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Dienstag, 31. März 2015

Skitour Piz Forbesch (3262m)

Auf Sonntag war schon wieder Schlechtwetter und Sturm angesagt, so konnten wir uns die Pläne im Hochgebirge in die Kappe schreiben. Das Zwischenhoch am Samstag liess aber eine alpine Skitour bei einwandfreien Bedingungen zu. Nachdem am Vortag noch etwas Neuschnee gefallen war, durfte die Tourenwahl nicht allzu offensiv ausfallen. Wir entschieden uns schliesslich für den Piz Forbesch, einen tollen Gipfel im Oberhalbstein. Im Kindes- und Jugendalter war ich oft auf den Pisten im benachbarten Savognin unterwegs. Schon damals lockten mich die markanten Scherenspitzen, eine Besteigung war dannzumal aber noch unrealistisch. Heute hat es geklappt!

So kennt man den Piz Forbesch aus dem Skigebiet von Savognin. Die Nordwand direkt zum Gipfel ist wohl noch unbegangen?! Bild: 560 @ hikr.org
Unsere Tour startet in Mulegns, durch das Val Faller geht es erst nach Tga. Hat es noch Schnee, oder müssen wir die Skier zuerst buckeln? Der Poker geht auf, das Strässchen ist aktuell noch eingeschneit und wir kommen durch, ohne auch nur 1x abschnallen zu müssen. Allzu lange wird das aber nicht mehr so bleiben, maximal 1-2 Wochen schätze ich. Zügig steigen wir auf und biegen kurz vor Tga hinauf zu den Maiensässen von Arnoz. Die eindrückliche Berggegend zieht uns in ihren Bann: die Nordwand des Piz Platta sieht wie eine ganz grosse Herausforderung aus, das Massiv des Piz d'Err thront in unserem Rücken und voraus gehen die Blicke zum Piz Arblatsch und zu unserem Tagesziel.

Hier geht's los. Das Strässchen von Mulegns nach Tga war noch komplett eingeschneit, auch wenn es ringsum schon nach Frühling roch.
Der erste Blick bei Arnoz auf unser Tagesziel. Links der Forbesch Pintg 3202m, der rechte Scherenspitz der Hauptgipfel 3262m.
Die Schneedecke ist perfekt gefroren und trotzdem schön griffig, so lässt es sich bequem aufsteigen. Wir kommen näher und näher an den Piz Forbesch heran, Distanz ist nicht mehr viel übrig aber immer noch viel Berg. Das Südcouloir, welches den Aufstieg durch die eindrückliche Felswand überhaupt zulässt, lässt sich zwar schon von weitem erahnen, doch es verbirgt sich bis wir darunter stehen unseren Blicken. Und dann geht es hinein: die Rinne ist auf knapp 400hm ziemlich homogen +/- 40 Grad steil. Hier ist der Schnee nun pulvrig, es sind aber nur 5-10cm auf kompaktem Untergrund, zudem ist er locker und ungebunden und so müssen wir uns keine Sorgen wegen der Lawinengefahr machen.

Fantastischer Aufstieg auf perfekt durchgefrorenem Schnee, dazu weites, sonniges und aussichtsreiches Gelände.
Der erste Blick ins Südcouloir. Kaum zu glauben, dass es von hier noch fast 400hm bis in die Lücke hoch sind!
Erst steigen wir spitzkehrend mit den Ski hoch, irgendwann habe ich das ständige Wegrutschen des lockeren Schnees unter dem Ski satt und binde diese auf, per Pedes soll es weitergehen. Solche Himmelsleitern in Couloirs zu treten ist zwar jedesmal anstrengend, aber doch auch ein Hochgenuss! Auf den letzten Höhenmetern zum Grat hin flacht es dann nochmals etwas ab, der Untergrund ist nicht mehr ganz so kompakt und so entscheide ich mich für den Wechsel zurück auf die Ski. Nach etlichen weiteren Spitzkehren und total rund 4 Stunden Aufstieg (inklusive ein paar gemütlichen Pausen) erreichen wir das Skidepot, 1700hm Aufstieg sind es bis hier.

