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Freitag, 28. Januar 2022

Small, but beautiful!

An einem Tag, wo der Körper müde von den vorangegangenen Efforts war und nur ein beschränktes Zeitfenster zur Verfügung stand, schien trotzdem die Sonne. Was wäre da nicht schöner, als sich etwas an der frischen Luft zu bewegen und so die dringend benötigte Energie zu tanken?!? Nur war guter Rat teuer, im Züri Oberland und insbesondere an den Sonnehängen war der Schnee inzwischen zu knapp. Und die beliebten Voralpentouren waren an einem Sonntag bestimmt alle komplett überlaufen. Ein Blick aus der Ferne zeigte, dass die Nordflanken am Züri Obersee alle noch bis fast ganz unten weiss waren. Also flugs den Ultraleicht-Gleitschirm als Plan B in den Rucksack gestopft und los ging's.

Start fast direkt am Zürich Obersee, der weisse Streifen führt in schattiger Exposition wirklich noch bis ganz in die Ebene runter!

Unweit vom Alpamare, genauer im Mülibach-Quartier von Altendorf ging's los. Nach minimaler Portage durch die letzten Häuser fand ich auf den glatten Wiesen tatsächlich eine dünne, gefrorene Schneedecke vor. Sogar eine Aufstiegsspur aus vergangenen Tagen sollte meine Wege leiten. Via Fliegenberg führte diese nach Bilsten und ab dort der Skiroute entlang weiter. Man erreicht den - Nomen ist Omen - Schönboden und wandert weiter über den offenen, aussichtsreichen Rücken von Stofel zum P.1202 der Müligassegg - landschaftlich wirklich wunderschön! Der "Gipfel", d.h. die bewaldete Hochfläche trägt auf der Landeskarte nicht einmal einen Namen. Es ist aber der logische Endpunkt der Tour und wenn auch keine zugespitzte Erhebung, mit einer Schartenhöhe von 48m und einer Dominanz von rund 700m ein echter Kulminationspunkt.

Ein Prachtstag!

Natürlich hatte die Dicke der Schneedecke mit der Höhe zugenommen und in der oberen Hälfte lag tatsächlich kompakter, schön zu fahrender Pulver. So wollte ich nicht gleich vom Top in die Schneise der Schilligsrüti wechseln und von dort starten. Sondern ich zeichnete entlang von meinem Aufstiegsweg superschöne Linien in den führigen Schnee, bis es mit der Herrlichkeit vorbei war. Ob dem weissen Rausch war ich nun etwas gar tief für einen Start mit dem Schirm. Also fellte ich nochmals herauf zum Schönboden, drapierte mein Tuch und glitt ruhig über die nur knapp beschneiten Wiesen zurück zum Ausgangspunkt. Das war nun wirklich ein sehr genussreiches Recovery-Tüürli gewesen, mit vielen tollen Landschaftseindrücken, keinem anderen Skitourengänger weit und breit. 1000hm, zwei-, dreihundert schöne Schwünge und ein Flug mit dem Gleitschirm, "small but beautiful", was will man mehr?!?

Am Startplatz ging ein wenig die Bise, ich musste aufpassen, dass mein Tuch nicht verweht wurde, daher keine Fotos mehr gemacht. Das hier soll als Ersatz dienen. "Nomen est Omen" kann man auch hier sagen :-)

Dienstag, 25. Januar 2022

Kandersteg - Januarloch (WI5)

Die Berichte zum Eisklettern sind rar geworden auf diesem Blog. Das liegt einerseits daran, dass man die gefrorene Materie aktuell und auch sonst meist nur in ein paar verlorenen Ecken der Alpen findet. Mit, aber nicht nur aus diesem Grund ist die Eiskletterei etwas aus meinem Fokus gerückt. So war es auch dieses Mal mehr dem Faktor Zufall zuzuschreiben, dass wir diese sehr schöne Tour am Oeschinensee in Angriff genommen haben. Neben der Beschreibung unserer Ausflugs sollen hier auch ein paar ganz grundsätzliche Gedanken zum Eisklettern erörtert werden. Ja der Faktor Zufall, der beruhte hier in erster Linie auf der Tatsache, dass für eine Truppe von Skispringern dringend ein Fahrer für den Teambus gesucht wurde. So beschlossen Kathrin und ich, aus der "Not" eine Tugend zu machen und das Outdoor-Programm im Berner Oberland zu bestreiten, wo wir ja normalerweise für eine Tagestour nicht hinreisen. Blauer Himmel, milde Temperaturen und sichere Lawinenverhältnisse hätten sowohl Skitouren wie Felskletterei zugelassen. Doch wenn man schon ins Mekka reist, so war wieder einmal im steilen Eis zu pickeln natürlich eine grosse Verlockung. Aber da fangen die Probleme eben schon an: während die Bedingungen in Schnee und Fels aus der Ferne, d.h. mit Webcams und Tourenberichten problemlos einzuschätzen waren, so war dies für die Eistouren nur sehr eingeschränkt möglich. Die Sache beschränkte sich auf ein paar vage Hinweise, dass ein Versuch nicht komplett aussichtslos wäre...

