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Mittwoch, 2. Oktober 2024

Churfirsten / Roskirche - Massnahmenpaket (7a+, 3 SL, Erstbegehung)

Die Roskirche ist ein schlanker, rund 90m hoher Felsturm, der sich im Valsloch in der Südflanke vom Chäserrugg befindet. Selbst der Normalweg auf diesen Gipfel fordert den fünften Grad, somit ist es ein eindrückliches Erlebnis, diese Nadel zu besteigen und auch die Umgebung lohnt einen Besuch ganz sicher. Noch dazu gibt es eine erstaunliche Vielfalt von kurzen MSL-Kletterrouten in allen Schwierigkeitsgraden, sowohl in sonniger wie auch in schattiger Exposition. Im Sommer 2024 wurde das Angebot durch Neutouren und Sanierungen sogar noch markant erweitert. Dieser Beitrag schildert die News und präsentiert im Detail das Massnahmenpaket (7a+, 3 SL) welches dem alpin orientierten Sportkletterer eine schöne und steile Möglichkeit auf der Westseite bietet.

Blick auf die Roskirche von Süden. Das Massnahmenpaket verläuft auf der linken Seite, ungefähr dort wo der Wechsel von Licht zu Schatten ist. Ein Foto aus einer anderen, noch etwas besseren Perspektive mit dem Routenverlauf findet man weiter unten im Beitrag.

Erschliessung

Die Idee zum Massnahmenpaket stammt nicht vom Autor, sondern von Daniel Benz. Er war schon früh in seiner Kletterkarriere an der Roskirche aktiv und hat in den 2000er-Jahren die beiden Neutouren Lucky Bernd (7a) und Schattenbachfäger (6b) erschlossen. Im 2024 kamen dann neu die High-End-Route Hauch der Vergänglichkeit (8b+) und die von Dominic Eggenberger (mit Support von Daniel) eingerichtete und gepunktete Wildfang (7a+) hinzu. Nun lud mich Daniel zu einem Besuch an der Roskirche ein, wir könnten da eine Neutour einrichten. So etwas tönt natürlich wie Musik in meinen Ohren und sofort sagte ich zu.

Marcel späht am Einstieg danach, wo es langgehen soll. An der Kante im Bild, das ist die Lösung.

Am (Nachmit)tag der Erstbegehung war es sehr heiss und der Zustieg mit dem Bohrmaterial war trotz aller Optimierung anstrengend. Als erste Massnahme musste ich mich nach der Ankunft am Fuss der Roskirche umgehend im Schatten abkühlen. Das gelang am Eingang der Rinne zum Nordsattel problemlos. So konnte ich auch noch der Mutmassung von Daniel lauschen, dass ich nach den Erstbesteigern von 1941 wohl die erste Person wäre, welche das Top der Roskirche zuerst über eine Neutour erreicht. Diesen Sachverhalt kann ich nicht abschliessend verifizieren, dass ich zuvor nie an dieser Nadel geklettert war, trifft hingegen uneingeschränkt zu.

Los geht's gleich steil! Daniel bohrt den ersten Zwischenhaken in L1 (6c).

Also legten wir los, Daniel - Marcel - Daniel so ergab sich die Aufteilung der Seillängen. Zählt man die Zahl der platzierten Bohrhaken, dann ist die Aufteilung mit 15:10 nicht im Verhältnis 2:1, sondern bei 1.5:1. Natürlich sind diese Rechnereien absolut nur Spielerei: ich freute mich sehr, dabei sein zu können und die tolle mittlere Seillänge inkl. ein paar spannenden Cliff-Placements einbohren zu können. Aufregend war es und ich hatte sehr Freude daran, wie gut es mir gelungen war. Pünktlich zum Sonnenuntergang waren wir auf dem Gipfel und konnten den Tag mit frohem Herzen beschliessen.

Auf den letzten Metern zum Gipfel in L3 (7a+).