Fussaufstieg durch das Forbesch Südcouloir. Anstrengend, aber immer wieder toll, auf diese Weise hochzusteigen.
Weiter oben geht's dann nochmals mit vielen Spitzkehren auf den Ski weiter. Hinten der Piz Platta.
Wir montieren die Steigeisen, es wartet noch ein ziemlich langer, alpiner Fussaufstieg zum Gipfel. Rund 500m Horizontaldistanz und 100m Höhendifferenz sind noch zu bewältigen, Online-Quellen veranschlagen eine Hochtourenbewertung von WS+. Das mag etwa zutreffen, auf jeden Fall ist der Grat für meinen Geschmack ein grosser Genuss. Über weite Strecken ist er recht einfach zu begehen, drei Stellen sind aber zu erwähnen: kurz nach dem Gratgipfel von P.3176 muss ein Abbruch zwingend in der steilen Nordflanke umgangen werden, etwa in der Mitte des Wegs zum Gipfel wird ein Gendarm exponiert südseitig umrundet und kurz vor dem Ziel wartet noch ein giftige Abkletterstelle. Diese ist zwar nur kurz und ein lapidarer Zweier, dafür ist der Grat hier schmal und es pfeift sowohl süd- wie nordseitig gewaltig in die Tiefe, Fehler sind da nicht erlaubt.

Jonas unterwegs in der Nordflanke von P.3176. Hier ist mein Weg über den Gratgipfel noch bequemer, danach muss man aber zwingend in die sehr exponierte Nordflanke absteigen. Sicheres Steigeisengehen ist da absolut unerlässlich, sonst wird es gefährlich.
Die im Text erwähnte Zweierstelle kurz vor dem Gipfel, hier beim Wiederaufstieg auf dem Heimweg. Die Passage ist weder lang noch sehr schwer, jedoch sehr exponiert. Ich hoffe, das Foto kann es wenigstens einigermassen zur Geltung bringen.
Rund 40 Minuten nach dem Aufbruch vom Skidepot erreichen wir den Gipfelsteinmann - ein durchaus exklusiver Ort. Das Gipfelbuch ist von 1996 und listet nicht viele Besuche auf. Pro Jahr sind es im Schnitt 5 Begehungen, die meisten davon im Sommer. Wir geniessen die phänomenale Rundsicht und machen uns schliesslich wieder auf den Weg, der Schnee wird nicht besser werden. Den Rückweg zum Skidepot erledigen wir nun, wo wir den Weg kennen und eine Spur vorhanden ist, in 25 Minuten schneller wie den Aufstieg. Rasch ist dann auch das Gear verstaut und die Bretter festgezurrt. 

On the top! Sicht vom südlichen Vorgipfel auf den Steinmann, wo auch das Buch in einer Gamelle verstaut ist.
Die oberen zwei Drittel vom Gipfelgrat, fotografiert als wir schon auf dem Abstieg sind.
Das ist die Sicht vom selben Standort nach unten auf das erste/letzte Gratdrittel. Die Spur mit Querung der Nordflanke gut sichtbar.
Schwungvoll geht es darauf in die Tiefe, das Couloir fährt sich wirklich gut und genussvoll - kompakte Unterlage, darauf feuchter Pulver, keine harten Lawinenschollen - ideal. Auch die Plang Forbesch, d.h. die 400hm vom Couloir-Auslauf bis auf die Fläche hinunter bieten perfektes Skigelände und fahren sich mit leichter Pulverauflage prima. Dann wechselt der Schnee zu einem guten Sulz. Schon viel zu bald sind wir retour in Tga, von dort geht's rassig auf dem Fahrweg das Val Faller hinaus und in weniger als einer Stunde seit Aufbruch vom Gipfel sind wir retour in Mulegns. Das war meine beste Skitour dieses Winter, und dann auch noch mit deutlichem Abstand! 

Bilder vom Skifahren sind immer so eine Sache... Hier bereits beim Ausgang aus dem Südcouloir, direkt unter dem Gipfel.
Das ist die Sicht in die andere Richtung. Perfektes, weites Skigelände, kompakte Unterlage, pulvrige Auflage :-)
Und er ist auch immer präsent im Val Faller - der Piz Platta 3392m, auch ein toller Skiberg.
Facts

Piz Forbesch (3262m) ab Mulegns an der Strasse von Tiefencastel zum Julierpass
Ski-Schwierigkeit S bzw. 4.1, 40 Grad steil über 350hm. Fussaufstieg WS. Total 1800hm.
Material: Steigeisen, Leichtpickel, evtl. 30-40m Seil, alpine Sicherung an den Grat-Cruxen wäre möglich

Übersicht auf die Situation am Forbesch, der Weg durchs Couloir und über den Grat gut sichtbar. Bild: Cyrill @ hikr.org
Karte von map.geo.admin.ch mit unserer Route auf den Piz Forbesch 3262m.