Blick vom Oeschinensee auf den Sektor mit den Eisrouten. Januarloch sieht von hier klein und unbedeutend aus, aber das ist schlicht und einfach der Perspektive geschuldet. Zudem sind aus dieser Ansicht die ersten 1.5 Seillängen nicht erkennbar.

Somit haben wir also die Unsicherheit über die Bedingungen als eine erste, grosse Unbekannte. Denn über Eisfälle auf Tourenportalen oder in den Social Media zu posten haben die meisten aufgegeben. Aus naheliegenden Gründen, denn kann man irgendwo öffentlich lesen, dass die Tour XY in perfekten Bedingungen ist, so weiss man gleich, dass man aufgrund vom massiven Andrang nicht mehr hinfahren muss. Das ist ja sowieso der Fluch an der Eiskletterei... die Auswahl an Touren ist relativ klein und es verträgt genau eine einzige Seilschaft pro Route, sofern man nicht ungebührliche Risiken auf sich nehmen will. Somit besteht, auch wenn man sonst alles richtig macht, das massive Risiko am Ende ohne einen gekletterten Eismeter wieder nach Hause zu fahren. Am Oeschinensee hatten wir diesbezüglich einiges Glück. Wir reisten sowieso schon spät an, Kathrin leitete noch das Aufwärmen der Skispringer und wir beobachteten deren erste paar Sprünge. So war es schon Mittag, bis wir mit der Bahn (11CHF/Person mit Halbtax) hinauffuhren. 

Schon der Zustieg über den See ist ein Erlebnis, für welches normale Touristen in Scharen anreisen.

Eine Traverse bringt einen dann zum gefrorenen See, den wir auf hartgetretenem Untergrund im Skatingschritt überqueren konnten. Für den letzten, kurzen Aufstieg zur Route montierten wir aber dann doch die Felle, was eindeutig die effizienteste Fortbewegungsmöglichkeit war. Sehr eindrücklich war es, als wir die ca. 20-30m dicke Kaltluftschicht über dem See verliessen. Die Temperaturen stiegen schlagartig um wohl ca. 15 Grad an, ein extremer Wechsel. Von Weitem hatte die ganze Ecke hinten am Oeschinensee verlassen ausgesehen und genau so hatte ich dies erwartet, bzw. zumindest erhofft. Wer geht denn schon in diesem verlassenen Winkel in diesem kaum bekannten Routen Eisklettern - ausser vielleicht ein paar Cracks, wenn die NIN (M8+, WI6) 'in condition' ist. Doch einmal näher gerückt zeigte sich dann, dass bereits 3 Seilschaften vor Ort waren, welche wohl dieselben "vagen Hinweise" wie ich interpretiert hatten. Ein Team kletterte im obersten Teil vom Januarloch, die anderen waren angebrannt und hatten sich auf inferiore, nicht in Topos beschriebene Ersatzlösungen in dieser Zone verlegt. Wir hatten insofern viel Glück mit unserer späten Anreise, als dass das Timing perfekt aufging. D.h. bis wir aufgeschirrt waren, hatte die im Fall engagierte Seilschaft das Top erreicht und wir konnten ohne jegliche Wartezeit angreifen. Das war auch nötig, denn sah die Route aus der Ferne noch klein und niedlich aus, so standen wir hier am Fuss einer grösseren und anspruchsvollen Aufgabe. Da würden wir auf die Tube drücken müssen, um sie noch vor Einbruch der Dunkelheit zu vollenden.

Wie so oft, aus dieser Perspektive ist alles verkürzt und flach...

