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Samstag, 6. März 2021

Speroni di Ponte Brolla - Zombi & Quarzo (6a)

Die Kinder äusserten den Wunsch, wieder einmal ins Tessin zu gehen und insbesondere eine plattige MSL zu klettern. Nun, auch auf der Alpennordseite herrschte bestes Wetter mit idealen Kletter- und Tourenbedingungen. (von der Schneequalität einmal abgesehen...) Doch Argumente à la "wir können jetzt nicht ins Tessin, weil hier schönes Wetter ist und wir Skifahren sollten" hatten vor den Kindern keinen Bestand. Naja, wenn man es sich genau überlegt, sind sie ja auch etwas absurd. Wobei, ganz zu vernachlässigen ist der "Ätsch"-Faktor von einem sonnigen Tessintrip wenn es im Norden Bindfäden regnet ja dann doch auch wieder nicht. Aber wir taten was wir tun mussten und fuhren durch den Gotthard in den Süden. 

Da kommt sie gerade aus der Cruxlänge der Quarzo (L10, 6a), unten die Platten mit dem Routenverlauf gut sichtbar.

Die Quarzo an den Speroni di Ponte Brolla ist sicher eine der bekanntesten und begehrtesten Plaisirrouten in der Schweiz. Sehr homogen im Bereich 5b (mit einer kurzen 6a-Crux, A0 möglich) klettert man hier über 12 Seillängen und 350 Klettermeter in bestem Gneis - unten über strukturierte Platten, oben dann über steilere, gutgriffige Aufschwünge. In meinen Kletter-Urzeiten vor bald 30 Jahren war ich hier schon einmal unterwegs - naja, das ist schon beinahe verjährt. Gerade deswegen wählten wir im unteren Routenteil die unmittelbar benachbarte Zombi (5a), da sich so für mich noch ein zusätzlicher Tick einer MSL- und Plaisir-Selection-Route ergab und die Sache mit Kindervorstieg und begrenztem Nachmittags-Zeitbudget noch etwas schneller vorangehen sollte. 

Auf den Platten der Zombie (L6, 4c), ein langsames Team eben passiert.

Zuerst gilt es jedoch, den Zustieg zu meistern. Der Pfad beginnt unmittelbar bei der markanten Eisenbrücke über die Maggia (vom Ende der Brücke die Strasse überqueren und ca. 20m talauswärts gehen, ca. 12 kostenlose Parkplätze vorhanden). Der deutliche Weg führt zu den Zielscheiben des Schiessstandes hin, hält sich aber unmittelbar davor links. Im Zickzack geht's den Wald hinauf zu einem Strommast, danach kurze Querung und nochmals 30hm weiter hinauf. Das ist alles gut zu finden, erst am Ende ist nochmals etwas Spürsinn nötig, da man auf undeutlichen Spuren nach rechts über ein kleines Bachbett zum Einstieg auf ca. 410m quert - an den tiefsten Felsen ist man richtig (Link für Karte). Für die total 150hm brauchten wir bei gut vorhandenem Auftrieb gerade 15 Minuten. Für alle die gerne mit Karte und GPS navigieren ist noch zu erwähnen, dass die bei SwissTopo eingezeichnete Wegspur sich zu weit links befindet, d.h. nicht korrekt vermerkt ist (Stand März 2021). 

Unterwegs in L1 (5a) der Zombie, die gleich die Crux darstellt - im bewährten Parallel-Stil.

