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Freitag, 13. September 2019

Tour Termier (3070m) - Ponant Neuf (6a+)

An den hohen Kalkbergen im Massif des Cerces in der Nähe vom Galibier-Pass, da wollte ich schon seit langer Zeit einmal klettern gehen. Ja noch nicht einmal den berühmten Pass selber hatte ich je besucht, wegen der Tour de France eine richtige Bildungslücke bei einem generell sportinteressierten Menschen. Doch bei unserem bisherigen Familientrips in die Dauphiné gab's bisher dort oben noch nichts zu holen. Zu rau, zu alpin, zu weitläufig ist die Gegend, um mit den Kindern eine MSL angehen zu können. Doch die Zeiten schreiten voran und eine Route durch die steile Wand des dolomitisch anmutenden Tour Termier mit seinem rötlich-gelben Fels war in den Bereich des Machbaren gerückt.

Petite fille - grande paroi! Die SW-Wand des Tour Termier (3070m) am Col du Galibier gibt echt was her!
Unsere Tour startet wenig unterhalb der Passhöhe bei der Kehre auf 2500m. Extrem viele Velofahrer sind unterwegs und da ist auch ein professioneller Fotograf präsent, der alle ablichtet und die Bilder danach verkauft. Allerdings muss man sagen, dass an dieser Stelle auch das Panorama phänomenal fotogen ist, mit den vergletscherten Bergen um die Meije und die Barré des Écrins in Griffnähe. Unsere beiden noch rekonvaleszenten Familienmitglieder können noch nicht dabei sein und müssen sich wandernd auf zwei leicht erreichbare Gipfelziele in der Nähe vom Pass beschränken. So schultern Larina und ich um 11.00 Uhr unsere Säcke und machen uns auf den Weg. Ein früher Start ist bei stabilem Wetter für die Routen am Tour Termier wenig sinnvoll, da die Wand erst ab Mittag in der Sonne steht. Der Zustieg führt über eine Distanz von rund 2km +/- horizontal dem Hang entlang. Die aufregendste Passage ist die Querung einer erodierten Runse, die etwas Kletterei im Dreck erfordert. Nach und nach rückt dann die Wand näher ins Blickfeld. Wir können uns nicht mehr halten und steuern diese direkt übers Geröllfeld an. Das geht ohne allzu grosse Mühsal, trotzdem wäre der Weg rechtsrum und dem Wandfuss entlang vermutlich bequemer (wenn auch kaum schneller).

Aufbruch von der grossen Kehre wenig unterhalb des Col du Galibier an einem fantastischen Bergtag.
Nach 1:10h Gehzeit sind wir vor Ort. Bisher hatten wir uns noch gar nicht ganz fix für eine Route entschieden, gibt's doch am Berg viele lohnende Möglichkeiten. Rein von der Linie her und für den ersten Besuch scheint es aber logisch, am direkt zum Gipfel führenden Pfeiler zu klettern. Eine gerade zu klettern beginnende Seilschaft verkündet, in die 'Ponant Neuf' zu wollen. Ich bin mir aber schliesslich nach der Konsultation von Plaisir Süd, Topoguide und C2C zu 99.9% sicher, dass sie sich vertan haben und in die 'Boucs en Stock' (ehemals 'Termie-née') starten. Somit ist die nominell einfachste Route in diesem Wandbereich ja frei und für uns die logische Wahl. Die Angabe von "13m links" der einfacher identifizierbaren 'Feu Sacré' stimmt exakt - der Einstieg ist bei einer einfachen, kaminartigen Verschneidung, die BH sind nicht (gut bzw. auf den ersten Blick) sichtbar. Die 'Boucs en Stock' befindet sich weitere 7-10m links und führt auf den ersten Metern über eine kompakte Wand mit einem auffälligen, ca. 1m dicken, horizontalen weissen Streifen, der erste BH ist auf 3m Höhe gut sichtbar. Um 12.30 Uhr starten wir in die Route - die falsch gestartete Seilschaft brach ihre Tour übrigens nach L1 ab und ging wieder heim.

Der Zustieg verläuft durch eine sehr schöne Gegend (unten der Col du Lautaret, hinten das Massiv der Meije) und geht relativ mühelos vonstatten. Netto sind total rund 400hm bis an den Einstieg zu überwinden.
L1 & L2, 45m, 6a: In L1 einfache Kletterei (3b) durch die bereits erwähnte, kaminartige Verschneidung und noch etwas weiter aufwärts zu fakultativem Stand vor der nächsten Wandstufe. Wir haben diesen gerne genutzt, weil am Einstieg auf die Schnelle kein guter Fixpunkt zum Sichern zu schaffen war. Danach sehr schöne, athletische und grossgriffige Kletterei auf der nominellen L2.