Sonntag, 15. März 2015

Die Kontroverse um Ueli Steck

Die ultraschnelle Begehung der Annapurna-Südwand ist sicherlich eine der herausragendsten Leistungen aller Zeiten im Alpinismus. Zumindest, sofern sie sich so abgespielt hat, wie es erzählt wird. Denn bald einmal wurden Zweifel laut, ob der Gipfel überhaupt erreicht wurde. Der Kern der Bedenken liegt beim fehlenden Beweis - ausser dem Wort von Ueli Steck gibt es keinerlei hieb- und stichfesten Nachweis für den Gipfelerfolg. Eine Dokumentation im Sinne von Fotos oder einem GPS-Track fehlt völlig, weder wurde er nachweislich beobachtet, noch gab es im Nachhinein eindeutig sichtbare Spuren. Doch auch gegen ihn spricht nichts Substanzielles, bis eben auf die Tatsache, dass kein Beweis vorhanden ist.

Fantastische Bergwelt im Himalaya - das müsste die Ama Dablam sein!?!
Ein Abriss über die Ereignisse vor Ort und die Geschehnisse danach wurde vor kurzem im Magazin, einer Beilage des Tagesanzeigers publiziert. Das Heft lässt sich hier im PDF-Format downloaden. An dieser Stelle sei gesagt, dass im Artikel keine wirklich neuen Aspekte präsentiert werden, er aber eine prima Zusammenfassung der bereits bekannten Fakten ist. Ob er nun oben war oder nicht? Das weiss ich natürlich auch nicht, und ich habe noch nicht einmal eine klare Meinung dazu. Aber ich hoffe es! Einerseits, damit im Alpinismus weiterhin das Wort gilt. Und vor allem, dass Ueli, den ich im Rahmen von einigen flüchtigen Treffen beim Klettern als sehr sympathischen und geerdeten Typen kennengelernt habe, nicht mit dieser Lüge leben muss.

Blick zu Everest, Nupste und Lhotse. Meine Erfolge im Himalaya waren eher bescheiden...
Also, was kann ich dann ausser dem Link zur Geschichte beitragen? Im Artikel wird Ueli Steck zitiert. Er äussert sich dahin gehend, dass er die Bedingungen am Berg als perfekt wahrgenommen habe und wie in einer Art Tunnel hinauf- und dann auch wieder hinunter gestiegen sei. An die Dokumentation seiner Taten habe er dabei als letztes gedacht. Genau diese Aussagen werden ihm in den Kletterforen nun um die Ohren geschlagen. Ein Profi sollte trotz alledem bei einer solch wegweisenden Begehung noch die Kapazität haben, handfeste Beweise zu liefern.

...am besten sind wohl fast noch die Boulderprobleme, die ich im Khumbu ziehen konnte.
Für mich wirken seine diesbezüglichen Aussagen jedoch stimmig. Ich dokumentiere meine Touren ja sehr gerne mit Fotos aller Art. Wenn ich aber zurückdenke, dann ist es so, dass ich von etlichen kritischen und nervenaufreibenden Momenten überhaupt keine Fotos habe und mir nur das geblieben ist, was ich dort wahrgenommen habe. Auch von meinen grössten Touren gibt es eher nur relativ wenige Fotos und als ich früher noch meine Ski- und Alpintouren mit Tracks dokumentiert hatte, so vergass ich bestimmt bei den grössten und wichtigsten Touren in der Hektik des frühmorgendlichen Aufbruchs, den Log zu starten - was mir bei einer popeligen Voralpentour niemals passiert wäre.

Aber auf über 5000m und fast 7000km weg von daheim war ich mal, das kann ich also beweisen :-)
Und die Sache mit dem Tunnel... wenn ich ans Matterhorn denke, die Beschreibung trifft es wohl ziemlich genau. In dunkler Nacht, nur im Kegel der Stirnlampe stiegen wir aufwärts. Die Verhältnisse waren perfekt, Schritt für Schritt ging es ohne ein Zögern vorwärts - kein links, kein rechts und kein zurück, denn überall dort war es sowieso dunkel. Wie schwierig es damals effektiv war, fällt mir heute auch schwer zu sagen. War es tatsächlich so einfach?! Oder war ich nur in meinem Tun derart absorbiert, dass ich dabei so geklettert bin wie selten sonst?! Die Antwort bleibt offen, genauso wie jene, ob Ueli Steck tatsächlich auf der Annapurna war. Was ich sagen will, ist aber Folgendes: gerade diese Aussagen, welche bei vielen Mitdiskutierenden grösste Zweifel wecken, erscheinen mir durchaus glaubhaft. Bei meinen grössten Touren hatte ich ähnliche Empfindungen, und die Annapurna war mit Sicherheit für Ueli Steck auch eine ganz grosse Tour.

