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Sonntag, 24. Dezember 2023

Gandschijen - Up in the Sky (7a+, 6 SL, Erstbegehung)

Der Gandschijen mit seiner imposanten Südwand thront in sehr sonniger Lage prominent über der Göscheneralp. Besten, rau strukturierten Granit findet man da, so dass schon die erste Freikletter-Generation in den 1980er-Jahren in dieser Wand ihre Herausforderungen suchte. Im Laufe der Zeit geriet das Gebiet etwas in Vergessenheit. Der steile Kalk der Wendenstöcke war bei den Spitzenleuten 'en vogue' und die Masse folgte ihnen. Kommt noch hinzu, dass die Routen der Pioniere zeitgenössisch knapp abgesichert waren und die alten Bohrhaken mehr und mehr Rost ansetzten. Weil man darüber hinaus wenig über einige durchaus erfolgte Sanierungen wusste und die Gandschijen-Routen kaum mehr in den modernen Topos verzeichnet wurden, beschränkten sich die Besucher allermeistens auf die beiden klassischen Linien des Südpfeilers und der Gatsch. Es gibt aber für den alpinen Sportkletterer definitiv noch viel mehr zu entdecken am Gandschijen. Hier der Bericht zu unserem Beitrag dazu, der Neutour Up in the Sky.

Die Gandschijen-Südwand mit dem Verlauf unserer Up in the Sky (6 SL, 7a+).

Erschliessung

Die Geschichte dieser Route beginnt mit unserem Besuch am Gandschijen am 3. Juli 2021. Eigentlich wollten wir da den bekanntesten Sportkletterklassiker der Wand, die Super Gwüest klettern. Da es in den Tagen zuvor stark geregnet hatte, verunmöglichte verbleibende Restfeuchte dieses Unterfangen. Die Suche nach einer trockenen Alternative brachte uns schliesslich zur Golden Flake, die in der westlichen Südwand mehr oder weniger direkt in der Fallinie des Gipfels emporführt. Die Route der Gebrüder Jud aus dem Jahr 2014 bescherte uns einen spannenden und intensiven Klettertag. Wie so oft schweiften die Blicke beim Sichern umher. Linkerhand lockten mit Strukturen gespickte, gewaltige Granitplattenschüsse. Ja gäbe es hier die Möglichkeit für eine weitere Linie?!? Könnte sein... Beim Abseilen gingen wir der Sache noch etwas konkreter auf den Grund. Wir beurteilten die Lage positiv und vereinbarten in freudiger Erwartung, die Sache baldmöglichst in Angriff zu nehmen.

Moody Weather bei unserem Besuch im Juli 2021, hier der Blick aufs Börtli.

Eine Sache galt es allerdings im Vorfeld noch zu erledigen: es gab in diesem Wandteil eine alte Artif-Route von Sepp Inwyler aus dem Jahr 1968. Was wir damals wussten: sie startete rechts der Golden Flake in einem kolossal grasigen Riss, verlief Ende L1/Anfang L2 teils gemeinsam mit dieser, um sich dann nach links zu entfernen und auf der letzten Seillänge wieder abschnittweise den Parcours der Golden Flake zu teilen. Sie schien schon sehr lange nicht mehr begangen und ausser sehr rudimentären Infos im SAC-Führer Urner Alpen 2 von 1996 (mit wie sich später zeigte komplett falsch eingezeichnetem Routenverlauf) liess sich gar nichts in Erfahrung bringen. Also wählte ich die Telefonnummer von Sepp Inwyler, um mich aus erster Hand zu informieren und meine Idee mit ihm zu besprechen. Er freute sich sehr über meine Kontaktaufnahme und erzählte von damals. Seine Hoffnung war es, eine Freikletterei direkt zum Gipfel zu realisieren. Sie hätten einen ersten Versuch etwas weiter links gemacht, der jedoch scheiterte. Solch kompakter und schwieriger Fels hätte sich damals schlicht und einfach nicht klettern lassen. Bei diesem Vorstoss handelte es sich übrigens genau um die von uns nun realisierte Linie, der immer noch vorhandene Umkehrhaken von Sepp in unserer L1 zeugt heute noch davon. Ihre Alternative bestand schliesslich darin, etwa 10m weiter rechts zu starten, wo man weniger attraktiven, erdig-grasigen Rissen folgen konnte. Trotzdem entstand "nur eine Nagelroute", wo viele Schlaghaken im 1m-Abstand platziert wurden und man sich fast ausschliesslich artif fortbewegte. Einige besonders kompakte Passagen erforderten sogar den Einsatz von altertümlichen BH. Sie sind noch heute sichtbar, z.B. einige Meter rechts unserer heutigen Linie am Ende von L2. Weil Sepp damals schon die Freikletterei bevorzugte (wie seine grandiose Route am Tällistock zeigt) und ein begnadeter Kletterer war, entsprach seine Tour am Gandschijen nie seinem Gusto. Sie war ihm nicht wichtig und erlangte nie Popularität. So war er "zu 100%" damit einverstanden, dass wir unser Projekt mit einer Linie für die moderne Freikletterei in Angriff nähmen, auch wenn sie seine alte Linie potenziell tangieren würde. Er meinte, er würde das als die Verwirklichung seiner ursprünglichen Idee sehen, das sei ganz in seinem Sinne. Wir bedankten uns gegenseitig für das herzerwärmende Gespräch, wo ich ihm auch versprach, seine damalige Leistung zu würdigen. Das geschieht hier an dieser Stelle und damit, dass der originale Verlauf in unserem Topo wiedergegeben ist. 

Der Spitzistein (P.2024), den man im Aufstieg passiert - auch am ersten Bohrtag im Juli 2021.

Nachdem wir grünes Licht für unser Projekt hatten, wurde es nicht lange aufgeschoben, schon ein Wochenende nach der Golden Flake war es soweit. Frühmorgens nach einem langen und intensiven Wettkampftag an der ZKM im Griffig reiste ich auf die Göscheneralp - höchst motiviert und trotz den Efforts am Vortag topfit. Vor Ort traf ich auf Viktor, welcher nicht ganz meine sprühende Motivation und Vitalität zeigte. Kein Wunder, er hatte sich am Vortag einen wahren Klettermarathon mit 75 SL am Grimsel gegönnt, der noch heftig in seinen Knochen steckte. Doch Ausruhen und Zurücklehnen war vorerst nicht angesagt, in harter Arbeit waren unsere kolossal schweren Säcke an den Einstieg zu befördern. Da wir im Projekt 'zugängliche' Schwierigkeiten vermuteten, gingen wir davon aus, schon an diesem Tag weit vorstossen zu können und führten dementsprechend viel Ausrüstung mit. Endlich am Wandfuss angekommen, behängte ich mich mit allerlei Material und packte an. Tatsächlich liess sich die angepeilte Wandzone dank strukturiertem, mit Leisten gespicktem Fels prima klettern. Allerdings lagen die Schwierigkeiten mindestens einen Buchstabengrad höher, als wir uns dies beim ersten Augenschein während dem Abseilen ausgemalt hatten. Eigentlich sollte ich es langsam aber sicher wissen, denn diese Sensation hatte ich schon viele Male davor erlebt.

Der Bohrstaub verrät es, Viktor folgt in L1 (6c), kurz nachdem diese quasi 'erfunden' wurde.

