"Zeig den Zürcher Hipster Gorillas, wie ein Kletterer die Tops holt" hatte mir ein hier nicht benannter Kollege vor dem Event als Aufmunterung geschrieben. Das war natürlich nur Spass, denn 1) no disrespect to anyone, 2) gibt's tatsächlich manch einen Gorilla, der locker stark genug ist um mich beim Bouldern so richtig zu crushen und 3) ist man an einem Boulderwettkampf mit der Kletterer-Strategie von mal so richtig festkrallen und die Schwierigkeiten wegstehen zwar vielleicht nicht völlig falsch unterwegs, aber eben auch nicht für alle Probleme ausreichend disponiert. Unbesehen davon geht es in erster Linie sowieso um den Spass am Moven und wir freuten uns auf die Herausforderung, in der mit 50 Bouldern komplett neu beschraubten Halle möglichst viele Tops zu holen.
Vormittags waren erst die Jugendkategorien an der Reihe, die innerhalb von 2 Stunden jeweils nur 20 ausgewählte, in der Schwierigkeit passende Boulder angehen mussten. Beide Kids waren am Start, damit war mir schon ein grosser Stein der Erleichterung vom Herz gefallen. Für Larina ging's nämlich um den Sieg in der Gesamtwertung und nichts wäre ärgerlicher gewesen, als gesund daheim in Corona-Quarantäne zu sitzen und am Monitor zu bibbern, ob es trotzdem für den Titel der Zürcher Klettermeisterin reicht (hätte es nicht, so viel schon vorweg). In der Schule, im Verein und in der Nachbarschaft poppten in den 10 Tagen zuvor 'Fälle' auf und als sich am Freitagabend auch noch die Gesundheitsdirektion Zürich am Handy meiner Frau meldete, kriegte ich beinahe eine Herzattacke. Aber es war nur eine statistische Befragung und wir konnten beruhigt aber mit reichlich Adrenalin im Blut unsere Sachen packen.
Selbst unser Skispringer war wieder einmal dabei und attackierte höchst motiviert die Blöcke. Es war das erste Mal seit ca. den Sommerferien, dass er wieder Kletterfinken an den Füssen hatte und dafür war die Leistung beachtlich. Wenig erstaunlicherweise war die Kraft in den Fingern irgendwann komplett aufgebraucht, denn die braucht's beim Springen nur gerade fürs Öffnen der Bindung und das ist definitiv kein adäquates Training ;-) Bei Larina lief es soweit ganz ordentlich, nur ein fies um die Ecke geschraubter Topgriff, der mit ihrer (im Vergleich zu den Konkurrentinnen beschränkten) Reichweite gerade nicht erreichbar war und keine alternative Beta zuliess, sorgte für Kopfzerbrechen. Sonst standen am Ende aber alle als machbar wahrgenommenen Probleme auf dem Laufblatt. Etwas verblüfft und enttäuscht waren wir schon, dass dies am Ende nur für einen bescheidenen 10. Rang reichen sollte... da müssen wir schon noch einmal über die Bücher. Aber immerhin waren auch damit genügend Punkte gesammelt, um den Titel der U14-Zürcher-Klettermeisterin zu sichern und das war die primäre Mission an diesem Tag. Bravo und herzliche Gratulation!
Am Nachmittag hiess es dann für uns Erwachsene 4.5 Stunden lang Vollgas geben und so etwas liebe ich einfach. Wie viel Strom da fliesst, erkennt man nur schon daran, dass mir die ganze Zeit lang in Shorts und T-Shirt mehr als warm genug war - in der notabene ungeheizten Halle, bei offenen Toren und einstelligen Temperaturen - Hashtag #onfire wäre da wohl angebracht. Auf jeden einzelnen Boulder einzugehen wäre natürlich viel zu viel, aber der persönlichen Highlights waren manche. Zwei seien genannt, nämlich a) zusammen mit Boulder-WM-Finalistin Andrea Kümin einen tricky Plattenboulder zu entschlüsseln, den nach etwas Pröbeln erst sie und ich dann 2 Versuche später erfolgreich ziehen konnte. Oder b) ein anderes Problem mit einem Sprung-Intro, dann einem hautverzehrenden Kneebar und einem unmöglichen Topmove, den ich nur mit einem erfinderischen, aber sehr heiklen Hook 3m über Grund hinkriegte - ihn aber so unbedingt wollte, dass ich das Risiko aus beachtlicher Höhe unangenehm auf die Matte zu panieren einging und reüssieren konnte.
Am Ende konnte ich mir 42 Tops aufs Laufblatt notieren. Damit hatte ich eigentlich alles gemacht, was mir mit meinen PS realistisch schien. Klar, ein paar weitere Boulder waren noch im 'denkbaren' Rahmen, d.h. mit frischer Kraft und entsprechender Würdigung an einem anderen Tag eventuell realisierbar, aber sicher nicht mehr am Wettkampf. Gespannt war ich, wofür dies am Ende auf der Rangliste reichen würde. Denn ganz offensichtlich waren mit mir ein paar 'Gorillas' am Werk, die bereits ausgebuchten Elitekategorien hatten einige richtig starke Leute auf den Fun-Wettkampf ausweichen lassen. Rang 4 und somit eine deutlich bessere Platzierung wie gedacht war es schliesslich, die beharrliche 'Jäger und Sammler'-Strategie gepaart mit der dafür notwendigen Portion Ausdauer war aufgegangen :-) Naja, ein jeder macht was er kann... hoffentlich mit genau so viel Spass an der Sache, wie das bei mir der Fall war. Dreizehn intensive Stunden von 8 Uhr morgens bis 21 Uhr abends hatten wir im Minimum zugebracht, vom Coachen übers Bouldern bis zum Judgen der Elite-Finals eine grosse Vielseitigkeit erlebt - es war einfach der Hammer, vielen herzlichen Dank allen Beteiligten, die solche Erlebnisse möglich machen :-)
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