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Dienstag, 10. September 2024

Le Ponteil - Nid d'Aigle (6a)

Beim steilen Sportklettern hält sich Jerome meist vornehm zurück - nun aber war er am Restday von den Girls dazu beordert worden, mit dem Papa eine MSL zu klettern. Dies vielleicht insgeheim nach dem Motto "lieber er als ich", aber schlussendlich wurde das so geschickt kaschiert, dass der Deal für alle stimmte. Ein passendes Ziel zu finden, war dann gar nicht so einfach: an diesem Tag war das sonst so stabile Wetter auf nachmittägliche Schauer eingestellt, es herrschten brütend heisse Temperaturen und nicht zuletzt durfte auch der Anspruch nicht zu hoch liegen. Da scheint es womöglich verrückt, an die selbst im Winterhalbjahr kletterbare Paroi du Ponteil zu pilgern - Bewölkung und Wind sei Dank ging der Plan jedoch bestens auf, wir konnten eine spannend-spektakuläre Route bei angenehmen Bedingungen klettern.

Die fantastische, steile Wand von Le Ponteil mit dem Verlauf der Nid d'Aigle (6a).

So fuhren wir vom Basecamp mit den Bikes die ca. 10km hinauf nach Le Pont (P.1447), wo der Zustieg bei der Infotafel startet und einen in ~10 Minuten an den Fels bringt. Man passiert dabei zwei Verzweigungen, beide Male heisst es die rechte Spur zu nehmen. So gelangt man mehr oder minder direkt zum Einstieg, welcher angeschrieben ist ("50" und weniger deutlich, "Nid d'Aigle"). Wir schirrten uns auf und starteten um 11.15 Uhr in die Route. Die ersten der versprochenen Wolken tauchten langsam aber sicher am Himmel auf und ermöglichten uns die Kletterei bei angenehmen Bedingungen. Sonst wäre es im Sommer noch eine Option, erst um ca. 14.30 Uhr mit der Kletterei zu beginnen, wenn die Sonne um die Ecke verschwindet.

Steil bergauf geht's nach Le Ponteil (ca. 600hm von der Talsohle).
Unzweifelhaft, hier startet die Route!

L1, 25m, 4b: Über eine erste Stufe hinauf in nochmals einfaches Gelände. Da besser nicht stürzen, denn der zweite Bolt steckt hoch, ein "retour au sol" würde da sehr ungünstig enden. Dann folgt tolle Kletterei rechts hinauf in orangem Fels mit irrer Tropflochstruktur - unglaublich für den Grad. Man erreicht einen ersten Stand (BH und NH), derjenige 4m weiter rechts mit 2 BH liegt eher besser.

Super Tropflochkletterei in L1 (4b) - da kriegt man etwas geboten für den Grad!

L2, 25m, 4c: Man quert weiter nach rechts in erneut toll strukturiertem Tropflochfels. In der Mitte der Seillänge orientiert man sich dann über eine Rampe nach links hinauf. Achtung, hier besteht eine gewisse Gefahr, sich zu verkoffern. Links auf dem korrekten Routenverlauf sind die Haken nämlich nicht sichtbar (es kommen aber welche), während einem fixes Equipment nach rechts lockt. Der Stand befindet sich dann auf einer sehr bequemen Terrasse - die zwei unverbundenen BH rechts liegen für die Fortsetzung geeigneter wie der Ketten-Abseilstand links.

Les Français disent 'magnifique'!

L3, 30m, 4c: Für diesen Abschnitt gibt es zwei Möglichkeiten (plus die Option, sich in die nach rechts führende La Martine zu verkoffern): entweder die Verschneidung in hellem Fels gerade hinauf (5c) oder die liegende Platte weiter links. Das ist recht gängig, aber dünkte mich doch klar schwieriger wie L1 und L2. Oben auf der nächsten horizontalen Verwerfung quert man dann nach rechts zurück. Diese Traverse ist v.a. für den Nachsteiger nicht optimal gesichert (Keil oder kleiner Cam nicht unnütz, da ich selbiges nicht dabei hatte, war auch mit einer Knotenschlinge für Sicherheit zu sorgen, das Placement ist super).

Auch hier in der 4c-Version von L3 wartet hervorragende Tropflochkletterei.
Die Traverse am Ende von L3 (4c) ist easy, aber für's hintere Seilende ohne mobile Ergänzung nicht optimal gesichert.

