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Freitag, 5. Oktober 2018

Teufelstalwand - Wilde 13 (7b)

Die in der Gotthardregion gelegene Teufelstalwand tauchte im Jahr 2010/2011 (er)neu(t) auf dem Radar der Kletterer auf. Eine seit 1973 bestehende, ehemals technisch begangene Route wurde geputzt und saniert, d.h. mit dem Namen 'Zeichen der Freundschaft' fürs Freiklettern präpariert. In kurzer Abfolge wurden weitere Routen eingerichtet, auch heute ist die Erschliessung noch nicht komplett abgeschlossen. Bisher war ich nur ein einziges Mal an dieser Wand und zwar um sich eine der frühen Begehungen vom Pissoir du Diable zu schnappen. Obwohl es uns damals gefallen hatte, gab es bis dato keinen zweiten Besuch. Ein wenig hat die Teufelstalwand für mich den Geschmack von einem Ausweichziel, kann man hier doch mit relativ wenig Aufwand und auch bei nicht zu 100% optimalem Bergwetter noch aktiv sein. Für den Tourentag waren diese Sachverhalte entscheidend: ich konnte erst um 9.15 Uhr daheim starten, unterhalb von 1500m war es neblig und in der Höhe zu kalt.

Nein, die Teufelstalwand hat nicht ganz Platz auf meiner Kamera... Der Routenverlauf der 'Wilde 13'.
Wobei die Wetterlage an diesem Tag sehr speziell war: Hochnebel, Bise, aber im Raum Andermatt ging trotzdem ein starker Föhn. Das passt so eigentlich nicht zusammen, in einem Blog von Meteoschweiz wird das Phänomen aber ausführlich erklärt (siehe Kommentare). Wir konnten uns jedoch nicht bloss um das Wetter kümmern, sondern hatten auch noch die Routenauswahl zu treffen. Ursprünglich hatten wir eine der Trad-Routen im linken Wandteil ins Auge gefasst. Mit bloss 2 Racks waren wir dafür sowieso schon (zu) knapp bestückt. Als sich dann das eine davon, gerade noch im kritischen Bereich, als nicht vollständig präsentierte, war dieser Zug endgültig abgefahren. Somit entschieden wir uns für die 'Wilde 13', die nominell zweitschwierigste Route an der Wand. Sie präsentiert ein "equipment mixte". Sprich, die schwierigen Kletterstellen sind mit Bohrhaken eingerichtet, an einfacheren Stellen muss mobil gesichert werden, 1 Satz Cams reicht jedoch gut aus. Bis wir alles gepackt und bereit hatten war es 11.30 Uhr geworden und wir liefen vom Nätschen los. Ein reichlich später Aufbruch für eine MSL-Route, für die eher kurzen Routen an der zwar nach SSW ausgerichteten, aber in einem NW-Hang liegenden Teufelstalwand aber kein schlechter Zeitpunkt.

Nebelwetter. Nicht jedoch im Urserental, und auch nicht an der Teufelstalwand. Foto: cno
Nach einer knappen halben Stunde standen wir im Angesicht der Wand. Auf das Organisieren einer Fahrbewilligung hinauf zur Kurve P.2029 bei Ober Teufelstalboden hatten wir verzichtet, dauert der Marsch bis dahin doch nur 15 Minuten. Es folgen die 3 Abseiler hinunter ins Teufelstal, wo uns das letzte Mal ein folgenreicher Verhänger beim Abseilen passierte. Schon vielen ging es gleich, so auch der Seilschaft vor uns, welche gerade an dieser Stelle am herumkraxeln war und die Situation zu bereinigen versuchte. Ganz klar am Schlausten wäre es, für diese 3 Abseiler Fixseile zu platzieren. Klar, ewig halten die nicht, aber alte Kletterseile gibt's ja mehr als genug, die man dafür verwenden könnte... Wir jedenfalls zogen bibbernd unser Seil ab und hatten Glück - es fiel 50cm neben der Spalte vorbei, wo's dann auch garantiert drinbleibt und verklemmt. Somit standen wir bald darauf im Teufelstal, der Bach liess sich problemlos überqueren. Jenseitig geht's dann gleich wieder steil hinauf (T6, III, teilweise Fixseile vorhanden). Auf einer bequemen Plattform, die sich gerade an der Sonne befand, banden wir uns ins Seil ein. Um ca. 12.40 Uhr starteten wir mit der Kletterei.