Noch mehr Einsatz zeigen hiess es beim Start in L2. Da geht's gleich steil und anspruchsvoll los, so dass mir Viktor den Vortritt überliess. Zum Glück bietet der rau strukturierte Granit hervorragende Reibung für Füsse und Hände, so dass auch die Sloper und vage Unebenheiten gut genutzt werden können. Noch dazu tauchten an entscheidender Stelle ein paar Crimps auf, so dass sich die Stelle entschlüsseln liess. Wie sich erst später bestätigen sollte, handelte es sich dabei um die klettertechnische Crux der Route. Die logische Fortsetzung unseres Wegs führte in eine steile, kleine Verschneidung, wo von rechts her die 1968er-Linie von Sepp Inwyler einmündete. Über ca. 15m verläuft unsere Route hier gemeinsam. Während die alte Route später gerade hinauf an einem sich schliessenden Riss in einen glatten, nicht frei kletterbaren Plattenschuss führt (wo die bereits erwähnten, altertümlichen Bohrhaken stecken), fand ich einen Ausweg mit einer zwar kniffligen, aber machbaren Plattentraverse nach links und einer Verschneidung entlang hinauf zu Stand 2. Der Tag war inzwischen zeitlich schon fortgeschritten, doch Viktor gab mir grünes Licht, um noch die dritte Seillänge anzugreifen. Unser Plan war, den famosen Splitter Crack einzubauen, den wir beim Abseilen über die Golden Flake entdeckt hatten - er stellt durchaus ein Highlight unserer Route dar. Erreicht wird er über eine leistig-listige Wand, bevor der Riss zum grössten Teil mobil absichernd erstiegen wird. Damit war der Tag nun definitiv um, inzwischen war nicht nur Viktor sehr müde, sondern ich nach 3 anspruchsvollen Bohrseillängen ebenfalls.

Der superschöne Splitter Crack am Ende von L3 (6c).

Weiter ging es aus verschiedenen Gründen schliesslich erst ein knappes Jahr später am 2. Juli 2022. Der entscheidende Faktor war, dass Viktor für die Fortsetzung nicht abkömmlich war. Meine Motivation war nach dieser langen Zeit jedoch am Überborden und so war es Zeit, um alleine loszuziehen. Notgedrungen mit nicht mehr ganz so viel Material wie bei der Initiierung des Projekts, noch schwerer war mein Rucksack mit der kompletten Ausrüstung aber dennoch. Die vierte Seillänge kostete mich schliesslich mehr oder weniger einen ganzen Tag an Arbeit. Es dauerte seine Zeit, bis ich im Solomodus in die Gänge kam. Zudem war die Ideallinie an jener Stelle nicht so klar vorgegeben und nichts kostet beim Erschliessen mehr Zeit, wie wenn das Werweissen über die einzuschlagende Richtung beginnt. Am Ende ging dann doch alles gut auf, selbst die unvermeidliche Querung über eine scheinbar blanke Zone hinweg offerierte die für zugängliche Freikletterei nötigen Strukturen und Stand 4 war erreicht. Die Zeit reichte mir noch, um einen ersten Vorstoss in die fünfte Länge zu machen. Sie startet mit einer athletischen Hangeltraverse unter einem Dach. Jetzt wo alles fertig ist und man diese 6b-Passage im Wiederholer-Modus klettern kann keine grosse Sache - Rope Solo im steilen Gelände mit all dem Gear und nach schon vielen Stunden in der Wand sah das damals anders aus. Erfreut nahm ich beim Blick nach oben zur Kenntnis, dass die Weiterführung der Seillänge hinauf zum Jardin unter der Headwall gut machbar aussah. In der Hoffnung, das Projekt in einem weiteren Bohrtag abschliessen zu können, machte ich mich zufrieden auf den Heimweg.

Zurück in der Göscheneralp im Juli 2022. Alleine am Bohren, da gibt's jeweils nur wenige oder gar keine Fotos davon. Ausnahme davon ist der Zustieg, da war ich mit dem extrem schweren Rucksack natürlich um die eine oder andere (Foto)pause sehr froh.

Normalerweise setze ich mir beim Klettern ja keinen Zeitdruck und verzichte auf terminierte Ziele. Doch das Gandschijen-Projekt noch im 2022 abzuschliessen, das reizte mich dann doch. Am 19. Oktober dieses Jahres konnte dann zumindest die Linie vollendet werden. Wiederum alleine machte ich mich auf den Weg. Wie erhofft liess sich der fehlende Teil von L5 recht zügig einbohren. Zwar hat es auch da durchaus ein paar knifflige Moves, aber die Kombination von etwas liegendem Gelände und nicht ganz so hohen Schwierigkeiten machen die (Einbohr-)Sache eben schon spürbar leichter. Für die abschliessende Sequenz war mir dann schon seit der Begehung der Golden Flake klar, wo die Route durchführen sollte. Die kompakte Headwall sah einfach super attraktiv aus, mit einigen abgerundeten, rissähnlichen Strukturen sollte man auch das nötige Material zum Festhalten finden. Zwei etwas bouldrige Stellen säumen zwar den Weg, aber auch da ging alles tiptop und mit sehr lohnender Kletterei auf. So waren es nur noch eine Piazschuppe und zuletzt ein paar Meter durch die Wacholder-Stauden, welche mich vom finalen Standplatz wenig unter dem Gipfel trennten. Das Routenende war erreicht, alles komplett eingerichtet, welch ein Erfolg! Wie nahe Freud und Leid beisammen liegen, musste ich aber kurz darauf erfahren. Wie abgemacht wollte ich Sepp Inwyler telefonisch berichten, dass ich mit meinem Projekt den Gipfel erreicht hatte. Das war leider zu spät... wie ich erfahren musste, war Sepp am 13. Oktober 2022, also nur 9 Tage vor meinem letzten Bohrtag, im Alter von 82 Jahren, völlig unerwartet und noch voller Tatendrang und Pläne, an einem Herzstillstand verstorben. Diese, unsere Route, soll darum Sepp, einem Pionier des Alpinkletterns in der Schweiz und dieses Wandteils am Gandschijen gewidmet sein.

Route fertig eingebohrt im Oktober 2022! Blick vom Top zu Lochberg, Galenstock und Dammastock.

Fertig gebohrt heisst aber noch nicht gepunktet. Liebend gerne hätte ich diese Aufgabe gleich unmittelbar noch im Herbst 2022 erledigt. Doch weil die Rotpunktbegehung immer die Krönung eines Projekts darstellt, in welches viel Zeit, Herzblut (und auch Geld) geflossen ist, soll dafür alles passen: Wetter, Partner, Motivation, Gelegenheit, undsoweiter. Schlussendlich kam das Saisonende, bevor alle diese Signale auf Grün standen und die Sache musste auf das Folgejahr vertagt werden. Am Pfingstsamstag, 27. Mai 2023, war es dann soweit: Viktor war motiviert mit von der Partie und wollte sich live anschauen, wovon ich ihm schon lange vorgeschwärmt hatte. Es war ein grandioser Klettertag, welcher so verlief, wie ich mir das vorgestellt hatte. Tatsächlich konnte ich alle Seillängen punkten 🏆, eine geniale Sache. Ich kann mich noch gut an meine Emotionen damals am Top erinnern, die Minuten während ich Viktor gemütlich an der Sonne sitzend nachsicherte. Ich liess das Handy einen guten Beat spielen und kontemplierte - Larina hatte da unmittelbar davor die Selektion für ihren ersten Europacup geschafft. Ein extrem wichtiges Ziel für sie und natürlich auch für mich als Vater und naher Begleiter ihrer Karriere eine sehr emotionale Sache. Eine solche Selektion und das Geschehen an einem internationalen Wettkampf selber würde ich nur mehr von der Seitenlinie verfolgen können. Aber hier am Gandschijen war ich mittendrin, das war meine Welt, mein Projekt, mein grosses Ziel. An diesem Tag war aus einer Vision Realität geworden, in welche viel Zeit, Motivation und auch Vorbereitung geflossen war. Ich war sehr glücklich damit - einfach eine geniale Sache der Klettersport, mit all seinen Facetten.

