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Freitag, 25. August 2023

Ailefroide - La haut j'y suis (6b+)

Tja, die Ferien in den Hautes-Alpes neigten sich leider wieder einmal viel zu schnell dem Ende entgegen. Und bis zum allerletzten Tag hatten wir es unterlassen, die Tradition einer Ailefroide-Granit-MSL fortzusetzen. Doch immerhin, dem so unglaublich adhärent-mikrostrukturierten Gestein hatten wir bereits einmal das Vertrauen geschenkt. Nämlich, als wir im extrasteilen Sportklettersektor Face Bouc unsere Finger langzogen. Bei einer Pause beobachteten wir da links um die Ecke eine Französin, welche eine 7b-Plattenroute überaus locker hochtänzelte. Das weckte definitiv unsere Neugierde... Als es langsam Zeit wurde, um mit der athletischen Kletterei Schluss zu machen, nahmen wir einen Augeschein bei dieser Platte. Halten wir die Geschichte kurz: Larina sicherte sich einen ebenso spielerischen Toprope-Durchstieg, während bei der Begehung des Autors sich das Gravitationsfeld wohl kurzfristig wieder anders eingestellt hatte. Millisekunden bevor der Gummi ins Rutschen kam, zog es die Finger wie magisch zur Hakenlasche, welche einen famosen Crimp hergab. Immerhin, das rettete den "Durchstieg"... von Tänzeln aber keine Spur, nur K(r)ampf und Arbeit für die Ehtikkommission 😋.

Skyline über Ailefroide mit dem Clocher de Clouzis in Bildmitte - nächstes Mal dann vielleicht?!?

Nun ja, eine 7b-Platten-MSL musste es also für den Herrn Senior nicht gerade sein - wer kann schon darauf zählen, dass die Metall-Crimps da immer zur Stelle sind, wenn es sie braucht. Aber eine 6b-Tour mit nur 7 SL scheint dann andererseits vielleicht doch etwas tiefgestapelt. Unsere Wahl lag jedoch in erster Linie daran, dass zuerst das Basecamp aufgehoben bzw. verpackt werden musste und später am Tag die Heimfahrt anstand. Somit blieb uns nur ein kurzes Zeitfenster. Also stationierten wir uns bei der ersten Parkgelegenheit nach der Abzweigung vom Zentrum Richtung Vallon de Séle. Der Zustieg umfasst nur ca. 10 Minuten auf einem gut ausgetretenen Pfad. Die richtige Wandpartie links des Klettergartens Paroi des Étoiles wird man leicht ausmachen können. Am Wandfuss ist nichts angeschrieben, die drei in der Umgebung des tiefsten Punkts startenden Routen sind aber leicht mit den Topos in Übereinstimmung zu bringen. Die hier beschriebene La haut j'y suis startet 3m links vom tiefsten Punkt und ist mit den goldenen Fixé-Plättli eingerichtet. Zu erwähnen ist, dass es weiter links noch mehr, nicht in der Literatur beschriebene, ältere Routen gibt. Wobei deren rostige 8mm-Spits nicht gerade zum Einsteigen verlocken. Um ca. 11.30 Uhr waren wir bereit und liessen los.

L1, 6a: Gutmütige Aufwärmlänge über ein paar Stufen, teils auch etwas botanisch.

L2, 6b: Plattige Kletterei durch die kompakte Wand im typisch lokalen Stil. Anhaltend, super!

Falls wir davon ausgehen, dass die Bäume senkrecht nach oben wachsen, dann ist hiermit bewiesen, dass die Route sich auf der gutmütigen Seite der Senkrechte abspielt. Sowieso, viel Gemüse und von oben sieht auch der Fels eher bof bof aus. Wobei das etwas täuscht - der Ailefroide-Fels ist für solche plattige Wandkletterei echt super und prima strukturiert. Hier L2 (6b).

L3, 6b: Auch dies eine sehr nette Seillänge, zwischendurch sogar etwas steiler und griffiger.

L4, 6a+: Erst hinauf, dann das etwas vegetative Couloir nach links queren und diagonal auffi.

L5, 6b+: Nominelle Crux, kurz etwas feiner, der Rest geht easy. Gut planen und hinstehen, dann geht's.

Im Hintergrund der sehr beliebte Klettergarten (Paroi des Étoiles), wo es plattige 1-SL gibt.

L6, 6a+: Querung nach links und durch steil-zerklüftetes Gelände, interessante 3d-Kletterei da.

L7, 6a: Super schöne Schlusswand mit prima strukturiertem Fels und einer Rissspur.

Etwas nach 14.00 Uhr und somit nach rund 2:30h Kletterzeit hatten wir das Top mühelos os/flash erreicht. Ja, das war uns nun wirklich überhaupt nicht schwer gefallen... Dabei hebt JMC im Oisans Sauvage, Oisans Nouveau sogar noch heraus, die Route sei glatt, anspruchsvoll und eher spärlich gesichert. Während es wohl zutrifft, dass gewisse Ailefroide-Touren noch enger geboltet sind, so ist auch hier die Absicherung immer noch prima und erfüllt m.E. den Plaisir-Standard gut+ (auch wenn im Plaisir Sud Band II von 2020 nur ein 'gut' steht, dafür sind die Bewertungen dort in 3 Seillängen noch einen halben Grad tiefer). Das Abseilen verläuft über eine routenunabhängige Piste (von unten gesehen) links der Route. Mit 4 teilweise gestreckten Manöver kommt man zum Boden der Schlucht und mit ein paar Schritten Fussabstieg retour zum Einstieg. Seile aufrollen, Absteigen, ein Glacé posten und Heimfahren - das war's fürs 2023, leider!

Nach dem Abseilen... die Hände sind nicht das einzige, was eine Wäsche braucht. Zwei Wochen Sportklettern in überhängenden Gebieten mit entsprechend viel Staub am Boden, da hat es auch das Seil dringend nötig. Ebenso ein paar weitere Körperteile, Kleider und Ausrüstungsgegenstände 😎 

Facts

Ailefroide/Engilberge - La haut j'y suis 6b+ (6a+ obl) - 7 SL, 220m - G. Fiaschi 2004 - ***;xxxx
Material: 2x50m-Seile, 12 Express, Cams/Keile nicht nötig/einsetzbar

Schnell zugängliche, eher kurze und sonnig gelegene MSL, ziemlich direkt über dem Zentrum von Ailefroide. Geboten wird einem das, was man aus dem Gebiet kennt. Plattige Wandkletterei auf prima Granit, der wie immer schön strukturiert, rau texturiert und extrem adhärent ist. Ein paar kurze Intermezzi mit anderen Moves gibt's, wer aber nicht gerne Ailefroide-Platten klettert, ist hier an der falschen Adresse. Trotz den Beschreibungen in der Literatur, welche die Tour als anspruchsvoller beschreiben wie es der Gebietsnorm entspricht würde ich sagen: gutmütig und prima abgesichert. Sicher muss man den einen oder anderen Schritt auf Reibung oder kleinen Tritten halbwegs zwingend machen. Nie jedoch ist es gefährlich oder mental besonders anspruchsvoll. Den etwas abschreckenden Beschreibungen sei Dank ist die Route dafür vergleichsweise wenig frequentiert. Topos findet man im Oisans Sauvage, Oisans Nouveau und im Plaisir Sud Band II.