Über das Januarloch kann an 3 gebohrten Ständen mit Strecken von je ~50m abgeseilt werden. Die Route aber auch in 3 Teilstrecken zu klettern ist vermutlich schon möglich, war aber für uns nicht im Bereich des real Erreichbaren - mit nur 10 Schrauben am Gurt klettere ich keine 60m-Längen in solch steilem Gelände, bzw. bei dieser Schwierigkeit. Während der erste Abseilstand in einer noch relativ moderaten, nahezu 60m messenden Länge direkt erreichbar war, teilten wir die steileren oberen Abschnitte jeweils in 2 Sequenzen auf, was mit einem jeweils vernünftig geschützten Schraubenstand gut implementierbar war. Die Crux folgte in L2, hier klettert man auf rund 15m anhaltend im senkrechten Gelände. Die Bedingungen waren gut im Sinne von schön kompaktem Eis, wo die Geräte gut griffen - dies allerdings zu einem Preis von einer Dauerdusche, wo man quasi bis auf die Unterwäsche durchweicht wurde, mit den üblichen Folgen für die komplett getränkten Handschuhe und einem vaterländischen Kuhnagel. Das ist offensichtlich ein weiterer Nachteil vom Eisklettern - es ist ja schon eher Type II Fun... aber immerhin damit kann ich recht gut leben.

Letztes Foto aus der Route zu Beginn von L2, nachher haben wir die Handys lieber 100% wasserdicht verstaut - was absolut nötig war, anders kann man es definitiv nicht sagen.

Ein weiterer, bedenklicher Punkt ist natürlich das Risiko eines Sturzes. So ertappte ich mich beim Klettern dabei mir auszumalen, wie das jetzt wohl enden würde, wenn das Eisgerät ausbräche. Ein übler Bruch am Knöchel mit Beeinträchtigung einer ganzen Klettersaison (oder auch mehr) wäre wohl nicht grosses Pech, sondern das womit man kalkulieren muss. Wie bitter es doch wäre, deswegen für längere Zeit aufs Klettern verzichten zu müssen... Aber das half nichts, die dunklen Gedanken mussten ob der gestellten Aufgabe auf die Seite geschoben werden. Der Fokus war darauf zu richten, die Geräte so solide wie möglich in die Materie zu versenken und ja immer kontrolliert zu steigen. Natürlich ging's dann, wie bisher immer, ohne den befürchteten Gau. Ab Seillänge 3 wechselten sich steilere Abschnitte mit Ruhepunkten ab. Trocken war es nicht immer, aber anders als in der Crux liess sich das Vollwaschprogramm doch meistens vermeiden. Grandios abgeschlossen wird die Route mit der einmaligen Passage durch den Tunnel - schlicht der Hammer! Bis wir wieder am Boden waren, war das Tageslicht längst verschwunden. Mit dem Vollmond und der Schneedecke war es aber nicht einmal nötig, die Stirnlampe zu zücken. In grandiosem Ambiente begaben wir uns auf eine stimmungsvolle Mondscheinwanderung über den gefrorenen See und fuhren dann über die Skipiste nach Kandersteg. Ja, für heute war es trotz aller Zweifel zwar mit einer späten Rückkehr, sonst aber perfekt aufgegangen und eine einmalige Sache ist eine solche Eisklettertour dann eben doch. Somit ist es nicht ausgeschlossen, dass es mich allen Unbillen zum Trotz doch wieder an die gefrorenen Wasserfälle zieht. 

Auf dem Heimweg im Mondenschein - auch ein spezielles Erlebnis!

Facts

Kandersteg/Oeschinensee - Januarloch WI5 - 5 SL, 180-200m - ****

Relativ wenig bekannt und im Vergleich zu den Klassikern am Oeschinensee wohl nicht eben häufig begangen, stellt diese Route nach meinem Gusto eine der besseren Touren im Bereich WI5 der Schweiz dar. Bis auf die etwas einfachere erste Seillänge wartet recht anhaltende Kletterei, ohne dass die Schwierigkeiten je extrem wären. Eine gute Vergleichstour ist der Pingu im Oeschiwald, das Januarloch ist nach meiner Einschätzung sicherlich ebenso anspruchsvoll und wohl dazu auch noch viel seltener komplett ausgehackt. Wie oft es im Januarloch genügend Eis für eine Begehung hat, kann ich nicht wirklich einschätzen. Der schattige Winkel auf ~1600m zusammen mit dem Kältebecken des Sees garantiert aber wohl doch eher tiefe Temperaturen. Das Gelände direkt oberhalb der Route ist nicht extrem steil, im Grossen und Ganzen befindet man sich aber am Fuss der 2000m hohen Steilwand der Blüemlisalp. Also einem Gebiet mit allen alpinen Gefahren, man berücksichtige dies bei der Tourenplanung entsprechend. Zu erwähnen ist in dieser Hinsicht auch, dass die Tour wirklich nur von einer einzigen Seilschaft geklettert werden kann. Die gebohrten Standplätze bestehen jeweils aus 2 verzinkten 8mm-BH, an welchen die Korrosion bereits genagt hat. Darüber hinaus ist auch der Fels in welchem sie stecken von eher moderater Qualität. Update: ja kaum zu glauben, eine Woche nach unserem Versuch waren Bekannte im Januarloch unterwegs. Tatsächlich war inzwischen ein BH am zweiten Stand ausgebrochen! Daher kann man nur zu höchster Vorsicht bei der Nutzung dieser Standplätze raten, bzw. muss ein Abseilen mittels Abalakovs im Eis empfehlen. Neuerliches Update: Adrian Vögeli hat inzwischen den ersten Stand saniert und den zweiten neu gebohrt. Er befindet sich etwas rechts der Eislinie, einige Meter tiefer als der bisherige Stand (siehe hier). Vielen herzlichen Dank dafür!

