Wieder einmal ist es Zeit für den traditionellen Jahresrückblick, dieses mal aufs 2017. Vielleicht ist es dieses Mal fast einfacher zu sagen, was ich nicht gemacht habe: keine Nordwand, keine Pausetour, kein 4000er, kein Chamonix-Trip, undsoweiter. Wer also vor allem Interesse an alpinen Trophäen hat, der kann eigentlich schon weiterklicken. Wenn ich das Jahr 2017 charakterisieren müsste, so wäre wohl "im Zeichen der Familie" der passende Slogan. Wir haben gemeinsam auf dem Gletscher biwakiert, Routen eingebohrt, an Kletterwettkämpfen teilgenommen, ausgiebig MSL geklettert und Trips in Sportkletter-Hotspots wie St. Léger, Ceüse und Margalef unternommen - simply perfect! Darüber hinaus war das Jahr aber doch noch gewürzt mit einigen Highlights wie dem Silbergeier (8b+) im Rätikon, der Zahir (8b+) an den Wendenstöcken und unserer Erstbegehung Baci dal Nord (7c+/8a) im Tessin. Doch gehen wir es im Detail an...
Sportklettern
Im Gegensatz zum Vorjahr war die Frühjahressaison im 2017 viel besser, d.h. sie wurde nicht durch lange anhaltende Nässe in den Projekten und sonstige Problemchen charakterisiert. So konnte ich denn auch gleich fulminant starten und einige schwierige Routen punkten. Irgendwann in der zweiten Jahreshälfte ist mir dann das Momentum mit schnellen Erfolgen in schwierigen Routen jedoch zu Gunsten vom MSL-Klettern etwas abhanden gekommen. Daher ist es umso mehr spannend zu überprüfen, was zum Jahresende schlussendlich auf dem Konto steht. Und das sind dieses Mal 1x 8b, 1x 8a+, 7x 8a. Das wären dann 9 Routen im achten Franzosengrad, so viele wie noch nie. Im Bereich 7c/7c+ sind es 12, auf 7b/7b+ fallen 36 und in der Region 7a/7a+ sind es 91. Über alles gesehen vergleichbar mit dem Vorjahr mit ein bisschen grösserem Volumen, ich bin jedenfalls sehr zufrieden. Sportklettertrips unternahmen wir im 2017 ziemlich viele, so waren wir mehrmals im Tessin (
1,
2), in
St. Léger, in
St. Loup, in Reutte/Tirol, in der Region Chiavenna/Bergell/Engadin (
1,
2,
3), in der
Dauphiné und in
Ceüse und zuletzt in
Siurana und Margalef. Ebenfalls in diese Rubrik lasse ich die Teilnahme an diversen Wettkämpfen einfliessen. Angefangen hat alles mit dem
Ticket to Rockstars, weiter ging's mit dem Eröffnungswettkampf der Boulderhalle Näfels, dem Contest zum Blockfeld-Jubiläum und schliesslich der
Zürcher Klettermeisterschaft. Nunja, als alpin aufgewachsener Oldie bin ich hier ein wahrer Exot und grosse Erfolge zu erwarten wäre mehr als vermessen. Schlussendlich hat aber überall die ganze Familie teilgenommen und wir hatten extrem viel Spass dabei. Alle waren immer angespornt, auf den Punkt ihr bestes zu geben und einige gute Platzierungen sind dabei denn auch herausgekommen. Und wenn nicht, dann erfreuen wir uns am olympischen Geist, dass mitmachen wichtiger als gewinnen ist. Wenn ich jetzt aber erzählen würde, was wir an diesen Wettkämpfen alles an Sachpreisen abgeräumt haben, da würde bestimmt mancher neidisch werden - in diesem Sinne herzlichen Dank allen Organisatoren und Sponsoren dieser Events.