Das Top erreicht bei der Rotpunktbegehung am 27. Mai 2023, yeah🏆!

Zustieg

Eine Postautohaltestelle und einige wenige Parkplätze gibt's beim Gwüest (P.1573), sonst alternativ 500m vorher in grösserer Quantität beim Zeltplatz unten. Man folgt noch 250m der Strasse taleinwärts und nimmt den zweiten Rechtsabzweiger (Schotterstrasse). Zuerst zwischen den wenigen Häusern durch nach Chehren (P.1704) und via die Abkürzung zum Stall auf dem schönen Boden vom Börtli (1800m). Nun Richtung WNW auf Wegspuren via Oberbort zum markanten Spitzistein (P.2024). Ab hier entweder pfadlos aber auf logischem Weg direkt hinauf durch das Blockfeld zu den tiefsten Felsen, alternativ das Blockfeld nach WNW queren und im Wiesengelände wieder Wegspuren aufgreifen, welche zentral unter die Gandschijen Südwand führen. Nun links hinauf Richtung WNW ins Couloir, wo man nach ca. 50m den Einstieg erreicht. Dieser befindet sich bei den Koordinaten CH LV95 2'682'073/1'168'373 bzw. WGS84 46.66155/8.51101 auf 2195m (Kartenlink). Der Routenname wurde 2023 mit Farbe angeschrieben, wobei diese im Couloir möglicherweise nicht ewig hält. Die beiden BH-Linien von Up in the Sky (links, Austrialpin-Laschen) und Golden Flake (rechts, Petzl-Laschen) sind jedoch gut zu identifizieren. Als Gehzeit für die 620hm ist je nach Fitness mit ca. 1:00h zu rechnen.

Impression vom Zustieg, der für sich alleine schon eine spektakuläre Wanderung ist.

Routenbeschreibung

Gandschijen - Up in the Sky 7a+ (6b/6b+ obl.) - 6 SL, 220m - M. Dettling, V. Wegmayr 2021-2023
Material: 2x50m-Seile, 12 Express, Cams 0.3-2 plus evtl. Grösse 3

L1, 35m, 6c: Los geht's erst noch ein paar Meter gemächlich, dann heisst es an einem ersten Wulst (Umkehrpunkt von Sepp Inwylers erstem Versuch) zupacken, bevor bis zum Standplatz hinauf anhaltende Wandkletterei wartet. Der Fels ist super strukturiert mit Leisten und Rissspuren, oft auch helfen Seitgriffe weiter. Mit guter Planung entschlüsselt sich aber alles, ein toller Auftakt.

Da war der Bohrstaub längst weggewaschen. Viktor folgt in L1 (6c) bei der RP-Begehung.

L2, 45m, 7a+: Gleich nach dem Stand geht's in die Crux, welche subtile Wandkletterei an sloprigen Griffen bietet, wobei mit den Füssen entschieden auf Reibung angetreten werden will - athletisch, auch wenn's nicht so steil ist. Weiter geht's dann einer Schuppe bzw. kleinen Verschneidung entlang, die kräftige Moves im 6c-Bereich bereithält. Das war's noch nicht, eine knifflige und auch nicht so leicht zu entziffernde, plattige Traverse nach links verteidigt den Zugang zur Kante, die einfacher zum Stand führt.

Viktor engagiert sich in der kniffligen, plattigen Querung am Ende von L2 (7a+).

L3, 35m, 6c: Links ums Dächli rum, dann zieht man an Schuppen und Leisten in die Wand rechts. Dabei gehen die Griffe aus, Spannweite oder noch viel mehr eine geschickt gewählte Beta helfen weiter. Steil hinauf zu einem Band, von wo man rechtshaltend den Splitter Crack anpeilt. Darüber, wie schwierig der ist, scheiden sich die Geister. Im Yosemite 5.x, wobei x mit grösster W'keit einstellig wäre... Jedenfalls muss man diese Passage zwingend mit 3-4 mittleren bis grossen Cams mobil absichern.

Von wegen Urgestein und so... Local Bunschi in der Golden Flake. Für ein Foto von L3 siehe oben!

L4, 35m, 6c: Kurz nach links und obsi, der Fels ist in dieser Plattenzone zum Glück prima strukturiert (cit. Michel Piola "dalle à grattons"). Notfalls helfen dort auch Rapunzels Haare, zumindest solange sie noch keine neue Frisur hat 😁. Rissspuren, Schuppen und eine kleine Verschneidung ermöglichen es, recht kommod zur plattigen Crux voranzukommen. Deren Linkstraverse geht dank vorhandener Struktur aber zum Glück ohne extreme Schwierigkeiten auf und lässt einen das athletische Finish an Schuppen geniessen. In dieser Seillänge ergänzt man die BH auch gerne noch mit der einen oder anderen mobilen Sicherung.

Da befindet sich der Akteur gerade in der Cruxzone von L4 (6c).

L5, 25m, 6b: Der Auftakt bietet eine linksorientierte Hangelquerung an guten Griffen mit einem abschliessenden Mantle-Boulder-Problem, um in einfacheres Gelände zu kommen. Dieses klettert sich an strukturiertem Fels genussvoll. Später drängt es einen nach links um die Kante, doch schliesslich heissen einen die Bolts, doch wieder zurückzukommen. Zum Ende geht's ein paar Meter durch die Wacholderstauden zum Stand gerade voraus.

Viktor in der Hangelquerung zu Beginn von L5 (6b). 

L6, 45m, 7a: Anhaltende Wandkletterei über eine toll aussehende Wand, die mit runden Rissspuren als Struktur garniert ist. Meist geht's an Kanten und Leisten recht gut im 6bc-Bereich voran, doch zwei Wulste bieten je ein kniffliges Boulderproblem und fordern ein paar entschlossene Moves, teilweise auf Gegendruck an Unter- und Seitgriffen. Als Dessert gibt's dann noch eine launige Piazschuppe und ganz am Ende noch etwas Gemüse, sprich ein paar Meter durch die Wacholderstauden, um den bequemen Stand am Ende zu erreichen.

Tolle Wandkletterei 'dem Himmel entgegen' an Rissspuren in L6 (7a).

Hat man die Route geschafft, so vergesse man den Eintrag im Routenbuch nicht! Es befindet sich beim letzten Stand, 1.5m links in einer Felsspalte, ich habe mit Farbe einen Pfeil aufgemalt, um darauf hinzuweisen. Bitte die Dose wieder gut verschliessen und den Behälter an seinem Platz verstauen.

Abstieg

Die Route ist mit Raumer-Kettenständen zum Abseilen eingerichtet. Vom Top seilt man nach ➡ 5 ➡ 4 ➡ 3 ➡ 2, von wo es mit 2x50m-Seilen knapp auf den Boden reicht, wenn man sich deutlich seitlich weiter oben ins Couloir hält. Alternativ kann auch Stand 1 zum Abseilen benutzt werden. Tipp: beim Abseilen mit 2x60m sollte Stand 4 keinesfalls ausgelassen werden. Das reicht zwar metermässig, dafür ist ein Verhänger praktisch garantiert. Bei Nutzung von Stand 4 ergeben sich hingegen keine Verhänger-Probleme. Ein Fussabstieg ist eine mögliche Alternative und ermöglicht es, den Gipfel vom Gandschijen mitzunehmen. Vom Routenende entweder direkt über die 3m hohe Stufe hinauf in einfaches Grasgelände, oder einfacher linkshaltend über exponierte Bänder ansteigen. Mit ein wenig Aufstieg erreicht man den Gipfel, der tolle Ausblicke ins Voralptal und zum Salbit bietet. Von dort westwärts haltend durch die Nordflanke absteigen (teilweise Wegspuren). In der Lücke westlich des Gandschijen (Steinmann) in die Südflanke wechseln und +/- der Wand entlang und schliesslich ins Couloir, welches zurück zum Einstieg führt. Der Abstieg ist ca. T4 und nimmt etwa ähnlich viel Zeit in Anspruch wie das Abseilen (ca. 30 Minuten, Zustiegsschuhe nötig). 