Eine Woche später waren wir für das Rotpunkt-Business wieder vor Ort. Im Gegensatz zum letzten Mal sollte es dieses Mal eine Vormittags- und nicht eine Abendtour sein. Frühmorgens bei angenehm kühler Witterung und mit leichtem Gepäck fühlte sich der Zustieg gleich deutlich gemütlicher an. Wir entschieden uns schliesslich, das Punkten im Reverse Mode anzugehen. Sprich, man steigt diejenigen Seillängen vor, welche man nicht eingebohrt hat. Das erhöht die Spannung, so kann einem der Kletterpartner dann gleich berichten, ob man einen "Seich" zusammengebohrt hat und gleichzeitig würde auch dieses Mal die Aufteilung wieder 2:1 oder 15:10 lauten, einfach andersrum. Jedenfalls, die Rp-Begehung gelang auf den ersten beiden Seillängen mühelos. In der Cruxlänge hatte ich wohl eine Beta für die zwei schwierigsten Moves parat, doch es auf der kurzen Rési-Passage danach auch heimzunehmen war dann doch noch recht spannend - da musste ich durchaus Vollgas geben.

Auftakt zur RP-Begehung von L3 (7a+). Diese führt über die graue Wandpartie oberhalb der linken Hand des Kletterers. Ebenfalls gut sichtbar ist die Tradvariante, die wenig links davon am (in voller Auflösung) gut sichtbaren Riss direkt über das aus dieser Perspektive horizontal scheinende Dach führt.

Damit waren wir fast, aber noch nicht ganz fertig: als Variante zur dritten Seillänge gibt's ein massives, von einem gut fingerdicken Splitter Crack durchzogenes Dach. Dieses hatten wir initial verworfen, weil der Weg durch die Wand daneben einfacher und schöner schien (ersteres trifft sicher zu, zweiteres ist hingegen eine Frage der persönlichen Vorlieben). So seilten wir vom Gipfel in den grossen Spalt ab, gingen bzw. kraxelten durch den Kamin zurück auf die Westseite (konkret zum letzten Standplatz der Westroute) und nahmen die Trad-Variante dann in Angriff. Daniel zögerte kurz und platzierte (fast) seine ganze Familie an Klemmgeräten - die Sache ist eben schon noch committing! Dann aber zog er es so durch, wie man es von ihm kennt und diese coole, naturgegebene Linie war zur neuen Seillänge geworden. Wir schlagen dafür eine Bewertung von 7b vor. Damit war an diesem Tag noch nicht ganz fertig, denn wir hatten auch noch die Erstbegehung der Sinnfrage (7a, 3 SL) auf dem Plan. Doch davon berichtet dann mein nächster Blog...

Jetzt gilt's ernst! Der Boulder beim Ausstieg aus dem Dach ist die Crux der Trad-Variante (7b).

Zustieg

Es gibt mehrere Varianten, um zur Roskirche zu kommen.

  1. Für uns die schnellste und bequemste Variante, ein idealer E-Bike-Usecase: von Walenstadt bzw. vom Hasebärg (ca. 560m) an der Lüsisstrasse mit dem Stromrad steil aufwärts, dann auf 1100m noch steiler auf den Tschinglaweg abzweigen und diesem via Vorder Büls bis zum P.1544 (ca. 9km, 1100hm). Von dort auf dem blau-weiss-blau markierten Wanderweg über die Schwarzen Platten (T4) zum Chammsässli und weiter hinauf zum Valsloch. Nach der Engstelle an dessen Eingang noch ein paar Kehren (ca. 50hm) aufsteigen, bevor man horizontal zur gut sichtbaren Roskirche quert (zu Beginn weglos, dann schwache Pfadspuren, T4+). Ein gutes und bequemes Depot befindet sich gleich am Punkt, wo man die Roskirche erreicht. Der Einstieg befindet sich 10-15m unterhalb bei einem bequemen Podest (BH mit Austrialpin-Lasche und falls noch lesbar Farbanschrift "M.N.P" vorhanden). Zeitbedarf ab Walenstadt: ca. 40-45 Minuten per Bike plus 30-35 Minuten zu Fuss, d.h. 1:15h ab Walenstadt.
  2. Wer von Süden kommt und über kein E-Bike verfügt, der fährt wohl mit dem PW aufs Lüsis. Dort gibt es nur eingeschränkte Parkmöglichkeiten. Auf Anfrage kann man (wenn Platz vorhanden) beim Gasthaus abstellen (15 CHF/Tag). Frei parkieren ist nur beim abseitig gelegenen P.1327 erlaubt, was sowohl die Anfahrt wie auch den Zustieg verlängert. Dann auf markierten Wanderwegen Richtung Tschingla, vorteilhaft über den Chalberhalden Highway zum Chammsässli und dann wie unter 1) beschrieben zur Roskirche. Zeitbedarf ab Walenstadt ca. 20-25 Minuten per PW und ~90 Minuten zu Fuss, total gegen 2:00h ab Walenstadt.
  3. Am wenigsten Zustiegs-Höhenmeter sind involviert, falls man die Bahn auf den Chäserrugg nutzt (Betriebszeiten beachten, mit Stand 2024 kostet das 62 CHF retour pro Person, bzw. 31 CHF mit Halbtax). Vom Chäserrugg auf dem Valslochweg absteigen und auf ca. 1950m (d.h. höher als wenn man von unten kommt) nach links zur Felswand hinüberqueren, an deren Fuss ein Wildpfad zur Roskirche führt. Auf dem Retourweg sind dann ~350hm im Aufstieg zu bewältigen. Zeitbedarf aus dem Tal in Unterwasser muss man selber berechnen... Diese Variante bietet sich vor allem dann an, wenn man von Norden durch das Toggenburg anreist.
Der Zustieg an die Roskirche ist nicht eben kurz. Aber es lohnt sich 😀