Die in diesem Beitrag abgebildeten Fotos wurden vor längerer Zeit aufgenommen und kommen aus meiner eigenen Schatulle. Bis auf die Tatsache, dass sie aus dem Himalaya stammen, stehen sie in keinem Zusammenhang mit der Annapurna-Begehung von Ueli Steck, sondern dienen hier nur der visuellen Gestaltung.

Sonntag, 8. März 2015

Skitour zum Rad (P.2680)

Der Hochwinter neigt sich langsam dem Ende entgegen. Zum Eisklettern war es mir bereits deutlich zu warm, ja sogar ein Ausflug an den Fels wäre sich bei sehr angenehmen Bedingungen ausgegangen. Dennoch entschied ich mich, noch einmal vom Schnee zu profitieren. Auf der Agenda hatte ich ursprünglich eine zügige Solo-Skitour im Wägital, doch spät am Abend ergab sich dann doch noch die Verabredung mit einem Tourenpartner. Wir entschieden uns fürs Rad, mit mehr Höhenmetern, mehr Exklusvität und vor allem viel mehr Einsamkeit.

Genau darum gehen wir auf Skitouren...
Die Tour beginnt in Klöntal Plätz P.853 und führt zuerst dem Alpweg entlang durchs Rossmatter Tal nach Wärben P.1385. Da wir nicht eben sehr früh aufgebrochen waren, konnten wir bereits hier von der Sonne profitieren, ebenso hatten vier Tourengänger vor uns bereits eine Spur angelegt. Wir waren gespannt, wohin diese wohl führen würde. Doch tatsächlich, sie zog in die Richtung, wo auch wir weiter mussten. Der einzige Wermutstropfen war, dass wir bereits hier auf dem "Zustieg" mit erster Stollenbildung an den Fellen zu kämpfen hatten. Der stete Wechsel von angefeuchtetem Schnee in den sonnigen Passagen und dem kalten Pulverschnee im Schatten hatte das seinige getan.

Der Kessel bei der Alp Wärben, diese Felsstufe muss rechtsherum überwunden werden.
Bei der Jägerhütte auf 1500m endeten dann die Spuren, dafür zog Rauch aus dem Kamin. Ein weiterer Tourengänger stand etwas ratlos und verloren am Ende der Spur und wartete auf bessere Zeiten, sprich auf eine Spur-Equipe. Also machte ich mich an die Arbeit, von dieser Stelle warteten noch immer fast 1200hm bis zum Gipfel. Bereits auf den ersten Metern wurde mir gewahr, dass dies eine anstrengende Geschichte würde. Der Schnee war tief, man sank selbst mit den Ski über weite Strecken zwischen schuh- und knietief ein.

Hier geht's weiter Richtung Zeinenstafel, am Ende der Waldschneise hörte die Spur dann auf.
Als nächstes stand die mehr oder weniger horizontale Traverse zum Bächistafel auf dem Programm. In Bezug auf das lawinentechnische ist dies die Schlüsselstelle der Tour. Das Gelände ist coupiert und stark gegliedert, steile Abschnitte wechseln sich mit Verflachungen ab. Wer seine Spur geschickt legt, kann hier auch bei LWS 3 einen gangbaren Weg finden. Wobei für unsere Tour noch gesagt sei, dass LWS 3 auf dieser Höhe noch nicht, sondern erst weiter oben gültig war.

Traverse zum Bächistafel.
Während dieser Traverse kristallisierte sich auch heraus, wie das mit dem Spuren weitergehen würde. Mein Partner machte deutlich, dass ihm die Kräfte für eine Ablösung fehlten und somit der Gipfelerfolg alleine von mir abhängen würde. Der uns unbekannte, dritte Tourengänger folgte in noch grösserem Abstand, von ihm war auch keine Hilfe zu erwarten. So ging es also weiter an den Fuss des Bächihorns und ins Radtäli hinein. Gerade die Passage zum markanten Block an dessen Eingang liess die Kräfte schwinden wie Butter an der Sonne. Der Schnee war bodenlos tief, aber dennoch zäh und klebrig. Die Ski waren dick mit Stollen an Unter- und Oberseite zugepflastert, wohl gute 10kg schwer, und spielten ständig U-Boot. Einfach extrem kraftraubend das Ganze.