Nach unserer Begehung ausgebrochener Standbohrhaken - Vorsicht! Foto by Andreas H.

Wichtige Anmerkung: wegen der Felssturzgefahr vom Spitzen Stei ist die Begehung der Touren "in den Fründen" sowie im Sektor um den Blue Magic (Rübezahl, Bück Dich, Lochroute, usw.) durch eine Behördenanweisung verboten. Hinten beim Januarloch darf geklettert werden, ebenso alle üblichen Routen rechts vom Bäretritt im Oeschiwald.

Donnerstag, 20. Januar 2022

Skitouren im Januar 2022

Etwas Aktualität schadet diesem Blog nicht und diese soll mit einem zusammenfassenden Bericht von mehreren schönen Ausflügen in den Schnee hergestellt werden. Nachdem es in der ersten Januarhälfte 2022 wieder Schnee bis vor die Haustüre gegeben hatte und noch nicht perfektes Bergwetter herrschte, waren erst die Hügel in der näheren Umgebung Trumpf. Bei stiebendem Powder gab es viel Fahrgenuss und das einfach als kurzer Zeitvertrieb an einem normalen Arbeitstag, das ist genial. Als es dann aufklarte, sollte es auch wieder einmal etwas weiter weg gehen. Mit der Lawinengefahr auf Stufe 3 lagen aber vorerst noch keine grossen Sprünge drin.

Auf der Tour zum Wildspitz bei der Langmatt - mit grandiosem Panorama.

Wildspitz (1580m)

Eigentlich war an diesem Tag eine hohe Nebeldecke prognostiziert und ich zielte darauf, im Bisisthal die Sonne und den frischen Pulverschnee zu geniessen. Doch das Grau hielt sich wenig an die Prognosen, schon auf dem Weg über den Sattel glitzerten unzählige Schneekristalle. Da hiess es, die Gelegenheit beim Schopf zu packen und auf den Wildspitz zu steigen. Mit einem Tourenstart auf 700m und Südexposition ist diese Tour eigentlich nur unmittelbar nach Neuschneefällen so richtig gut. In meinen frühen Tourentagen, vor Jahrzehnten inzwischen, war ich einmal von Sattel aufgestiegen. An diesem Tag sollte es bei der Kapelle in Ecce Homo losgehen, eine Route die auf der Landeskarte nicht verzeichnet ist. Eine Spur lag aber dennoch schon, zumindest bis ich deren Urheber eingeholt hatte und mich fortan selber an die genussvolle Arbeit machen durfte. So gelangte ich schliesslich zur Langmatt P.1570. Der Übergang zum nur 10m höheren, gut 600m entfernten Hauptgipfel P.1580 ist mit einem Verlust von 50hm verbunden, lohnt sich skifahrerisch kaum und ist nur jenen anzuraten, die entweder in der Beiz einkehren wollen oder aus Sammlerinteresse den höchsten Punkt vom Kanton Zug aufsuchen wollen. Die Abfahrt war ein richtiges Highlight: ich konnte meine Spuren in einen komplett unberührten Sektor legen und genoss meist besten, luftigen Pulver. Nur weiter unten, an den sonnigsten Hängen war der Schnee schon etwas angefeuchtet, aber immer noch prima drehbar. Höchst zufrieden mit meinem spontanen Ausflug zu diesem Tourenziel ging's retour ins Home Office.

Ein Kasten am Gipfel gab komische Laute von sich... 
Perfekte Bedingungen für die Abfahrt, wirklich ein Traum-Wintertag!

