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Mittwoch, 30. November 2022

Skitouren-Saisoneröffnung am Gross Stärnen (1969m)

Eigentlich ist es im November schon langsam Zeit, an den Schnee zu denken. Doch dieses Jahr war es lange so warm, dass der Winter noch in weiter Ferne schien. Nun ja, mit den kürzer werdenden Tagen wurden die Berge langsam angezuckert. Ebenso zogen endlich gute Bedingungen für die sportlicher orientierte Kletterei ein. Und genau damit beginnt die Geschichte dieser Tour. Meine Fingerkraft ist ja bekanntlich nicht die Beste - aber offenbar doch genügend gut, sich so an den Leisten festzukrallen, dass es die Haut auseinander zerrt. Mit einem tiefen Riss im Finger war nicht daran zu denken, in einem Projekt einen erfolgsversprechenden Go zu machen. Also wollte ich das schöne Bergwetter auf einem ersten Tüürli geniessen.

Unten noch grün, oben schon weiss! Sicht aufs Muotathal, den Wasserberg und den Blüemberg.

Mit Schneekarten, Tourenportalen und Webcams stehen ja inzwischen sehr gute Hilfsmittel zur Planung bereit. Ein wenig Unsicherheit verbleibt aber immer, die Beschaffenheit von Schnee und Untergrund sind ebenso wichtige Parameter, deren Einstufung schon etwas schwieriger ist. Schliesslich entschied ich mich für ein 'play it safe' und brach Richtung Hoch-Ybrig auf, wo ich von guten Bedingungen gelesen hatte. Mit ein Faktor für diese Entscheidung war, dass die Touren dort nur vor Öffnung des Skigebiets mit Genuss in einsamer Landschaft begehbar sind. Zu berücksichtigen war, dass unterhalb von 1200m überhaupt kein Schnee lag und erst ab 1400m ausreichend viel zum Skifahren. Um die Tour ohne langen Hatscher durchführen zu können, war der Bike & Ski Modus eine Voraussetzung.

In Oberiberg auf 1100m war es noch grün, Bike & Ski darum das Motto für diese Tour.

Somit startete ich die Tour um 10.35 Uhr in Oberiberg bei P.1069. Schon bei der einzuschlagenden Abzweigung der Strasse Richtung Fuederegg war ein Fahrverbot vorhanden, wobei dieses irgendwie wenig verbindlich wirkte. Normalerweise darf nämlich bis zum Eingang des Chäswald (P.1246) gefahren werden, was einige andere Tourengänger denn auch taten. Die Weiterfahrt von diesem Parkplatz weg ist normalerweise durch eine Barriere abgesperrt. Diese war zwar nicht vorhanden, jedoch war die steile Strasse durch den Wald mit einer dünnen Schnee- und Eisauflage bedeckt. Somit waren 'advanced driving skills' nötig, ganz egal ob auf 4 oder 2 Rädern. Es ging gerade so mit dem Bike ohne ins Schlittern zu kommen, ein spassiger Auftakt zu dieser Tour - die Alternative wären ca. 30 Minuten Fussmarsch gewesen.

Die Skitourensaison wirft ihren Schatten voraus!

Vom Sattel der Fuederegg vernichtet man dann nochmals 50hm hinunter nach Seebli zum Skidepot und dem eigentlichen Start der Skitour. Das weitläufige, offene Pistengebiet der Hoch Ybrig Bahnen ermöglicht viele Aufstiegsrouten und manch ein (Mini-)Gipfelziel am langgezogenen Hesisbooler First. Auf der Landeskarte kotiert und benannt sind der Chli Stärnen (1856m) und der Gross Stärnen (1969m). Den ersteren hatte ich schon früher als kleinen Abstecher beim Pistenskifahren erreicht, zum grossen Bruder sind es ab der Piste aber doch 160hm Aufstieg. Somit war ich da noch nie gewesen, es handelt sich um den markantesten Punkt am Gipfelfirst, er bietet immerhin ein ganz kleines Stück Alpinismus und zusätzlich war er noch von keinem Tourero angegangen worden, womit ich im Aufstieg spuren und in der Abfahrt die First Line legen konnte.

Im Vordergrund der doch etwas luftige Gipfelgrat am Gross Stärnen, im Sommer mit einem weiss-blau-weiss markierten Wanderweg (T4) erschlossen. Links im Grünen das Dorf Muotathal, hinten der Vierwaldstättersee und in dessen Verlängerung der Pilatus. 

Von der Bergstation Klein Sternen (1810m) quert man die Hänge ostwärts, erreicht den Grat auf rund 1890m und steigt dann über den sich aufsteilenden und verjüngenden Westgrat hinauf. Am Ende ist es sogar nötig, die Ski zu deponieren und über den ziemlich luftig-exponierten Grat zu Fuss zu steigen. Die Belohnung besteht auf einem tollen Tiefblick ins Muotathal, einem schönen Panorama in die Berge südlich des Orts sowie packenden Aussichten zu Twäri- und Forstberg. Plus natürlich der Abfahrt, in der 30 Grad steilen Gipfelmulde konnte ich die ersten Schwünge der Saison 22/23 in den besten und ausreichend vorhandenen Pulverschnee legen - genial! Nach einer kurzen Linksquerung fuhr ich im Bereich des Sternen-Lifts durch komplett jungfräulichen Schnee hinunter nach Seebli.

Prima Verhältnisse auf der Abfahrt. Am linken Bildrand übrigens der Gipfel Gross Stärnen (1969m).

Es blieb noch Zeit und Energie für einen zweiten Aufstieg. Um noch einige neue Eindrücke zu gewinnen und den vielleicht zweitmarkantesten Punkt am Hesisbooler First zu besteigen (P.1793, der mit einem grossen Kreuz bestückt ist), hielt ich mich deutlich nach rechts. Dort liegt einem das Dorf Muotathal wirklich direkt zu den Füssen. Ebenso hatten sich die hohen Wolken nach ostwärts verzogen, was für tolle Stimmungen in der tiefstehenden Novembersonne sorgte. Zwecks einer direkten Abfahrt liess ich die Felle aufgezogen und lief dem First entlang hinüber zum 'Wilde Maa'. Auch da konnte ich wieder einen komplett unverspurten Sektor wählen und von bester Schneequalität profitieren. Dessen Quanität war zwar nicht enorm, aber doch völlig ausreichend, um auf dem gutmütigen Wiesenuntergrund Skifahren zu können. Nicht genau wissend, was mich erwartete, hatte ich meine neuen Arbeitsgeräte zwecks den alten Ski daheim gelassen - es wäre jedoch nicht nötig gewesen, denn Bodenkontakt gab es auf dieser Tour keinen. Das war ein schöner Start in den Winter 22/23 - möge es so weitergehen!

Der zweite Aufstieg, hinauf zum Kreuz beim P.1793 am Hesisbooler First.

Freitag, 25. November 2022

Schöllenen - Cyclope (7b+)

Schon bei meiner Begehung der Suworov und wenig später der Inox war mir mit der Cyclope die Linie dazwischen ins Auge gestochen. Eröffnet von den Remy-Brüdern im 1990 schien sie die ortsübliche, sehr interessante und herausfordernde Mischung zwischen kniffligen Platten und steileren Abschnitten im ortsüblichen, eisenfesten Granit zu bieten. Gewürzt war das Menü mit einem wahnwitzigen Dach in der zweitletzten Länge, welches man von der Suworov abseilend schon aus nächster Nähe hatte beobachten können. Zwar schien das Hakenmaterial in der Cyclope damals veraltet, immerhin steckte es aber (für die lokalen Gegebenheiten) nicht extrem spärlich. Im 2021 wurden durch das Urner Trio Bunschi/Gisler/Furrer alle Haken mit solidem Inoxstahl ersetzt, also stand einem Versuch erst recht nichts mehr im Wege.

Blick vom Parkplatz auf den Verlauf der Cyclope, inkl. kurzem Routenbeschrieb.