Schöne, steile und griffige Kletterei in L2 (6a).
L3, 30m, 6a+: Einem Riss entlang gemütlich links hinauf, die Crux besteht aus einer kurzen Linksquerung an dessen Ende. Mit etwas Reichweite ist die Stelle problemlos, doch auch die Kleinen können es freiklettern.

Cool unterwegs in L3 (6a+). Selbst an diesem Hitzetag, bei prallem Sonnenschein und grundsätzlich windarmen Verhältnissen war ein Pullover gar nicht so verkehrt. Das bringt mich zum Schluss, dass es hier oben wohl an vielen Tagen zu kalt zum genussreichen Klettern ist.
L4, 35m, 5c: Zuerst ein bisschen gesucht aber schön über die steile Platte, diese Stelle wäre wohl auch links umgehbar. Danach noch eine griffige Stufe, bevor man über einige Aufschwünge leichter zum gemeinsamen Stand mit der 'Bouc en Stock' klettert.

L5, 40m, 6a: Achtung Verhauergefahr! Die offensichtliche Linie am Pfeiler ist die 'Boucs en Stock'. Um weiter der Ponant Neuf zu folgen, klettert man nur kurz am Pfeiler, quert dann das Couloir nach rechts, um sehr schön steilplattig an zerfressenem Fels und Wasserrillen in die Höhe zu turnen. Diese Länge wird teils als weiter abgesichert/expo beschrieben, was für mich nicht nachvollziehbar war. Der bequeme Stand auf dem Band ist gemeinsam mit der 'Feu Sacré'.

L6, 25m, 5c+: Die Crux gleich vom Band weg, es geht noch einige Meter hinauf, bevor ein einfacherer, horizontaler Quergang nach links folgt. Die Absicherung ist auch hier ziemlich gut ausgefallen, allerdings wäre es doch ungünstig, wenn der Nachsteiger gleich nach dem Aushängen einen Sturz hinlegt. Das ist insbesondere zu beachten, da im Quergang die Felsqualität für einmal etwas auf der splittrigen Seite ist.

Im Quergang von L6 (5c+). Der Fels sieht hier auf dem Foto schauderlich splittrig aus. Sicherlich handelt es sich hier nicht um den attraktivsten Abschnitt der Route, zu klettern ist's allerdings deutlich weniger schlimm, wie es den Anschein macht.
L7 & L8, 50m, 6a: Wenig linkshaltend geht's mit etwas kniffliger Wandstelle in die grosse Rinne/Verschneidung, der gut sichtbare Stand der 'Boucs en Stock' gibt die Richtung vor. Wenig rechts davon befindet sich auch ein (Zwischen)stand der Ponant Neuf. Wer nicht über ausreichend verlängerbare Exen verfügt oder sich nicht traut diese zu nutzen, macht besser Gebrauch davon. Danach noch kurz weiter im Bereich der Rinne/Verschneidung, bevor man wieder nach rechts in die Wand hinauszieht. Es folgt schöne, genussreiche Kletterei ohne allzu grosse Schwierigkeiten.

Easy peasy in L8 (6a)
L9 & L10, 45m, 5c: Ein weniger attraktives Teilstück folgt der etwas grasigen Verschneidung/Rinne über 25m bis zu einem unmittelbar neben der Route gelegenen (Abseil)stand, den man gut auch auslassen kann. Die zweite Hälfte misst rund 20m und beinhaltet einen steilen Doppelriss, der athletische Kletterei bietet. Für den Grad 5c fand ich das nicht geschenkt.

Steile, aber super griffige Risse warten am Ende von L10 (5c).
L11 & L12, 40m, 6a+: Superschöne, luftige Wandkletterei in beinahe korallenartigem Fels bestimmt den ersten Teil dieser Doppelseillänge (25m, 6a). Über eine Schuppe gelangt man zum direkt auf der Route gelegenen (Abseil)stand. Diesen zu nutzen ist eher sinnvoll. Die folgende, querende Passage ist die klettertechnische Crux. Sie ist in 1 Seillänge nur dann sinnvoll und geniessbar, wenn man vor und in der Querung sowie in der Crux ausschliesslich mit 60cm Alpine Draws operiert. Bei der eher unübersichtlichen, kleingriffigen Schlüsselstelle wurde m.E. auch der Schwierigkeitsgrad etwas nach unten homogenisiert, zudem stecken auch die Haken eher für A0 optimiert (?!?). Möglicherweise habe ich jedoch nicht die beste Lösung gefunden (spielt für mich in diesem Grad ja nicht so eine Rolle).