Samstag, 19. August 2023

Pic de l'Aigle (2770m) - La Princesse de Feu (7a)

Eine Route am Col du Galibier, das gehört zu unseren lieb gewonnen Sommerferien-Traditionen. Einmal besuchten wir die Tête Colombe, meist war aber der Tour Termier das Ziel. Auch da gibt es noch einiges zu tun: L'usure du temps (7c+), Daisy chienne (7b+), En short au paradis (7b), Ici mieux qu'en face (7b). Wie man sieht alles Unternehmungen gehobenen Anspruchs, denen wir zwar (hoffentlich) durchaus schon mächtig waren. Da wir aber beim Sportklettern heftig gebügelt hatten und die MSL mehr der Erholung dienen sollte, war "un cran en dessous" bei den Anprüchen auch nicht verkehrt. Schliesslich war der Pic de l'Aigle die perfekte Lösung. Einerseits waren wir da noch gar nie, andererseits sprudelten die Berichte nur so von Superlativen und vor allem gab es auch reichlich Auswahl an Routen in gewünschter Länge und Schwierigkeit. Einzig die Anfahrt dahin war von unserem Basecamp nochmals 15 Minuten zeitaufwändiger. Sie hat sich aber mehr als gelohnt, das ist unser klares Fazit.

Die fantastische Westwand des Pic de l'Aigle mit dem Verlauf von 'La Princesse de Feu' (7a).

Somit fuhren wir also nicht nur auf den Galibier, sondern hinten wieder ein Stück runter Richtung Saint-Jean-en-Maurienne bis nach Plan Lachat (1980m), wo es im Bereich der Passstrasse viele Möglichkeiten zum Parkieren gibt. Grundsätzlich führt von da eine Schotterstrasse bis in die Nähe des Pic de l'Aigle. Tatsächlich ist sie bis nach Les Mottets (ca. 2140m) wohl jederzeit frei befahrbar. Ab dort war die Fortsetzung hinauf zum Militärcamp Les Rochilles (2420m) durch eine Barriere gesperrt, in der Nebensaison kann man da aber scheinbar manchmal auch hochfahren. Gehen würde es wohl sogar mit einem normalen PW zum Preis eines karosseriefeindlichen, ewigen Geholpers über die raue Piste. Ideal wäre ganz bestimmt ein E-Bike, welche aber Kathrin und Jerome für eine Tour beanspruchten. Somit starteten wir aufgrund der für uns unklaren Lage, dem starken Wanderbetrieb, fraglichem Zeitgewinn und moralischen Argumenten um 12.07 Uhr zu Fuss von der Passstrasse.

Beim Militärcamp von Les Rochilles. Bis hier, d.h. bis 100hm/10 Minuten vor den Einstieg kann man mit dem Bike fahren (immer) und in der Nebensaison wohl auch manchmal mit dem Auto. Ob man dies aufgrund der rauen Schotterstrasse und überschaubarem Zeitgewinn tun soll, ist dann natürlich eine andere Frage. Zudem ist's auch zu Fuss nicht extrem weitläufig.

Nein, als frühen Start kann man das definitiv nicht taxieren. Aber natürlich mussten wir uns erst mit gütlichem Schlaf von den vorherigen Efforts erholen, dann gescheit frühstücken und anfahren - das dauert schon einmal eine ganze Weile. Dazu ist die nach W exponierte Wand erst am Nachmittag besonnt und natürlich hatten wir einen Tag ohne Wolkenbildung und Gewittergefahr für unsere Tour ausgewählt. Für den Zustieg folgt man der Schotterstrasse nur bis ca. 2060m, ab dort führt ein ausgeschilderter Wanderweg abkürzend an der Flanke hinauf zum Militärcamp (2420m). Von dort ist es nicht mehr weit bis zum Einstieg (ca. 2520m) und der beste Weg auf einer Pfadspur durch ein Geröll-/Wiesengemisch ist visuell gut erkennbar. Den Einstieg zu lokalisieren ist nicht völlig trivial. Mit den Fototopos (idealerweise auch jenen der benachbarten Routen, Achtung kein Handyempfang im Gebiet!), vor allem den Buchstaben "PF" (nur schwach lesbar) und einigen Tipps von C2C (insbesondere nützlich ist jener der Fixé-Plättli mit dem 'jegrimpe.com'-Inprint) wird man aber hoffentlich genügend Sicherheit schaffen können. Um ca. 13.20 Uhr stiegen wir bei besten Bedingungen in die Route ein.

Ready to rumble! Am Einstieg der Route, man beachte das (spiegelverkehrte), knapp lesbare "PF".

L1, 30m, 6b+: Wow, das ist schon mal ein richtig toller Auftakt. Erst noch recht gutgriffig, wird es bald anhaltend und fordernd. Der Fels ist genial und wasserzerfressen strukturiert. Die Griffe sind aber meist vertikal und auch die Füsse muss man oft seitlich spreizend auf die Strukturen pressen. Zusammen mit der nicht sonderlich eng gehaltenen Absicherung macht das einen ziemlich anspruchsvollen Eindruck für den Grad.

Super Kletterei gleich von Anfang weg! Man sieht gut die vertikale Struktur, die in L1 (6b+) dominiert.

L2, 30m, 6c+ 1pa oder 7a (?): Vom Stand weg wird es gleich nochmals eine Ecke steiler, die Route zieht in eine Verschneidung hinein. Es löst sich aber alles gut auf und nach einigen etwas technischen Moves beim Exit legt sich das Gelände zurück. Dort trifft man auf einen (Zwischen)stand, der jedoch ausgelassen werden kann/soll. So kann man die nominelle Crux der Route gleich noch anhängen. Leider gibt's über den folgenden Dachwulst keine einfache Passage. Die Erschliesser sind zwar durchaus dort drüber, wo es noch am besten geht. Vom letzten Griff unter dem Dach den nächsten oberhalb zu erreichen erfordert aber eine Armspannweite von mindestens meinem Zuschnitt. Und auch so ist das Auflösen der Position an der eher durchschnittlichen Leiste und die folgenden 2 campusartigen Moves taff. Mir ging's gerade arschknapp auf, aber ob das so wirklich nur 7a ist?!? Ich zweifle... und für Larina war diese Stelle einfach absolut unmöglich freizuklettern, keine Chance da irgendwie halbwegs kontrolliert an einen Griff oberhalb vom Wulst zu kommen. Die 1pa-Lösung funktioniert aber für alle kommod.

L3, 45m, 6c: Eine absolute Hammerlänge mit fantastischer, anhaltender und fetzenscharfer Tropflochkletterei - da vergisst man leicht Raum und Zeit! Mittig, in einer angedeuteten Verschneidung an einem steilen, luftigen Pfeiler kletternd wartet die Crux. Da muss man doch mit etwas Entschlossenheit über den Haken steigen, sprich auf eher abschüssige Tritte stehen an Griffen, die nicht als Henkel zu bezeichnen sind. Geht aber schon!

Wenig repräsentatives Foto der genialen L3 (6c). Generell bietet die Route oft bequeme Stände auf Podesten. Das ist ja sehr zu begrüssen, dafür sieht man in den Rückblick-Fotos dann leider nicht so viel vom fantastischen Tropflochfels. Noch dazu sind wir mit Haulbag geklettert, dessen Handling die Fotomöglichkeiten leider auch etwas beschränkt.

L4, 45m, 6b+: Diese Sequenz beginnt mit einem etwas rustikalen Auftakt an einem breiten Riss, der über die ersten paar Meter nicht so schönes Gestein aufweist - geht aber schon. Das ist aber auch nur ein kurzes Vorgeplänkel auf den genialen Rest der Länge. Die führt nämlich bald vom Riss weg nach links hinaus in die Tropflochwand. Wie und wo genau man diesen Übergang am besten gestaltet bietet einigen Interpretationsspielraum. Nachher folgt dann affengeile, trotz dem gemässigten Grad durchaus kühne Tropflochmoverei. Und immer wenn man denkt "jetzt wird's schwierig" offeriert sich einem im letzten Moment doch noch eine Lösung. Zu erwähnen auch noch das nochmals steile Finish nach dem Break, welches an genialen Griffen ebenfalls perfekt aufgeht.

Ich würde nicht dieses affige Selfie posten, wenn ich ein besseres Foto von L4 (6b+) hätte...