Ja, Ende Oktober klettert man üblicherweise nicht mehr in der Schöllenen. Sie ist nämlich um diese Jahreszeit ein ziemliches Schattenloch und erhascht nur noch während ~3 Stunden wärmende Sonnenstrahlen. Dementsprechend feucht und klamm kann der Fels auch sein. Doch im extrem warmen Oktober 2022 war alles anders: die Tages-Maximaltemperaturen waren auf >25 Grad angesagt, der Schatten war durchaus willkommen und ein leichter Föhnwind sorgte für idealen Grip. Auch schien mir die plattige Kletterei mit kurzem Zustieg eine gute Wahl nach der längeren Wanderung vom Vortag und dem Teamwettkampf im Quergang - zumal ich am selben Abend einen weiteren Indoor-Kletterevent bestreiten sollte. Nach dem wenige Minuten umfassenden Zustieg starteten wir um ca. 8.40 Uhr (Winterzeit!) mit der Kletterei, das war wenige Minuten bevor die Sonne um die Ecke bog und ihre raren Herbststrahlen auf den Inoxpfeiler warf.

L1, 45m, 7a 1pa: Wegen den zu Beginn extrem spärlich steckenden Bolts ist der Start gar nicht mal so einfach zu identifizieren. Natürlich wird man aber zwischen den klarer erkennbaren Suworov und Inox schon fündig werden. Bis zur ersten Sicherung ist es ja noch easy, unmittelbar vor dem zweiten BH der auf 15m Höhe steckt, wartet aber schon eine recht giftige ~6b-Reibungsstelle. Wer das "in den Sand setzt" braucht mindestens einen aufmerksamen Sicherer plus eine gehörige Portion Glück, um dem Grounder und wohl ziemlich ungeschmeidigen Folgen für die körperliche Unversehrtheit zu entgehen. Bald darauf folgt BH #3, eine schwierige Kletterstelle ist die Quittung dafür. De fakto tritt man so an, dass man denkt "hält unmöglich" - tut es dann doch. Allerdings heisst es nun, auf diesen Nicht-Tritten auch noch dynamisch abzuspringen, um die rettende Leiste zu erhaschen. Ging auch (im Nachstieg, wohlgemerkt!), im Vorstieg wäre ich da bestimmt statt auf's glatte Parkett auf den Bolt getreten, was die Sache doch wesentlich entschärft.

Viktor in etwa an der Stelle in L1 (7a 1pa), wo man auf den Bolt treten "muss". Vom Einstieg, d.h. auf dem Foto ist bereits die ganze Route ersichtlich, inklusive dem abschliessenden Dach mit dem breiten Riss, an welchem sich eine absolut geniale 7a-Seillänge befindet.

Damit ist erst die Hälfte der Seillänge beschrieben. Weiter geht's kurz mal easy über gestuftes Terrain. Der folgende Bolt am Beginn des nächsten, kompakt-schwierigen Abschnitts steckt aufgrund hohler Schuppen tief. Die Kletterstelle darob ist fordernd, ein Sturz wäre aufgrund der Stufen darunter prekär. Wenn man sich nicht ganz sicher ist, beherzige man vielleicht den Tipp, dass die Stelle rechts durch die gemüsige Verschneidung risikoärmer umgehbar ist (wir sind hier direkt geklettert, die Moves sind ca. 6b+). Unmittelbar danach spitzt sich die Sache zu, es warten extreme bis extremste Reibungsmoves. Ich konnte schön durchsteigen, dass sich mein Fuss dabei "kurz in Hakennähe befunden hat" - unwichtig, hat niemand so genau gesehen ;-) Doch seriös: für eine Bewegung konnten wir keine Freikletterlösung finden, mit den vorhandenen Griffen haften die Füsse da einfach nicht und es war unumgänglich, bei diesem Move auf Bolt #5 zu treten, um die rettende Leiste zu erhaschen. Von daher halten wir die ursprüngliche Bewertung von 7a 1pa für diese Länge als korrekt, wie es komplett frei für 7a gehen soll, ist für uns nicht nachvollziehbar. Nach dieser Stelle wird es wieder einen Tick einfacher. Das bedeutet aber nicht Entspannung, sondern es warten konstant fordernde, reibungslastige Moves bei reichlich verpflichtendem Hakenabstand. Abgeschlossen wird die Sache von einer Linkstraverse, trotz einiger willkommener Leisten kann auch hier das Blut nochmals in Wallung geraten.

Reibung total und extrem in L1 (7a), da ist man um jeden Ansatz einer Leiste froh!

L2, 25m, 6c: Dieser Abschnitt führt durch den markanten, hellen Streifen, der sich zwischen zwei Zonen mit schwarzer Felsfärbung befindet. Die tiefere Bewertung und die auf den ersten Blick durchaus vorhandene Struktur lassen eine etwas zugänglichere Kletterei vermuten. Argwöhnisch betrachten wir die Bolts, welche im bereits bekannten, verdächtigen Abstand stecken: metermässig nicht sehr distant, aber dann auch nicht wirklich nah. Bald zeigt sich, dass die Absicherung gefühlt weiter ist, wie sie es vielleicht den Anschein macht. Die Schwierigkeiten sind anhaltend, die Moves damit auch zwischen, bzgl. abseits der Haken schwierig und stets heikel. Ebenso bestehen die Strukturen oft nur aus seitlichen Kanten, was dann eben halt Anpressen der Füsse aufs glatte Parkett und somit kein relaxtes Steigen bedeutet. Ohne "richtig zu wollen" geht es hier nicht, insbesondere an der Rippe nach BH #4 und auch das etwas eierige Finish zum Stand rechts an die Kante hat es durchaus in sich. 

Zähe, psychisch fordernde Gegendruckkletterei in L2 (6c), die Füsse schon gute 2-3m über dem BH.

L3, 25m, 6b+: Diese Seillänge geht nach einem kurz etwas heiklen Start aus dem Stand raus für einmal ganz ordentlich über die Bühne, da meist für die Fortbewegung günstige Strukturen zur Verfügung stehen. In der Mitte wartet ein einziger, längerer Abstand, der aber mit einer Linksschleife gut zu bewältigen ist.

Nebst der allerletzten die einzige etwas gemütlichere Seillänge: L3 (6b+)

L4, 40m, 6c 3pa oder 7b+ (???): Nun geht's ans Eingemachte. Nach einem freundlichen Auftakt folgt bald eine neuralgische Stelle, wo die Natur den Erstbegehern einen Strich durch die Rechnung machte. De fakto bräuchte es nur ein paar Dellen oder eine taugliche Leiste und es ginge - vielleicht nicht gerade problemlos, aber doch im Rahmen der Schwierigkeiten in L2 und L3. Die Strukturen fehlen aber komplett, so bohrte man sich bei der Erstbegehung hoch und deklarierte die Seillänge als 7a 1pa oder 6c 2pa. Im Zuge der Sanierung wurde die Linie an dieser Stelle neu gelegt, sie umgeht die Problemzone nun mit einer kleinen Linksschleife. Wobei sich das Gelände da linkerhand aber eben auch nicht wirklich positiv-griffiger präsentiert, zumindest für mein Verständnis ist die Platte auch dort mehr oder weniger genauso blank und unkletterbar. Einzig ein paar kleine oder schlechte Untergriffe hat es, kaum vorstellbar wie man mit diesen ob der vorherrschenden Steilheit ausreichend Druck auf die Füsse bringen könnte.

Im Vordergrund (untere Bildhälfte) die Crux mit der als 7b+ angegebenen Stelle. Man hätte wohl den markantesten Untergriff für die Querung nach links zu nutzen, um dann in der angedeuteten Rinne diagonal v.l.n.r. über den Seilverlauf aufwärts zu steigen. Leider ist die Felsstruktur sehr ungünstig, es gibt da echt keine einzige, positive Leiste. Der ursprüngliche Verlauf ging rechts im dunklen Streifen direkt hinauf.