Auch da gibt's erstklassigen Granit. Blick vom Gandschijen-Gipfel hinüber zum Salbit.

Topo

Bevor wir das lange ersehnte Topo präsentieren, noch ein paar Infos zum Begehungsfenster. Nach unseren Erfahrungen trocknet die Up in the Sky deutlich schneller als andere Routen am Gandschijen und ist nach schlechtem Wetter zügig wieder begehbar. Bei den Touren weiter rechts (Super Gwüest, Gatsch, Sali Konrad) sifft es hingegen nach Regenfällen gerne noch lange nach. Die Saison der Route wird durch die Öffnungszeit der Strasse ins Gwüest bestimmt. Wenn diese im April/Mai öffnet, sind die Wand und die steilen Südhänge in der Regel aper und die Route kletterbar. Bei nicht extremer Hitze geht's auch im Sommer dank der Höhenlage gut. Besonders schön ist es im Herbst, wobei man selbst dann noch sehr viel Sonne geniessen kann (21.10. von ca. 8.30-17.30 Uhr Sommerzeit, 21.11. von ca. 8.30-15.45 Uhr Winterzeit). Die Saison endet mit der Schliessung der Strasse, die meist irgendwann im November ist. Auf der Seite vom Kanton Uri gibt's Infos zur aktuellen Situation.

Topo zu unserer Route Up in the Sky am Gandschijen. Gibt's auch als PDF!

Dienstag, 12. Dezember 2023

Swiss Ice Climbing Cup 2023 im 6aplus

Wettkampfberichte gab es in jüngster Zeit nur noch wenige zu lesen hier... man könnte vermuten, dass Abstinenz oder mangelndes Interesse seitens der Leserschaft der Hauptgrund dafür ist. Auch wenn die Analytik bei diesen Beiträgen tatsächlich viel tiefere Klickzahlen wie für eine bekannte MSL zeigt, so liegt die Ursache doch woanders. An diversen Boulder-Events teilgenommen habe ich durchaus, doch entweder gab es keine coolen Fotos, oder dann gab es nicht so viel zu schreiben, so dass es maximal für einen Beitrag auf den Social Media reichte. Nun denn, für die gestrige Drytool-Comp im 6aplus in Winterthur soll es wieder einmal anders sein.

Kletterei im Faultier-Style... oder "Figure of 4 nur wenn es nicht auch anders geht...".

Eigentlich ist es ja schon ein wenig ein Anachronismus, da überhaupt teilnehmen zu wollen. Denn das Metier Indoor-Tooling betreibe ich genau 1x pro Jahr an eben diesem Event (Bericht vom letzten Jahr). Und wie oft die Geräte im Eis oder im Mixedgelände zum Einsatz kommen, kann man auf diesem Blog ziemlich akkurat verfolgen. Um der Leserschaft den Aufwand zu ersparen: im vergangenen Sonnenumgang war das genau 1x für die Hydrophobia im Brunnital der Fall. Aber kein Grund, um es nicht trotzdem zu versuchen - im besten Fall liesse sich sogar der Optimismus auffrischen, dass es auch draussen im Gelände ginge, wenn das dann wieder einmal gefragt wäre...

Doch manchmal muss der Figure of 4 definitiv sein. Wobei das Gerät so richtig in ein Holzbrett zu versorgen mir noch mehr Freude macht.

Es einmal versuchen, das kann man an diesem Event auf jeden Fall tun, ist er doch trotz der Teilnahme von nationalen und sogar internationalen Spitzenleuten sehr amateurfreundlich gestaltet. In der Quali gilt es 9 (teils lange) Boulderprobleme zu versuchen, sowie 1 Toprope gekletterte Seilroute. Wirklich ein jeder und jede kann es probieren, viel schiefgehen kann da nicht und die (=meine) gesundheitliche Hauptgefahr besteht mehr in aufkeimender Übelkeit wegen systemisch zu hohem Laktatwert, weil man an den Gerätehenkeln minutenlang in athletischster Position im Dach herumturnen kann.

Das Bild lässt vielleicht erahnen, dass man da schon ein volles Upper-Body-Workout erhält. Umso mehr natürlich, je ineffizienter der Laie klettert... Aber andererseits fühlt es sich natürlich auch gut an, so an die Grenzen zu kommen.

Tatsächlich war es mir dann auch dieses Jahr wieder vergönnt, 7 der 10 gestellten Aufgaben mit einem riieeesen Fight komplett durchsteigen zu können, darunter auch die Seilroute bis zum Top - ich war mega geflasht. Und genau deswegen mache ich da auch mit - es war/ist einfach geil! Die Spreu vom Weizen wurde dann in den verbleibenden 3 Boulders getrennt. Für mein Gusto war da eine Portion zu viel Spannung und Athletik an einer Schippe zu schlechten Hooks gefragt...

Geiler Torque-Boulder an dünnen "Rissspuren" - fast schon ernsthaftes Training fürs Outdoor-Tooling.

Natürlich hatte ich keine Chance gegen die echten Cracks. Wie immer war es aber sehr eindrücklich live auf dem Spielfeld mitzuerleben, wo der Level der Spitzenleute liegt und inwiefern es noch persönliches Verbesserungspotenzial gäbe. Rang 17 von 28 war das Fazit. Gut, genügend, ungenügend oder sogar lächerlich, das Fazit möge der Leser gerne selber ziehen... für mich war es jedenfalls ein extrem spassiger Tag und ein Workout bis an die persönliche Grenze - läck, voll uf de Schnurre gsi nachher 😵😁

Danke fürs Mitkommen und die Fotos 😘 Wie man sehen kann, liefert mein Jahre altes Handy nur mehr kaum brauchbare Fotos... hoffen wir einmal, dass der Weihnachtsmann ein neues Gerät bringt, damit dieser Blog in Zukunft wieder schön(er) bebildert werden kann.

Donnerstag, 7. Dezember 2023

Wintergarten - The Fugitive (Erstbegehung, 4 SL, 7a)

Erst vor kurzem wurde auf diesem Kanal von der Erstbegehung von Querdenker (4 SL, 7c) an den Balmenchöpf im Seeztal berichtet. Nur 4 Tage nach der Begehung jener Route machte ich mich mit schwerem Gepäck erneut auf den Zustieg an den Südflanken des Seeztals. Eine zweite MSL weiter links an der Wand des Wintergartens war meine Absicht. Seitenblicke beim Sichern während der Begehung des Querdenkers hatten die Präsenz dieses Potenzials klar gezeigt. Daniel war damit einverstanden, dass ich diese Linie einer näheren Prüfung unterziehe und sofern lohnend, Arbeit und Hakenmaterial für die Erschliessung beisteuern würde. Umso gespannter war ich, wie sich die Lage vor Ort präsentieren würde. Denn bei welchen Schwierigkeiten, welcher Qualität und mit welcher Griffabfolge es schliesslich geht, lässt sich eben von 20m weiter drüben jeweils unmöglich sagen.

Unterwegs auf Mission Rotpunkt in L2 (7a) von The Fugitive. Bild: Daniel B.