Routenbeschreibung

Roskirche - Massnahmenpaket 7a+ (6c obl.) - 3 SL, 100m - D. Benz, M. Dettling 2024
Material: 1x50m-Seil, 9 Express, Helm

L1, 30m, 6c: Los geht's mit ein paar gemässigten Moves an einem kurzen Vorbau, dann folgt aber gleich ein steiler Wulst, wo es kräftig zupacken heisst! Es lässt nicht gleich nach und mit dem Ausstieg in etwas flacheres Gelände wartet eine knifflige Stelle. Rechterhand setzt da eine Rissverschneidung an, welche in die Sequenz eingebaut gehört, auch das ist nicht trivial. Später etabliert man sich dann wirklich an diesem Riss, er ist aber breit und nicht so griffig. So wird man weiterhin gefordert, erst am Ende lässt es dann etwas nach.

Daniel folgt im oberen Teil von L1 (6c), das Bild aufgenommen bei der RP-Begehung.

L2, 35m, 6c: Unsere Route nutzt hier die Wandpartie gleich rechts vom Kamin der Westroute. Während die Kante noch dazu gehört, ist der Kamin und die linke Seitenwand gemäss unserer Interpretation zwecks Eigenständigkeit und Homogenität der Schwierigkeiten nicht Teil der Route. Aber Definitionen beim Klettern sind eh fragwürdig, auf MSL erst recht. So mache jeder, was er will. Auf den ersten Metern ist der Fels nicht super top, aber ok. Spätestens ab dem dritten BH spielt sich der Verlauf unweigerlich rechts in der Wand ab, das Gestein nun prima. Griffig biegt man um die Ecke und an eine steile Wandpartie heran. In bestem, wasserzerfressenem Fels mit Leisten und Löchern wartet die Crux, bevor rissige Strukturen beim Ausstieg ins flachere Gelände helfen, wo der Stand kommt.

Marcel unterwegs mit der Bohrmaschine am Gurt in L2 (6c).

L3, 35m, 7a+: Über eine schöne, raue und strukturierte Platte erreicht man "the meat of the pitch", eine überhängende Wandpartie mit der Crux. Erst noch griffig, heisst es dann erst kleine, scharfe Kratzer zu zwicken, die Füsse raufzubringen und dann mit etwas Rési an sloprigen Strukturen den Rettungsanker in Form von henkligem Griffmaterial zu erreichen. Wer sich am mitten in der Cruxzone befindlichen BH bedient, dort rastet und ihn zur Fortbewegung nutzt, kommt auch mit 6c 1pa durch, wodurch die Anforderungen der Route schön homogenisiert werden. Von den zuvor erwähnten Henkeln erreicht man eine Kante, an welcher man aufwärts steigt. Im oberen Teil ist rückseitig noch ein BH der Westroute klippbar. Man kommt so zum höchsten Punkt der Roskirche, geht dort einige Schritte horizontal nach Osten und steigt dann über eine Stufe ab zu Stand und Gipfelbuch.

Für Action Fotos aus L3 (7a+) siehe oben. Hier am Gipfel bei der Erstbegehung im letzten Teil von L3.