Konkret heisst das, dass wir hier beide selbst bei vorgehängtem Seil (im Toprope) nicht im Ansatz eine Chance sahen, die Moves frei zu klettern. Ja, im schwierigsten Abschnitt war es nicht einmal möglich, die Position zu halten 🤯 Selbst das reine Hochkommen nach dem Motto "alles gilt" ist nicht geschenkt, d.h. mit volle Kanne melken von 3 Exen mit den Händen, um die Füsse am Fels auf Haftung zu bringen, fühlt sich das immer noch als strenge 6c an 🤔. Auch nachher folgt nochmals ein Abschnitt, wo man "kratzt": kletternd an mickrigen Strukturen, in Bezug auf die Bewertung an einer 7a... wobei uns diese Passage beiden auf Anhieb gelang, womit wir den Grad im lokalen Kontext wohl höchstens als 6c taxieren dürfen. Der Rest der Seillängen führt an kleinen Verschneidungen dann etwas einfacher, dafür bei weiteren Hakenabständen zum sehr bequemen Stand, der unmittelbar neben dem Verlauf der Suworov liegt.

Wenn man nach der unmöglichen Plattenstelle in L4 (6c 3pa oder 7b+ (???)) einmal die Strukturen erreicht hat, geht es besser voran. Das Finish entlang von kleinen Verschneidungen bietet sogar schon fast entspannende Kletterei.

L5, 45m, 6c: Eine lange Seillänge mit viel Abwechslung. Das Gelände präsentiert sich hier nun steiler, so dass man kaum mehr von Platten-, sondern viel mehr von Wandkletterei sprechen muss. Wobei natürlich der Fussarbeit nach wie vor eine ganz entscheidende Komponente zukommt. Doch im Einzelnen: los geht es verschneidungsartig, wobei man sich auf unterschiedlich ausgerichteten Flächen ideal platzieren muss und allerlei Arten von Schieben und Stemmen für die Fortbewegung nutzt. Der nächste Abschnitt wird geprägt von einem mehr oder weniger horizontalen Quergang, wo ziemlich gute, aber teils weit voneinander entfernte Griffe in eine Sequenz eingereiht sein wollen. Die Traverse führt zu Stand 4 der Inox. Hier Station zu machen ist jedoch nicht zwingend nötig, mit einer geschickten Seilführung und zwei, drei strategisch platzierten, langen Exen leidet man auch in der zweiten Hälfte nicht unter starkem Seilzug. Vom Inox-Stand geht's kurz easy über eine Rampe links aufwärts, wo mit einer kleinen, dunklen und giftigen Verschneidung die Crux wartet. Diese Stelle ist bestimmt öfters nass bzw. unkletterbar. Dank mehrerer niederschlagsfreier Tage vor der Tour beschränkte sich das Wasser bei uns auf ein kleines Rinnsal, welches man weitgehend vermeiden konnte. Zum Glück, denn das Piazen an den Crimps im Verschneidungsgrund ist doch einigermassen delikat. Nachdem das Gelände sich danach nochmals etwas griffiger präsentiert, zieht es zum Ende wieder an. An Leisten und Kanten presst man die Füsse jenseits der Haken aufs Parkett, eine komplizierte Querung bringt einen schliesslich nach links hinüber zu Stand 6 der Suworov. Auch in diesem ganze Schlussabschnitt saftete es noch hier und da, nach Regen also besser abwarten.

Die Querung am Ende von L5 (6c) fordert aufgrund ihrer Anlage auch den Nachsteiger...

L6, 30m, 7a: Das Prunkstück der Route, absolut einzigartig! Auf geht's: wenige Meter linkerhand führt die Suworov über die dort absolut popelig aussehende Stufe in die liegende Wand darob, was jedoch deren klettertechnische Schlüsselstelle darstellt. Die Cyclope verläuft hingegen vom Stand gerade hinauf, in Richtung des grossen Dachs, welches von einem markanten, breiten Riss durchzogen ist. Obwohl die Anfangsstufe hier steiler, höher und schwieriger aussieht, ist sie verblüffenderweise doch einfacher zu haben - auch wenn am ersten Bolt ein etwas kniffliger, zwingend zu meisternder Boulderzug wartet. Danach führt ein schöner Jam-Riss ans Dach heran - Risshandschuhe können hilfreich sein, sind aber dank dem angenehm texturierten Fels und nicht allzu hohen Schwierigkeiten nicht zwingend. Das Dach selber dann, absolut unglaublich! Ich habe es schliesslich mit einer Knee(bar)-First-Strategie geklettert. Will heissen, ich war sozusagen kopfüber in der Route und habe mit Gegendruck-Zügen mein Knie immer höher im Riss eingeklemmt - sehr, sehr aussergewöhnlich, ganz sicherlich die Seillänge, wo ich bisher am meisten von Kneebars abhängig war. Und dies im Granit, am Inoxpfeiler, wo man es ganz bestimmt nicht erwarten würde. Die Crux bestand für mich schliesslich darin, aus der Kopfüber-Position wieder in eine normale Körperhaltung mit Kopf oben und Füssen unten zu wechseln. Das ging aber, zum Ende wird in einer luftigen Traverse links hinaus noch etwas Ausdauer an guten Griffen abgefragt und so war die Sache nach einem währschaften Full-Body-Workout mit einem sauberen Onsight erledigt, cool! Es sei erwähnt, dass mir hier die Bewertung nun auch absolut realistisch vorkam, dies im Gegensatz zu den teils unmöglich harten Platten davor (v.a. in L1, L2 und L4). Viktor nutzte laut seinen Erzählungen (vom oberen Stand besteht kein Sichtkontakt) andere, diversere Möglichkeiten des Sich-Festklemmens, was ebenfalls in einem sauberen Durchstieg resultierte.

Das grosse Rissdach in L6 (7a) - absolut einzigartig, kopfüber mit Kneebar-First geklettert.

L7, 30m, 6b: Fast schon geschafft... mit entspannter Kletterei folgt man bei guter Absicherung einer Kante, um nach 10-15m in die finale 6b-Verschneidung der Suworov zu münden, die wir beide schon bei früherer Gelegenheit geklettert hatten. Der glatte Fels, die Trittarmut und die Kleingriffigkeit machen diesen Abschnitt durchaus fordernd. Wenn die BH hier im Stil der unteren Cyclope-Seillängen stecken würden, könnte einem durchaus nochmals ein kalter Schauer über den Rücken laufen. Das tun sie aber nicht, hier kann im 1m-Rhythmus geklippt werden, womit es mit ein paar etwas wackligen Zügen dann eben schliesslich doch gut geht. Nach wie vor war übrigens der dünne Riss im Grund der Verschneidung perfekt grasfrei, das Putzen hatte anscheinend einen wirklich nachhaltigen Effekt.

Das Gras beginnt erst dort, wo die Route (fast) fertig ist. Glatte Schlussverschneidung in L7 (6b).

Um 14.10 Uhr und damit nach 5:30h der Kletterei waren wir im Rahmen des zur Verfügung stehenden Zeitbudgets am Ende der Route angelangt. Der zwischenzeitlich aufgekommene Frust über unser Unvermögen, die Plattenstellen frei zu klettern war längst wieder verflogen. Die oberen Seillängen waren ein echt herausragend Vergnügen gewesen und liefen besser, so dass am Ende nur 1x kurz auf den BH stehen in L1 und 3x heftig die Exe melken in L4 als Tolggen im Reinheft blieben und man ganz amerikanisch von einem 98% Free Ascent sprechen kann. Die Abseilerei geht sehr zügig vonstatten. Erstens sind es auch mit 2x50m-Seilen nur 4 Manöver (Top -> S5 -> S4 -> S2 -> Boden, Achtung teilweise reicht das Seil nur knapp!) und dank der steil-glatten Wand ist nur minimal Seilpflege nötig. 

Kommode Abseilerei, mit Blick auf Zustieg und Parkplatz.

