Gefahrenstufe 'gering' so etwas sollten wir öfters haben! Wie man allenthalben hören und lesen konnte, war es zwar um das Skivergnügen nicht mehr um das Beste bestellt, aber dafür standen Tür und Tor offen um steile und/oder exotische Ziele anzugehen, was mir dann doch viel mehr bedeutet als ein paar schöne Pulverschwünge. Wetter- und organisationsbedingt sollte es in die Gegend von Mittelbünden bis nach San Bernardino gehen. Selbst ohne lange zu studieren waren subito über 20 interessante Ziele auf der Liste. Tja, wie schon geschrieben, man sollte einfach häufiger dazu kommen, sie auch wirklich abzu'arbeiten'. Quasi in letzter Minute schwenkten wir dann noch auf den Piz Timun als Ziel um, da mein Tourenpartner die ganze Woche in den Bündner Bergen unterwegs gewesen war und in den Nordhängen um besseren Schnee wusste als südseitig.
Der ideale Ausflug für Sonnencrème-Allergiker!
Unterwegs zum Piz Timun, klassisches Skitourengelände mit steiler Gipfelflanke. |
Etwas unterhalb der Hauptstrasse beim Werkhof in Innerferrera stehen ca. 8 kostenlose Parkplätze zur Verfügung, dort startete unsere Tour am Sonntagmorgen bei frischen Bedingungen. Zuerst geht man auf der aperen Strasse über die Rheinbrücke (P.1466) zur Sägerei, wo wir schliesslich um ca. 7.00 Uhr losliefen. Über die ersten beiden Kehren (150hm) war der Alpweg gepfadet und infolgedessen teilweise zur Eisbahn geworden, anderswo auch schon aper. Doch wir konnten, uns wo nötig an den Rand haltend, alles mit den Ski an den Füssen passieren. Zuerst geht's dann weiter durch den Wald aufwärts, ab P.1781 dann auf hartgefrorenem Schnee und etwas rumpligen Spuren ins flache, verlassene Val Niemet. Hier war noch tiefer Winter, auf der Westseite des Berges liefen wir im Schatten, so dass man zusammen mit dem schneidigen Bergwind gerne 1-2 Kleiderschichten mehr als in einem Aufstieg üblich montierte.
Im eher flachen Val Niemet entfernt man sich von der Zivilisation und kommt in eine einsame Gegend. |
Nach rund 1.5 Stunden hatten wir die 6km/600hm "Zustieg" geschafft, bei Cuort Viglia (P.2053) war es Zeit für eine Pause und den Abzweiger hinauf Richtung Gipfel, den wir kurz davor auch das erste Mal zu Gesicht erhalten hatten. Die Aufstiegsbedingungen waren weiterhin gut, d.h. die Schneedecke tragend und meist griffig, nur manchmal mit einer rutschigen Pulverauflage bedeckt. Nachdem man mit einem grossen "S" auf 2500m aufgestiegen ist, biegt man auf die lange Zielgerade ein. Durch eine Mulde geht's gegen den verkümmernden Glatscher da Niemet hin, ein sehr attraktives Skigelände. Und während man auf dieser Tour lange viel Strecke aber wenig Berg macht, so ist es dann am Ende genau andersrum. Die Hänge hinauf gegen die Lücke bei 3100m erreichen gute 40 Grad und sind mit Felsstufen durchsetzt. Dank griffigem Schnee konnte ich mit den Harscheisen bis dorthin und noch etwas weiter hinauf zum Skidepot bei den Felsen am Grat fellen (3130m, ca. 3:45h vom Tal), wo mir endlich das erste Mal die Sonne ins Gesicht schien. Mein Tourenpartner und zwei weitere Tourengänger, die gleichzeitig unterwegs waren, setzten für diese ganze Flanke auf einen Bootpack, was dank trittigem Schnee auch gut ging.