Sicht zum Bächistock, das Radtäli führt in direkter Linie zu seinem Fuss, der markante Block am Eingang schon gut sichtbar.
Also hielten wir beim Block eine Rast, die Felle wurden abgezogen und sollten sauber getrocknet werden, so dass die verbleibenden 600hm etwas kraftsparender zu bewältigen wären. Aber denkste: zwar waren Ski und Felle mehr oder weniger trocken, doch schon kurz nach Aufbruch, in der ersten Flachpassage im Radtäli waren wir zurück beim alten Phänomen. Die Spurarbeit war einfach ein unglaublicher Figg, so wie ich es bisher eigentlich noch nie erlebt hatte. Rasch kamen Zweifel auf, ob der Gipfel denn überhaupt noch drin liegen würde. Wir kamen nur im Schneckentempo voran, jeder Schritt bedeutete einen grossen Effort und meine Kräfte waren langsam am Schwinden begriffen.

Tiefblick im Radtäli, hinten markant der runde Rücken der Silberen.
Die 100 steileren Höhenmeter bis zur Höhenkurve 2400m wollte ich jedoch sicher noch bewältigen, da uns dies noch einen schönen Abfahrtshang bescheren würde, und man dann wenigstens den Weiterweg zum Gipfel hätte sehen können. Glücklicherweise konnte ich dort dann aber auf den Moranenrücken wechseln, der mir für einmal gute 100 normale Spur-Höhenmeter bescherte. Somit waren 2520m erreicht, der Gipfel war nicht mehr weit. Das Aufgeben war nun keine Option mehr, auch wenn das letzte Stück nochmals nach dem alten Muster superstrenge Spurarbeit beinhaltete. Ziemlich gekocht erreichte ich dann nach gut 5 Stunden Plackerei doch noch den Gipfel. Wobei Gipfel eigentlich der falsche Ausdruck ist. Man erreicht hier einfach den mit ein paar Erhebungen gespickten, mehr oder weniger horizontalen Grat zum Glarnerland und befindet sich sowieso am Fuss des 250m höheren Bächistock. Trotzdem, die Aussicht war phänomenal und auch das Glücksgefühl, es doch noch geschafft zu haben!

Puh, doch noch am Top angekommen!
Ratsch, ratsch kamen etwas später die Felle weg und es sollte talwärts gehen. Die Abfahrt war durchaus genussreich, von der höchsten Güteklasse allerdings nicht. In den schattigeren Lagen war der Schnee zwar pulvrig, aber auch etwas klebrig-zäh und halt einfach sehr tief. Dort, wo die Sonne mehr hingeschienen hatte, war er dann zusätzlich noch angefeuchtet, aber immerhin auch gut fahrbar. So gelangten wir dennoch ziemlich kräfteschonend und zügig hinunter nach Wärben. Und obwohl ich den Einsatz von Schneemobilen im nicht erschlossenen Gelände überhaupt nicht begrüsse, waren wir schliesslich froh, auf dem so inzwischen gut gespurten Alpweg bequem abfahren zu können. Trotz der Anstrengungen setzten wir uns glücklich über die gelungene Tour auf den Autositz. "Jetzt wissen wir wenigstens, woher der Ausdruck gerädert kommt" war dann definitiv der Ausspruch des Tages.

Die Abfahrt dann ganz ordeli... der dritte Tourengänger hatte bereits vor dem Top aufgegeben und war wieder abgefahren.
Facts

Rad (2680m) von Klöntal Plätz (853m)
Schwierigkeit ZS, 1830hm Aufstieg und viel Distanz, 4-5 Stunden Aufstiegszeit, relativ selten gespurt


Sonntag, 1. März 2015

Breitwangflue - Alphasäule (WI6+)

Die Breitwangflue ist für das Schweizer Eis- und Mixedklettern das, was die Wendenstöcke fürs alpine Sportklettern sind. Nämlich der Ort, wo die Routen mit Anspruch, Nimbus und Qualität behaftet sind. Rund ein Jahr nach meinem ersten Besuch für den grossen Eisfall-Klassiker Crack Baby sollte es nun zum Ende der Eissaison zu einer Reprise kommen. Geklettert wurde schliesslich die Alphasäule, gekommen ist das wie folgt.