Den Zustieg in den Wintergarten habe ich bereits im Beitrag zum Querdenker ausführlich beschrieben und wiederhole die Zeilen daher hier nicht nochmals. Sowohl beim Einbohren wie auch beim Punkten wählten wir den bequemsten und üblichen Zugang via den Vorderspinaweg. Das Einbohren erledigte ich solo im Toprope - die logische Wahl wegen der guten Zugänglichkeit von oben, dem klettergartenähnlichen Charakter und der Tatsache, dass bis dato alle Routen im Wintergarten so erschlossen wurden. Es ging mir gerade auf, die Linie an einem Tag sauber auszuchecken, die Haken zu bohren und an den wenigen Stellen wo es nötig war, zu putzen. So war ich dann eine Woche nach dem Anbringen der Haken mit Kathrin am Start, um das Teil Rotpunkt zu klettern.

Übersicht über die Gebiete oberhalb von Heiligkreuz.

L1, 35m, 6c bis 7a+: Im Grunde genommen gibt es für die erste Seillänge ganze 4 Möglichkeiten, wovon jede eine gewisse Logik bietet. Wir beginnen mit dem Argumentatorium von rechts her: Jailbreak (7a) als äusserste Linie bietet sich an, weil man so The Fugitive durchgehend auf einer Dettling-Linie klettern kann. Es ist auch die Option mit der am wenigsten zwingenden Kletterei - coole, plattige Moves mit einer geilen Patscher-Crux am Ende. Das Bewegungsrätsel (6c) ist die nominell einfachste Variante. Aber man sei gewarnt, ohne auch jenseits der Haken richtig überzeugt auf die Füsse zu stehen, könnte diese Route (oder zumindest deren Bewertung) ein Rätsel bleiben! Die dritte mögliche Linie ist die Argus (7a+), welche den direktesten Verlauf der MSL bietet. Kräftig geht's gleich über's Dach und anhaltend mit kniffligen fusstechnischen Stellen und Slopern weiter. Als vierte Option bietet die Primagusto (7a+) den möglicherweise exquisitesten Felsgenuss, aber natürlich gibt's auch da nichts geschenkt! Egal auf welcher Linie man beginnt, das Ziel ist die Umlenkung von Argus (d.h. der Stand mit dem langen Drahtkabel) - mittels einfacher Traverse auf dem Querband ist diese auch von den Nachbartouren mühelos zu erreichen.

Kathrin folgt in L1, welche wir an diesem Tag via Bewegungsrätsel (6c) kletterten.

L2, 20m, 7a, "Getaway": Für Unterhaltung ist gleich vom ersten Meter an gesorgt. In weiser Voraussicht platziere sich die Sicherungsperson mit ausreichend langer Selbstsicherung etwas rechts auf dem Querband. Sogleich folgt nämlich eine wacklige Stelle, bevor man nach dem ersten Klipp mit Seit- und Untergriffen für den nötigen Anpressdruck der Füsse zu sorgen hat. Mit einer kniffligen Sloper-Sequenz die in einem Mantle gipfelt, bleibt es auch weiter spannend. Danach erlauben Rastpunkte zweimal etwas Durchschnaufen, bevor man sich im Finale dieser Länge dann nochmals etwas kräftiger an Leisten und Henkeln festhalten muss.

Kompakter Fels und richtig coole Kletterei in L2 (7a)

L3, 30m, 6c, "Hideout": Auch hier gibt's kein Vorgeplänkel, es geht gleich ab dem Stand so richtig los mit technischer Kletterei, wo an leidlichen Griffen für den nötigen Druck auf den Füssen gesorgt werden muss. So bleibt das über eine Weile und man darf sich allerlei kreativer Moves bedienen, um an Höhe zu gewinnen. Der Weg führt in eine Verschneidung mit plattiger Seitenwand, die über einen Wulst nochmals kräftig verlassen wird, bevor eine fein mit Wasserrillen ziselierte Platte zum Stand unmittelbar oberhalb des markanten dürren Baums führt. Von dieser Stelle kann man entweder Abseilen (mind. 1x60m-Seil nötig) oder weiter zum Top.

Zum Ende von L3 (6c) wartet noch ein kniffliger Mantle in plattigem Gelände.

L4, 20m, 3a, "Sanctuary": Diese Länge ist klettertechnisch definitiv unlohnend, erlaubt es dem Alpinistenherz aber den wirklich schönen Rastplatz am Top zu erreichen und via das Grätli und die Fixseile sehr zügig mit einem Fussabstieg wieder zum Ausgangspunkt zurückzukehren. Es geht in dieser Länge diagonal nach rechts hinaus zu einem BH und von dort am logischsten in dieselbe Richtung weiter zur markanten Föhre, wo auch der Querdenker endet (Stand mit Seilschlingen und Abseilring am Baum).

Seitenblick zum Gonzen (der Annagrethli-Turm am oberen Bild knapp sichtbar) und ins Seeztal.

Für die an sich kurze Route hatten wir doch gute 2:30h Begehungszeit gebraucht. Einerseits gab es nichts zu pressieren, andererseits stand natürlich der Rotpunkt bzw. die freie Kletterei und nicht der Speed im Zentrum. Dass die Befreiung dieser Route nicht die ganz grosse Herausforderung für mich persönlich werden würde, war mir natürlich schon im Voraus klar. Eine sehr anregende Unterhaltung war es aber allemal und schlussendlich war's - wie so oft - im Rotpunkt dann doch noch eine Ecke fordernder wie beim Bohren gedacht. Glücklich und zufrieden machten wir uns auf den Abstieg und nach dem Auflesen des Materials gleich an den Heimweg. Einerseits brauchten die Teenies daheim unsere Präsenz nach der Rückkehr von ihren Sportveranstaltungen, andererseits konnten wir es nach einem harten Sportklettertag davor und dieser schönen Erstbegehung in der Tasche auch bestens "gut sein lassen" - auch wenn natürlich das Teufelchen im Hinterkopf nur zu gut noch von einigen zu erledigen Routen im Wintergarten weiss ;-)

Blick in die Wand, die Seilschaft Dettling in L2 (7a) engagiert. Foto: Daniel B.

Facts

Balmenchöpf / Wintergarten - The Fugitive 7a (6b obl.) - 4 SL, 100m - M. Dettling 2022 - ***;xxxx
Material: mind. 1x60m-Seil, 12 Express, Cams/Keile nicht nötig/einsetzbar

Kurze MSL-Tour für die Wintersaison, welche auf nur 100m Kletterstrecke eine ausgewogene Vielfalt und anhaltende Moves bietet. Es wartet ein guter Mix von bewegungsintensiven Passagen, welche gute Fusstechnik verlangen. Etwas Fingerkraft und die nötige Körperspannung helfen sicher dabei, damit die Sohle jeweils an Ort und Stelle bleibt. Wenn die Route 3x so lange wäre, so dürfte man von einem Top-Ziel der Ostschweiz sprechen. Doch es ist wie es ist, entweder erhascht man an einem Tag im tiefen Winter hier ein paar Stunden willkommene Sonne oder man verlängert den Klettertag mit der Nachbar-MSL Querdenker (4 SL, 7c) oder im Klettergarten an der Basis, beides ist absolut lohnend. Die Absicherung der Route ist mit rostfreien Bohrhaken prima, aber nicht übertrieben eng. Nachfolgend ein Fototopo, welches L2 und L3 zeigt (sowie das Ende der 4 verschiedenen Zustiegsoptionen zu deren Start). Ein schematisches Topo und nähere Infos zum Gebiet findet man im SAC-Kletterführer St. Galler Oberland von Thomas Wälti.

Wandansicht mit dem Routenverlauf von L2 und L3 von The Fugitive.

