Nach langem Zögern und Überlegen hatte ich mir endlich (!) neue Eisgeräte angeschafft, die Nomics von Petzl. Bei einer Erkundungstour im Tösstal hatte ich sie ein paar wenige Male eingeschlagen, doch ich war natürlich heiss darauf, sie richtig und zweckbestimmt einzusetzen. So kam mir die Anfrage von Dani gerade recht. Er wollte vor seinem Business Trip nach Korea noch einen adäquaten Eisfall klettern (für ihn wohl bereits den letzten diese Saison). Die Wahl fiel schliesslich auf den Rübezahl in Kandersteg, welcher mit dem magischen Grad von WI6 daherkommt, für seine kompromisslose Steilheit in den ersten 3 SL bekannt ist und mit riesigen Eispilzen und Balkonen aufwartet.
Für uns stand es absolut ausser Frage, hinter einer anderen Seilschaft in den Fall einzusteigen - viel zu gefährlich ist ein solches Tun. Somit galt es, zeitig vor Ort zu sein und sich die Pole Position im Rübezahl zu sichern. Spätestens um 6 Uhr wollten wir in Kandersteg loslaufen, somit stellte ich meinen Wecker auf 3.30 Uhr. Definitiv ein "Alpine Start". Die Anfahrt in dunkler Nacht verlief zwar trotz stellenweise glatter Strassen ereignisfrei, dennoch starteten wir den Zustieg später als gewünscht um ca. 6.30 Uhr.
Gesamtansicht des Sektors: links im Profil knapp sichtbar Rübezahl, prominent in der Mitte Blue Magic, rechts Bück Dich. |
Schon auf den ersten Metern konnten wir erfreut feststellen, dass in den ca. 5cm Neuschnee noch keine frischen Fussspuren sichtbar waren. Vom Parkplatz bei der Oeschinenbahn (4 CHF/Tag) hält man sich erst gegen den Oeschiwald-Sektor zu, um sich auf der Schlittelpiste zu etablieren und auf jener bergwärts zu steigen. Dort, wo diese über eine Brücke auf die andere Talseite wechselt, verlässt man sie, um gegen den prominenten Blue Magic hinaufzusteigen. Die mitgeführten Schneeschuhe konnten wir getrost am Rucksack angeschnallt lassen, eine breite und schön ausgetretene Fussspur erlaubte bequemes Steigen.
Rübezahl mit der von uns gekletterten Linie. Die ersten 3 Stände sind mit BH ausgerüstet. |
Rübezahl (IV, WI6, 215m)
SL 1, 35m, WI5: Am linken Rand ging es los, auf den ersten Metern noch erfreulich trocken. Die ziemlich trivial aussehende Rampe entpuppte sich als kniffliger wie es den Anschein machte und in eher mässigem Eis galt es, eine Art Nische zu gewinnen. Dort konnten am Trockenen noch zwei verlässliche Schrauben gesetzt werden, danach galt es kühn den überhängenden Balkon zu gewinnen. Das war nicht ganz einfach, wartete oberhalb doch nur total matschiges Eis, in welchem die Geräte kaum griffen. Stand macht man an BH links, auf einem bequemen Band.
Dieser Überhang ist die Crux von SL 1. |
SL 2, 35m, WI6: Wenn es zuvor schon nicht einfach war, so würde es hier noch schwieriger werden, das war klar. Ganz am linken Rand kletterten wir in etwas vertrocknetem und abgelöstem Eis hoch. Das hatte seinen Grund, nämlich "je rechts, desto tropf". Bei allem Bemühen setzte es dennoch eine heftige Dusche ab, so dass nachher innen alles feucht und aussen bald alles steifgefroren war. Die technische Crux das athletische Überwinden eines überhängenden Balkons. Nach einigen nicht ganz so schweren Metern quert man dann schliesslich scharf nach rechts, um über einige wieder steile Meter den BH-Stand im Innern einer Eishöhle am rechten Rand des Falls zu gewinnen.
Sicht auf die anspruchsvolle und sehr feuchte SL 2. |
SL 3, 60m, WI6: Vom Top bis knapp unter den dritten Stand lief das Wasser hinter dem Eis, unterhalb davon dann ausserhalb. Das bedeutete, dass es ab hier aussen trocken (aber innen feucht...) weitergehen würde. Von der Eishöhle weg warten 25 anhaltend senkrechte Meter. Das Eis war nicht ganz so geschmeidig, frische Begehungsspuren waren keine vorhanden und ob der bombierten Morphologie des Falles war auch die Fussarbeit nicht einfach. Mit einem gehörigen Pump konnten wir uns aber beide in die weniger steile Zone retten. Die zweite Hälfte in einem 75-80 Grad steilem Trichter war aber irgendwie auch nicht so einfach wie erwartet. Zuletzt findet man einen gut geschützten BH-Stand rechts aussen auf einem schmalen Band im Fels.