Abstieg

Vom Gipfelstand muss abgeseilt werden. Zuerst 15m auf der Nordostseite zu einem Bödeli. Man geht ca. 5-10m nach Osten zu Stand im Spalt, von wo man 25m auf das geräumige Velobödeli abseilt. Von diesem quert man über ein ca. 60cm breites Band für 15m in die Nordwand hinein zu einem weiteren Abseilstand. Über eine 25m-Strecke erreicht man den Sattel im Norden der Roskirche, von wo man zu Fuss zum Depot absteigt. Ins Tal zurück geht's dann gleichermassen wie beim Aufstieg. Zum Abseilen ist das Massnahmenpaket nicht eingerichtet. Vom Gipfelstand ist es auch nicht (vernünftig) möglich, über den Aufstiegsweg zurück zu seilen. Falls man von Stand 1 oder Stand 2 einen Rückzug machen muss, so ist das an sich problemlos - dafür eingerichtet sind die Standplätze jedoch derzeit nicht.

Time to go home! Abgeseilt wird über die Nord- und Ostseite der Roskirche.

Material, Absicherung & Topo

Die Route ist mit rostfreien Bohrhaken prima auf Stufe xxxx abgesichert. Hier und da muss man sich schon ein wenig engagieren, aber es gibt keine langen Runouts oder schwierige, psychisch anspruchsvolle Stellen fernab der letzten Sicherung. Ganz vereinzelt könnte man sicher noch einen Cam legen, nötig ist dies aber nicht und die Geräte können gut am Einstieg oder (je nachdem, was man sonst noch klettern will an der Roskirche) daheim bleiben. Ein super PDF-Topo mit allen Updates von der Roskirche gibt's zwar nicht aus der Feder, aber vom Computer von Daniel - Grundlage dafür waren die exzellenten Informationen im SAC-Führer St. Galler Oberland von Thomas Wälti. Vielen herzlichen Dank Daniel und Thomas für die saubere Arbeit, die keine Fragen mehr offen lässt! Wie beschliessen den Beitrag mit dem Foto der Wand mit dem Routenverlauf - so hat auch Marcel noch etwas zur Dokumentation der Linie beigetragen 😊 Viel Spass an der Roskirche wünscht euch das Erschliesserteam!

Die Westseite der Roskirche mit dem Verlauf von unserer Route Massnahmenpaket (3 SL, 7a+).

Freitag, 27. September 2024

The last piece of the puzzle!

Nach der MSL am Tour Termier beim Col du Galibier hatte ich auf Insta konstatiert, dass unser Ferienpuzzle nun schon fast komplett sei, nur ein kleines Stück 🧩 würde noch fehlen. Dies in vollem Bewusstsein, dass das letzte Stück womöglich nicht aufzufinden sei und das schöne, grosse Bild unserer Ferien so möglicherweise einen kleinen Makel enthielte. Es ging nämlich um den Erfolg in einer (einigermassen) schwierigen Sportklettertour, und der lässt sich halt einfach nicht nach Belieben erzwingen oder erkaufen - das ist ja genau das schöne an diesem Sport. An dieser Stelle ein kleiner Round-Up über die umfangreiche Sportklettertätigkeit in unserem Sommerferien, plus eben das Erlebnis mit dem letzten Puzzlestück.

Hannah in der Ciao Criquet (8a) im Gebiet Rue des Masques.

Ja, zum Sportklettern in der Briançon-Gegend gäbe es sowieso noch viel zu schreiben ✍🏼. Das habe ich bisher immer unterlassen. Denn einerseits sind die guten Gebiete sowieso schon stark besucht. Und dort wo es einem auch noch gefällt und die Frequentierung angenehm tief ist, muss man ja nicht zwingend mehr Leute anlocken. Sowieso folgen meine Blogs nicht in erster Linie der Idee, Besucher anzulocken oder Werbung für gewisse Routen zu machen. Sie sollen einfach meine Erlebnisse festhalten, damit ich später alles was mir wichtig ist noch im Detail nachvollziehen kann. In Sachen Sportklettergebiete im Haut Val Durance war das so gesehen bisher nicht nötig, da wir jedes Jahr einen Besuch dort machen und die Tricks & Tipps zu den Gebieten so ständig im Kopf bleiben.

Trotz viel Sportklettern doch noch ein Hauch von Abenteuer. Der Zustieg zum Gebiet in Entraygues war dieses Jahr wegen dem vielen Restschnee in höheren Lagen und den intensiven Regenfällen im Juni deutlich schlechter mit durch den Fluss waten möglich wie in anderen Jahren. Wie man sieht, mit dem Gewicht von Jerome geht die Querung am Fixseil, ohne ein nasses Füdli zu kriegen. Mit meinen 80kg und dem schweren Rucksack hingegen...