Um 13.30 Uhr hatten wir alles bereit, d.h. die Kinder stiegen in die Zombi (5a) ein. Unser Plan war es, in bewährter Strategie mit 2 Seilschaften parallel/gleichzeitig auf der Route zu klettern. So musste niemand warten und das klappte formidabel. Die erste Seillänge ist mit 5a gleich die schwierigste und auch die steilste. Die Absicherung mit Inox-Bolts ist sehr gut, aber nicht übermässig - die Kids meisterten es perfekt und das Vertrauen in die Reibung und die Fähigkeiten festigte sich zügig. Es folgen nun 6 Seillängen im Grad 4c über die schwarzen Gneisplatten, oft entlang von diagonal verlaufenden Strukturen. Es ist keine langweilige Schleicherei mit stets identischen Bewegungsmustern, sondern es gilt oft, die "richtige" Lösung zu erkennen, wirklich sehr genussvoll. Zu erwähnen ist noch, dass die letzte Zombie-SL (L7) in Sachen Absicherung etwas aus dem Rahmen fällt - hier gibt es 2 längere Runouts von guten 10m, sprich nach dem sonst gesetzten Massstab "fehlen" jeweils 2 Bolts. Die Kletterei ist dort schon etwas einfacher, aber kein simples Gehgelände. Das passt nicht mehr wirklich zu "Plaisir super" und einen Sturz sollte man dort unbedingt vermeiden - dies einfach als Hinweis, wenn wenig routinierte Personen vorsteigen.

Clip & Go in der letzten Länge (L7, 4c) der Zombi, die 2x etwas grössere Abstände aufweist.

Um 16.15 Uhr waren wir am Ende der Zombi. Wegen einer sehr langsamen Seilschaft hatten wir etwas warten müssen und um sie zu überholen, mussten wir auch unseren Parallel-Verbund auflösen. Doch die Kids hatten souverän geführt und es sollte noch Zeit bleiben, um die restlichen 5 Seillängen über die Steilaufschwünge der Quarzo zu klettern. Da aber nur noch 2 Stunden bis zum Einbruch der Dämmerung blieben, änderten wir den Modus leicht. Immer noch Parallel-Kletterei, doch bei der einen Seilschaft übernahm ich den Lead, damit ich Jerome beim Vorsteigen supporten und für grösstmögliche Effizienz an den Ständen sorgen konnte. Der obere Teil beginnt (L8, 5a+) nordseitig mit steiler Wandkletterei an sehr griffigen (bisweilen etwas dumpf tönenden) Schuppen . Wieder auf dem Sporn geht's weiter über griffige Aufschwünge (L9, 5a), wobei man für diesen Grad einige Male rechts gegen die Botanik ausholen muss, ganz direkt ist's etwas schwieriger. Nun folgt die Cruxlänge (L10, 6a): erst an der Kante zu einer geräumigen Terrasse (Zwischenstand zum Abseilen, auslassen!), dann folgt das helle Quarzband. Bei üppigem Bohrhaken- und Griffangebot klettert man elegant durch die Wand zum luftigen Stand, sehr schön! Die folgende Sequenz (L11, 5b) startet mit einem Boulderproblem, bevor es an teils unglaublichen Quarzknubbeln einfacher dahingeht. Zum Schluss (L12, 4b) folgt nach geneigtem Gelände ein kurzer Aufschwung mit griffigen Rissen, gefolgt von einer Querung (Vorsicht, längerer Hakenabstand mit Potenzial für unangenehmen Sturz, tief halten hilft!) zur äusserst bequemen Terrasse am Ausstieg, der sich hier auf ca. 645m befindet.

Der Materialwagen kommt am Ende des Feldes ;-)

Es wäre ein super Platz, um ein wenig zu verweilen, doch die Uhr war bereits auf 18.15 Uhr vorgerückt und das Tageslicht somit langsam aber sicher am Schwinden begriffen. Somit gab's nur einen kurzen Zwipf, ein paar Selfies und den Schuhwechsel, dann hiess es Abmarsch. Die vorhandenen Beschreibungen sind eher rudimentär (z.B. auf dem SAC-Tourenportal, wo auch das Routenende 100hm zu hoch eingezeichnet ist) und man liest online von einem etwas mühsamen Weg durch eine oft nasse Schlucht, wobei sich viele irgendwann abseits der Wegspuren ins Gehölz verkoffert haben. Somit wollte/will ich es versuchen, hier besser zu machen...