Nach unseren jüngsten Erfolgen beim Eis- und Mixedklettern diskutierten wir unsere Pläne mit viel Selbstvertrauen und hatten in erster Linie eine der anspruchsvollen Touren im linken Wandteil im Visier. Doch schliesslich entwickelten sich die Dinge etwas anders: nach einer anstrengenden Woche mit viel Arbeit und Kinderbetreuung aber wenig Schlaf setzte mir der nächtliche Aufbruch daheim deutlich mehr zu als sonst. Im Gegensatz zum Vorjahr schien so schon nur der Zustieg gegen die Alp Giesenen hinauf wie eine kleine Ewigkeit. Kommt hinzu, dass am Vortag rund 25cm Neuschnee gefallen war, durch welchen wir anstrengend mit den Schneeschuhen zu spuren hatten. Das Wetter tat noch das seinige hinzu, im Aufstieg fiel nach wie vor etwas Schnee, und auf einige Aufklarungen mit freier Sicht folgte wieder dichter Nebel.


So standen wir also unter der bedrohlichen Fluh, und zumindest mein Mumm für eine harte Mixedkletterei war arg zusammengeschrumpft. Ich versuchte mir möglichst wenig davon anmerken zu lassen und liess meinem starken Kletterpartner freie Routenauswahl. Doch auch er konnte sich dem eher grimmigen Ambiente nicht entziehen, so dass wir uns für die auf dem Papier noch etwas moderatere Damokles (M7+) entschieden, und den linken Sektor mit seinen Hammertouren auf ein nächstes Mal verschoben. Unter dem Betasektor angelangt, zeigte sich, dass wir die Startnummer 3 gezogen hatten. Das hätte soweit kein Problem dargestellt, wollten die anderen Seilschaften sich doch an der Alphasäule und an den Elementarteilchen (M8) versuchen. Schliesslich sollte aber nochmals alles anders kommen...

Die erste Seilschaft war nicht eben zügig unterwegs und tat sich mit der etwas ungeschmeidigen Eisqualität in den ersten Seillängen schwer. So hatten wir uns auf eine längere Wartezeit am Wandfuss einzustellen und unsere Entscheidung beinahe nochmals überworfen. Bereits etwas ermattet vom Aufstieg begann sich nun auch noch ein unangenehmes Fröstelgefühl einzustellen. Statt an der Grenze meines Könnens in Eis und Fels zu klettern, hätte ich mir dort zeitweilig lieber ein warmes Bad und einen bequemen Liegestuhl zum Ausruhen gewünscht. Um etwa 11.00 Uhr waren wir dann aber doch an der Reihe, die erste Seilschaft hatte in der zweiten Seillänge das Handtuch geworfen und die Bahn frei gemacht.

Unsere Vorgänger im Kompakteisschild der ersten Länge, die Eisqualität war hier nicht über jeden Zweifel erhaben.
L1, 40m: Erst ein Kompakteisschild mit rund 80 Grad Neigung, dann quert man auf einem Schneeband nach rechts. Bevor man über blumekohliges Eis zur folgenden Säule hinaufsteigt, besteht eine Standmöglichkeit (NH, Cams, evtl. Schrauben weiter rechts). Alternativ kann man auch am Säulenbeginn geschützt dahinter Stand beziehen. Während man rein von Neigung und Morphologie her hier wohl nur WI3+ geben würde, so war das ziemlich spröde, glatte und teilweise mit einer Kruste versehene Eis unangenehm zu klettern - ein herber Auftakt.

Yours truly am unteren Stand nach L1, die eine Seilschaft setzt eben zum Rückzug an.
L2, 50m: Hier wartet die erste steile Säule mit einer längeren senkrechten Passage von rund 30m. Zu Beginn will sogar ein Überhang geklettert sein, Unterarme und Technik werden also zum ersten Mal getestet. Im Vergleich zu dem was weiter oben folgt, ist's aber trotzdem eher noch Zustiegsgelände. Dennoch, die Schwierigkeiten hier waren mit Sicherheit weit über jenen der kürzlich gekletterten Haizähne (WI5+/6-) anzuordnen. Die Absicherbarkeit war zwar ok, dennoch konnten hier nicht überall perfekt zuverlässige Schrauben à discretion angebracht werden. Im gestrigen Zustand würde ich hier das erste Mal den Grad WI6 vergeben.

