen eng behakt und erlauben A0, wo es einfacher wird ist hier - mehr als in späteren Routen derselben Erschliesser - auch mal etwas Wegklettern vom Haken gefragt. Topos und Infos findet man im Oisans Nouveau, Oisans Sauvage und im Topoguide Band II

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