Wie ebenfalls bereits beschrieben, dieses Jahr waren wir mehrere Wochen vor Ort und mit den Comp Girls in erster Linie zum Sportklettern. Nebenher gingen sich zur Abwechslung und "Erholung" doch auch noch 6 MSL-Touren aus, die inzwischen alle auf dem Blog beschrieben und veröffentlicht sind. So bestand unser üblicher Tagesablauf aus Ausschlafen, einem gemütlichen Frühstück und dem Aufbruch an einen steilen Fels, welcher Schatten, interessante Kletterei und spannende Projekte bot. Wobei ich persönlich kaum ernsthaft projektiert habe. Sich in den Ferien auf eine schwierige Route "einzuschiessen", dann Tag für Tag immer wieder am selben Ort zu klettern und sich dazwischen echte (!) Ruhetage zu nehmen, um auch voll performen zu können, das dünkt mich einfach eine Verschwendung von vielen spannend-reizenden Klettergelegenheiten. Und im dümmsten Fall zieht man dann doch mit leeren Händen von dannen. Routen am persönlichen Limit werden darum daheim projektiert, wo Arbeit und Lebensumstände einem sowieso Ruhetage aufzwingen und man nicht durch das drohende Ferienende ein Zeitlimit hat.

1x habe ich sogar eine Biketour 🚵🏼‍♀️ gemacht und an einem Tag überhaupt keinen Fels berührt! Hier die Sicht auf Briançon vom Croix de Toulouse, wo ich bei meiner Runde mit der Nord-Süd-Überquerung des Col du Granon vorbeigekommen bin - viele Singletrails und viel Schotter gab's da. Danke Basti für den Tipp!

Somit bin ich wo möglich auf Onsight-Jagd gegangen oder habe mich auf zügig in 2-3 Go's machbare Sachen beschränkt. Das ist mir ganz gut gelungen und ich konnte meine Ticklist um die schöne Menge von 47 Einträgen (>=7a) bereichern - wie so oft hat es der Dettling mit der Menge statt der Schwierigkeit gemacht. Das wirft natürlich die Frage auf, wie es denn überhaupt möglich ist, mehr oder weniger täglich zu klettern und anzugreifen?!? Der Punkt ist eben, dass mir in unserer Konfiguration und mit unserem Rhythmus gar nicht so viele Gelegenheiten vergönnt waren, um mich ins Seil einzubinden. Das waren nach einem seriösen Aufwärmen nur 3x bis max. 5x am Tag. Da versuchte ich aber immer, mein Bestes zu geben, d.h. gut zu klettern (vorausschauend, taktisch aber entschlossen, mutig) und mit 100% try hard. Oder kurzum einfach der vollen Absicht, ohne Sturz und Hänger zum Umlenker zu kommen.

Die Girls haben auch noch am internationalen Wettkampf vom Tout à Bloc mitgemacht. Ich hatte mich dagegen entschieden. Zwar gab es sogar eine Veteranenkategorie. Diese hätte aber nicht am selben Tag stattgefunden wie die U16, um parat zu sein hätte ich vorher Ruhetage einlegen müssen, so war mir das zu viel Opfer von Zeit am Fels. Das Mitfiebern an den Wettkämpfen war aber doch ein Teil der Ferien: nicht nur am Micro-TAB, sondern auch als Zuschauer beim Wettkampf der Elite, sowie bei Lead World Cup in Briançon.

Nun aber zurück zum letzten Stück vom Puzzle: das war ein 8a-Double-Send mit Larina. Einige Tage zuvor hatten wir eine gute Session in einem neuen Crag bei Briançon. Einer der diesen Sommer zum Glück sehr raren Regenschauer hatte uns an den Fuss des grössten Überhangs vertrieben, wo diese Route startete. Irgendwie war es logisch, sich dann auch dort zu probieren, denn die weniger steilen Touren waren alle zumindest parziell nass geworden. Bei unserer Erkundung wurde eine Lösung gefunden und die Route als prinzipiell machbar taxiert. Doch schliesslich vertrieb uns die wieder hervorkommende Sonne, welche für zu hohe Temperaturen sorgte. Ein Rotpunkt-Durchstieg war an diesem Tag nicht mehr realistisch.