Diverse krasse Zapfen hat es schon an der Breitwangflue. Hier die dieses Jahr nicht durchgewachsene Betasäule.
L3, 60m: Schräg nach rechts hinauf zielt man zum Sockel der dieses Jahr nicht gewachsenen Betasäule. Über weite Strecken ist es nicht sehr steil, dafür war das Eis dort teilweise etwas überschneit und krustig. Am Säulenkonus selber wartet dann aber trotzdem noch eine steile Stelle an Blumenkohlen und Blüten, wo sogar ein kurzer Überhang geklettert sein will, auch nicht ganz einfach abzusichern dort. Insgesamt ist hier wohl so WI4/4+ zutreffend. Verblüffend ist dann der bequeme und geräumige Standplatz hinter der Beta- und Alphasäule. Hier könnte man im Schutz des Überhangs sogar problemlos ein Zelt aufstellen! Das hatten wir zwar nicht vor, dennoch kann man sich hier ideal auf das bevorstehende Eismonster vorbereiten.

Stand, chasch cho! Abgeseilt wird durchgehend an solchen Abalakovs.
L4, 35m: Die Alphasäule ist dieses Jahr richtig fett gewachsen. Als wir an ihrem Sockel hinaufstiegen, so zeigte sich zwar, dass sie an der Basis gerissen war. Das beunruhigte uns jedoch nicht weiter, weil sie oberhalb über weiteste Strecken grundsolide mit dem Fels verwachsen war. Schon ein sehr eindrückliches Gebilde, das hier an der überhängenden Felswand klebt, mit diversen Überhängen, Balkonen und herabhängenden Zapfen. Die Kletterbedingungen waren gut, oft konnte man an passablen Löchern hooken und morsches Eis das man hätte abräumen müssen war gar keines vorhanden. Ebenso fehlten aber auch die bequemen Fusstritte, welche an den viel begangenen Routen im Oeschiwald die Begehung so erleichtern. So war die Sache einfach anstrengend, athletisch und sehr ausdauernd. Trotzdem, Move um Move mit etlichen Schüttelpausen an Ruhepunkten dazwischen ging es in die Höhe. Nach rund 30-35m erreicht man einen Durchschlupf nach links auf ein Podest, wo man entweder Stand an Schrauben beziehen kann, ebenso ist der BH-Stand der Betasäule links aussen erreichbar. Nach meinem Empfinden war die Schwierigkeit hier klar höher als im Crack Baby letztes Jahr, und das WI6+ durchaus gerechtfertigt.

Jetzt geht's loooos! Blick vom Start der Säule auf den geräumigen Platz darunter. Hier könnte man gar zelten!
Der Blick nach oben erklärt, dass es überhängende Stellen im Eis tatsächlich gibt.
Die Gegenperspektive vom Stand aus auf die Alphasäule.
L5, 35m: Weiterhin geht es betont senkrecht weiter, um einige Absätze herum muss sogar überhängend geklettert werden. Erst auf den allerletzten Metern lässt dann die Neigung und damit auch die Schwierigkeiten am (im Aufstiegssinn rechten Rand) etwas nach. Wiederum sehr erstaunlich erreicht man hier ein bequemes Band, auf welchem man hinter dem Fall durchschlüpfen kann und ideal an Schrauben bzw. vorhandenen Abalakovs Stand bezieht. Insgesamt gute bis sehr gute Eisqualität hier, solide abzusichern aber einfach steil. Gefühlt vergleichbar mit den schweren Längen von Crack Baby, WI6 sicher gerechtfertigt.

Ankunft in der Eishöhle, welche nach der steilen L5 einen sehr bequemen Stand ergibt.
Tiefblick aus dem Eisfenster zur Alp Giesenen und ins nach wie vor neblige Kandertal hinunter.
L6, 20-40m: Aus der Eishöhle hinaus wartet nochmals eine praktisch senkrechte Passage von rund 10m in gutem Eis (ca. WI5/5+), dann hat man den wesentlichen Teil der Alphasäule geklettert. Oberhalb flacht das Terrain deutlich ab. In einem Couloir kann man noch zwei weitere, lange Seillängen von moderater Schwierigkeit zurücklegen - aber Vorsicht vor Lawinen, Spindrifts und überschneitem Eis. Der oft mögliche Wechsel zu den steileren Ausstiegslängen der Route Elementarteilchen ist dieses Jahr hingegen nicht gewachsen und daher unmöglich.