L5, 40m, 6a+: Bestimmt die einfachste Seillänge der Route, wohl auch die am wenigsten spezielle. Die Kletterei ist aber immer noch steil und stellt durchaus ihre Ansprüche. Meist sind henklige Griffe in guter Zahl vorhanden, aber gerade der technische Beginn und der Ausstieg ins flachere Gelände fordern durchaus Interpretation und ähneln eher einer Wenden- als einer Plaisir-6a+.

Mangels fotogenem Finish von L5 sehen wir hier bereits einen Ausblick auf die geniale L6 (6c).

L6, 40m, 6c: Ein absolutes Highlight! Das gilt zwar noch nicht für den Auftakt, der die zwar einfache, aber auch etwas grasige Verschneidungsrampe quert. Die Erschliesser haben dann den Weg über die überhängende, linke Seitenwand gewagt. Und das hat sich voll ausbezahlt. Den Auftakt einer Rissspur entlang hätte man wohl auch per Ferndiagnose noch als 'machbar' taxiert, tatsächlich erfordert er nur einen einzigen, etwas kräftigen Pinch-Move. Doch der aus der Ferne glatt-kompakt scheinende Teil darob? Ja, der ist halt von unten nicht sichtbar mit Tropflöchern gespickt. Bei korrekter Interpretation der etwas mäandrierenden Linie geht's aber super auf, ohne dass je ein wirklich schwieriger Move warten würde. Der ötteligste davon kommt dann fast erst, als man die vermeintlich rettende Kante schon erreicht hat und an dieser bzw. leicht links blöd ausdrehend auf Gegendruck operieren muss.

Incredibile! Hier sieht man einmal, auf welch genialem Tropflochfels sich 95% der Route abspielen!

L7, 30m, 6b: Eine geniale Seillänge. Hier ändert die Felsstruktur nochmals etwas. Wie oft in den oberen Wenden-Seillängen gibt's da vom Wasser modellierte Töffgriffe erster Güte. So bleiben die Schwierigkeiten trotz grosser Steilheit im überschaubaren Rahmen (sofern man noch über genügend Kraftreserven verfügt). Die Crux kommt mittig und irgendwie etwas unerwartet... rückblickend kann ich nicht so richtig sagen, ob man hier mit Suchen auf eine elegante Lösung käme oder ob mein Ansatz à la "Hauruck" die beste Strategie ist.

Genialer Fels und geniale Kletterei in L7 (6b) - absolut Wenden-Like in allen Aspekten!

L8, 30m, 6b+: Hm, hier schreibe ich erst mal über die persönlichen Gegebenheiten und erst nachher über den Charakter der Länge. Laut den Beschreibungen sollte diese Länge a) queren und b) die letzten Meter leichter in etwas losem Gelände sein. Da wir drei Seillängen unter uns nochmals eine Seilschaft in der Wand wussten, schien es mir nicht opportun, hier unseren Bag zu haulen. Somit musste er also auf den (=meinen) Rücken. Extrem viel war ja nicht drin (Schuhe, Kleider, Food, Getränke). Aber trotzdem, so kriegte das Klettern gleich eine neue Dimension. Die Route quert gleich auf den steilen Pfeiler hinaus und bietet da knifflig-athletische Moves - und dies auf einer deutlich längeren Strecke, wie ich es laut Beschreibung erwartet hätte. Erst am Ende quert man nach rechts in eine Verschneidung hinaus, erst die letzten ca. 5m sind dann einfach (mit nicht mehr perfektem Fels).

Man sieht's - steile und geile Kletterei an einem Pfeiler, bis auf die allerletzten Meter, welche in L8 (6b+) in einer einfachen und am Ende etwas 'gschüderigen' Verschneidung zum Top führen. Der Entscheid hier nicht zu haulen um die Seilschaft unter uns nicht zu gefährden war sicher absolut richtig. Die beste Lösung wäre bestimmt gewesen, am Ende der steilen Kletterei am Pfeiler den Sack aufzuziehen - das hätte aber den perfekten Onsight gekostet... tja die Mühen, die man für solche Trophäen auf sich nimmt.

Um 18.40 Uhr und damit nach 5:20h der Kletterei waren wir am Top. Wie oben im Text schon angedeutet war es uns prima gelaufen. Wir hatten alles einwandfrei os/flash klettern können (Larina bis auf die erwähnte 1pa-Stelle in L2). Die Kletterei gehörte qualitativ zur Crème de la Crème und das Ambiente war einfach top. Noch dazu bestes, sichtiges Bergwetter und ein umwerfendes Panorama, besser kann es wirklich kaum sein. So gönnten wir uns dann auch am Top eine ausgiebige Pause und liefen erst um 19.15 Uhr los. Zu erwähnen ist, dass die Route ab Stand 5 nicht mehr zum Abseilen eingerichtet ist und dies in den oberen Seillängen auch ziemlich umständlich wäre. Der Fussabstieg ist also zwingend, aber auch schnell und einfach.

Am Ausstieg der Route eröffnet sich ein fantastisches Panorama!

Vom Top geht's rückseitig nur wenige Meter etwas steiler-schrofig runter, dann trifft man schon auf eine erkennbare Wegspur, welche über die Ostflanke in den Sattel zwischen Pic de l'Aigle und Pointe de la Plagnette führt. Ab dort ist die Spur - erst durch das Kar, dann auf der Krete - hinunter zum Col de Rochilles sehr gut erkennbar. Ab dort geht's dann auf der Schotterstrasse retour zum Militärcamp und entweder auf dieser oder via die Abkürzung runter zum Ausgangspunkt. Wir gönnten uns diverse Pausen, um die fantastische Berggegend zu bestaunen und die sehr aktiven Murmeltiere zu beobachten. So trafen wir um 20.30 Uhr in Plan Lachat beim Auto ein. Wow, das war nun echt genial gewesen! An diesen Berg werden wir bestimmt zurückkehren, um noch weitere Routen zu klettern.

Was für eine Wand! Hier vom Abstieg eine etwas mehr seitliche Perspektive.
Facts

Pic de l'Aigle - La Princesse de Feu 7a (6b+ obl) - 8 SL, 290m - Mussatto/Garcia 2009 - *****;xxxx
Material: 50m-Seile, 14 Express, Cams/Keile nicht nötig

Eine absolut fantastische MSL in einer tollen Berggegend. Die Schwierigkeiten im Grad 6bc sind sehr anhaltend und homogen. Dies bei einer meist herausragenden Felsqualität. Den griffigen, oft orangen und scharfen Tropflochfels wird man nicht so schnell vergessen und sich an manch anderen Orten gerne wünschen. Zusammen mit der Wand, welche so richtig Schwung hat, darf man gerne von einer 5*-Tour reden, die man nicht auslassen sollte. Es gibt jedoch einen Wermutstropfen, und der besteht in einer eher unschönen Morpho-Crux, die wohl die meisten Begeher nicht werden freiklettern können. Doch wem ein 100% Free Ascent nicht extrem wichtig ist, wird diese bittere Pille wohl im Angesicht vom famosen Rest bald verdaut haben. Bei der Absicherung mit verzinkten BH handelt es sich durchwegs um sehr guten MSL-Standard (xxxx). Dennoch, ganz so komfortabel und konsumentenfreundlich wie am Tour Termier bzw. in vielen Cambon-Routen ist hier nicht gebohrt. Sprich, die 6b+ obl. passt hier durchaus, es sind auch ein paar fordernde Kletterstellen zwingend zu meistern - bei sehr guter Absicherung und idealem Sturzgelände natürlich. Ob es gedruckte Literatur gibt, in welcher der Pic de l'Aigle beschrieben wird, bin ich nicht sicher (ich kenne keine). Die Beschreibungen auf C2C sind aber gut und ausreichend.