L4, 25m, 6a: Los geht's mit einer steilen Verschneidung - auch hier ist das helle Gestein grundsätzlich von prima Qualität, dann aber auch etwas glatt anzufassen. Dass hier schon hunderte von Klettererhänden nach Halt gesucht haben, macht das auch nicht unbedingt besser. Geht aber schon - mit geschicktem Placement ist's gar nicht mal so anstrengend und geht prima auf. Das gilt dann nicht unbedingt für das folgende Dach mit der Crux: es ist rasch vorbei und vorzügliche Henkel hat es auch, aber herrlich kräftig ist es eben dennoch. Bald darauf folgt der Stand erneut auf einer bequemen Terrasse. Hier wird man sich gewahr, dass die gesamte Überhangzone, welche man vorher beklettert hat, eigentlich aus vom Fels losgelöstem Gestein besteht und ein breiter Spalt klafft. Irgendwie wirkt das alles ziemlich absturzbereit... aber solange die Häuser unterhalb noch bewohnt sind und die Strasse nicht gesperrt, wird es wohl nicht so gravierend sein (oder es hat's einfach noch niemand bemerkt, der dafür verantwortlich wäre).

"Das isch Musig!" - super steile und henklige Kletterei zeichnet die Cruxlänge (L4, 6a) aus.

L5, 25m, 5c: Nochmals eine coole und sehr steile Seillänge, die als frühen Programmpunkt gleich ein markantes Dach bereithält. Auch nicht ganz einfach, aber doch eine Runde zahmer als dasjenige in L4 kommt es schliesslich daher. Steil und griffig geht's dann mit einer kleinen Rechtsschleife dem Top entgegen. Die Absicherung ist auf der zweiten Hälfte der Seillänge eher weit und die Blöcke da am Ende sind auch nicht alle topsolide - vermutlich hält aber alles, auch wenn der Kletterer wie ein Ochse selbst am bedenklichsten Stein zieht.

Steil, luftig und gutgriffig geht's auch in L5 (5c) zur Sache.

Kurz vor 13.00 Uhr hatten wir nach 1:45 Stunden sehr vergnüglicher Kletterei das Routenende erreicht. Ein kurzes Fixseil würde hinauf ins einfache Gelände führen, wo man bei nachfolgenden Seilschaften auch zur Abseilpiste gelangen könnte, die wir damals nach der Surplomb Jaune genutzt hatten. Da wir alleine in der Wand waren, sparten wir uns diesen Aufwand und seilten gleich über die Route in die Tiefe. Steil, ja teilweise freihängend geht's gestreckte 50m hinunter zur Terrasse, wo sich Stand 2 befindet. Von da sind es dann weitere 40m bis zum Turnschuhdepot am Einstieg. Zufrieden mit der tollen Tour packten wir unsere Ware zusammen, stiegen ab zum Bikedepot und rollten in rauschendem Tempo zurück ins Tal - mit kurzem Zwischenstopp beim Brunnen mit 'eau potable' in Champcella, denn trotz der angenehmen Bedingungen hatte es doch einen rechten Durst gegeben.

Facts

Le Ponteil - Nid d'Aigle 6a (5c+ obl.) - 5 SL, 130m - JJ. & M. Rolland 1973 - ***;xxxx
Material: 2x50m-Seile, 10 Express

Kurze, aber eindrückliche MSL, welche dem leichtesten Weg durch eine irre steile Wand folgt. In den steilen Abschnitten warten anstrengende Verschneidungen und kräftige Henkeldächer. Auf den geneigteren Wandabschnitten findet man hingegen aussergewöhnliches Tropflochgestein, gerade für diesen tiefen Schwierigkeitsgrad. Vielerorts liest man, die Route sei stark abgespeckt. Ich glaube, das teilweise wie marmoriert wirkende Gestein war da schon immer glatt. Logischerweise ist es nach 50 Jahren intensiver Nutzung nicht rauer geworden - aber lohnend Klettern kann man da auf jeden Fall noch immer. Mehr Argwohn verursachen mir hier schon die teilweise massiven, halb losgelösten, überhängenden Felspakete (welche die zu überkletternden Dächer definieren), die da in dieser Verschneidungslinie hängen. Für die geologische Ewigkeit haben die sicher nicht Bestand... doch wann deren Stunde gekommen ist, steht natürlich auch in den Sternen. Die Absicherung mit verzinkten BH ist gut, aber nicht so üppig, wie man es aus den teils sehr konsumentenfreundlich präpariertem JMC-Touren kennt. Eine 5c sollte man schon solide Vorsteigen können, damit man hier Spass hat. Topos findet man z.B. im Briançon Climbs, dem Oisans Nouveau, Oisans Sauvage, im Plaisir Sud oder im Topoguide Band II.

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