So konnten wir bald nordwärts fahren und ich kam rechtzeitig zum Indoor-Kletterevent. Eigentlich hatte ich mir ja gedacht, dass ich mich dort vor allem beim Lösen der nicht kletterspezifischen Challenges beteiligen würde. Doch als deutlich stärkster Kletterer in der Gruppe konnte ich meine Kameraden dann doch nicht hängen lassen und übernahm den mir designierten Posten mit den Hang Challenges und dem Klettern der schwierigen Routen. Naja, Bizeps und Fingerstrom waren in der Schöllenen ja nicht übermässig strapaziert worden, darum passte das schon. Und vor allem aber waren die Indoor-Routen zwar nicht tiefer bewertet wie die Platten in L2 und L4, aber doch wesentlich einfacher zu bewältigen. Das weiss man ja, kann man jetzt sagen... aber schliesslich bin ich ja kein physisch besonders starker, für Indoor-Routen sonderlich prädestinierter Mensch, weise viel Outdoor-Erfahrung auf und bin auch auf Platten stärker wie die meisten meiner Peers. Wenn's jemand gäbe, für den die Bewertungen noch halbwegs korrespondieren müssten, dann wäre ich bestimmt eine solche Person. Aber nein, es ist auch für mich nicht annähernd der Fall - für fast alle anderen wird die Diskrepanz noch massiv grösser sein...

Facts

Schöllenen - Cyclope 7a A0 (7b+ frei?, 6c obl.) - 7 SL, 240m - C. & Y. Remy 1990 - ****;xxx
Material: 2x50m-Seile, 12 Express

Neben der einfacheren Suworov und der ultraklassischen Inox eine weitere, sehr tolle Route an diesem Pfeiler. Die Kletterei ist abwechslungsreich und bietet von extremen Platten über Wandstellen, Risse, Verschneidungen und einem massiven Überhang ein reich befülltes Programm. Der Charakter ist wenig erstaunlicherweise ähnlich wie in den beiden benachbarten Routen. In Bezug auf Schwierigkeiten und Anspruch liegt die Cyclope aber deutlich näher bei der Inox wie bei der Suworov. Doch während bei der Inox die 7a-Reibungsstellen bei der Sanierung oftmals absolut kompromisslos obligatorisch konzipiert wurden, sind die Bolts in der Cyclope näher an der Originalabsicherung gesetzt und somit hilft in der Cyclope A0 durchaus über die schwierigsten Passagen hinweg. Auch wenn die Absicherung als gut bezeichnet werden kann, so ist sie im Bereich von 6c und tiefer auch im delikaten Reibungsgelände oft zwingend und immer wieder mal mit dem Potenzial für Stürze, die vielleicht kaum echt gefährlich, aber in diesem geneigten Terrain oder wegen Stufen darunter doch sicherlich unangenehm wären. Rein qualitativ steht die Qualität der Kletterei jener in der Inox kaum nach. Das Hauptmerkmal der Inox ist halt eben, dass alle Seillängen (bis auf eine) echte Knaller im 7a/+ Bereich sind, während die Bewertungen in der Cyclope mehr schwanken und es von noch relativ machbaren 6bc-Abschnitten bis zur (nahezu?) unmöglichen Reibungsstelle die komplette Bandbreite gibt. Zur Orientierung unten ein älteres Topo (Internetfund, von vor der Sanierung), zusätzlich der Link zum Topo des Sanierungsteams, einen Kletterführer der die Möglichkeiten in der Schöllenen umfassend beschreibt gibt es derzeit leider nicht.

Älteres Topo der Cyclope (Nr. 2), die Nr. 3 ist die Chifir.

Dienstag, 22. November 2022

Zürcher Klettermeisterschaft 2022 - Lead im 6aplus

Dieser ZKM-Lead-Event fand im September statt und liegt somit schon eine ganze Weile zurück, aber im Sinne der Vollständigkeit meiner persönlichen Aufzeichnungen hier nun doch noch der entsprechende Beitrag dazu. Bei den letzten beiden Austragungen (1,2) in der Winterthurer Kletterhalle 6aplus war ich als Sieger der Fun-Kategorie hervorgegangen. Soviel vorweg, diese Performance konnte ich im 2022 nicht wiederholen. Was war denn anders als zuvor?

In der Finalroute (ca. 8a/+). Foto: Vladek Zumr/Kletterhalle Winterthur.

In erster Linie: das Wetter! Naja, das ist mal eine Ausrede, ist der alte Klempner denn etwa hochgradig wetterfühlig geworden?!? Nein im Ernst, am entsprechenden Weekend im September herrschte draussen ein richtiges Sauwetter, untauglich nicht nur für ambitionierte, sondern eigentlich fast jegliche Outdoor-Aktivität. Dementsprechend breiter und vor allem versierter präsentierte sich das Teilnehmerfeld. Nun ist es eben so, dass die Entscheidung ob Sieg, Podest oder Ehrenplatz nicht in erster Linie von der persönlichen Performance abhängt, sondern viel mehr vom Level der Konkurrenz. Ja, so läuft das - und nicht etwa nur bei einer solchen Fun-Comp, sondern genau genommen bis ganz weit hinauf. Die Einsicht, einen Wettkampf vor allem wegen der Absenz von noch stärkeren Athlet:innen gewonnen zu haben, müssen sich wohl noch manche vergegenwärtigen, ausser man hiesse Janja oder Adam.

Kathrin in der Damen-Finalroute, auch Q2 für Larina (7c). Foto: Vladek Zumr/Kletterhalle Winterthur

Anyway, im Vergleich zu früher wurde die Quali umfangmässig stark abgespeckt und bestand nur noch aus 5 statt aus 10 Routen. Davon waren 3 relativ einfach (5c, 6b+, 7a), die Entscheidung fiel bei zwei härteren Geräten (7b+, 7c+). Mir lief es nicht besonders, schon in der 7b+ musste ich 2 Moves vor dem Umlenker klein beigeben und in der schwersten Qualiroute war schon nach zwei Drittel Schluss. Mit Rang 5 reichte es mir immerhin gerade noch für den 6er-Final, wo dann eine Elite-Route im Grad ~8a/+ auf dem Programm stand. Eine neuralgische Stelle an einer Dachkante bedeutete für mich Endstation, was rangmässig keine Verbesserung mehr ergab. Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass der Sieger die Finalroute beinahe toppen konnte - selbst um in der Fun-Kategorie zu gewinnen muss(te) man schwer etwas auf dem Kasten haben. Auf jeden Fall, herzliche Gratulation Chrigi, sauber gemacht!

Jerome in der U12 Q3 (ca. 7b), abnormales Fingerkraft-Testpiece - trotz Toppas gar nix easy!

Auch der Rest der Familie war mit am Wettkampf dabei. Die Podestplätze waren dabei den beiden Frauen vorbehalten. Kathrin wurde Dritte, Larina knapp und etwas unglücklich wegen Countback zur Quali "nur" Zweite. Darum mussten wir uns natürlich nicht grämen - es war wieder ein langer, aber sehr toller Tag mit viel Aufregung, Kameradschaft, Freude und Emotionen. Natürlich wurde es spät, bis wir in den Federn waren. Auch am Sonntag herrschte immer noch trübes Wetter. Der positive Aspekt dabei war, gemütlich ausschlafen und frühstücken zu können. Die negative Seite war hingegen, dass der zur Tradition gewordene After-Comp-Erstbegehungstag ins Wasser fiel.

Allzeit bereit (zum Klettern), so lautet das dettling'sche Motto. Gilt natürlich auch für Podestgänge ;-)

Herzlichen Dank dem Team vom 6aplus und dem Regionalzentrum Zürich für diesen tollen Anlass!

Donnerstag, 17. November 2022

Brione Bouldering

Herbstferien, aber keine Zeit zum Verreisen 😬 Die Kinder nehmen an internationalen Wettkämpfen teil, sind in Trainingslager eingeladen, die Erwachsenen sind an ihrem Arbeitsplatz unabdingbar. Würde oder Bürde, das ist dabei die gute Frage. Doch halten wir uns an die Facts: eine Destination am Meer liegt im verfügbaren Zeitfenster nicht drin, so muss wieder einmal das Tessin "herhalten". Wobei, was braucht es mehr als das?!? Es ist schlicht und einfach eine Weltklasse-Destination, es gibt da noch so viel zu entdecken und zu tun. So verbringen wir die 4 Tage Herbstferien mit Bouldern in Chironico, einem Kletter- und Entdeckungstag im Valle Bavona, einem Besuch im bereits bekannten Settore Underzero in Avegno und zuletzt, eben hier im Zentrum dieses Beitrags, einem hammermässigen Tag an den Blöcken von Brione im Verzascatal. 