Vom letzten Stand über die bequeme Terrasse ca. 15m nach Süden queren und durchs Gras (Wegspuren) ca. 15hm hinauf und bei der ersten sinnvollen Möglichkeit nach rechts hinaus auf den Sporn queren (verblasste, rote Farbpfeile vorhanden). Nun über Felsbänder leicht absteigend südwärts, nach rund 100m kommt man zu Hütten und einem grösseren Haus. Durch diese hindurch (kleiner Wegweiser, Farbpfeile) und weiterhin südwärts querend über oft schlammig-feuchte Stufen absteigen (Wegspuren, teilweise Fixseile) bis man in die beginnende Schlucht kommt (ca. hier). Nun durch diese hinab, zuerst sind eher rechts die besten Wegspuren, später wechselt man auf die linke Seite und verlässt die Schlucht, dort wo sie enger wird sogar nach links hinaus (Wegspuren, teils Steinmänner). Man verbleibt aber immer in der Nähe der Schlucht, bis man schliesslich zum Strommast kommt. Man geht die Treppe runter und folgt dem nun deutlichen Weg (mit nochmals 10hm Anstieg), der zur Via alla Vattagne führt, über welche man zur Hauptstrasse absteigt, Zeitbedarf ca. 45 Minuten.

So hatten wir das bis zum Strommast gemacht... da von dort auch (auf der Karte nicht verzeichnete) Wegspuren direkt hinunter führten und man laut SwissTopo ab dem Reservoir 60hm weiter unten wieder auf einen Weg treffen sollte, wählten wir diese vermeintliche Abkürzung. Es kam wie es kommen musste, die Spuren verloren sich, umgestürzte Bäume und Dornengebüsch stellten sich in den Weg und das schwindende Tageslicht machte es auch nicht einfacher. Starrköpfig gingen wir weiter, navigierten durch das Labyrinth des Windwurfs, verfluchten die Dornen und kletterten im Schein der Lampen über einen kleinen Wasserfall ab, bevor wir schliesslich endlich auf der Hauptstrasse landeten. Tja, da wartete die Plaisirtour am Ende doch noch mit dem Abenteuerfaktor auf. Aber genau das sind doch die Erlebnisse, die wir suchen und die am Ende haften bleiben! 

Und das ist noch "the cherry on the cake" bei dieser Tour! Die Gneisgriffe aus dem Tessin sind zum Trainieren wirklich ideal - Pinches oder wunderbare Leisten, positiv, neutral oder sloprig mit perfekter Textur, d.h. viel mehr Grip wie Plastik- oder Holzgriffe, aber trotzdem keine Hautshredder. Wir haben inzwischen ganz viele davon an unserer Wand, jeder mit einer Erinnerung an eine Tour oder Route verknüpft.

Facts

Speroni di Ponte Brolla - Zombi/Quarzo 6a (5b obl.) - 12 SL, 350m - H. Müller 1989 - *****;xxxx
Material: 12 Express, Seil siehe unten, Keile/Friends nicht nötig & kaum einsetzbar

Weltklasse-Plaisirtour in schöner Umgebung, die unten über strukturierte, schwarze Gneisplatten und oben über helle, griffige Aufschwünge führt. Die Absicherung ist sehr gut, aber nicht übermässig mit soliden Inox-Bohrhaken. Sprich, Potenzial für heikle Stürze gibt es fast nicht, aber um die Route zügig zu klettern, sollte man den Grad 5b doch beherrschen. Die Seillängen sind fast alle ziemlich genau 30m lang. Wer sicher ist, zum Top zu gelangen, kommt mit einem 40m-Einfachseil durch. Um effizienter zu sein, lassen sich mit 60m-Seilen jeweils nach Belieben 2 Längen kombinieren, wobei man dann aber sehr viele Exen mitführen muss, wenn man alle Bolts klippen will. Wobei solche Strategien oft auch durch den erheblichen Andrang an den typischen Ticino-Days bzw. -Weekends ausgebremst werden. Ein Abseilen über die Route ist über eine schlau eingerichtete Piste in 6 Manövern plus etwas Abkraxeln mit 2x50m-Seilen möglich. Bei Andrang ist das aber wenig empfehlenswert und der Fussabstieg ist bestimmt schneller, mit der obigen Beschreibung sollte man ihn nun auch zuverlässig finden. Man beachte aber, dass er nicht am Einstieg vorbeiführt, dort also kein Depot einrichten. Ein Topo findet man im Plaisir Sud, dem SAC-Kletterführer Tessin, dem SAC-Tourenportal und sicher auch in diversen weiteren Quellen.

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