Montag, 14. August 2023

Paroi de Lys - Le Haut dans le Gaz (7a)

Nach dem ersten Teil der Sommerferien im Wallis fand die Fortsetzung wie gewohnt in der Region Briançon statt. Für einmal waren es jedoch nicht nur die Gewohnheiten und offen gebliebenen Projekte, welche uns dahin zogen. Sondern auch der meist stahlblaue Himmel, während sonst vielerorts in den Alpen ein ständiges, instabiles Hudelwetter herrschte. Davon spürte man in den Hautes Alpes nur wenig, einzig die Temperaturen waren etwas frischer, als wir es auch schon erlebt hatten. Zum Klettern brachte das aber durchaus Vorteile mit sich. So war es im 2023 für einmal denkbar, auf der auf 2000m gelegenen Südwand der Paroi de Lys mit Genuss zu klettern. Diese Wand im Vallon de Tramouillon mit ihrem nur 15 Minuten dauernden Zustieg wurde erst vor gut 10 Jahren für die MSL-Kletterei entdeckt und mit rund einem Dutzend Routen erschlossen.

Die Paroi de Lys mit dem Verlauf der von uns gekletterten Route Le Haut dans le Gaz (7a). Aus dieser Perspektive sieht es danach aus, als ob die Route über Gebühr durch die Wand mäandriert. Das dünkte mich bei der Begehung aber nicht weiter wahrnehmbar. Der Verlauf ist absolut logisch und fühlt sich auch nicht besonders "ungradlinig" an.

Nachdem wir zuerst 2 Tage im steilen Konglomerat Vollgas gegeben und uns nachher noch einem Tag dem Onsight-Klettern in einem "normal steilen" (=moderat überhängenden) Klettergebiet erfreut hatten, war es definitiv Zeit für einen etwas gemässigteren Tag. Während der eine Teil der Familie biken ging, kurvten Larina und ich hinauf nach Le Ponteil und weiter zur Strassenkehre bei P.1737. Der letzte Abschnitt auf der Schotterstrasse weckte erneut die Erinnerung ans Rätikon, war uns aber schon von der früheren Tour zur Tête de Gaulent bekannt. Von der Kehre führt eine Brücke über den Bach und eine klare Wegspur über rund 150hm hinauf zum Einstieg. Dieser befindet sich ziemlich weit links oben, unmittelbar in Falllinie der ziemlich markanten Schlucht, wo die Abseilpiste durchführt. Man läuft so an fast allen Einstiegen vorbei und kann somit seine Tourenauswahl gut nochmals hinterfragen - die anderen Routen sehen nämlich auch äusserst attraktiv aus. Ein paar Minuten vor 12.30 Uhr hatten wir uns gerüstet und stiegen ein.

Aussicht von der Wand ins Vallon de Tramouillon, unten das Haupttal Val Durance.

L1, 25m, 6a+: Am Einstieg ist nichts markiert und zum ersten Haken müssen ca. 8m über eine Art Gemüsevorbau gekraxelt werden - bei den unpräzisen lokalen Topos kann man durchaus nochmals in Zweifeln geraten, ob man da richtig ist. Aber eben, in Falllinie der Schlucht und dann rechts in die orange Verschneidung, das passt schon. Dieselbige ist dann für eine 6a+ zwischenzeitlich gar nicht mal ganz so einfach zu klettern, wie ich das erwartet hatte. Generell aber sehr schönes, griffiges 3d-Gemove.

Es fängt schon richtig gut an! Tolle Verschneidung in L1 (6a+).

L2, 25m, 6b+: Hier beschreibt die Route einen grossen Rechtsbogen. Kurz mal hinauf, dann eine grössere Traverse, mal kurz Hinlangen für die Crux und ein etwas einfacherer Ausstieg in tropflochigem Gelände. Macht sehr viel Spass, bestens abgesichert und ehrlich gesagt, wirklich schwieriger wie L1 fand ich es jetzt auch nicht wirklich (wobei die Crux evtl. etwas grössenabhängig ist, Larina hat in meinen Kanon nämlich nicht ganz einstimmen wollen).

Selbst Jamming-Fans (ahoi Viktor 😎) können in dieser Kalk-Tropflochroute am Ende der Crux von L2 (6b+) noch (kurz) ihrem Metier frönen.

L3, 25m, 6b: Nach meinem Empfinden die schwierigste Seillänge im unteren Teil der Route (L1-L4). An einer Rissspur entlang geht's diagonal nach links hinauf, über ein gewisse Zeitdauer muss man da durchaus ein paar kleinere Leisten kneifen und ausgewählte Bewegungen vollführen. Ist man einmal um die Ecke gestiegen, geht's mehr gerade hinauf und es folgt ein Finale an einer genüsslichen Piazschuppe.

Piazschuppe am Ende von L3 (6b). Die Abseilpiste verläuft im Bereich der Schlucht, deren Grünzeug hier den Hintergrund hinter der Akteurin zeichnet. Warum man gerade dort runtergeht, wo die Verhängergefahr am grössten ist, haben sich wohl schon viele gefragt... Aber alles andere ist auch ein Mist.

L4, 25m, 6a+: Zwei kleine Aufschwünge und die Wand darob, da spielt sich alles Wesentliche unmittelbar über dem Standplatz ab. Griffige Kletterei ohne besondere oder nennenswerte Schwierigkeiten. Nicht mehr ganz so angenehm ist der Ausstieg auf das gemüsige Band darob, auf welchem man markant ca. 10m nach links zum Stand halten muss (unschwierig, aber keine Sicherungen vorhanden). 

L4', 10m, 2a: Achtung, die Route führt nicht vom Ketten-/Abseilstand nach L4 an den durchaus vorhandenen Haken weiter, sondern es müssen 10m nach diagonal-links-unten abgeklettert werden, um die nicht auf den ersten Blick offensichtliche Fortsetzung zu erreichen. Aufgrund des Seilverlaufs muss man diesen Abschnitt fast zwingend als kurze, eigenständige Seillänge machen.

L5, 25m, 7a: Nun geht's ans Eingemachte - wobei vorerst noch nicht zu sehr, die Querung an einer schwach ausgeprägten Rampe in die Wand hinaus spielt sich im 6b-Bereich ab. Ein paar Moves erfordern aber doch sorgfältige Planung, der Fels ist nicht überall super-griffig und die Sache eher von technischem Zuschnitt. Das gilt jedoch nicht für die Crux, welche eher von rustikaler Bauweise ist und sich am markanten Dach in der Façon "tres bloc" abspielt. Die eng steckenden Haken erlauben A0, was wohl auch meist praktiziert wird. Für eine freie Begehung ist reichlich Spannweite sicher kein Nachteil, wobei einfach drüberlangen zum nächsten Henkel ging auch für mich nicht, nur mit einem Toehook-Tricksermove der mehr in die Boulderhalle wie auf MSL gehört (aber einfach cool, an einer solchen Stelle diese Techniken dann auszupacken!) rückte der entscheidende Griff in Reichweite. Mit ein paar Tipps, etwas Glück, einem schlechten Zwischengriff und kurz vor dem Rausdrehen ging's auch für Larina - es sei also vermerkt, dass es unter 160cm auch möglich ist... zumindest wenn man deutlich mehr als 7a klettern kann.

Vom wenig fotogenen Ausstieg aus L4 gibt's kein Bild, hier also schon in L5 (7a), wo bereits der Schatten eingekehrt ist. Das Dach am Ende der Seillänge ist aus dieser Perspektive nur zu erahnen. Es stellt die klare Crux der Route dar - früher wurde es offenbar mit 7b bewertet, später hat man es dann tiefer eingestuft. Wobei es mit einer Zahl eh schwierig zu fassen ist, was man für diesen Boulder mitbringen muss. 

L6, 15m, 6b+: Kurze, luftige und interessante Seillänge. Die Felsqualität ist zwar hier nicht so das Hellgelbe vom Ei, die Blöcke in der Verschneidung sitzen aber doch alle genügend fest. Sich gescheit daran festzuhalten ist denn auch unumgänglich, etwas an Phantasie für 3d-Bewegungen ebenso.