L1, 6b+: Es geht gleich los mit gut gebohrter Piazkletterei, die gar nicht so einfach ist und bereits einen Vorgeschmack auf die gleich folgende Länge liefert! Der obere Teil dann einfacher und etwas grasig. Gear: evtl. Cam 0.3 gleich zu Beginn. 

In L1 (6b+) ist's entscheidend, den Piaz-Modus gleich mal so richtig anzuwerfen und zu kalibrieren...
L2, 7a+: Knallharter und über 15m anhaltender Piaz. Dünne, seichte Risse, glatte Platten, mein kompletter Antistyle - aber man muss sich auch darin üben, nur ein kompletter Kletterer kann ein guter Kletterer sein. Für mich persönlich fühlte es sich richtig hart an (sprich, die meisten anderen 7a+ fallen mir leichter, nehmen wir z.B. mal Ceüse als Referenz), zudem ist's auch richtig pumpig (und L1 wärmt einen nicht adäquat dafür auf), aber immerhin stecken die Bohrhaken in freundlichen Abständen. Das Finish der Länge mit einer Querung in Wandkletterei unter einem Dach für meinen Geschmack dann deutlich einfacher. Gear: keine Cams nötig.

...denn in L2 (7a+) folgt unweigerlich dieser knallharte und kompromisslose Piaz, brrr!
L3, 6b: Sehr schöne, gemütliche und flowige Seillänge mit grösstenteils mobil abzusichernder Kletterei an griffigen Rissen und Schuppen. Auf diese Art und Weise macht mir die Granitkletterei dann doch wesentlich mehr Spass ;-) Der Ausstieg auf's botanische Podest dann speziell, aber gut eingebohrt. Gear: volles Rack 0.3-2, evtl. 0.2 & 3.

Flowige Kletterei in L3 (6b). Unten das Teufelstal und die Strassen in der Schöllenenschlucht. Foto: cno
L4, 6b+: Ein schöner, sauberer, dünner und eingebohrter Riss durchzieht die Platte gleich nach dem Stand. Zwei, drei entschlossene Züge auf Gegendruck, dann ist das Gröbste durch. Der Rest der Seillänge bietet einfacheres Gelände im Fünferbereich, wo man auch noch 1-2 Cams legen muss. Gear: abgespecktes Rack, z.B. 0.3-1.

L5, 6c: Der erste Teil der Seillänge folgt einem schönen Riss im Bereich 6a+, der mobil abgesichert werden muss - es ist das längste, anhaltendste und schwierigste Stück, wo man selber legen muss. Obenraus zum Stand noch eine Passage mit technischer Wandkletterei. Hier befindet sich die Crux, für den Grad gutmütig. Gear: 0.2-2, evtl. 3.

Schöner Riss in L5 (6c), er bildet das längste und schwierigste mobil abzusichernde Kletterei.
You're not gonna die without the 'händschli'. Jammen mit Hand oder Faust braucht's in der 'Wilde 13' kaum. Foto: cno
L6, 7b: Hmm, vom Stand aus sieht's zwar nicht nach dem Vollpiaz wie in der 7a+ aus, aber doch auch nach Riss und Gegendruck. Mein Kletterpartner kennt die Wand und die Routen besser wie ich, bzw. hat Erkundigungen eingeholt. Mit dem Hinweis es sei "angenehmer" mache ich mich mit Selbstvertrauen und der Strategie "voller Angriff" auf den Weg. Hätte ich natürlich sowieso gemacht, zumal die hier eng gehaltene BH-Absicherung dies bedenkenlos zulässt. Tatsächlich komme ich durch den unteren, piazlastigeren Teil gut durch. Die Moves sind hier doch abwechslungsreicher, man hat nicht alles trittlos mit rundem Buckel zu klettern. Die Crux folgt dann nach 3/4 der Seillänge, an Unter- und Seitgriffen heisst's die Flossen auf minimale Strukturen zu drücken, dann den Fuss akrobatisch hoch auf einen passablen Tritt stellen und sich wieder stabil etablieren. Mir gelingt der Onsight und happy cruise ich zum Stand - das hat jetzt wirklich extrem Spass gemacht! Gear: keine Cams nötig.

Ähm, wir warten noch auf den Kletterer... gibt trotzdem einen Eindruck von L6 (7b).
L7, 6a: Kurze Seillänge mit schöner Kletterei. In der Mitte steckt 1 BH, viel dazu legen muss man nicht unbedingt. Nachdem es easy ist, kann ja aber auch der Vorsteiger das Rack mittragen. Gear: 0.3-1.