|
Kaum bekannt, aber ein wirklich cooles Gebiet das wir bei unserem Auffahrtstrip 2017 besucht haben: das Gsperr in der Gegend von Reutte. Landschaftlich sehr schön am klaren Fluss gelegen, der Canyon würde jetzt durchaus in einen Nationalpark der USA passen. Und gleich um die Ecke konnten wir unsere Nüsse knacken... :-) |
MSL-Klettern
An MSL-Routen bin ich (ohne Bohrtage und dem Punkten selber eingebohrter MSL) zwischen 12. März und 21. Oktober insgesamt 27 Stück geklettert, wovon bereits 10 Stück mit der Familie waren. Klar, noch handelt es sich bei den letzteren vorwiegend um Unternehmungen im Plaisir-Bereich, wobei mit Routen wie der
Ecrins Total (5c+) und der Albigna-Kombi Wassersinfonie/Piz dal Päl (6a, Beitrag folgt) bereits längere Unternehmungen dabei sind, welche durchaus einen gewissen alpinen Stellenwert aufweisen. Auch ist inzwischen genügend Routine vorhanden, dass in Seilschaft von 1 Erwachsenen mit 1 Kind sicher, effizient und zügig MSL geklettert werden kann. Nachdem die Kinder in den letzten Monaten klettertechnisch sprunghafte Fortschritte erzielt haben und es vorkommt, dass (indoor) auch mal eine 6a+ geflasht und als "einfach" oder "eher nur 5c+" bezeichnet wird, werden sich die MSL-Möglichkeiten schon im nächsten Jahr massiv erweitern. Hier nun mit konkreten Projekten zu prahlen wäre verfehlt, abgerechnet wird im Nachhinein. Erwähnt sei aber das Beispiel von
Jim Herson (Half Dome RNWF in a day als die Kinder 9 waren, Nose in a day als die Kinder 12 waren) und vor allem die Freude und Begeisterung, welche seine Berichte und Fotos ausstrahlen. Wenn mir das keine Inspiration ist... Bei den MSL ohne Familie stechen natürlich die bereits erwähnten Routen
Silbergeier (8b+) und
Zahir (8b+) heraus - wobei diese ehrlich gesagt die Projekte von meinem Kletterpartner Dani waren und ich mich im Rahmen meiner Möglichkeiten hinterhergekämpft habe. Trotzdem unvergesslich, an diesen Geräten einmal Hand anlegen zu dürfen. Über 10 weitere MSL habe ich bereits Blogs verfasst, einige sehr interessante Geschichten bedürfen jedoch noch der Publikation. Konkret sind dies: Chöpfenberg, Isenburg (7c+); Wiss Stöckli, Grüter/Müller (7a); Dent de Ruth, Dealer (7a+); Rätikon, Schwarzer Diamant (7a+) und Freiheit, Rote Freiheit (6b+). Wir werden sehen, vielleicht finde ich noch die Zeit dafür, über diese Touren Beiträge zu tippen. Grosse Erlebnisse waren es auf jeden Fall allesamt.
|
Das Rätikon ist ein Garant für perfekten Kalk. Hier mit Kathrin in der neu fertiggestellten Schwarzer Diamant (7a+). |
Bohren
Hier gilt es ganz klar zu sagen: im 2017 wurden Dinge realisiert, von welchen ich vor einem Jahr bestensfalls geträumt habe, oder die ich mir nicht einmal ausgemalt hätte. Einmal als Familie eine Erstbegehung zu machen, das war tatsächlich ein Traum. Dieser ist nun gleich mehrfach Realität geworden. Zuerst mit der 3-SL-Plaisir-Route
Sunshine Reggae (5b) am Gamstritt in Partnun, später konnten wir dann mit der 5-SL-Plaisir-Route Geisterbahn (5a, Bericht folgt) am Seeflüeli in Partnun sogar eine noch bessere Linie finden. Aber das ist noch nicht alles - als ich zuhause von einem potenziellen Bigwall-Projekt schwärmte und dabei gleichzeitig über die Mühe klagte, dafür einen geeigneten Partner zu finden, da befand meine Tochter mit einer Mischung von Hilfsbereitschaft, Begeisterung fürs Klettern und kindlicher Naivität: "Papi, du kannst ja einfach mit mir gehen". Ich erklärte dann ein bisschen genauer, was das heisst - es schien ihr zu wenig abschreckend, das Angebot blieb bestehen. Stellte sich noch die Frage, ob ich bei einer meiner mutmasslich anspruchsvollsten, jedoch sicher längsten Erstbegehung tatsächlich mit einem Kind angreifen wollte. Aber eigentlich geht's ja beim Klettern genau darum, Herausforderungen zu überwinden und das unmöglich erscheinende zu realisieren - am Fels und im übertragenen Sinn. Also waren wir kurz darauf das erste Mal unterwegs, d.h. das Lanciamira-Projekt ist gestartet. Weiter gehört in diese Rubrik auch die
Baci dal Nord (7c+/8a) an der Parete d'Iragna im Tessin. Diese Semi-Trad-Linie ist definitiv eine meiner coolsten Erstbegehungen. Die Mischung von abgefahrenen Wandstellen und cleanen Rissen ist total begeisternd, eine wahre Perle in meinem Palmares. Im Klettergarten habe ich hingegen nur eher wenig gebohrt, 2 Routen auf der Galerie und 2 auf der Deponie.