Berger Calanda (2309m)

Die nächste Tour sollte uns nach etwas Werweissen zum Berger Calanda führen. Im Rheintal lag eine geschlossene Schneedecke und der rund 500m hohe, gleichmässig knapp unter 30 Grad steile Gipfelhang hatte schon lange zu einer Befahrung gelockt. Bei P.590 in Untervaz ging's los, wenige Parkplätze sind dort vorhanden. Erst stiegen wir kurz der Strasse entlang, dann lockte uns eine Aufstiegsspur ins Gelände. Sie führte mehr oder weniger der auf der Karte nur als Abfahrtsvariante bezeichneten Route via Michelis Bünten - Flidis - Runggalätsch - Spinis steil in die Höhe. Wobei uns bald klar wurde, dass eine Abfahrt im rauen, steilen Gelände und mit nur 30cm kalt-fluffigem Powder ohne Unterlage da nicht möglich wäre. Anyway, wir gewannen effizient an Höhe und erreichten die Mastrilser Alp, von wo das Ziel bereits nahe scheint. Doch der Gipfelhang trügt, die Sache zieht sich mehr und mehr in die Länge, sind doch noch 550hm zu bewältigen. Die Skiroute laut Landeskarte führt zum nordöstlichen Eckpunkt (P.2270), ein grosser Steinmann steht etwas südwestlich an einer Stelle mit 2-3m Prominenz, doch der logischste "Gipfel" ist noch weiter links bei P.2309, der mit einer Schartentiefe von ~20m und einer Dominanz von gut 100m als mehr oder weniger selbständiges Ziel bezeichnet werden kann.

Bald an der Waldgrenze in der Nähe der Mastrilser Alp.

Die Abfahrt war dann nicht ganz so toll, wie ich es zuletzt auf meinen lokalen Touren oder am Wildspitz erlebt hatte. Im Gipfelhang war der Schnee zumindest windgepresst wenn nicht sogar decklig. Laut einer einheimischen Tourengängerin, die wir am Gipfel angetroffen hatten, offenbar leider der Normzustand dieser so einladenden Flanke. Unterhalb von 1900m besserte sich die Lage und es gab viel Fahrspass über die Hänge der Vazer Alp bis auf ca. 1300m hinunter. Ab da fehlte die Unterlage, so dass wir uns zwecks Schonung von Mensch und Material ans Trassee der Strasse hielten. Immerhin lag auf auf dieser schöner Pulverschnee und man konnte nach Lust und Laune wedeln. Als Fazit mussten wir am Ende trotzdem ziehen, dass sich die ~1750hm skifahrerisch nur bedingt ausgezahlt hatten. Der Genuss eines sonnigen Tages an der frischen Luft und das Konditionstraining durften aber natürlich auf der Haben-Seite verbucht werden. 

Ankunft bei P.2309, das Panorama auch hier grandios, der Schnee nicht ganz so sehr.

Da kam unweigerlich der Gedanke an die Bekannten, welche kürzlich ein Ski-Everesting (d.h. 8850hm Aufstieg an einem Tag) durchgeführt hatten. Dafür muss nach Adam Riese ein 500hm-Anstieg 18x ausgeführt werden. So etwas schien mir auf den ersten Gedanken nicht ganz unrealistisch, aber ehrlicherweise wohl bloss, weil ich eine solche Tour noch ohne Mühen mehrmals ausführen kann und man zur (Viel)Zahl 18 nicht mehr eine so ganz intuitive Beziehung hat. Doch selbst den schon langen Aufstieg zum Berger Calanda müsste man 5x absolvieren. Und da wird glasklar: ein zweites Mal vielleicht, wenn's unbedingt sein müsste. Ginge es um Leben und Tod, vielleicht wäre auch ein dritter Aufstieg drin. Aber noch mehr?!? Dann doch lieber nicht. Noch augenfälliger wird die Sache, wenn man bedenkt, dass man selbst eine Mordstour wie den Tödi, wo man nach einer Runde schon mehr als bedient ist, fürs Everesting ganze 3x machen müsste.

Im 'never ending'-Gipfelhang am Berger Calanda. Wobei wenn man das mit den Dimensionen eines 8850hm-Everesting vergleicht, dann darf man solche Ausdrücke natürlich nicht verwenden. Das wäre dann nämlich wirklich eine unendliche Geschichte.