L8, 6c: Die Crux liegt in der Überquerung des Dachs gleich oberhalb vom Stand. Es gibt wohl zig Möglichkeiten dies zu tun. Z.B. Klemmer, kaminartige Moves oder Bizeps und hopp, wohl alles in etwas vergleichbar schwierig. Wirklich noch speziell, dass eine Kletterstelle so viel komplett unterschiedliche Beta zulässt. Der Rest bietet dann gemütliche, eher plattige Kletterei mit immer wieder guten Griffen und ist noch maximal 6a. Gear: Cams nicht zwingend nötig.

Ausblick auf die kurze L7 (6a), oben auch schon das Dach von L9 (6c) sichtbar, welches man im viereckigen Ausschnitt anpackt.
L9, 6a+: Wer möchte, kann sich die Route noch mit der schönen Abschlussverschneidung (6b+) von 'Zeichen der Freundschaft' aufpeppen, welche gleich 2-3m rechts beginnt. Wir verzichten darauf (weil ich wie immer die angefangene Route komplett von A-Z klettern will), aussehen tut der Ausstieg der 'Wilde 13' nämlich schon weniger attraktiv. Es geht in eine mit grossen Blöcken durchsetzte Verschneidung oder beinahe Schlucht hinauf. Die Kletterei ist schlussendlich aber besser, wie man erst meint - und zum Ende hin auf den Platten auch noch etwas knifflig. Gear: 0.3-1.

Bald oben! Zum Schluss von L9 (6a+) noch etwas plattig. Der Sawiris-Komplex am oberen Bildrand gerade noch in der Sonne. Foto: cno
Um 16.15 Uhr und damit nach nur gut 3:30h Kletterei hatten wir das Top erreicht, das war also sehr zügig gegangen. Nicht so erstaunlich, sind die Seillängen doch alle eher kurz, die Schwierigkeiten nicht sehr anhaltend und dort wo man hart moven muss, ist die Absicherung mit Bohrhaken sehr gut ausgefallen. Für den Rückweg bei Tageslicht bleibt noch mehr als genügend Zeit. So können wir am Ausstieg chillen und die perfekte Herbststimmung geniessen. Erst nach ca. 45 Minuten laufen wir los und hampeln den Fixseilen entlang hinauf. Immer wieder tun wir uns an den reifen Heidelbeeren gütlich und geniessen die Aussicht auf die Nebelschwaden, die eindrücklich mit dem Föhn um die Vorherrschaft kämpfen. Der Rückweg zum Auto dauert nur eine gute halbe Stunde. Wir fahren talwärts, bald holen uns Nebel, Dunkelheit und Kälte ein. Ja, wir sind wieder in der Jahreszeit, wo man nach dem Klettern lieber einen Kaffee als ein Bier trinkt. Aber es geht ja nicht ums Getränk danach, sondern um die Aktivität davor - und die hat heute bestens gepasst!

Herbst! Aussicht vom Top in die Urner Berge, links im Bild das Salbitmassiv.
Facts

Teufelstalwand - Wilde 13 7b (6c obl.) - 9 SL, 270m - Stefan Bühlmann 2011 - ***;xxxx
Material: 2x50m-Seile, 15 Express, Camalots 0.3-2 plus evtl. 0.2 & 3.

Die 'Wilde 13' ist derzeit die nominell zweitschwierigste Route an der Wand, die Bewertung von 7b (6c obl.), die Ankündigung von vielfach selbst abzusichernder Kletterei mit einer xx-Einstufung im Extrem Ost und grosszügigen Materialangaben erheischen gehörigen Respekt. Auch wenn man die Route natürlich nicht unterschätzen soll, so zeigt sich die Route doch weitgehend gutmütig. Die Hauptschwierigkeiten sind eher kurz und zudem sehr gut mit Bohrhaken abgesichert (Niveau xxxx). Nur an den einfacheren Stellen muss auch mobil abgesichert werden, was dort dann auch sehr gut und beinahe beliebig möglich ist. Ich persönlich empfand dafür ein Set Cams von 0.3-2 als ausreichend. Das Topo des Erstbegehers findet man hier, weitere Angaben gibt's im Extrem Ost (z.B. bei Bächli Bergsport erhältlich).

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