Ausblick auf die steile und wilde SL 3. |
SL 4, 50m, WI4+: So rein vom Anschein her könnte man meinen, es handle sich um eine Plaisir-Länge. Der Start ist zwar nur so 75 Grad steil, wegen dem mässigen Eis war es aber dennoch unangenehm. Auch stellte man bald fest, dass der Fall hier arg hinterspült war, mit einigen gar schon offenen Fenstern. Und zuletzt steilte das Gelände dann wieder auf, eine kurze senkrechte Einheit wartete, zuletzt musste man noch links der Felswand entlang schleichen. Stand an Schrauben bzw. Abalakovs.
Querung zurück ins Eis vom abseits im Fels liegenden Stand zwischen SL 3 und 4. |
SL 5, 35m, WI3+: Grundsätzlich gutmütige und mit rund 70 Grad mässig steile Ausstiegslänge. Das Eis war ziemlich alt und vertrocknet, eingefasst in den Felswänden auf beiden Seiten hatte man hier mehr das Gefühl in einer grossen Alpenwand unterwegs zu sein als an einem Eisfall und so wirklich einfach war es deswegen eben auch nicht. Einen eingerichteten Stand gibt es nicht mehr, darum Schrauben bzw. Abalakovs kurz bevor das Eis unter dem Schnee verschwindet.
SL 5, kurz vor dem Top des Falls. |
Etwas nach 14.00 Uhr waren wir am Top, somit betrug unsere Begehungszeit ohne Warten und Trödeln doch gute 6 Stunden. Das zeigt doch auf, wie schnell oder eben langsam man hier nur vorwärtskommt, und unterstreicht die Schwierigkeiten. Zurück an den Einstieg gelangt man durch Abseilen über die Route (4 Manöver: 35m, 50m, 60m, 60m). Soweit also problemlos, der Punkt war nur, dass uns tatsächlich zwei Seilschaften gefolgt waren. Wohl waren sie einem erheblichen Eisschlag von uns ausgesetzt, denn im nicht ausgehackten Fall war es schlicht unmöglich, eine Zapfen und Schollen loszulösen. Dieses Harakiri gibt aber anscheinend ohne gravierende Treffer aus. Aber nun kehrte sich die Sache natürlich um, da wir beim Abseilen nun selbst möglichem Eisschlag ausgesetzt waren. Mit kurzem Zuwarten auf ein günstiges Fenster (d.h. niemand oberhalb in Bewegung) war diese aber zu minimieren.
Yours truly in SL 3. |
Gemütlich packten wir unsere sieben Sachen wieder zusammen. Für heute würde es keine zweite Route mehr geben, denn unsere Kräfte waren verbraucht und ob der Feuchte hatten wir auch ein etwas frösteliges Gefühl. Und auch wenn die benachbarten Fälle, der Blue Magic und die Lochroute von den Bedingungen her gut aussehen, so waren doch in beiden gleich mehrere Seilschaften am Werk. So warfen wir halt nur zahlreiche Blicke auf diese zukünftigen Projekte und trotteten auf der Schlittelpiste zu Tal. Auch im Oeschiwald herrschte natürlich ein emsiges Treiben, nur gerade die äusserst fragil aussehende Säule von "Mehr Power durch sportliche Aufkleber" wäre zu haben gewesen. So ging es noch ins Ermitage zum Aufwärmen bei Kaffee und Kuchen, bevor die Fahrt zurück nach Hause angetreten wurde.
Facts
Rübezahl (IV, WI6, 215m) - Bongard/Gobet 1988
Material: 12-14 Eisschrauben
Grosser Klassiker in Kandersteg mit 3 kompromisslos steilen Startlängen. Die beiden Ausstiegslängen sind wohl weniger steil, aber auch nicht zu unterschätzen. Insgesamt machte der Rübezahl auf mich den Eindruck eines ziemlich alpinen Unternehmens. Nicht ausgehackt und mit qualitativ mässigem Eis empfand ich die Bewertung von WI6 jetzt durchaus als zutreffend. Auch wenn die Kletterei jetzt nie über längere Strecken ultraschwer war, so war sie doch anspruchsvoll, und bisweilen, auch ob der Verhältnisse, durchaus auch ein bisschen unangenehm.
Einen schönen Artikel über die Möglichkeiten in und um Kandersteg findet man im Bergzeit Magazin. In Kandersteg gibt es eine private Wetterstation, wo man Temperaturen und allerhand weitere Infos zum Wettergeschehen aktuell und in der Vergangenheit abrufen kann. Herzlichen Dank für diesen Service, er ist für uns Eiskletterer Gold wert! Zudem, auf den Webcams von kandersteg.ch kann man gut erkennen, ob in den Routen Eis vorhanden ist. Natürlich sieht man dort nicht, ob die Verhältnisse taugen. Informationen dazu erhält man am ehesten mit dem Ampelsystem vom Alpine Center, auf gipfelbuch.ch oder dem Eiskletterportal von camptocamp.org.
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