Unter genauer Beobachtung in der Crux der Route (L12, 6a+).
L13, 40m, 6a: Hier gibt es 2 Optionen. Man könnte entweder in 2 kurzen Seillängen nach links luftig über die 'Boucs en Stock' aussteigen. Oder man wählt wie wir den originalen Ausstieg rechts. Der Beginn sieht eigentlich trivial aus, ist aber schwieriger zu klettern wie man meint, es handelt sich tatsächlich um die Crux der Seillänge. Danach rechts um die Ecke in einer Verschneidung in griffigem Gelände aufwärts. Einige Griffe bedürfen der Prüfung, ich würde den Fels aber bis zuoberst als gut bezeichnen. Der Stand befindet sich 4-5m unter dem Gipfel, man kann jedoch alternativ auch jenen ganz am Top verwenden.

Bravo la fille! Das Top souverän erreicht.
Wenige Minuten vor 17.00 Uhr und damit nach rund 4:30h Kletterzeit sind wir beide am Top auf 3070m und geniessen die fantastische Aussicht über die französischen Alpen. Es ist der höchste Gipfel, den Larina bisher erreicht hat und erst noch über eine lange und ziemlich schwierige Kletterroute, bravo! Für den Rückweg gibt's verschiedene Optionen: als am schnellsten und besten gilt der rückseitige Fussabstieg, während das Abseilen in der Literatur als eher suboptimal und etwas steinschlägig beschrieben wird. Als letzte Seilschaft unterwegs hatten wir trotzdem auf letztere Option gesetzt und im Rückblick muss ich sagen, dass dies tiptop funktioniert hat. Direkt vom Gipfel sind es 7 Manöver (Top - Stand 11 - Stand 9 - separater Stand - Stand 5 - separater Stand - separater Stand). Nach ca. 40 Minuten sind wir zurück am Wandfuss, wo wir die Ausrüstung zusammenlegen und die zurückgelassenen Vorräte aufessen. Nach einer gütlichen Pause machen wir uns auf den Rückweg. Wir rutschen über's Geröllfeld runter (die Körnung manchmal leider etwas grob) und gehen dann in der Abendsonne den horizontalen Pfad zurück. Ja, den werden wir sicher wieder einmal beschreiten, sehen doch die anderen Touren an diesem Berg so verlockend und herausfordernd aus! Exakt um 19.00 Uhr schliesst sich der Kreis zurück an der Passstrasse, das auf diese Zeit bestellte Familientaxi ist schon da. In der Galibier-Gegend ist der Mobile-Empfang lückenhaft - so hatte ich mit einer Totalzeit von 8:00 Stunden kalkuliert, was schliesslich fast auf die Minute perfekt gepasst hat :-)

Facts

Tour Termier - Ponant Neuf 6a+ (6a obl.) - 13 SL, 350m - J.M. Cambon 1999 - ****;xxxx
Material: 1x bzw. 2x50m-Seile, 10-14 Express (je nach Standplatzwahl), Keile/Cams nicht nötig

Fantastische und anhaltende Kletterei im Bereich 5c/6a, welche durch eine imposante, steile Wand auf einen über 3000m hohen Gipfel führt. Es wartet ein Wechsel zwischen griffig-athletischen Passagen und Steilplattenkletterei in meist vorzüglichem Kalk. Einige etwas 'gschüderige' Bänder trüben den Eindruck kaum. Die Absicherung ist wie bei den modernen Touren vom JMC üblich prima ausgefallen. Die schwierigen Stellen sind nahezu klettergartenmässig gebohrt, die einfacheren etwas weiter, es bleibt jedoch alles im grünen Bereich. Mobile Sicherungen werden daher für die meisten Kletterer nicht vonnöten sein. Zu beachten ist, dass man sich hier doch an der Schwelle zum Hochgebirge bewegt. Sprich, ist's nicht sommerlich warm und wolkenfrei, so muss man sich unter Umständen warm anziehen. Es kommt hinzu, dass die SW-Wand erst am Nachmittag so richtig von der Sonne beschienen wird. Ein Topo findet man in diversen Auswahlführern (u.a. Plaisir Süd, Plaisir Selection, Topoguide) sowie auch im Oisans Nouveau Oisans Sauvage Est von Erschliesser JMC.

Yep, nochmals dasselbe Foto wie oben, hier aber mit Routenverlauf und den von uns genutzten, separaten Abseilständen.

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