L7, 25m, 6c+: Das letzte, echte Pièce de Resistance auf dem Weg zum Top. Hier folgt die Route nämlich nicht dem klassischen Weg weiter durch die Verschneidung, sondern zieht links in die herausfordernde Wand. Da warten nochmals ein paar durchaus knifflige Moves an feinen Tropflochstrukturen - nach dem Ausbruch von entscheidenden Leisten ist diese Passage nicht einfacher geworden. Bevor es aber richtig steil wird, verzieht man sich nach links um die Kante, was man sich bestimmt deutlich schwieriger machen kann, wie es mit der optimalen Beta ist.

Naja, dieser Heel ist nun etwas billig. Sonst muss man in L6 (6b+) aber durchaus kreativ sein.

L8, 30m, 6a: Grob diagonal nach rechts oben geht's hier - die Linie ist nicht so offensichtlich, die BH auch nicht, da sie hier weniger eng stecken. Trotzdem, man wird es bestimmt finden - der Oberknüller ist diese Seillänge nicht mehr, aber auch kein kompletter Mist.

Um 16.35 Uhr und damit nach rund 4:00h der Kletterei waren wir beim Jardin am Top der Route. Ja, wir hatten erstens Zeit und zweitens einen Chill Day. Sprich mit Haulbag und allem Komfort geklettert, dementsprechend in der Mitte gemütlich etwas gefuttert, man kann die Route bestimmt auch schneller begehen. Zu erwähnen sind noch 2 Dinge: 1) im oberen Wandteil kehrte bald einmal der Schatten ein. Das war insofern unproblematisch, als dass es Sommer war und man mit dem thermischen Aufwind "gute Conditions für die Sportkletterei" konstatieren konnte. Zu den kälteren Jahreszeiten ist es aber vermutlich schlauer, tageszeitlich früher dran zu sein. 2) hat man am Ende der Route nicht das Top der Wand erreicht. Wer dies wollte, könnte nach einem kurzen Abseiler vom Routenende noch die etwas rustikal aussehende 6a-Verschneidung der Fiesta del cinq soup klettern. Ob sich dies lohnt, kann ich mangels Ausführung nicht berichten. 

Cumbre!

Das Abseilen über eine routenunabhängige Piste geht dann recht zügig - sofern alles glatt läuft. Erst sind es ca. 30-35m über die gemüsige Rampe zu einem BH-Stand, von wo man einen steilen und langen (40-45m) Abseiler auf das Band in Wandmitte zieht. Vom bereits bekannten Stand nach L4 geht's dann quasi entlang der Schlucht in 2 langen Manövern retour auf den Boden, wobei da die Gefahr von einem schwierig zu behebenden Seilverhänger leider durchaus präsent scheint. Wir hatten aber Glück und fuhren bald talwärts, bevor wir einen schönen Abend genossen und den Plan für den nächsten Tag festlegten. Nach Céüse sollte uns dieser führen, ein solch magischer Ort, dass mir selbst das Schreiben dieser Zeilen das Herz mit Freude erfüllt.

Von Céüse ♥ gibt's wohl keinen separaten Beitrag...
...und das, obwohl wir im 2023 erstmalig sogar 2x oben waren...
...also müssen hier ein paar entsprechende Bilder in den Blog geschmuggelt werden.

Facts

Paroi de Lys - Le Haut dans le Gaz 7a (6a+ obl.) - 8 SL, 200m - JJ. & M. Rolland 2007 - ****;xxxxx
Material: 2x50m-Seile, 14 Express, Cams/Keile nicht nötig

MSL-Sportklettertour mit einer luftigen Linie durch eine steile Wand. Aufgrund der sehr eng gehaltenen Absicherung, der talnahen Wand und den kurzen Seillängen fühlt es sich fast ein wenig nach gestapelten Single Pitches wie nach einer wirklich grossen Tour an. Wobei erwähnt sei, dass ein Rückzug aus dem oberen Teil (ab Stand 5) vermutlich eine ziemlich mühsame und aufwändige Geschichte wäre, eine Prise Ernsthaftigkeit ist also durchaus vorhanden. Der steile, wasserzerfressene und oft mit Tropflöchern garnierte Fels ist fast durchgehend von sehr guter Qualität. Die Seillängen sind abwechslungsreich, es handelt sich um eine richtige Genussroute, auch die Bewertungen sind eher auf der freundlichen Seite. Einzig die Crux ist leider ein bisschen murksig und mit nur gerade einem 7a-Niveau wohl auch eher schwierig zu onsighten. Es ist jedoch nur ein kurzer Dachriegel, der problemlos A0 machbar ist, das tut der Sache keinen grossen Abbruch. Die Wand ist sicher ein ideales Ziel für früh oder spät im Jahr, im Sommer dürfte es vielfach zu heiss sein - ausser man steigt erst Mitte Nachmittag ein, wenn der Schatten einkehrt. Infos und Topos findet man in den Führern Briançon Climbs, Oisans Nouveau Oisans Sauvage oder im Topoguide Band II.

Montag, 7. August 2023

Sanetsch - Damned (7a)

Im Bericht zum Teil 1 unserer Sommerferien 2023 im Wallis hatte ich ja die MSL-Tour am Sanetsch bereits angetönt - ähnlich wie ich in früheren Berichten (1,2) über die Klettereien dort oben geschwärmt hatte und von meiner persönlichen Begeisterung und Bedeutung dieser Gegend für mich geschrieben hatte. Nun sollte es also für Hannah die MSL-Premiere geben, zusätzlich war als Abwechslung und Erholung vom Sportklettern ein chilliger MSL-Tag gefragt. Dafür ist das Gebiet mit seiner zwar langen Anfahrt, dem dafür aber kurzen Zustieg sehr geeignet. Noch dazu sollte die Novizin ja nicht irgendwo durchs Gemüse klettern, sondern die MSL-Vibes von luftigem Ambiente, einer schönen Berglandschaft und göttlichem Gestein der Note extrascharf gleich richtig vermittelt erhalten.

Sicht auf die Paroi de Dam am Sanetsch mit dem Verlauf der Route Damned (7a).

Unsere Wahl fiel schliesslich auf die Route Damned an der Paroi de Dam, einem Subsektor an welchem ich bisher noch nie geklettert war. Dieser befindet sich quasi direkt oberhalb vom Parkplatz und ist in 15 Minuten zügig erreicht. Die gut erkennbare, rot markierte Wegspur führt zuerst direkt hinauf zum Sektor Orphée, von dessen Einstiegen quert man dann horizontal und weglos nach Norden zum Einstieg, welcher mit Farbe angeschrieben ist. Eingerichtet wurden die Touren hier schon in der "Sturm und Drang"-Phase der 80er-Jahre. Vor rund 5-10 Jahren wurden die Routen dann mit zusätzlichen BH saniert, die Verläufe korrigiert bzw. die Touren neu zusammengestellt und anders benannt - mit meinem ersten Führer dieser Gegend (Schweiz Extrem Kalk von 1994) würde man sich überhaupt nicht mehr zurechtfinden. Um 12.15 Uhr startete ich in die Route - wir operierten als 4er-Seilschaft im 1-2-1-Modus.

L1, 40m, 6c: Der optische Eindruck vom Start ist noch nicht restlos überzeugend, es folgen tatsächlich erst ein paar Meter in durchzogenem Gelände. Bald aber bieten zwei erste Verschneidungen lässige und steile Turnerei, die noch gut von der Hand geht. Oben zieht's dann an, erst erfordert eine steile Wandpartie kräftige Züge, bevor der Ausstieg auf die verschneidungsähnliche Rampe gutes Positioning und Vertrauen in die Haftreibung verlangt - trotz prima Absicherung ziemlich obligatorisch, alles in allem ein perfektes Aufwärmprogramm.