Hinter Lavertezzo mit seinem pittoresken Ponte dei Salti, bzw. der Abzweigung hinauf zum Parkplatz für den Pizzo d'Eus beginnt für mich Terra Incognita. Allerdings komme ich auch an diesem Tag nicht viel weiter, bereits zusätzliche 4 Kilometer taleinwärts überquert die Strasse den Fluss, wir stellen unser Gefährt auf den kostenpflichtigen Parkplatz (10 CHF/Tag), laden die Matten aus und wollen uns dem Bouldern im Sektor Ganne widmen. Nur ein paar Schritte sind es in den Kastanienwald hinein, bis wir den ersten, attraktiven Block am Wegesrand finden. Er ist im hervorragenden Topo nicht verzeichnet, scheint aber ein prima Warm-Up an wohlgeformten, ergonomischen Gneisgriffen herzugeben - naja, so ganz einfach war es dann nicht einmal, ca. 6A+ wäre zu veranschlagen.

Nicht im Topo verzeichnetes Warm-Up im Sektor Ganne, ca. 6A+.

Wir ziehen weiter, um auch die Wadenmuskulatur und die Psyche auf Betriebstemperatur zu bringen, eignet sich hervorragend die King Slab (6A+). Die ging im Flash weg, fühlte sich allerdings schon in etwa so wie am Reibungslimit an. Chapeau speziell an Larina, die hier zwischen den Strukturen jeweils gegenüber mir noch einen zusätzlichen Move einlegen hat müssen. 

Heikle Reibung und bald ist man 3-4m über dem Pad... King Slab (6A+).

Nur ein Katzensprung ist es zum nächsten Boulder, den wir bereits im Topo als interessantes Projekt erkannt haben. La Piattosa (6B) ist eine Slopertraverse, für welche wir beide eine besondere Affinität haben. Einerseits zählt da meist mehr die bei uns beiden besser ausgeprägte Ausdauer wie die Rohkraft, zudem kann man auch mit technischer Subtilität und geschicktem Body Positioning viel beitragen. Nun gut, allzu viel davon war da noch nicht nötig, mir gelang's im Flash, Larina musste 2-3 Versuche investieren. Dafür konnte sie hier wieder einmal auf ihre für derlei Traversen bereits bewährte 3-Handed-Technique zurückgreifen. Sehr interessant übrigens, dass sie den Toehook bevorzugt und damit viel stärker ist wie mit dem Heel, während es bei mir genau andersrum ist.

3-Handed-Bouldering in der Slopertraverse La Piattosa (6B).

Inzwischen waren wir definitiv auf Betriebstemperatur. Wir gingen wenige Schritte zurück und wollten mit der Bisex (6C) noch eine Schippe drauflegen. Man kann die Aufgabe gleich vom Boden exzellent begutachten, so besprachen wir die Beta und heckten einen Plan für den Flash aus. Larina setzte das zu 100% perfekt um. Doof nur, dass ihre Methode sich für mich als nicht umsetzbar erwies. So musste ich doch einige Versuche investieren und bereits etwas an den Reserven für Haut und Kraft zehren, um zum Erfolg zu kommen. Gross war dann die Erleichterung, als endlich der Schlusshenkel in Reichweite gelangte...

Henkel in Griffnähe, die Erleichterung steht ins Gesicht geschrieben: Bisex (6C)

Um die Ecke in der Nähe des Flussufers fanden wir die nächste Herausforderung. Schon bei der ersten Betrachtung nahm ich La Manovra (6C) als idealen Boulder für Larina wahr und vermutete, dass er mir wohl ungleich mehr Schwierigkeiten machen würde. Noch in der Wand war ein mantleartiger Aufsteher vonnöten, wo sich klein gewachsene unvergleichlich besser platzieren können. Gewürzt ist diese eigentliche Crux mit einem hohen Topout, wo gefühlvoll Hand auf abschüssigen Gneis gelegt werden muss und viel Vertrauen in die Füsse nötig ist. Wohl jenen, die a) ausreichend Pads und b) einen guten Spotter dabei haben. Für Larina war das gegeben, sie zockte es easy weg. Bei mir waren die Gegebenheiten logischerweise deutlich ungünstiger. Es waren erst einige Probeabsprünge nötig, um das Vertrauen zu gewinnen... angefühlt hat es sich etwa wie ein weiter Wenden-Runout, wo man statt einem Flug ins Seil rückwärts das Flussbord hinunter purzelt und schliesslich im Wasser zu liegen kommt. Viel Text hier, schliesslich kostete es mich doch ein paar Versuche, einen "scharfen Abgang" im Topout, bevor ich hier den Tick holen konnte, uff! Das folgende Video und sein Titelbild zeigen die Gegebenheiten schön (watch until the end 😁, Youtube-Link). 

Larina in La Manvora (6C), zumindest bis vor das Topout... 😎

Larina konnte indessen am idyllischen, smaragdgrünen Fluss chillen und neue Kräfte sammeln. Ich wurde während meiner Pausen am Block auch bestens unterhalten. Ein 4er-Trupp aus fremden Ländern war inzwischen eingetroffen, der sich dem Giuliano Cameroni Testpiece Paglia di Fuoco (8A+) widmen wollte. Es führt mit Start unmittelbar links von unserem Projekt in denselben Ausstieg. Im Topo ist die Linie noch als 8B drin, der Erstbegeher hat später auf 8A+ korrigiert, gehandelt wird das Problem auch als 8A soft. Wobei eben... die Crux liegt bei diesem Boulder ganz offensichtlich im allerersten Move. Und der wird umso schwieriger, wenn man einen sauberen Sitzstart hinlegt, und zwar von maximal 1 Pad, nicht von einer Erhöhung fürs Füdli! Interessant waren vor allem die Gespräche der Athleten à la "wenn ich es nur als 8A zähle, dann ist auch ein Bescheissen mit einem Crouch Start ok". Jedenfalls gelang einem der Sponsored-Pro-Athleten schliesslich eine solche Halb-Begehung (ein Sitzstart war das nämlich definitiv nicht!), worauf die Mannen und Frauen gleich wieder von dannen zogen, vermutlich auf der Suche nach dem nächsten Soft-Tick. Tja, so läuft es halt wohl einfach, wenn schnelle oder viele Begehungen die Währung sind, in welcher man bezahlt wird.

Ein idealer Spot auch für die ganze Familie. Blick von La Manovra (6C) zu Larina am Fluss.

Die Atmosphäre am Flussufer ist einfach unschlagbar und weil es daselbst Blöcke gibt, war dies die logische, nächste Wahl. Zumal mit L'Orso Voga (6C+) eine sloprige Traverse in genau unserer Kragenweite bereitstand. Tolle, glattgewaschene Sloper, geschicktes Hooken, etwas Power und Resi sind das Programm, ein geniales Problem. Es gelang uns beiden ziemlich schnell, ich konnte die Anzahl meiner Zusatzversuche gegenüber Larina für einmal im Rahmen halten.

River-Bouldering der Extraklasse mit L'Orso Voga (6C+), direkt an der Verzasca.