Donnerstag, 30. November 2023

Ofen - Kreml (7b)

Wieder einmal war der Herbst gekommen, die ideale Jahreszeit für den Ofen. Uns winkte die Chance, noch knapp vor Torschluss (am 15. November) eine Tour anzugehen. Viele (der begehrten) Routen fehlen mir inzwischen nicht mehr. Aber bevor nicht alle mindestens 1x geklettert sind, heisst es die Lücken zu schliessen und nicht verfrüht von vorne anzufangen. So einigten wir uns auf die Route Kreml. Wenn man deren stotzige Einstiegslänge über die korrupte Einstiegsvariante umgeht, so wartet bis auf eine Dachzone in der siebten Seillänge sehr homogen bewertete Kletterei im Bereich 6b/6b+.

Die Südwand am Ofen im Melchtal mit dem Verlauf der Route Kreml.

Ich habe mir jetzt nicht die Mühe genommen um nachzuzählen, wie oft ich schon davon geträumt und geschrieben habe, den ersten Teil des Zustiegs zum Unter Boden nicht mehr heftig schnaufend-tramplend mit einem konventionellen Mountain Bike zurückzulegen, sondern auf die bequeme Variante mit einem E-Bike zurückgreifen zu können. Aber nun war es soweit... oder jedenfalls fast. Denn schwarze Magie musste ihre Finger im Spiel gehabt haben. Mein Bike liess sich zwar einschalten, doch nach einer halben Pedalumdrehung zeigte das Display nur noch schwarz und liess sich nicht mehr zum Leben erwecken. Wie sich später zeigen sollte, hatte der Akku in ebendiesem Moment das Zeitliche gesegnet 💩 Ein Garantiefall zum Glück, somit blieb mir das Berappen von vielen Fränkli für einen neuen erspart. Das half mir vor Ort aber nur beschränkt weiter... dienlicher war da schon das zweite E-Bike und das Seilmaterial, so dass die Variante "Schlepp" zum Zuge kommen konnte. Im Vergleich zu allen anderen Lösungen war dies immer noch superkomfortabel und schnell, auch mit nur einem Motor waren wir in nur 15 Minuten beim Unter Boden und in weiteren 45 Minuten am Einstieg, der durch den markanten Goldstreifen gut identifizierbar ist. Etwas nach 10.15 Uhr legten wir los.

Herbstklettern am Ofen, das ist einfach eine tolle Sache!

L1, 30m, 7a+: Der Logik wegen beschreibe ich hier die offizielle Startlänge gleich am Anfang, auch wenn wir sie erst am Ende nach dem Abseilen geklettert sind. Die Vermutung, dass hier ein ziemlicher Kaltstart wartet, hat sich denn auch bewahrheitet. Schon bis zum Dach hoch ist es nicht trivial, dort wartet dann ein taffer Boulder, bevor es einfacher zum Stand geht - hart für 7a+. Wenig erstaunlicherweise starten deshalb die meisten wohl mit der einfacheren Einstiegsvariante. 

L1 (korrupte Variante), 35m, 6b: Dieser Einstieg gehört eigentlich zum Lügispiel, ihn hatten wir bereits bei einer früheren Gelegenheit schon geklettert. Gerade leichtverdaulich ist diese 6b dann auch nicht wirklich, obwohl sie mir an jenem Tag gut lief und weniger schwierig vorkam wie damals. Im wesentlichen Teil wartet eine betont senkrechte Leistenpassage, wo man Übersicht beweisen muss, kleine Griffe zu krallen hat und die Füsse geschickt einsetzen sollte - sonst kann man sich gut einen ersten, deftigen Pump holen. Die Querung nach rechts dann offensichtlich, dafür in weniger schönem Fels.

Vom Lügispiel-Einstieg quert man auf der korrupten Einstiegsvariante retour in Kreml (L1, 6b).

L2, 35m, 6b: Auf dieser Höhe trifft man in vielen Ofen-Routen auf die originelle Backstein-Kletterei, welche aber im Kreml nicht ausgeprägt zur Geltung kommt. In der Wand rechts neben einer seichten Verschneidung geht's in schöner Wandkletterei auffi - da waren ein paar Moves gar nicht mal so einfach! Man erreicht schliesslich ein Dach, welches rechtsherum umgangen wird. Ein etwas einfacheres Finish führt schliesslich zum Stand.

Sehr schöne Kletterei im quergebänderten Fels (L2, 6b).

L3, 25m, 6b: Eine relativ kurze und etwas inhomogene Seillänge, welche hinauf zum grasigen Querband führt. Der Fels ist nicht überall von Top-Qualität, die Hauptschwierigkeit besteht aus einer etwas kniffligen Boulderstelle an einem Wulst nach der Mitte der Seillänge.

L4, 40m, Gehgelände: Die Querung über das Band ist problemlos machbar. Für die Fortsetzung beachte man die Topos, die erste Station bzw. Linie gerade hinauf ist nämlich die Wolfsfeder, es geht erst eins weiter rechts weiter.

Jonas packt gerade den Wulst mit der Crux von L3 (6b) an.

L5, 30m, 6b: Steil geht's los mit einer kleinen Verschneidung, aber wer es geschickt anstellt, kann sich mehr oder weniger ausschliesslich an Henkeln bedienen. So gelangt man wieder in steilplattiges Gelände, wo sich die Sache aber schliesslich gut auflöst und man rechtsquerend schon bald den nächsten Stand erreicht.

L6, 35m, 6b+: Dieser Abschnitt verläuft nur wenig links einer superkompakten und sehr fordernden 7a vom Planet der Affen. Aber tatsächlich, hier gibt's einiges an Strukturen, welche ein bedeutend einfacheres Fortkommen erlauben. Trotzdem, die richtige Sequenz will erkannt und die Stellen erbouldert werden. Im oberen Teil der Länge kreuzt man dann den Planet der Affen, den Stand findet man in der gerölligen Flachzone vor dem nächsten Überhang.

Auftakt in L6 (6b+), in Bildmitte die Skitourenziele Hanghorn und Rotsandnollen.

L7, 35m, 7b+/7c (???): Nun wird es steil, ja sehr steil sogar. Zuerst aber doch noch einigermassen griffig, so dass man mit athletischen Moves freiklettern kann. Da die Seillänge in der Literatur auch als 6b+ mit 3pa gehandelt wird, sollte dieser erste Abschnitt nicht allzu fordernd sein - mir kam es ehrlich gesagt aber eher wie eine 7a vor, der Fels übrigens nicht restlos überzeugend. Bis vor den Ausstieg in flacheres Gelände kam ich aber doch ungerupft voran. Aber dann?!? War es subito fertig mit dem Onsight, denn a) weiss man nicht mal richtig, wo und in welche Richtung man über die Kante klettern soll, man sieht b) rein gar nix und hat c) auch keine Zeit, um ewig rumzumachen und zu tasten. Und nicht zuletzt ist es auch einfach richtig hart, denn einen richtigen Griff hat es da nicht wo man ihn sich wünscht, höchstens minimale Kratzer. Nach meinem Empfinden definitiv mehr wie 7b, laut Wandbuch hat es nach der Eröffnung der Route auch lange Jahre gedauert, bis diese Länge überhaupt rotpunkt geklettert wurde und oft (wenn überhaupt) wurde dieser Feat bisher nicht wiederholt. Nachher geht's dann wieder besser voran, erst in der Wand, dann doch an der etwas grasigen Verschneidung - am Ende stört leider der Seilzug. So beschliesst man die Seillänge bevorzugt am unteren Stand, eine Etage (d.h. kompakte Wandstufe) höher befindet sich nochmals einer, wo auch das Wandbuch platziert ist.

Das schwierige Dach in L7 ist überwunden. Die Bewertung checkt wohl eher 7b+/7c als bei 7b ein und wer maximal 6b+ klettern kann oder will, muss wohl auch öfters als die propagierten 3x zum Textilgriff langen. Obenraus gibt's erst schöne Wandkletterei, dann eine etwas grasige Verschneidung.