Wer sucht der findet... Larina in der Tri Sert à Tops (7c+). Dieser Triple Send mit den Girls in der gewaltigen Grotte war auch ein grosses Highlight in der Ferien. Zuerst war nach dem Motto "Alter, häng schon mal die Exen in die Route" der Autor dran und reüssierte gleich mit einem Onsight. Auch Hannah konnte die Route gleich im ersten Go ziehen. Und so lastete plötzlich etwas Druck auf Larina... sie war aber schliesslich auch im ersten Go erfolgreich.

Doch ohne das ganze (Familien)programm auf den Kopf zu stellen, kam die Gelegenheit, es dort nochmals zu probieren erst bei der allerletzten Session am Heimreisetag, mit schon bereits gepackten Koffern. Unweigerlich setzt das einen gewissen Druck auf, dann auch wirklich erfolgreich zu sein. Gut, für eine Wettkampfkletterin wie Larina vielleicht auch nicht verkehrt, nach den Sommerferien erfolgte ja sowieso die Rückkehr ins kompetitive Dasein. Wir wärmten uns auf und checkten dann nochmals sorgfältig alle Moves. Dann war mein erster scharfer Go an der Reihe. So wie oben beschrieben (entschlossen, zügig, fluid) ging ich ans Werk, überstieg die Crux sauber und mit Reserven – nur um dann am letzten, abtropfbaren Move zu scheitern. Ich hatte die Füsse für den kräftig-weiten Zug für meine Durchstiegs-Disposition nicht optimal platziert und nicht mehr den Tiger im Tank, um das auszubügeln. Das war sowieso das «Hauptproblem» der wochenlangen Kletterei. Die Ausdauer im 7bc-Bereich wurde zwar immer besser, dafür ging aber der Extragang, d.h. der Punch für die härteren Moves, mehr und mehr verloren.

Ein gewaltiger King Swing beim Ausräumen der Tri Sert à Tops (7c+).

Dann war Larina dran. Ihre Hauptsorgen bestanden aus dem Crux-Move, den sie vorerst mit einem weit aufgespannten Deadpoint gelöst hatte. Einzeln ging er immer, aber im Durchstieg leicht angezählt war es Low Percentage, sprich es wollte er bis da nicht funktionieren (sonst hätte sie die Route vermutlich bereits in unserer ersten Session gepunktet gehabt). Nun aber hatte sie beim nochmaligen Checken der Moves eine etwas aufwändigere, dafür viel stabiler ausführbare Beta gefunden. So war der Durchstieg dann fast schon ein leichtes Spiel, bravo! Tja, ohne mein Unvermögen von zuvor hätten wir den Double Send gehabt. Es fühlte sich ein wenig an, wie wenn wir das letzte Puzzleteil schon gefunden hatten, ich es dann aber total blöd wieder aus der Hand fallen liess.

Im Rue des Masques gibt's noch viel zu tun am Konglomerat. Im Bild der Fluss Guil, gut sichtbar die Wände vom Gebiet Mont-Dauphin. Wer genauer hinschaut, erkennt auch das gleichnamige Fort, welches oben auf dem Hügel thront. Talauswärts geht's weiter in Richtung Lac de Serre-Ponçon und schliesslich nach Céüse, wo wir auch diesen Sommer wieder 2x waren. Bei genialem Ambiente und toller Kletterei wie immer - diesmal ohne weitere Würdigung im Blog jedoch.

Die Frage war nur noch, ob ich es 🧩 einfach wieder aufheben und ins Bild einsetzen könnte… oder ob es dummerweise in einen Abgrund gefallen und nicht mehr beizubringen war. Das musste sich nun zeigen: mit dem Spanner an der Crux hatte ich dank mehr Spannweite wenig Probleme. Diese bestanden mehr im Rési-Finish, wo ich einfach zu wenig Reserven hatte. Und natürlich war ich nun, nachdem ich die Route ja schon beinahe 1x durchgestiegen hatte, noch schlechter disponiert. Aber ich musste es probieren und alles geben. Schon bald merkte ich, dass ich nicht mehr mit derselben Leichtigkeit kletterte wie beim ersten Mal – jeder Move fiel schwerer und wo ich vorher kurz inne halten und schütteln konnte, schien das nun nur noch eine Kraftverschwendung. Dafür passte es mental bestens: es gab kein Zögern, nach dem Motto so schnell und effizient wie möglich kletterte ich, um möglichst vor dem Ausgehen der Kräfte den Henkel nach dem letzten weiten Zug in die Hände zu kriegen. Flucht nach vorne, und das total! Tatsächlich, auf dem letzten Blatt schnappte ich diesen Griff und der Double Send war Tatsache, das letzte Stück vom Puzzle wieder gefunden 🏆 Was für ein wunderschöner Ferienabschluss. Mit hohem Einsatz allerdings, denn das Risiko hier betrübt von der Stelle zu trotten war natürlich erheblich. Natürlich liessen wir es bei diesem letzten Send Go bewenden, verschoben zu Kaffee ☕ und Kuchen 🍰 in der Stadt und machten uns dann auf den Heimweg. We'll be back, that's for sure!