Nach ein paar kräftigen Zügen in steilem Gelände ist der Exit auf die Rampe am Ende von L1 (6c) knifflig-cruxig.

L2, 30m, 5c: Grosse Traverse nach rechts mit einem etwas gesuchten Routenverlauf durch die schönsten Felspartien. Schon der Auftakt direkt über die Haken geklettert ist wohl eher im Bereich 6a+ als 5c, auch nachher ist es nicht immer restlos trivial (war uns aber natürlich recht so). Gerade in den Querungen ist die Absicherung sehr dicht und man läuft kaum Gefahr, sich zu verirren - möglich ist es aber, weil eine alte Variante hier gerade hinaufführt.

Auch ein sehr eindrückliches Erlebnis: mit dem Bartgeier auf Tuchfühlung. Mehrmals flog dieser Riesenvogel nur wenige Meter an uns vorbei 😲 Das Foto zeigt ihn etwas weiter weg und ist nicht so top, denn natürlich waren wir vorerst einmal mit Schauen beschäftigt.

L3, 35m, 7a: Hier geht's nun so richtig zur Sache, mit leicht überhängender Wandkletterei an super fetzig scharfem, orangefarbenem Tropflochfels. Nach einem kurzen Boulderauftakt findet man über weite Strecken stets gute Griffe, bis sich die Sache am Ende zuspitzt. In einer kniffligen Traverse nach rechts will die richtige Linie erkannt werden, ein paar Moves verlangen dann auch eine gewisse Entschlossenheit, sowohl im feinen Antreten wie im Bedienen von ein paar sloprigen Strukturen.

Kurze Kontemplation (und Fotogelegenheit), bevor es in L3 (7a) mit der Crux zur Sache geht.

L4, 35m, 6b+: Die Felsfarbe wechselt von orange zurück zu (vorwiegend) grau und ein bisschen gelb. Ebenso warten hier nicht mehr die extrascharfen Tropflöcher, sondern meist so richtig kernige Henkel. Einigermassen mithalten mit diesem absolut genialen Gestein mögen da vielleicht die Ausstiegslängen vom Elefantenohr an den Wendenstöcken oder der letzte Teil von Millenium oberhalb der Dächer. Und das will etwas heissen: wir vergleich hier gegen das Beste vom Allerbesten! Auf jeden Fall ein Riesengenuss, leicht überhängende Wandkletterei, die stets perfekt griffig ist.

Der absolut geniale, ja göttliche Fels in L4 (6b+) kommt auf dem Foto leider nicht zur Geltung.

L5, 25m, 6b: Ein absolut geniales Abschlussbouquet, der Fels ist auch hier von erlesener Güte! Die Kletterei hier nun auf der günstigen Seite der Senkrechten, sprich eher steilplattiger Charakter. Aber die Struktur des Gesteins, mit unerwarteten Taschen und Löchern, wirklich ein Wunderwerk der Natur!

Hier sieht man es schon eher - wasserzerfressener Kalk von höchster Güte bis zum Ausstieg (L5, 6b).

Um 15.45 Uhr und damit nach rund 3:30h der Kletterei (in 4er-Seilschaft) hatten wir das Top mit einer 75%-Erfolgsquote was den stilreinen Durchstieg anbetrifft erreicht - und nein, die MSL-Novizin war es nicht, die macht in einer 7a keine Kinkerlitzchen 😎. Vom Top wäre es gut möglich, zu Fuss durch das Couloir zwischen Paroi des Montons und Orphée abzusteigen, doch dafür müsste man die Schuhe mitnehmen. Das hatten wir nicht so gemacht, somit glitten wir am Seil in die Tiefe, was ebenfalls sehr zügig vonstatten geht: 1) ca. 20m direkt hinunter zu Stand einer Nachbartour, 2) volle 60m in überhängendem Gelände mit leichtem Pendeln zu Stand 2 und 3) nochmals volle 60m teils freihängend auf den Boden, wo man mit ein wenig Fussabstieg retour beim Einstieg ist. Bei diesen beiden letzten Strecken gibt es Zwischenstände die man nutzen kann, wenn man nur über kürzere Seile verfügt. Bald waren wir zurück an der Strasse und gondelten mit einer genialen Sanetsch-Route im Palmares zurück ins Tal. Il reste tant à faire la haut - on retounera!

Facts

Sanetsch / Paroi de Dam - Damned 7a (6b obl.) - 5 SL, 165m - C. & Y. Remy 1986/2017 - ****;xxxx
Material: 1x oder 2x50m-Seile (zum Abseilen 2x60m praktisch, 14 Express, Cams/Keile nicht nötig

Eher kurze, aber tolle MSL-Sportklettertour, welche in den oberen 3 Seillängen absolut geniales Gestein bietet, wie man es nicht vielerorts findet. Die ersten beiden Abschnitte sind dagegen von der Sorte "nettes Aufwärmprogramm". Die Absicherung ist seit dem Restyling der Route (zuletzt im 2017) prima auf Stufe xxxx, ein gewisser Anspruch an die vorsteigende Person ist aber dennoch vorhanden. Wie bei den Brüdern üblich steckt ein wilder Mix von altem Material, verzinkter Ware und sonstigen Basteleien. In dieser wenig korrosiven Umgebung passt das aber (aktuell und auf die nächsten Jahre hinaus) schon. Wem die 5 SL zu kurz sind, findet gleich nebenan weitere Möglichkeiten sowie am Wandfuss ein paar Baseclimbs. Die beste Übersicht über alle Möglichkeiten findet man im Führer der Gebrüder Remy.

Dienstag, 1. August 2023

Wiss Stöckli - Ostwand - Grüter/Müller (7a A1)

Die Route von Kurt Grüter und Walti Müller durch die Ostwand des Wiss Stöckli im Brunnital. Im Jahr 1974 war sie in aufwändiger Erschliessungsarbeit von den beiden Mitgliedern der Bergsteigergruppe Alpina (BGA) eröffnet worden. Im 2003 erfolgte eine Sanierung durch Sepp von Rotz. Aus dieser entstand ein attraktiv wirkendes Topo, welches grossartige alpine Sportkletterei mit Schwierigkeiten bis 7a, eine Top-Absicherung und über weite Strecken besten Fels versprach. So etwas noch gepaart mit einem wunderbaren alpinen Setting, aber bei doch guter Erreichbarkeit - da sollte man eigentlich meinen, dass die Begeher nur so Schlange stehen. Aus dem Web liess (und lässt) sich aber kaum etwas in Erfahrung bringen, was auf nur seltene Begehungen hindeutet. Auch wir verschoben unsere Pläne immer und immer wieder, bis unsere Vorstellungen im Juli 2017 dann definitiv zu dieser Route konvergierten.

Die stolze Ostwand des Wiss Stöckli mit Start- und Endpunkt der Grüter/Müller (1974).

Leider habe ich es damals im Anschluss an die Tour verpasst, einen Blog zu tippen. Auch meine auf der Tour angefertigte Toposkizze glaubte ich als verschollen, bis sie mir dieser Tage beim Aufräumen rein zufällig wieder in die Hände geriet. So gibt's nun doch noch einen verspäteten Bericht. Über gewisse Details der Begehung hat sich natürlich schon der Schleier des Vergessens gelegt. Doch mit der Skizze, den Fotos und einigen Fragmenten aus Mails und Chats von damals lässt sich doch noch etwas an (hoffentlich) wissenswertem Material generieren. Wir ergatterten uns jedenfalls im Hotel Alpina in Unterschächen eine Fahrbewilligung (20 CHF) zur Brunnialp und starteten um ca. 7.00 Uhr beim P.1409. Eine gute Alternative ist sicher auch die Verwendung von einem E-Bike ab dem Fahrverbot bei der Talstation der Sittlisalpbahn. Mit diesem kann man dann schon fast bis in die Nähe des Einstiegs fahren, je nach Art des Abstiegs/Abseilens (siehe unten) sind die Strassenkehren auf 1600m oder 1700m das sinnvolle Depot (siehe Luftbild, die schematische Karte ist nicht aktuell). Im Zustieg folgten wir so lange wie es sinnvoll schien der Strasse und querten dann unter die Wand. Um ca. 8.00 Uhr starteten wir mit der Kletterei.