Nicht direkt am Ufer, aber unmittelbar oberhalb davon lag der Masso 06 mit seinem Problem Chestnut Five (7A+). Ein wenig Reserven schienen wir ja noch zu haben auf der Schwierigkeitslatte, warum also nicht. Wobei wir da schlussendlich vor ähnlichen ethischen Dilemmata standen wie die Pros vorher. Schwierig an dem Boulder ist das Wegkriegen des Hinterteils vom Boden und der erste, weite Zug. Larina machte Teil 1 (Anziehen aus dem Sitzen) keine Schwierigkeiten, dafür war ihre Reichweite für den Move zu klein. Dieser Teil 2 war für mich unbedenklich, nur kamen mir die langen Glieder dermassen in den Weg, dass ich den Boulder nur mit einem "Profi-Start" begehen konnte. Um noch mehr Halbheiten ins Geschäft zu bringen, fiel uns schliesslich ein Start ganz wenig rechts auf. Man bedient sich da an 2 etwas verdächtigen Monos. Sie ähneln in ihrer Natur den zu 100% natürlichen Shotholes, wie es sie unweit am Pizzo d'Eus gibt. Trotzdem, ich bin mir nicht sicher, ob sie hier nicht von Menschenhand stammen, erzeugt vor langer, langer Zeit als Befestigungsmöglichkeit für eine Flussüberquerung?!? Diese Variante ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Erstbegehung und nach unserer Ansicht die lohnendere Variante zu Chestnut Five. Wir benannten sie mit Shotholes (6B), die Bewertung checkt bei ca. 6B ein. Im Video (Youtube-Link) Larina beim FA, mit dazu ein Foto der Linie. Sagt mir jetzt bloss nicht, ich hätte diese Begehung hiermit überdokumentiert und sie einfach als Erfolg in Chestnut Five zählen sollen... 🙄

Unsere Variante Shotholes (6B) am Masso 06 im Ganne-Sektor.
Youtube-Video mit unserer Variante Shotholes (6B) am Masso 06 im Ganne-Sektor.

Somit waren die interessantesten Probleme im engeren Umkreis geklettert, Matten packen und etwas weiter verschieben hiess da eigentlich die Devise. Dazu musste aber zuerst einmal am Fluss unten noch all unser Material eingesammelt werden. Aber Halt, da stach mir ein Block mit einer attraktiven Sloper-Traverse ins Auge. Eine kurze Inspektion bezeugte die potenzielle Machbarkeit, die Linie war absolut logisch, gut zugänglich mit angenehmer Landezone. Keine Frage, Pads her, das mussten wir probieren. Wobei es sich herauskristallisierte, dass der Boulder verschiedene Optionen bot. So kann sowohl von links nach rechts wie auch umgekehrt traversiert werden. Und in beiden Richtungen gibt's einen etwas kürzeren Mittelausstieg am höchsten Punkt des Blocks, wie auch die Option zur vollen Traverse. Start- und Endpunkte all dieser Varianten sind dabei vollkommen gegeben, ohne dass man zu irgendwelchen Definitionen greifen müsste. Die von-links-nach-rechts Richtung schien uns attraktiver, sie dünkte uns die etwas logischere Variante und dürfte zudem einen Ticken einfacher sein. Die ganze Traverse betitelten wir als Under the Bridge (7A). Im Vergleich zum Orso Voga (6C+) schien uns dieser Grad richtig, aber das ist beim Bouldern natürlich immer so eine Sache. Erwähnt sei, dass sich der Block direkt unter der Strassenbrücke befindet (daher der Name). Die Atmosphäre am Fluss ist aber dennoch top, der Kunstbau beeinträchtigt sie kaum. Ob wir mit dieser ziemlich offensichtlichen Linie eine Erstbegehung gemacht haben, darf man natürlich gerne bezweifeln. Da sie nicht im Topo ist, hier die grafischen Details.

Cooler Block direkt unter der Strassenbrücke im Flussbett mit einer lässigen Sloper-Traverse.

Um sich möglicherweise noch mehr FA-Punkte zu sichern, sollte danach auch noch die halbe Traverse geklettert sein. Der arg sloprige Ausstieg hat es dabei in sich - mit mehr Körpergrösse anscheinend umso mehr, wenn man unsere Performances vergleicht. Es kam noch hinzu, dass ich inzwischen langsam auf dem Zahnfleisch lief. Sowohl die Kraft- wie auch die Hautreserven waren nur noch in begrenztem Mass vorhanden. Sozusagen auf dem letzten Blatt gelang es mir, auch den Mittelausstieg noch zu klettern, den wir Terabithia (6C) nannten. Eine längere Pause hätte wohl geholfen, aber Larina hatte ihren Job bereits souverän erledigt und pushte mich entsprechend. In diesem Youtube-Video lässt sich der Moment nacherleben (hör genau hin... "Aaalte, hey, doch no gschafft!" 😂)

Animierte Impressionen von meiner Zahnfleisch-Begehung von Terabithia (6C).

Inzwischen waren nicht nur der Power Level gesunken, sondern auch die Uhr schon vorgerückt. Also war es langsam aber sicher Zeit heimzugehen. Für einen letzten Plausch fiel mir aber noch der Block im Rücken des vorherigen auf, wo der Schuh mit der Handykamera deponiert war. Da liess sich noch kurzerhand eine schöne Traverse holen, die sich auch nicht im Topo befindet. Ja, die Möglichkeiten zum Boulder-Spielen an diesem Fluss sind fast endlos. Die Kurzvariante ist ein idealer Auf- oder eben Abwärmer mit nicht ganz trivialem Start. Nennen wir sie doch Concrete (5+). Die Langvariante erfordert dann wegen der Absenz von schlauen Tritten schon einige kräftige aber witzige Hangelzüge. Der logische Name wäre From Concrete to Smaragd (6A/+), weil dieser Block ein ideales Sprungbrett in den wunderschönen Smaragd-Pool gleich dahinter ist (nur hatten wir leider die Badehose nicht dabei 🤥).

Noch zwei witzige Abschlussboulder, die ebenfalls nicht im Topo dokumentiert sind.

Nun liessen wir es aber endgültig beim Guten bewenden und machten uns aus den Heimweg. Nach diesen 4 intensiven Klettertagen konnte ich gut und gerne wieder etwas auf dem Bürostuhl Platz nehmen und Meetings beiwohnen. Eine kurze Reflexion über den Bouldertag in Brione brachte zu Tage, dass ich wohl am Ende genau dieselben Boulder wie Larina hatte durchsteigen können. In Sachen Versuche und Style hat sie mich dabei aber zweifellos übertrumpft. Ich würde sagen, das war das erste Mal so glasklar der Fall am Fels... daran werde ich mich in Zukunft wohl gewöhnen müssen (was ich natürlich nur zu gerne mache!). Zum Schluss sei noch bemerkt, dass Kathrin und Jerome die Heimreise schon einen Tag früher hatten antreten müssen. Es lohnte sich insofern, dass Jerome beim FIS-Schüler-Grand-Prix und damit der inoffiziellen Europameisterschaft auf seiner Altersstufe in Ruhpolding (DE) im Teamwettbewerb der Skispringer für die Schweiz die Goldmedaille gewinnen konnte. Tja, wer mag bei solchen Erfolgen und Erlebnissen wie im Tessin noch über "verpasste Herbstferien" lamentieren - das wäre dann definitiv einfach nur unanständig.

Bravo les gamins: 1. Switzerland, 2. Austria, 3. Poland


Donnerstag, 10. November 2022

Avegno / Torbeccio - Zufolandia (7b)

Nach dem tollen Klettertag in ihrer Schwester Anima Ribelle im Dezember 2021 waren wir gleichzeitig hoch motiviert wie auch gespannt, was uns wohl in der ca. 50m weiter rechts durch die Wand verlaufenden Zufolandia erwarten würde. Diese wurde im 2003, d.h. 1 Jahr vor der Anima Ribelle fertiggestellt, war dereinst mehr im Gespräch und hat bestimmt häufiger von Kletterteams Besuch erhalten. Allerdings ist sie auch schon seit Jahren in Vergessenheit geraten und wird in den heutigen Topos nicht mehr aufgeführt. Ein einziger Internetbericht von 2015 berichtet von einer Begehung bei wuchernder Vegetation, auch der Erschliesser hatte uns in ähnlicher Hinsicht Bedenken gemeldet. Davon wollten wir uns nicht abhalten lassen, an solchen Orten selber nachzuschauen und auf Schatzsuche zu gehen ist ja umso spannender. Es wurde tatsächlich ein bisweilen grüner Klettertag, der aber auch tolle Moves bereithielt.