Das Foto ist zwar vom Abstieg, zeigt aber den Gipfelaufstieg mit der nordseitigen Umgehung. |
Mit montierten Steigeisen und Pickel zur Hand umging ich die Felsen in der Nordflanke, falls nötig könnte man sie auch direkt erkraxeln (schwieriger, umständlicher). Nachher ist es nur noch ein Katzensprung über den harmlosen Grat hinauf zum mit einem Kreuz geschmückten Gipfel. Dieser liegt ja bekanntlich auf der Landesgrenze, in Bella Italia war es zum Glück angenehm warm - sprich südseitig, vor der zügigen Brise geschützt mit einem sonnengewärmten Fels im Rücken ging sich komfortabel eine längere Gipfelrast aus, wo der vom Aufstieg fehlende Teint im Gesicht nachgeholt werden konnte. Notabene mit sehr schönem Blick ins Valle di Lei und die tollen Hänge des Pizzo Stella, die mir auch schon eine sehr schöne Skitour beschert hatten. Auch sonst wird die Tour mit einem tollen Panorama belohnt, der Piz Timun zählt in Sachen Schartenhöhe und Dominanz je zu den Top 60 der Schweiz, ist also ein ziemlich isolierter Gipfel, ja der höchste Punkt der gesamten südlichen Averser Berge. Um 11.45 Uhr gingen wir talwärts (die Quarantäne beim Übertritt der Landesgrenze schenkten wir uns ;-)). Wenn man unbedingt wollte, so könnte man die Bretter schon am oder unmittelbar unter dem Gipfel anschnallen und direkt über die 45 Grad steile NE-Flanke abfahren. Doch mit dem etwas unregelmässigen Schnee sowie hier und da hervortretenden Felsen versprach das wenig Genuss bzw. nur unnötiges Risiko, denn wegen Felsriegeln in der Flanke wäre ein Sturz definitiv ein ungünstiges Szenario.
Die letzten Meter zum Top auf 3211m sind unschwierig zu begehen. |
Da, von weit unten im bewaldeten Tal kamen wir her. Man legt eine beachtliche Strecke zurück! |
Bei der Abfahrt vom Skidepot bzw. der Lücke ist das Gelände gutmütiger, aber 40 Grad sind es auch da und die direkte Linie wird von 10m hohen Felsstufen abgeschlossen, sicheres Skikönnen ist unerlässlich. Doch die Verhältnisse passten und das Selbstvertrauen stellte sich rasch ein. Weiter unten auf dem nun weniger steilen Gletscher kam dann sogar richtiger Fahrgenuss auf. Es gab eine leicht pulvrige Auflage bei kompakter Unterlage. Natürlich kein stiebender 50cm Powpow, aber definitiv ohne Mühsal und mit Spass befahrbar, sprich viel besser wie wir das a priori vermutet hatten. Vom Buckel P.2523 wählten wir dann nicht die lange Querung der Aufstiegsroute, sondern fuhren direkt über die 30-Grad-Hänge nach Cuort Viglia. Für die Abfahrt sicher die bessere Variante, eine kurze Stelle erreicht 40 Grad, aber das ist alles problemlos befahrbar. Nun hiess es noch, das Tal hinauszufahren. Dank noch schnellem Schnee waren nur hier und da ein paar Stockstösse nötig. Nach der (von oben) ersten Kehre auf 1700m hält man sich dann in die Schneise 'Gold il Stretg' hinaus, hier gab's noch schönen Sulzschnee und vor allem vermeidet man so das apere/eisige unterste Strassenstück. Ein paar Minuten nach 13.00 Uhr waren wir sehr happy über die gelungene Tour retour beim Ausgangspunkt. Es blieb nur noch die Aufgabe, ein wenig talaufwärts nachzusehen, ob der Thron schon das zeitliche gesegnet hatte. Das war der Fall, zum Eisklettern kommen wir also frühestens nächsten Winter wieder ins Tal, für Skitouren lohnt es sich aber bestimmt noch mehrere Wochen lang!
Ready to roll - bei der Position des Akteurs befindet sich das logische Skidepot. |
Kein Top-Powder, aber doch gute Skibedingungen, egal bei welcher Frequenz & Amplitude. |
Facts
Piz Timun (3211m) ab Innerferrera, 1800hm, Ski-Schwierigkeit S
Material: Skitourenausrüstung mit Harscheisen, Steigeisen & Pickel, Sicherungsmaterial nicht nötig
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