L1, 45m, 11 BH, offiziell 6c, für uns 6a 3pa: Schon der Auftakt an einer etwas brüchigen Schuppe verläuft nicht so geschmeidig. Dies wird gefolgt von einer kurzen, aber schwierigen Plattenstelle, welche einen schwierigeren Eindruck als 6c machte. Die Haken stecken hier eher A0-optimiert, ein Sturz würde wohl mit dem Aufprall auf dem Band unterhalb enden - deshalb ohne langes Zögern zu den Haken gegriffen. Das Ende der Länge ist wieder einfacher, aber splittrig.

Nicht so erbauliche Kletterei im oberen Teil von L1 (6a A0).

L2, 20m, 10 BH, offiziell 6c+, für uns 6b A0: Der Start der Seillänge über die noch geneigte Zone war für uns frei kletterbar (eher splittrig, unschön). Dann steilt sich die Wand markant auf und ist von einer staubigen Sinterschicht überzogen. Dieser Abschnitt ist auch häufig nass. Hier sahen wir keine Chance auf eine freie Begehung, erst recht nicht im Grad 6c+. Die Bolts stecken für eine technische Begehung optimiert, somit also an den letzten 5 Exen heftig gemolken und auch diese Länge A0 geklettert.

Bis etwa zu dieser Stelle geht L2 (6b A0) noch frei, dann heisst's die Exen so richtig melken.

L3, 25m, 11 BH, offiziell 6c A0, für uns 6a A1: Hier stellt sich zuerst ein ausgewachsenes Dach in den Weg. Wir bezweifeln, dass dieses frei möglich ist, vor allem ist der Fels auch hier splittrig und unschön. Somit die Trittschlingen ausgepackt, so geht's kommod. Nachher legt sich das Gelände wieder zurück, hier kommt man mit 6a-Kletterei gut durch.

Oberhalb vom grossen Technodach ist L3 (6a A1) dann sogar mit etwas Genuss frei kletterbar.

L4, 25m, 11 BH, offiziell 6c, für uns 6a A0: Zum Auftakt geht's über eine kompakte Platte. Die sieht auf den ersten Blick endlich etwas besser aus als die bisherigen Seillängen. Allerdings wird es mir (für eine 6c) bald zu schwierig, der glatte Fels offeriert kaum Tritt- und Griffmöglichkeiten. Ob der vielen Hakenzieherei fehlen der Flow und das Selbstvertrauen und so liegt auch hier der Griff zu den Haken nahe. 

Start in L4 (6a A0), gleich wird's unangenehm schwierig.

L5, 25m, 7 BH, 5a: Ha, endlich einmal eine Seillänge, die uns in freier Kletterei gelingt. Hier wurden die versprochenen Schwierigkeiten denn auch nicht überschritten. Das heisst aber nicht, dass diese Seillänge schön wäre. Der Fels ist brüchig, das Teilstück unattraktiv.

Foto ist leider unscharf, für einen Eindruck der brüchigen Querung von L5 (5a) reicht's trotzdem.

L6, 30m, 10 BH, offiziell 6c, für uns 6b A0: Hier kommt im ersten Teil der Seillänge das erste Mal etwas Klettergenuss auf, in dieser Passage gelingen endlich einmal ein paar schwierige Moves im Bereich 6b komplett frei. Das Ende der Länge ist dann aber an splittrig-brüchigen Überhängen wiederum unschön und es erfolgt der Griff zum Haken (ginge wohl schon frei, wenn man unbedingt möchte).

Kurzum, von den ersten 6 Seillängen der Route waren wir extrem enttäuscht (um jetzt nicht zu schreiben, sie seien ein kompletter Mist). Im Topo stehen Schwierigkeiten, denen wir in freier Kletterei normalerweise problemlos gewachsen sind. Das traf jedoch überhaupt nicht zu. Zudem ist die zahlreich vorhandene Absicherung auf die Hakenzieherei optimiert. Noch dazu ist der Fels oft splittrig und für die Freikletterei nicht attraktiv. ABER: ab L7 ändert sich die Sache. Das Gestein wird deutlich besser, die Kletterei ist vielleicht nicht immer top, aber doch oft spassig. Vor allem aber stimmen auch die im Topo angegebenen Schwierigkeiten und die Absicherung erlaubt einen vernünftigen Kletterfluss. Im Rückblick kann ich nicht mehr genau rekonstruieren, wie es uns nach diesem Anfangsfrust gelungen ist, den Schalter umzulegen und die Tour zu geniessen. Ist ja auch nicht weiter wichtig, es zählt nur, dass wir das geschafft haben. Es sei auch erwähnt, dass mir ab L7 alles onsight gelungen ist, inklusive der mit 7a bewerteten, nominellen Cruxlänge.

L7, 25m, 7 BH, 6a+: Schöne Kletterei ziemlich gerade hinauf, folgt einigen Strukturen.

Jonas geht voraus - sein Spürsinn sagt ihm, dass sich dies in L7 (6a+) lohnt. Und er liegt richtig.

L8, 30m, 8 BH, 6c: Zum Auftakt folgt gleich die plattig-bouldrige Crux. Der Fels ist schön hier und die Challenge lässig. Wir finden den Schlüssel und können die Stelle klettern. So langsam aber sicher kehrt das Mojo in unseren Versuch zurück. Nach einer kurzen Querung geht's in deutlich einfacherem Gelände zum Stand hinauf.

Unterwegs in L8 (6c), knifflige Plattenstelle in prima Fels zu Beginn.

L9, 40m, 7 BH, 6a: Die Schwierigkeiten bestehen hier eigentlich nur aus einem Move zu Beginn der Seillänge. Nachher geht's über eine Art Rampe in einfacherem Gelände zu Stand auf einem Pfeilerkopf.

L10, 30m, 12 BH, 7a: Hoppala, was da wohl wartet? Zum Glück ein problemlos machbarer Auftakt, der in eine Verschneidung führt. Über einen Wulst hinweg heisst es knifflig auf die Abschlussplatte zu kommen. Wir meistern den Mantle und finden danach auf der Platte die nötigen Strukturen.

Die Kniffligkeit dieses Aufrichters in der nominellen Crux der Route (L10, 7a) lässt sich erahnen!

L11, 25m, 5 BH, 5c: Dieser Abschnitt hält uns nicht lange auf, er führt in eine markante Nische am Fusse von steilen Verschneidungen.

L12, 25m, 4 BH, 5c: Es gibt aber einen eleganten Ausweg aus der Situation. Über eine prima strukturierte Platte klettert es sich elegant nach links hinaus - sehr schön!

So richtig tolle Kletterei wartet in L12 (5c).

L13, 30m, 9 BH, 6c+: Einer nach rechts offenen Verschneidung geht's hier entlang. Lange Zeit ist die Kletterei echt gutmütig und spielt sich im Bereich 6a+ ab. Zum Stand, der sich links in der Wand befindet, wartet dann aber ein zünftige Boulderstelle.

Das Finish von L13 (6c+) hat es in sich, mit einer Boulderstelle in der kompakten Wand am linken Bildrand.

L14, 30m, 8 BH, 6c+: Schöne und recht fordernde Kletterei, welche beim Wechsel über eine Kante, bzw. die nachfolgende Platte zu einer Verschneidung eine ziemlich zwingende Stelle aufweist. Vielleicht sogar die Crux in Bezug auf's Hochkommen dieser Route (aber keine Sorgen, gut abgesichert).

Die Hauptschwierigkeiten in L14 (6c+) sind an dieser Stelle überwunden, vorher heisst's kurz Guzzi geben!