Weitere Touren

Hatte am Tag der Wildspitz-Tour noch eine scharfe Stufe 3 sorgfältige Tourenwahl erfordert, so besserte sich die Lage zügig und nur eine Woche später herrschte schweizweit grünes Licht, sprich Stufe 1 und damit das Go für steile und exotische Touren. Wie auf diesem Blog schon früher ausgeführt, ich liebe es absolut, wenn man die Gelegenheit erhält, normalerweise im Winter nicht zugängliche Gipfel und Routen anzugehen. So war es dann auch ein einfaches, 10 Tage nach dem letzten Schneefall noch jungfräuliches Gelände mit ideal gesetztem Pulverschnee zu finden. Eine solche Tour werde ich in einem der nächsten Beiträge vorstellen, anderen Zielen abseits der "blauen Pisten" ist aber sicher mehr Dienst getan, wenn sie in aller Stille und mit dem Reiz des unbekannten und undokumentierten weiterexistieren und nur ganz selten von tüftlerisch-innovativen Tourengängern mit Eigeninitiative besucht werden.



Mittwoch, 5. Januar 2022

Jahresrückblick 2021

An dieser Stelle erscheint wie jedes Jahr und nun schon zum elften Mal, der Rückblick auf das vergangene Bergjahr. Falls jemand gerade Bedarf nach Lesestoff hat, so finden sich hier der Reihe nach alle vergangenen Ausgaben. Was darf ich über das 2021 bilanzieren?!? Sicherlich, dass ich zufrieden bin mit mir und meinen Berg- und Kletteraktivitäten. Vielleicht fehlen die ganz grossen Routen mit den klingenden Namen, die gefährlichen Touren mit Type II Fun und meine Unternehmungen sind mehr geprägt von der Vereinbarkeit mit der Familie und den beruflichen Verpflichtungen. Gerade die Tatsache, dass die Kinder beide im Leistungssport in verschiedenen Disziplinen engagiert sind, erfordert neben der Arbeit doch gewisse Einschränkungen bezüglich der Flexibilität für Touren nach Gusto. Aber eines ist sicher, meine Motivation für den Bergsport sowie für das dazu nötige Training um den entsprechenden Fitnessstand zu haben ist ungebrochen.

Passend zum Jahresabschluss... Stimmung am Fels auf dem Ticino-Trip zum Jahresende 2021.

MSL-Klettern

Das Kerngeschäft von diesem Blog sind die Berichte zu MSL-Routen, also soll die entsprechende Rubrik in diesem Jahr zuerst Erwähnung finden. Trotz dem sehr regnerischen Vorsommer habe ich mich im 2021 insgesamt erstaunliche 43x am Start einer hohen Felswand befunden und diese dann erfolgreich bewältigen können. Die Saison startete Ende Februar mit der Familientour Quarzo (12 SL, 6a) an den Speroni di Ponte Brolla und endete kurz vor Weihnachten nur einen Steinwurf davon entfernt mit der Anima Ribelle (10 SL, 7b) am Torbeccio. Besondere Erwähnung verdienen an dieser Stelle die grandiose Kletterei der Lilith (9 SL, 7c+) am Schweizereck, der Dolomiten-Trip mit Kathrin mit dem Höhepunkt der Petri Heil (19 SL, 6c+) an der westlichen Zinne, sowie die wenig bekannte Sunset Boulevard (11 SL, 7a+) an der Valaschga Hochwand, der ich in ihrer neuen Version mutmasslich die erste freie Begehung abluchsen konnte. Ein herzlicher Dank gebührt meinem regelmässigen Tourenpartnern Viktor und Jonas, die immer für exotische, wenig bekannte MSL-Routen zu haben sind, egal ob sie mit weiten Zustiegen oder anderen Unannehmlichkeiten attributiert sein mögen - das ist echt Gold wert und diese sich oftmals als wahre Perlen entpuppenden Routen anzugehen, macht mir mega Spass! Nicht minder Freude habe ich auch an den Touren mit Larina. Natürlich ist sie nochmals stärker, fitter und ausdauernder als zuvor geworden, die Highlights mit ihr waren Le Bal des Boucas (10 SL, 6c) an der Tête Colombe und die noch unverbloggte Voie des Maîtres (13 SL, 6c+) in Ailefroide in den Sommerferien.

Aus der Rubrik "Tessiner Perlen": in der Viniciololavia (7 SL, 7c+) an der Parete di Cevio.