Sicht auf die Wand von Torbeccio mit dem Verlauf der Zufolandia.

Tageszeitlich hielten wir uns an den Zeitplan vom letzten Mal, wo die Sonne um Punkt 9.30 Uhr am Wandfuss erschienen war. Das war aber 6 Wochen später im Jahr, als wir heuer wenige Minuten nach 9.00 Uhr beim Ausgangspunkt eintrafen, war die Wand bereits hell erleuchtet. Dank den mit 14 Grad mild angesagten Temperaturen war es aber kein Problem, auf diese Weise schon kostbare Sonnenstrahlen verschenkt zu haben. Wir machten uns auf den kurzen Zustieg über die Hängebrücke und hinauf zum Wandfuss. Exakt da wo der Zustiegspfad zum Underzero-Sektor auf den Wandfuss trifft, beginnt das marode Fixseil. Es führt leicht rechtshaltend über ~35m hinauf zum Einstieg. Wohlweislich hatte ich Gartenschere und Baumsäge mit eingepackt, doch was sich uns hier präsentierte, war noch weit schlimmer wie angenommen.

Pic of the Day! Die Zustiegsrampe komplett überwuchert, ohne Werkzeug unpassierbar 😂

Der ganze Zustieg war dick mit Gestrüpp und Brombeerdornen überwuchert. Ohne die Gartenwerkzeuge wäre es nicht möglich gewesen, überhaupt zum Einstieg zu kommen. Auch mit diesen Hilfsmitteln war es eine ziemlich undankbare und vor allem zeitaufwändige Sache, bis alles genügend freigeschnitten und passierbar war. Ebenfalls sehr nützlich wären dornenfeste Schutzkleidung und vor allem Handschuhe gewesen - die Alternative dazu waren manche Kratzer, etwas Blutzoll und einige lautstarke Verwünschungen der stachligen Flora. Also definitiv Type II Fun, rückblickend betrachtet war es irgendwie doch noch cool ;-) Wir setzten in dieser Passage übrigens auf Seilsicherung, das Gelände ist doch exponiert und das Fixseil bedenklich verrottet. Nach einer guten Stunde an "Zustieg" hatten wir den leidlich bequemen Platz am Start der Route erreicht und starteten um 10.30 Uhr mit der Kletterei.

Nachstieg zum Start der Route - sieht zwar nicht so aus, aber da ist das Grünzeug schon geräumt!

L1, 25m, 6c+: Auf los geht's los! Man trifft von Beginn weg auf interessante Kletterei in recht kompakten Fels mit Schuppen, Rissspuren und kleinen Rippen. Die Sache spitzt sich im oberen Teil zu, man finde die rettenden Slots im Riss zwischen den spriessenden Grasbüscheln. Der Fels hat etwas Brösmeli-Belag, ist aber ansonsten völlig in Ordnung. 

Lässige Kletterei in L1 (6c+), im Vergleich zum Rest noch kaum botanisch.

L2, 20m, 7b: Diese Seillänge beginnt mit einer coolen Steilplatte, die mit ein paar weit voneinander entfernt liegenden Leisten gewürzt ist. Gewusst (oder erkannt) wie ist hier der Trumpf, ein paar gekonnte Aufsteher der Schlüssel zur freien Passage. In einer Rechtsquerung pirscht man sich an eine steilere Zone heran, wo man alsbald auf die Crux trifft. Diese erfordert gute Fusskontrolle und vor allem viel Beinkraft. Mit Compression tritt man auf einem abschüssigen Reibungstritt an und muss dann aus sehr tiefem Kniewinkel kontrolliert und die offene Tür vermeidend das Bein strecken, um die rettende Leiste zu erhaschen. Mir fehlte da die nötige Leg Power deutlich, beim Ex-Leichtathleten Viktor sah es wohl deutlich besser aus, doch auch ihm gelang der Move nicht ganz. Bald darauf erreicht man den Stand, somit ist diese Länge etwas ein One-Mover - aber doch hart für 7b, die Sportkletterroute Baby Aspis (7b) am Wandfuss ist jedenfalls nach meiner Ansicht um Welten einfacher. Der Fels ist in dieser Seillänge weitgehend vegetationsfrei und von guter Qualität. Teils hat es etwas Brösmelibelag und Moos, das würde sich sicher bessern, wenn mehr geklettert würde.

Knifflige Wandkletterei in L2 (7b), sehr eng geboltet.

L3, 30m, 7a: Meiner Meinung nach die schönste Seillänge der Route! Sie bietet viel Abwechslung, sowie sauberen und kaum von der Vegetation durchsetzten Fels. Die Reise beginnt mit einem unscheinbar aussehenden, aber durchaus kniffligen Seitgriffboulder. Eine weitere Tüftelpassage endet mit einem "Crossing the Midline"-Move an eine gute Schuppe, bevor eine witzige Untergriffquerung die letzte Verteidigungslinie vor dem finalen, athletischen Teilstück darstellt. Dieses an meist guten Seitgriffen hoch, das mässige Trittangebot macht es fordernd. Die Crux ist der Ausstieg ins weniger steile Gelände darob, wobei der Stand schon da und geklippt ist, wenn man das zu 85-90% erledigt hat. Wer sportlich einwandfrei punkten will, müsste fast bis zum ersten Zwischenhaken von L4 weiterklettern.

L3 (7a) ist eine coole Seillänge, die v.l.n.r. die bewachsenen Zonen geschickt umgeht.

L4, 20m, 6b+: Ab hier ist die Sache nicht mehr so erbaulich, das sieht man auf den allerersten Blick. Eigentlich wären die Moves an einer Kante, bzw. bisweilen deren linke Verschneidung nutzend durchaus witzig. Jedoch ist der Fels von unzähligen Flechten überzogen, so ist die Reibung miserabel und man findet teilweise kaum Halt. Dass überall noch Grasbüschel spriessen, macht es auch nicht besser, jedoch stören diese im Vergleich zu den Flechten nicht halb so stark.

Hier in L4 (6b+) sind die weissen Flechten das Hauptproblem...

L5, 30m, 6b: Die schlechte Nachricht ist, dass es bezüglich der Vegetation noch schlimmer wird. Diese Seillänge gleicht nun echt einem Gemüsegarten und ist komplett mit Gras und Sträuchern überwuchert. Allerdings, das muss man den Erschliessern schon zu Gute halten: die Route wählt hier durchaus die bestmögliche Passage, grob einer Kante entlang. Direkt auf dieser ist der Fels auch ok, daneben gibt es aber auch schlechteres Gestein und sogar auch Blöcke, die man in die Tiefe senden könnte (Vorsicht!!!). Am Ende kann man nur konstatieren, dass es eine ziemlich aussergewöhnliche Sache war. Um dem gerecht zu werden, sollte man vielleicht besser mit einem T7+ (oder so...) bewerten, ein paar nichttriviale Moves die der 6b gerecht werden gibt's durchaus. Immerhin ist die Absicherung eng (wenn man die Bolts im Gestrüpp alle findet).

À la Willhelm Tell: "Durch dieses Gestrüpp muss er kommen". In der herzhaft vegetativen L5 (6b).

L6, 30m, 7b: Glücklicherweise wird der Fels wieder deutlich kompakter. Auch legt das Gelände wieder an Steilheit zu, doch de visu würde man dieser Seillänge vom Stand aus keine 7b attestieren. Es kann nur bedeuten, dass es weniger bzw. schlechtere Griffe und Reibung hat, wie man es erwartet. Genau so kommt es. Der Auftakt an einer kurzen Piazverschneidung geht noch easy, die folgende Wandstufe hat dann aber nur abschüssige (Seitgriff-)Leisten und miese Tritte, die wegen dem Flechtenbelag grausam rutschig sind. Nach einem Ruhepunkt folgt eine längere, knifflige Passage einer Kante entlang. Auch hier ist man stark von Slopern/Reibung abhängig, die aber einfach miserabel ist. Insgesamt ein unschöner Abschnitt, eine freie Begehung gelang uns nicht, aber meine Motivation dafür war ehrlich gesagt auch sehr schnell verflogen.