L15, 40m, 9 BH, 6a: Mit dem Ende der vorangehenden Seillänge hat man einen steilen Wandbereich verlassen und gelangt in einen grossen Trichter. Hier wechseln sich steile Aufschwünge und flachere, etwas geröllige Zonen ab. Die Schwierigkeiten sind hier weniger anhaltend, dementsprechend stecken die Bolts nicht mehr ganz so dicht. Sprich, der Routenverlauf muss richtig erkannt werden. Hier befinden sich die ersten 2 BH links der Rinne, danach rechts auf dem Plattenrücken.

L16, 40m, 6 BH, 5c: Unschwierige Kletterei in gestuftem Gelände. Achtung, es geht zu Beginn nicht auf den Pfeilerkopf hoch. Am Ende dann immer noch gemütliche, durchaus ansprechende Risskletterei.

Jonas folgt am Ende von L16 (5c), hier wechseln sich Stufen und flache Abschnitte ab.

L17, 40m, 1 NH, 6 BH, 5c: Sicher die schönste Seillänge in diesem Wandbereich. Erst klettert man in einer scharf geschnittenen Verschneidung, später dann geht's einfacher entlang den Rissen in der linken Wand.

Das ist die schöne Verschneidung am Anfang von L17 (5c).

L18, 45m, 5 BH, 5b: Ein Überführungsstück zur gewaltigen, dolomitisch anmutenden Abschlussverschneidung, die einen aus dieser Perspektive fast erschaudern lässt. Erst einfach über schrofiges Gelände. Am Ende haben die Sanierer die direkte Passage über eine schöne Abschlusswand gewählt.

Der Autor an der schönen Abschlusswand von L18 (5b), der steile Riss von L20 gut sichtbar.

L19, 30m, 6 BH, 6b: Ab diesem Punkt befindet man sich in der grossen Verschneidung, welche die Route beschliesst. Hier befindet man sich jedoch noch in vertikalem Gelände vor dem sperrenden, überhängenden Riegel darob. Während früher vermutlich direkt am breiten Riss im Grund geklettert wurde, stecken die BH von der Sanierung links in der Wand, wo man deutlich kommoder vorankommt.

Holzkeil am Rampfriss oder Inox-BH in der Wand - unsere Präferenz in L19 (6b) ist klar.

L20, 30m, 12 BH, 6b+: Eine absolut spektakuläre Seillänge mit überhängender Riss- und Verschneidungskletterei. Das stark zerfressene Gestein ist aber sehr griffig und die Absicherung üppig. Wenn noch etwas Kraftreserven vorhanden sind (was bei uns der Fall war), so wachsen einem hier keine grauen Haare.

Ich sag's ja, dolomitisches Ambiente - eindrücklich steile Verschneidung in L20 (6b+).

L21, 25m, 8 BH, 6a+: Zuerst auch dem Riss bzw. der Verschneidung entlang. Dort würde es aber unangenehm steil, also zieht man nach links in die Wand hinaus. Da heisst es durchaus nochmals, ein paar Griffe bei luftiger Exposition gescheit festzuhalten!

Erst dem Riss entlang, dann nach links in die Wand - so geht's in L21 (6a+) zum Top.

Um 15.20 Uhr sind wir nach rund 7:15h Kletterei am Top und können im dort angebrachten Wandbuch blättern. Wie wir es vermutet haben, sind die Einträge hier sehr spärlich und beschränken sich zu einem wesentlichen Teil auf wiederholte Begehungen aus dem Umfeld des Sanierers. Zu erwähnen ist der speziell schöne Blick in die Umgebung, welche mir im Lauf der Jahre einige unvergessliche Abenteuer beschert hat. Früher die Ruch Chälen mit ihrer Skitour, wenige Monate zuvor die Nordwand des Gross Ruchen mit der Route 'Der dunkle Turm', der Eisfall 'Ohne Fleiss kein Eis' gleich gegenüber unter der Nordwand am Stäfelstock. Und dann natürlich das Harakiri-Unternehmen in der Nordwand der Gross Windgällen selber, welches aber erst knapp 1 Jahr nach der hier beschriebenen Tour stattfand. Naja, im Brunnital ist jedenfalls immer für Action gesorgt.

Toller Blick in die Ruch Chälen und die Nordwand am Gross Ruchen.

Für uns stellte sich aber vorderhand die Frage, wie wir vom Berg kommen wollten. Ein Abseilen über die Grüter/Müller ist möglich. Laut Topo sind 15 Manöver nötig, das teilweise geröllige und gestufte Gelände würde hin und wieder sicher ordentlich Seilpflege erfordern. So entschlossen wir uns kurzerhand, den Alternativabstieg zu versuchen (in weiser Voraussicht hatten wir kein Material am Einstieg hinterlassen und die Schuhe auf Mann, sonst macht das keinen Sinn). Mit etwas Abstieg im Schrofengelände Richtung Süden liess sich die Abseilstelle am Top der Route Margrithli gut auffinden. Ab dort sind es dann 7 Manöver hinunter auf die einmalig-sehenswerte, flache Felszone im Bereich vom Firnband. Zu Fuss geht's hinunter über Griesseggen, wo ein Steinmann den Beginn des Steigs über die Steilzone (einige Drahtseile vorhanden) markiert. Unterhalb dann mehr oder weniger weglos zur Strassenkehre auf 1600m und in Bälde zu unserem Ausgangspunkt und Automobil beim P.1409. Der Abstieg vom Top hatte uns ziemlich genau 1:30h gekostet, die je hälftig dem Abseilen und dem Fussabstieg zufielen. Ein Abstieg mit Abseilen über die Grüter/Müller würde bestimmt deutlich länger dauern (wohl insgesamt ca. 1h). An die damaligen Emotionen zum Tourenende kann ich mich heute nicht mehr ganz genau erinnern. Sicher aber war es so, dass uns die deutlich schöneren, frei kletterbaren oberen 2/3 der Route wieder mit dem etwas durchzogenen Beginn versöhnt hatten. Und aus heutiger Sicht ist es, auch wenn nicht jeder Klettermeter perfekt war, einfach ein grandioses Abenteuer in der wilden Landschaft des Brunnitals, das sich auf jeden Fall gelohnt hat!

Facts

Wiss Stöckli - Grüter/Müller 7a A1 (6b obl.) - 21 SL, 630m - Grüter/Müller 1974 - **;xxxx
Material: 2x50m-Seile, 13 Express, Cams/Keile nicht nötig.

Diese Route aus den 1970er-Jahren wurde im 2003 von Sepp von Rotz mit vielen BH saniert und stellt laut dem damals angefertigten Topo eine Freikletterlinie dar. Dem vermögen wir nicht ganz zuzustimmen. Die Kletterei ist auf den ersten 6 Seillängen für unsereins nicht ohne Textilgriff zu bewältigen. Auch ist das Gestein in dieser Zone eher unschön, teils splittrig oder brüchig, kurzum für eine (komplett) freie Begehung wenig attraktiv. Immerhin stecken so viele Bolts, dass man meist ohne grosses Gewürge A0 raufkommt, nur eine kurze Stelle am Dach in L3 wäre als A1 zu taxieren. Ab L7 bietet die Route ansprechende, alpine Freikletterei. Es gibt schöne kompakte Passagen, anderswo auch gestuftes Gelände und Feinschmecker würden wohl abschnittweise immer noch brüchige Passagen monieren. Auch hier ist die Route prima abgesichert. Wer eine 6b gut draufhat, wird bestimmt keine Sorgen haben. Mobile Sicherungen liessen sich durchaus hier und da legen, als nötig empfanden wir dies jedoch nicht. Unten das Topo von der Sanierung. Wie oben im Text erwähnt, die für L1-L6 angegebenen Bewertungen sind m.E. nicht zutreffend.

Originaltopo nach der Sanierung - vielen herzlichen Dank!