Neutouren

Diese Rubrik liegt mir natürlich auch besonders am Herzen, hier befindet sich meine grosse Passion. Und in Sachen Erstbegehungen war es ein absolut hervorragendes Jahr!!! Das absolute, kaum zu toppende Highlight ist natürlich die Vollendung der Lanciamira (17 SL, 6c 2pa oder 7b+) am Drusenfluh Westgipfel im Rätikon. Fünf Sommer und acht Besuche lang hatte die Erschliessung Larina und mich auf Trab gehalten und nur wer selber schon MSL-Routen eingerichtet hat, kann wohl abschätzen, wie viel Herzblut, Einsatz und Motivation nötig sind, ein Projekt dieser Grössenordnung mit einem seiner Kinder zu realisieren. Doch wir haben jeden einzelnen Tag genossen, das sind wirklich Momente für die Ewigkeit - schlicht und einfach genial! Doch auch darüber hinaus war es ein super Bohrjahr: mit dem (zur Zeit noch unpublizierten) Nightcrawler (7 SL, 6c) konnten Viktor und ich unsere Trilogie am Zervreilahorn erfolgreich abschliessen. Es handelt sich um eine weitere, hervorragende Semi-Trad-Linie ortstypischen Stils im prima orangefarbigem Gneis, Topo und Bericht werden bis zum Beginn der nächsten Sommersaison sicher zur Verfügung stehen. Das ist aber noch längst nicht alles in Sachen Erschliessungstätigkeit, sind es doch total 31 Seillängen, welche im 2021 entstanden sind. Die nächsten, vielversprechenden Projekte sind also bereits in der Pipeline, aber noch nicht spruchreif für diesen Blog. Ich freue mich sehr auf deren Fortsetzung und natürlich werden sie zu gegebener Zeit mit Topo und Bericht vorgestellt. Meine Erschliessungstätigkeit im 1-SL-Bereich ist im Vergleich zu den MSL von eher untergeordneter Bedeutung. Doch auch hier macht es mir immer wieder Spass, die eine oder andere Herausforderung zu entdecken. Konkret waren das im 2021 acht Seillängen, wobei einige Knacknüsse noch auf den roten Punkt warten und andere in sensitiven Gebieten ohne nähere Beschreibung im Blog bleiben werden.

Eines der neuen Projekte... wieder in Zusammenarbeit mit Larina.

Sportklettern

Meine subjektive Wahrnehmung sagt mir, dass es kein sonderlich ergiebiges Sportkletterjahr war. Der Frühling war feucht, im Sommer lag der Fokus auf MSL und dem Bohren, nach den Sommerferien fand ich nicht die nötige Zeit in der Agenda, um fokussiert an Projekten zu feilen. So blieb es öfter als einem Felskletterer lieb ist bei einer Indoor-Session: hin und wieder am Seil, öfter an den Boulderblöcken und regelmässig im Trainingsraum, an Boards und Systemwänden. Kommt noch hinzu, dass wegen den Covid-Reiserestriktionen die Sommerferien in Frankreich der einzige Auslandtrip waren und sonst nur gerade 3x Tessin drin lagen. Soweit mein persönlicher Eindruck, die Zahlen sprechen aber weniger dieselbe Sprache, wie ich mir gedacht hätte. Ich konnte doch 126 neue Einträge (>=7a) auf der Ticklist machen. Das ist zwar weniger als in früheren Jahren, aber trotzdem eine stattliche Anzahl. Mit 1x 8b, 6x 8a/+, 12x 7c/+, 40x 7b/+ und 67x 7a/+ war es auch leistungsmässig ordentlich und fast im Rahmen der Vorjahre, da darf ich sicher zufrieden sein. Man könnte möglicherweise sogar folgern, dass es der Performance zuträglich ist, ein wenig mehr zu "trainieren" und nicht jede mögliche Minute am Fels zu verbringen. Aber wie schon in der Einführung erwähnt, vielfach bestand nicht die Wahl, da ich Larina dahin oder dorthin zu einem ihrer Trainings begleiten "musste". Und so machte ich eben das Beste draus, sass nicht auf der faulen Haut sondern nahm die motivierten Vibes auf und versuchte, selber stärker zu werden und meine Technik zu perfektionieren. Natürlich finde ich diesen leistungsorientierten Aspekt sehr faszinierend und würde, wenn ich nochmals 35 Jahre jünger wäre, noch so gerne Vollgas geben um an die Spitze zu kommen sowie von Weltcups und Olympia träumen.

So langsam können wir nicht nur dieselben Routen zum Aufwärmen nutzen, sondern projektieren auch dieselben Linien... und das nicht etwa, weil ich mein Niveau nach unten angepasst hätte ;-) Hier ein Eindruck von unserem letzten Tessin-Trip zum Jahreswechsel.