L8, 40m, 6b: Für die Kreml darf man sich nun mit der deutlich einfacheren linken Linie begnügen, die rechte Variante ist markant fordernder, gehört jedoch nominell zum Lügispiel. Nochmals ein prima Abschnitt, was schwierig erscheint löst sich am Ende doch alles gut auf, im Zweifel einfach nach links queren.

Auf der Zielgerade in L8 (6b). Eher plattiger Fels am Ende, aber die nötigen Strukturen sind da!

Um 14.15 Uh hatten wir nach knapp 4:00h der Kletterei das Top der Route erreicht. Wir rasteten kurz am Grat und seilten dann über die zentrale Piste zurück auf den Boden, um wie bereits schon erwähnt noch die offizielle erste Seillänge zu attackieren. Auch hier blieb mir der Onsight leider verwehrt. Mit einem 2nd Go wäre es vermutlich schon gegangen, aber da mir der Durchstieg in L7 ja auch fehlte, drängte sich dieser nicht unbedingt auf. So gingen wir gen Tal, zügig waren wir beim Unter Boden und nach wenigen Minuten rauschender Fahrt retour beim Parkplatz.

Goodbye Ofen - see you next year... maybe?!? Es gibt noch zu tun, wir kommen sicher wieder!

Facts

Ofen - Kreml 7b+/7c (6b obl.) - 8 SL, 270m - Winkler/Röthlisberger 1989; ***;xxxx

Der Kreml ist deutlich weniger begangen wie andere Routen der Wand und das kommt nicht ganz von ungefähr. Den anspruchsvollen Kaltstart kann man zwar über die korrupte Variante gut umgehen und der Quergang übers Band stört auch nicht sonderlich. Schon viel eher die harte Passage in L7, welche kaum für 7b freizuklettern ist und von den meisten wohl noch einige PA-Moves mehr wie die 3 laut Topo erlaubten fordert. Wer darüber hinwegsehen kann, erhält eine durchaus lässige Route, welche den Grad 6b+ nicht übersteigt. Ganz gleich schön bzw. lohnend wie die beliebten Routen Leiterlispiel, Schwarz Peter oder Halma schien es mir jedoch nicht. Die Absicherung ist nach einer umfassenden (oder mehreren kleinen?!?) Sanierungen gut. Die im Extrem Ost empfohlenen Cams von 0.5-3 und die Keile führten wir mit. Leider habe ich mir damals keine exakten Notizen gemacht, was wirklich zum Einsatz kam - ich meine mich aber zu erinnern, dass man das Rack auch etwas abspecken kann (ohne Gewähr!).

Donnerstag, 23. November 2023

Ski & Fly Fanenstock (2236m)

Die Ski-Saison 23/24 ist gestartet! Wobei ich mich im Voraus durchaus gefragt habe, ob es denn der richtige Tag dafür sei. Klar, die Online-Tourenportale und Social Media zeigten genau, wo schon richtig winterliche Bedingungen mit guten Tourenverhältnissen herrschten. Aber leider waren diese Gegenden weiter von daheim entfernt, als es mir lieb war. Somit setzte ich lieber auf innovative Tourengestaltung mit dem Nervenkitzel, ob denn auch alles wie geplant aufginge.

Zur Abwechslung wieder mal ein Bericht hot from the press...

Sonne, Pulverschnee und ein paar gute Skihänge - da schlägt das Herz gleich schneller.

Als Ziel hatte ich den Fanenstock bei Elm erkoren. Natürlich war ich da schon etliche Male zuvor. Aber es lohnt sich eben immer wieder und seit dem letzten Mal war es doch schon eine Weile her. Kommt hinzu, dass man an diesen Hängen viel von der raren Novembersonne erhaschen kann und das einigermassen sanfte Gelände auch bei moderater Schneelage eine Tour zulässt. Wobei es eben derzeit in Elm absolut grün ist und die Hänge bis ziemlich weit hinauf aper sind. Somit machte der Fanenstock nur als Kombi-Tour Sinn: entweder käme das Bike als Schneetaxi zum Einsatz, oder dann würde zu Fuss aufgestiegen und mit dem Gleitschirm ins Tal geflogen. Da die Windprognose günstig war und das Flugzeug schon eine Weile nicht mehr in dieser Art zum Einsatz gekommen war, setzte ich darauf.

'Tief verschneit' wäre dann doch anders. In Elm ist es grün, und das bis weit hinauf.

Tourenstart war um 9.00 Uhr in Elm Wisli P.1025, mit angeschnallten Brettern und den Skischuhen lief ich los. So war es bequemer, der Strasse zu folgen. Ab etwa 1400m war der Boden teils weiss bedeckt, doch erst beim P.1575 nach einer Stunde Bootpack kamen die Bretter an die Füsse. Der Aufstieg über die Schindelegg war gerade so fellend machbar. Während es unten im Schatten kalt, dunkel und eisig gefroren war, konnte ich mich an der Sonne subito allen Kleiderschichten bis auf das T-Shirt entledigen. Ab dem Mittler Stafel von Gamperdun (P.1772) gab es etwas Altschnee-Unterlage - das entsprach genau meinen Vorstellungen, denn so würde es sich zu diesem logischen Gleitschirm-Startplatz abfahren lassen.

Im Aufstieg auf ca. 2000m. Rechts hinten die Hausstock Nordwand, das war auch eine super Tour!

Ich zog gleich weiter und konnte nun durch eine unberührte Winterlandschaft schreiten. Auf der kompakten Unterlage lag feiner Pulver, so war die Spurarbeit ein grosses Vergnügen. Um 11.15 Uhr schlug ich schliesslich am Gipfel-Wegweiser an. Es folgte eine gemütliche Pause - es war windstill, wolkenlos und sehr mild. Eine halbe Stunde Gipfelrast im T-Shirt und das nach dem vielen Regenwetter und Ende November - das war eine richtige Wohltat. Aufs Skifahren freute ich mich aber natürlich auch sehr, zumal erst noch absehbar sehr gute Bedingungen warteten. Tatsächlich, dank der kompakten Unterlage war es genial und man musste absolut keine Sorge vor Bodenkontakt haben. Nach dem Gipfelhang wählte ich die Ostvariante und gelangte zurück nach Mittler Stafel - mit der Einsicht, dass es dies nun noch nicht gewesen sein konnte.

First Line am Gipfelhang vom Fanenstock - oh yeah!

So klebte ich erneut die Felle auf meine Bretter und nahm die zweite Runde in Angriff. Das hätte ja auf meiner nun schon bestehenden Spur noch zügiger gehen können. Doch die Bedingungen fühlten sich inzwischen richtig frühlingshaft an. Um diesem Gefühl noch etwas Vorschub zu leisten, hefteten sich auch bald einige fette Stollen an die Felle. Aber was soll's, kein Grund sich die Laune zu vergällen. So wurde die Kadenz halt etwas zurückgenommen, auch so erreichte ich bald wieder den Gipfel. Eine weitere Halbstunde an Sonnenbad lag drin, bevor das zweite Mal grandioser Fahrspass folgte. Nun wählte ich nach dem Gipfelhang den kurzen Wiederaufstieg zum P.2168, um in seinen so anzüglichen, unberührten Südhang auch noch eine perfekte Spur zu legen.

Blick zum Sardonamassiv, prominent der sonnige Geissegg-Rücken - auch eine geniale Tour!