|
Das macht Laune! Impressionen aus unserer Familien-Erstbegehung Geisterbahn (5 SL, 5a) im Rätikon. |
Skitouren
Extrem viel gibt es hier nicht zu schreiben, auch wenn die Aktivität im Vergleich zum Vorjahr etwas höher war. Im Januar/Februar sowie im November/Dezember 2017 lag Schnee bis in tiefe Lagen, deshalb waren vor meiner Haustür Touren möglich. Diese brauchen keine Anfahrt, nur wenig Zeit und laufen eher unter der Rubrik "Alltagsaktivitäten" - auch wenn's natürlich jedesmal ein tolles Erlebnis ist und doch manch guter Pulverschwung zusammen kommt. Ohne es ganz genau benennen zu können, habe ich auf diese Weise ca. 30 Touren angegangen. So ganz "richtige" Skitouren mit allem Pipapo gibt's auch ein paar erwähnenswerte: die geniale auf den
Piz Calderas, den April-Powder am
Mutteri und die unverhoffte
Clariden/Tüfelsjoch-Kombi. Saisonende war am 11. Juni mit der hammermässigen
Familien-Biwaktour auf dem Rhonegletscher, wobei der Limistock (3189m) bestiegen wurde. Wieder los ging's am 14. November stimmungsvoll am
Fanenstock und die originelle, kombinierte Ski- und Flugtour zum
Näbelchäppler am Heiligabend 2017 fällt auch in diese Rubrik. Insgesamt ein Strauss an tollen Erlebnissen auf Ski, wozu für mich natürlich auch die vielen gemeinsamen Familien-Skitage auf den Pisten gehören.
|
Die wunderbare Frühlingstour zum Piz Calderas (3397m) gehört zu den Skitouren-Highlights im 2017. |
Eis- und Mixedklettern
Im Januar 2017 gab's eine Kältephase, wo auch in tieferen Lagen der Alpennordseite wieder einmal ziemlich gute Bedingungen herrschten. Leider war sie nicht sehr langlebig und schon vorbei, bevor allzu viel realisiert werden konnte. Auch im Dezember 2017 wuchsen die Säulen und Zapfen überdurchschnittlich gut, so dass ich schliesslich auf total 8 Tage im Eis zurückblicken kann. Dabei konnte ich mit dem Vorstieg in
Reise ins Reich der Eiszwerge (M6+) eines meiner Lifetime-Goals in dieser Spielart des Alpinismus erreichen. Daneben gelangen auch mit der
Cascata da Cavloch (WI5), dem
Krümelmonster im Brunnital (M8+) und dem
Rattenpissoir (WI5+) rassige und renommierte Touren, während der Rest auf (natürlich ebenfalls sehr nette) kleinere Ausflüge und Trainings im Eis entfällt. Nicht weiter verfolgt habe ich im 2017 meine Drytooling-Aktivitäten - dafür war's schon früh im Jahr zu gut zum Sportklettern und auf allen Hochzeiten zu tanzen ist halt eben schwierig.
|
Impressionen aus der Reise ins Reich der Eiszwerge (M6+), definitiv eines meiner Lifetime-Goals. |
Alpines
Hier sind wir schnell fertig: null, nix, nada. Klar wäre es schön, auch hin und wieder im Hochgebirge eine Tour zu machen oder eine Nordwand zu klopfen. Dagegen spricht das Privileg, während der alpinen Hauptsaison in den Sommerferien 5 Wochen gemeinsam mit der Familie unterwegs gewesen zu sein. Sowie natürlich die langen Abwesenheiten, die sich durch ambitionierte Alpintouren ergäben. Wenn ich bedenke, was dadurch an tollen Klettererlebnissen flöten gegangen wären, dann reut's mich nicht. Die Zeit, wo hochalpines mehr opportun ist, wird wieder kommen. Wenn auch kaum im 2018.
|
As alpine as it gets - ein bisschen grimmige und abenteuerliche Kletterei in der Grüter/Müller (21 SL, 7a) am Wiss Stöckli. |
Wow, so entfährt es mir, nachdem ich alle diese Bergerlebnisse im 2017 beim Schreiben nochmals reflektiert habe. Ich bin höchst zufrieden, welch ein Privileg so leben zu können. Aufs kommende Jahr freue ich mich sehr, jedoch wie immer ohne konkrete Ziele zu definieren. Den Moment geniessen und dem Flow folgen, so soll es doch sein. Zuletzt möchte ich allen meinen Touren- und Kletterpartnern im 2017 herzlich für den Support und die gemeinsamen Erlebnisse danken. Besonders hervorzuheben gilt es hier meinen Vater Sepp, die viele Male uneigennützig mit mir an den Fels gekommen ist, um mich in einem Projekt zu sichern. Ein wesentlicher Teil meiner Sportklettererfolge fällt als beruflich und familiär vielbeschäftigter Mensch darauf zurück, auch kleine Zeitfenster nutzen zu können und dabei (fast) jederzeit auf einen Mitstreiter zählen zu können.
ALLES GUTE FÜRS BERGJAHR 2018 UND MIT BESTEM DANK AN MEINE PARTNER IM 2017!!!