Wettkämpfe

Nun ja, auf weltweitem Niveau werde ich nie mehr antreten können - ich bin ja schon zufrieden, wenn es für den einen oder anderen Plausch- oder Regionalwettkampf reicht. Doch mit der Pandemie sind diese Events leider spärlich geworden, bzw. haben nur ganz zaghaft wieder an Fahrt aufgenommen. Am wenigsten eingeschränkt waren noch die Kinder, welche schon im Frühling wieder mit den nationalen Wettkämpfen starten konnten. Dies aber in einer sehr steifen, angespannten Atmosphäre, ohne Zuschauer und unter der Auflage, möglichst spät zu kommen und möglichst rasch wieder zu verschwinden. Tja, so war der Spassfaktor ziemlich beschränkt, sowohl für mich als Coach wie für die Athletin lebte die Sache ja auch sehr vom Austausch und der Gemeinsamkeit. Ich fürchtete diese Zeiten schon für immer verloren - bis wir kurz vor den Sommerferien mit der ZKM im Griffig endlich wieder so ein richtiges Kletterfest wie "in alten Zeiten" hatten, wo alle mitmachen, beisammen sein und einander anfeuern konnten. Genial war das, und die folgenden ZKM-Events im 6aplus und im Minimum verliefen zum Glück mit gleich guter Stimmung. So kam ich persönlich am Ende mit den Boulder-Jams im Quergang und im Grindelboulder doch noch auf 5 Teilnahmen, wobei ich mit Ausnahme von Rang 4 im Minimum immer aufs Podest durfte (wobei jener Platz knapp daneben im Angesicht des sehr starken Feldes absolut keine Enttäuschung war). Zu erwähnen in dieser Rubrik ist natürlich auch der Titel der Zürcher Klettermeisterin U14 für Larina, ihr erster Sieg an einem Regio Cup (ZKM Griffig) sowie zwei weitere Podestplätze (ZKM 6aplus, B2), wo ich jeweils als Coach mitfiebern durfte, was mindestens so aufregend ist, wie selber Hand anzulegen. Hoffen wir, dass es im 2022 möglichst ohne Einschränkungen weitergeht und wir wieder öfter das Herzklopfen spüren können, bevor es um die Wurst geht.

Big Day an der Zürcher Klettermeisterschaft im Griffig :-)

Skitouren (& Alpines)

Auf (in jüngerer Vergangenheit) rekordverdächtige 43 Skitouren mit 52'060 Höhenmeter kann ich im 2021 zurückblicken. Das erklärt sich vor allem durch die Tatsache, dass wir im Januar, Februar, dann nochmals im März und fast den ganzen Dezember über gute bis hervorragende Schneebedingungen im Züri Oberland hatten. Das sind zwar in Sachen Höhenmeter und Prestige nur kleine Unternehmungen. Da man aber in Sachen Wetter und Verhältnisse als Local die idealen Fenster nutzen kann, ergeben sich dabei immer sehr lohnende Landschaftseindrücke und Skischwünge. Es ist ein grosses Privileg, diese Tourenmöglichkeiten vor der Haustür zu haben. Gelegenheit für längere Unternehmungen in den Alpen gab es nur vereinzelt, die besten davon waren jene auf den Piz Timun, das Tällihorn und die Chläbdächer - passt aber so. Ansonsten gab's in dieser Rubrik, welche auch generelle alpinistische Tätigkeiten abdecken soll, noch 2 Ausflüge zum Eisklettern. Aber das war's dann auch schon mit Aktivitäten, wo Steigeisen an die Füsse gehören. Naja, es bleibt eben nicht die Zeit, um auf allen Hochzeiten zu tanzen und das Klettern, das ist eben meine ganz grosse und präferierte Leidenschaft.

Es muss ja fast ein Foto von einem lokalen Tüürli sein :-)

Somit schliesse ich diesen Rückblick auf's 2021 in grosser Dankbarkeit für die tollen Erlebnisse, die unfallfreien Touren und die Kameradschaft mit meinen Weggefährt:innen. Ein riesiger Dank gebührt meiner Familie für die Unterstützung in allen Belangen. Möge es so weitergehen im 2022, wir freuen uns auf viele tolle Erlebnisse. Zum Schluss noch ein Wort zu diesem Blog, der im vergangenen Jahr in aller Stille sein 10-jähriges Jubiläum gefeiert hat und als (fast) letzter Mohikaner seines Genres sein aktives Dasein lebt. Die inzwischen bald 700 Berichte sind von unschätzbarem Wert für mich persönlich und genau deshalb plane ich, sämtliche markanten Touren weiterhin auf diese Weise zu dokumentieren. Nicht immer gelingt's mir mehr, die Blogs zeitlich in unmittelbarer Folge an die Touren zu finalisieren, oft harren die subito getippten Notizen einige Zeit ihrer Perfektionierung. C'est la vie, kann man da nur sagen - wer tagesaktuell an Eindrücken und Tourentipps interessiert ist, lade ich gerne ein, meinem Account auf Instagram zu folgen.