Das gelang, und so galt es dann noch, ohne Materialschaden retour nach Mittler Stafel zu kommen. Der wenige Schnee hatte sich ob den hitzigen Temperaturen nämlich durchaus schon sichtbar gemindert. Aber mit der geschickten Wahl einiger Mulden und Hangpartien in abscheiniger Exposition war es gut zu machen. So hiess es nun nur noch, das Tuch zu drapieren, sich an die Schnüre zu schnallen und bequem ins Tal zu gleiten. Das war kein Ding, gab es doch am Starplatz sogar ein bisschen Aufwind. Auch in der Luft traf ich hier und da auf aufsteigende Warmluftpakete, welche zur Verlängerung des genussvollen Abgleiters genutzt werden konnten. Mehr lag aber nicht drin, schliesslich haben wir ja doch Ende November und das Gerät war nur ein kleiner Singleskin-Leichtschirm. Tja, hätte sich der Wunschtraum einer Toplandung am Gipfel und einer 'Gratisfahrt' erfüllt, so hätte der Tag ganz sicher 1000 von 100 möglichen Punkten erhalten. Aber 100 von 100 gab es auch so, und das ist ja doch auch schon eine ganze Menge.

Facts

Fanenstock ab Elm Wisli, 1200hm Aufstieg (+500hm für die zweite Runde), Ski-Schwierigkeit WS

Freitag, 17. November 2023

1000x 7a

Ja, so ist es! Kürzlich konnte ich tatsächlich meine Route #1000 in den Graden 7a/7a+ durchsteigen 🥳 Mir geht's hier nicht ums Prahlen mit dieser Zahl, einer kleinen Genugtuung ist der Meilenstein aber wert und vor allem bietet er auch die Gelegenheit auf einen (hoffentlich interessanten) Rückblick auf mein Kletter(er)leben mit dem Schwierigkeitsgrad von UIAA 8. Nicht zuletzt ist der Beitrag aber auch dadurch motiviert, dass ein Kletterer vor Ort meine Jubiläumsbegehung fotografisch festgehalten hat und mir die Bilder nachher anonym hat zukommen lassen, vielen herzlichen Dank dafür!

In der When you Smile (7c) in Cresciano. Die 7a war das Aufwärmprogramm dafür 😉

Als ich zum Ende der 1980er bzw. Anfang der 1990er mit dem Klettern begann, war der Grad von 7a noch weit, weit weg. Klar, die Spitzenleute kletterten schon damals viel schwieriger (UIAA 8 wurde in der CH erstmalig ca. 1980 bezwungen). Aber zumindest nach meiner damaligen Wahrnehmung gab es fast niemanden, der diese Schwierigkeit meistern konnte. Mindestens aber war ich nicht in einer Umgebung oder mit Leuten bekannt, wo dies stattfand. Natürlich hatte ich damals den vagen Wunsch, besser und schwieriger zu klettern. Aber eben nicht das konkrete Ziel: einen bestimmten Grad zu erreichen oder dafür zu trainieren, das war absolut nicht auf dem Radar. Dafür fehlte mir die Peer Group, die ja ganz wesentlich definiert, was man als erstrebenswert und machbar taxiert. Kommt noch hinzu, dass die 7a-Routen damals noch viel dünner gesät waren als heute. Auch waren sie vielfach schlechter abgesichert, d.h. die Einstiegshürde war deutlich höher. Und natürlich gab es auch keine Kletterhallen, wo man hätte trainieren können, oder einfach mal so ohne nix in einen UIAA-Achter einsteigen. So war ich damals vorwiegend beim Bergsteigen oder auf schlecht abgesicherten, alpinen Kletterrouten unterwegs. In Klettergärten gingen wir nur selten und wenn, dann kletterten wir dort Routen, die wir sicher bewältigen konnten. 

Das ist sie, die #1000: Cenerentola (7a) in Cresciano.

So dauerte es dann über 7 Jahre Kletter"karriere", bis ich im Frühling 1997 mit der Route Indulgence in Volx (F) das erste Mal eine 7a punkten konnte. Damals war ich mit Studienkollegen während der Semesterferien für ein paar Wochen im Süden unterwegs. Die waren schon richtig ambitioniert und in höheren Graden unterwegs. Und siehe da, das färbte auch auf mich ab. Diesen Level hielt ich dann für einige Jahre +/- konstant bei. Er eröffnete mir neue Möglichkeiten, d.h. nun auch schwierigere MSL anzugehen, von welchen ich schon viele Jahre geträumt hatte - es gab noch so viel zu tun. Beim Sportklettern noch härter zu punkten war nicht etwas, das ich angestrebt hätte. So gingen wieder 7 Jahre vorbei. Erst im 2004 punktete ich dann das erste Mal eine 7b. Worauf erstmal eine intensive Gleitschirmphase folgte, wo ich nur reduziert kletterte und definitiv nicht stärker wurde. Erst nach deren Abschluss im 2007 erreichte ich den Grad von 7b wieder, bevor es dann mit 7c (2008) und 8a (2009) aufwärts ging. Notabene auch ohne echtes Training, nur mit häufigem Klettern, bzw. dem Einsteigen in bzw. Einüben von Routen dieser Schwierigkeit. Für weitere 7 Jahre stagnierte ich dann auf diesem Level, bevor ich mich im 2016 und damit bereits deutlich jenseits der 40-Jahre-Marke noch auf 8a+ und sogar 8b steigern konnte. Da war es dann tatsächlich eine etwas systematischere Herangehensweise, welche auch Off-the-Wall-Training inkludierte. Die wurde jedoch weniger durch den unbedingten Wunsch diese Grade zu klettern diktiert, sondern mehr durch andere Umstände im Leben. Spät kam der Mann auf den richtigen Pfad - oder den falschen, je nach Perspektive 🙄!

1000x gemacht hin oder her: meist ist es zwar keine Frage, dass ein rascher Punkt drin liegt. Eine Challenge ist's aber doch immer noch und wie das Bild zeigt, ohne Engagement geht eine 7a denn eben doch nicht her. Ist ja aber auch gut so, sonst wäre es ja nicht spannend oder der Erwähnung wert.

Zuletzt noch für die Zahlenfreaks zur Marke 1000: ob die ganz genau stimmt, sei dahingestellt. Sie ist zu hoch, weil Klettergrade keine besonders harte Währung darstellen und noch volatiler sind wie die türkische Lira. Sprich, einige als 7a gekletterte und notierte Routen gelten heute nicht mehr als solche, dafür habe ich nicht korrigiert. Andererseits ist sie zu klein, weil ich erst seit 2003 systematisch Buch führe und die einzelnen gepunkteten Längen bei MSL lange Zeit vernachlässigt hatte - dieser Fehler dürfte deutlich überwiegen. Zudem kommen von Indoor (wo ich wegen der Nicht-Permanenz der Routen kein Buch führe) sicher nochmals mehrere Hundert dazu. Kurzum, mit der Cenerentola in Cresciano habe ich einfach die tausendste Route im Grad 7a oder 7a+ in mein persönliches Logbuch geschrieben. Davon gelangen mir ~770 onsight, was auch zeigt, dass ich den Grad im Lauf der Jahre mehr oder weniger "mühelos" zu klettern gelernt habe und ihn sogar mal zum (verschärften) Aufwärmen nutze (ob dieser Bemerkung werden sich wohl manche ins Fäustchen lachen, die mich schon in einer 7a (oder noch tiefer bewerteten) Route haben herumlaborieren sehen 😂). Und weil's mich nun gerade selber interessiert: 7b/7b+ sind es aktuell ~510 Routen, bei 7c/7c+ nochmals ~225 und bei 8a/8a+ inzwischen doch auch ~65 (die Zahlen sind mit allen zuvor erwähnten Caveats). Zeigt vor allem eines: hier schreibt ein Mann, der viel Herzblut in die Kletterei investiert und die nötige Zeit dafür findet 😎