In L7 (7b) hat es weniger Gras, dafür stört der Flechtenbelag bei dieser Art der Kletterei sehr.

L7, 30m, 7a+: Wer in den unschönen L4-L6 durchgehalten hat, wird hier nochmals mit einer lässigen Pitch belohnt. Sie beginnt mit einer kniffligen Plattentraverse in bester "Modern Style Bouldering"-Manier. Ein klitzekleiner Untergriff, wo man mit den Daumen nach oben presst, ein paar sonstige Ministrukturen und vor allem geschickte Gewichtsverlagerung auf Reibungstritten machen die Passage möglich - geil! Das bringt einen zur markanten Verschneidung. Diese ist vorerst nicht allzu schwierig und auch etwas bewachsen, wobei dies nicht allzu störend ist, da man meist im sauberen Fels ausspreizt. Die Struktur endet mit einem Abschlussdach, welches athletisch an Rissen mit ein paar wohldosierten Klemmern passiert werden muss - sehr hübsch! Bald darauf ist Stand, endlich einmal einer der halbwegs bequem ist.

Ausstieg aus der noch coolen und nicht extrem botanischen L7 (7a+) - naja, nicht wirklich sichtbar.

L8, 20m, 6c: Eine kurze Seillänge, aber VORSICHT! Gleich oberhalb vom Stand hat es eine Schuppe (2m hoch x 1.5m breit x 0.3m dick), die kaum mit der Wand verwachsen ist. Die Stelle ist leider kaum zu passieren, ohne dass man diese Struktur benutzt, zudem steckt auch noch BH #2 darin. Eines ist sicher, wenn diese Schuppe kommt, dann sieht es für die ganze Seilschaft sehr schlecht aus (ganz egal, ob der Bolt geklippt ist oder nicht). Nach diesem Hindernis wartet vorerst die Passage eines Feigenbaums, der den ansetzenden Riss weitverzweigt blockiert. Die nächste Challenge erfolgt in Form eines ca. 1m ausladenden Dachs, dank einem sauberen Faustriss geht das aber tatsächlich erstaunlich gut und durchaus im angegebenen Grad. Kurz darauf erreicht man den leider sehr unbequemen Stand, da wäre es 2m weiter oben deutlich besser gegangen.

Faustrissdach mit leicht botanischem Ausstieg (im Vergleich zum Rest der Route) in L8, 6c.

L9, 25m, 7a+: In dieser Seillänge existieren 2 Varianten, die linke davon soll eine 7c sein, während man rechts mit 7ab (Originaltopo der Erstbegeher) bzw. 7a+ (SAC-Führer, Ausgabe 2006) durchkommt. Aus dem linken Riss spriessen viele Grasbüschel, zudem sieht die Absicherung deutlich weiter aus als alles, was wir bisher erlebt haben. Und da wir die 7c eh kaum werden klettern können, setzen wir lieber auf die rechte Variante. Allerdings ist diese total zugewachsen: aus dem Riss spriessen mehrere zu richtigen Bäumen entwickelte Birken und haufenweise Gras. Eine Herausforderung der anderen Art also... nach dem Motto "alles gilt" kämpfe ich mich nach oben. Die Bolts stecken wohl etwas enger als auf der linken Variante, aber sie sind auch weiter voneinander entfernt wie auf den unteren Längen. An einer Stelle bin ich sogar echt froh, einen Camalot 2 platzieren zu können. Schliesslich ist das Routenende erreicht. Dieses befindet sich noch mitten in der Wand an einem super unbequemen Platz mitten im überhängenden Gelände. Sehr antiklimaktisch also, aber der Riss läuft da eben aus und der Fels wird obermoosig, daher ist es schon ein logischer Endpunkt. Ich bitte Viktor, mich gleich wieder zum unteren Stand abzulassen, der immerhin nur "sehr unbequem" ist. Er, der Riss-Liebhaber kämpft sich mit jeder Körperfaser im bisweilen breiten Riss klemmend tatsächlich rotpunkt bis zum Stand durch und befindet die Seillänge als 'easy for the grade' - jedem Tierchen sein Plaisirchen, kann man da nur sagen ;-)

Baum-, Gras- und Felskletterei am breiten Riss in L9 (7a+).

Um 16.30 Uhr und damit nach rund 6:00 Stunden Kletterei haben wir es geschafft. Es war ein Erlebnis der anderen Art, aber irgendwie muss man diese Abwechslung ja schätzen, sonst würde es irgendwann auch langweilig. Ganz sicher aber waren wir gefordert, und um das Meistern der Herausforderung geht es ja beim Klettern. Ebenso waren auch schöne Klettermoves dabei, kein Grund also, um unzufrieden zu sein. Die Route ist mit 30m-Abseilstellen ausgerüstet, so sind aber viele Manöver nötig. In weiser Voraussicht haben wir die 60m-Halbseile dabei. Damit reicht es in 4 Manövern gerade bis auf den Boden, wobei sich die letzte Teilstrecke mit dem dornengespickten Vorbau als lästig erweist. Der diagonalen Zustiegsrampe zu folgen ist abseilend eher schwierig, so dass es nochmals ein paar zusätzliche Kratzer und lautstarke Fluchworte absetzt. Schliesslich stehen wir aber auf dem Boden, das Seil kommt zum Glück auch ohne Verhänger zu uns. Es dunkelt schon ein, wir packen zusammen und machen uns vom Acker. Tja, nun bleibt uns in dieser Wand noch die obskure Bala Balengo - ob sich das wohl lohnt, oder ob wir an Ort und Stelle besser auf einen Sportklettertag im Sektor Underzero setzen?!? Wie 99.99999% des Klettervolks diese Frage beantworten, wissen wir ja... Wie unsere Antwort ausfällt, wird die Zukunft zeigen 😎

Facts

Avegno / Torbeccio - Zufolandia 7b (6b+ obl.) - 9 SL, 220m - Bassi/Stein 2003 - **;xxxxx
Material: 2x60m-Seile, 15 Express, evtl. Camalot 2

Von der absolut lohnenden Anima Ribelle 50m links begeistert, stiegen wir voller Hoffnung in diese Route ein. Sie ist aber deutlich weniger schön und lohnend als ihre Schwester. Die besten Passagen findet man auf den ersten 3 SL, nachher wird das Gelände zunehmend von der Vegetation durchsetzt. Es spriessen viel Gras und Sträucher, dies auch unmittelbar auf der Linie, dort wo der Fels geschlossener ist, ist er oft echt störend flechtig und man trifft nur noch auf einzelne, lohnende Kletterstellen. Das tönt jetzt wie ein vernichtendes Urteil und ist möglicherweise der definitive Todesstoss für die sowieso schon fast vergessene Route. Nun ja, ein Abenteuer in Talnähe, welches grundsätzlich fast ganzjährig begehbar wäre, ist es auf jeden Fall. Zu beachten ist, dass vom 1.1.-15.9. ein Kletterverzicht aufgrund von Vogelschutz gilt. Das Material mit rostfreien BH ist noch top in Schuss und steckt in hoher Dichte. Obligatorische Passagen gibt es kaum, vermutlich käme auch ein 6a-Kletterer mit A0 bis zum Top. Das macht freilich keinen Sinn, eine 7a sollte man schon gut drauf haben, damit man hier auch noch etwas Kletterspass hat. Unten das Originaltopo der Erschliesser, vielen herzlichen Dank für eure Arbeit. Auch wenn wir der Route (und v.a. ihrem jetzigen Zustand) nicht das beste Zeugnis ausstellen, so ist das kein Angriff auf die Erstbegeher - wie immer wissen wir ihre Arbeit sehr zu schätzen!

Das Originaltopo der Erschliesser - vielen herzlichen Dank!