Die letzten steilen Meter in L6 klettert man gleich aus der Eishöhle hinaus.
Weil die Uhr schon auf 16.00 Uhr vorgerückt war, nun auch die Sonne an den Hängen oberhalb ihre Aufwartung machte und die Ausstiegslängen sowieso unter dem frisch gefallenen Pulverschnee begraben waren, liessen wir es dort gut sein. Einerseits wäre die Kletterei von minderem Interesse gewesen, andererseits wollten wir auch nicht das Risiko eingehen, hier noch durch einen Schneerutsch in Probleme zu geraten. Also wurden die Seile eingefädelt und es ging, durchwegs an Abalakovs, in die Tiefe. Die Abseilerei ist an Luftigkeit und Eindrücklichkeit auch kaum zu überbieten. Frei hängend und zwischen den vielen Zapfen hindurch gleitet man im Nu in die Tiefe.

Interessante Weitwinkel-Perspektive beim Abseilen. Links die Beta-, rechts die Alphasäule.
Abseilerei über L3, oben nochmals gut sichtbar das Eismonster der Alphasäule.
Bald darauf standen wir wieder im tiefen Pulverschnee am Wandfuss. Die dritte Seilschaft hatte ihre Bemühungen, unterdessen in der Tsunamix, auch aufgegeben. Wir räumten zügig unser Gear zusammen, schnallten die Schneeschuhe ab und stiegen dem Tal entgegen. 50 Minuten nach Aufbruch trafen wir dort ein. Auf dem Heimweg blieb genügend Zeit, um Bilanz zu ziehen. Schliesslich war es ganz anders gekommen wie geplant - doch an der Breitwangflue gibt es weder schlechte noch einfache Routen, somit gibt es auch an der Alphasäule rein gar nix zu meckern. Das ist eindrücklichstes Eisklettern der höchsten Güteklasse! 

Unsere "Nachbarseilschaft" kämpft in der M8-Länge von Tsunamix.
Verbleibt noch die Frage, welches denn nun die einfachste Route an der Breitwangflue ist: Crack Baby oder die Alphasäule? Nun denn, nebst ein paar einfacheren und flacheren Seillängen haben beide ein 60m langes Stück, wo anhaltend senkrecht oder leicht darüber geklettert wird. Bei Crack Baby folgen danach gleich nochmals zwei vertikale, aber nicht mehr ganz so extreme Längen. Bei der Alphasäule zieht man als Vergleich die steile Länge im "Zustieg" und das letzte Steilstück heran, was in Summe etwas weniger (ca. 20-30) an steilen Metern ergibt. Dafür ist Crux, d.h. die Alphasäule selber eher steiler und wilder. Insgesamt geben sich die beiden Routen wohl nicht viel, beides sind anspruchsvolle Touren, welche sich rein im steilen Eis abspielen.

Yo, da wirsch halb zum Schneemaa, hey! Happy über die gelungene Tour :-)
Facts

Breitwangflue - Alphasäule - ED V WI6+ - 8 SL, 370m - Weber/Haberstock 1999 - *****
Material: 14-16 Schrauben, 2x60m-Seile empfehlenswert

Auch wenn die Alphasäule nicht ganz denselben Bekanntsheitsgrad wie Crack Baby nebenan hat, so handelt es sich dennoch um einen der besten und eindrücklichsten Eisfälle der Alpen. Dem berühmten Bruder steht sie jedenfalls in nichts nach, die nicht jedes Jahr gewachsene Säule an der Schlüsselstelle ist vermutlich sogar noch einen Tick wilder. Falls sie nicht vorhanden ist, so kann die Stelle auch im Fels bewältigt werden und läuft dann unter dem Namen Alpha Rocker. Die Bewertung ist dann stark von der Eismenge abhängig. Man bedenke: die Routen an der Breitwangflue sind nochmals von einer ganz anderen Schwierigkeit und Ernsthaftigkeit wie die viel öfter begangenen Routen in den Sektoren Staubbach und Oeschiwald. Selbst eine Route wie Bück Dich (M7+) kam mir subjektiv einfacher vor wie die Alphasäule. Zudem drohen an der Breitwangflue alle alpinen Gefahren, von Lawinen über heftige Spindrifts, überschneitem Eis bis hin zum Eisschlag von kollabierenden Zapfen, Vorhängen oder gleich ganzen Eisgebilden.