Fast schon dachartige, athletische Kletterei in der Double-Send-Route (Blessing, 8a). Ideal für Gym Rats, geht aber sogar auch für ältere Männer 😁

Sonntag, 22. September 2024

Tour Termier - L'usure du temps (7c+)

Eine MSL-Tour am Col du Galibier, dieser Programmpunkt gehört fix in die Sommerferien. Schliesslich führen wir diese Tradition seit 2019, als ich mit der damals 9-jährigen Larina die Ponant Neuf (6a+) am Tour Termier geklettert hatte. So packten wir in den vergangenen Jahren jeweils die erste Gelegenheit, um in dieser rauen Umgebung auf 3000m zu klettern. Diesen Sommer war ein längerer Schnauf gefragt: wir waren in wechselnder Besetzung in erster Linie zum Sportklettern vor Ort und konnten nicht nach Belieben an den Galibier aufbrechen. Mit etwas Geduld kam aber in diesem schönen Sommer 2024 natürlich die Chance und wir erkoren erneut den Tour Termier als Ziel. Gut, dass Larina inzwischen ein wenig älter geworden ist und beim Klettern massive Fortschritte gemacht hat. Denn die logische Steigerung nach der von uns zuletzt begangenen Feu Sacré (7a) war eben die hier beschriebene L'usure du temps (7c+), welche dann gleich mit mehreren Längen im siebten Franzosengrad auftrumpft und mit Fels, Anspruch und in der Schärfe des Gesteins den Vergleich mit den Routen am Rothorn im Färmeltal nicht zu scheuen braucht.

Die fantastische Westwand des Tour Termier mit dem Verlauf von L'usure du temps (7c+)

So fuhren wir, wie aus den früheren Jahren gewohnt, hinauf Richtung Col du Galibier bis zur Kehre auf 2500m. Dort schlugen wir um 11.20 Uhr den mehr oder weniger horizontalen Climbers Trail in Richtung der Wand ein, nur rund 300hm sind bis zum Einstieg zu absolvieren. Wie schon in den früheren Berichten beschrieben, macht es wenig Sinn, hier tageszeitlich früh zu starten, da die Westwand des Tour Termier erst am Nachmittag besonnt ist und man selbst an Hitzetagen (und sonst natürlich sowieso) morgens wahrscheinlich nur Frostzittern und kalte Griffel kriegt. Wir liefen zügig und waren um 12.05 Uhr am Einstieg. Dieser ist nicht näher bezeichnet und relativ unscheinbar, man muss ihn anhand der Fototopos identifizieren, was eine gewisse Orientierungsfähigkeit am Fuss dieser Riesenwand voraussetzt. Für uns war es nicht so schwierig, da wir 4 Jahre zuvor die rechts daneben startende Marmotta Impazzitta (6c) geklettert hatten, deren Startpunkt wir noch zweifelsfrei zuordnen konnten.

Zustieg auf dem ziemlich bequemen Climbers Trail zum Tour Termier.

Bei einem kleinen Imbiss diskutierten wir die zu wählende Strategie. Eigentlich klettert Larina ja inzwischen universell besser als ich. Also nicht nur Indoor und im Steilgelände, sondern ebenso (wenn auch weniger deutlich) am vertikalen, knapp strukturierten und schwierig zu lesenden Fels, der auf MSL typisch ist und auch etwas Erfahrung und Selbstvertrauen erfordert. Trotz meinen Ermunterungen entschied sie, dass wir an diesem Tag noch bei den gewohnten Traditionen blieben und der Vorstieg komplett meine Aufgabe wäre. Dankbar darum, diesen in einer solch schwierigen Route noch ausführen zu können und noch nicht zum alten Eisen zu gehören, nahm ich diese Aufgabe an und startete in der Gegend von 12.20 Uhr mit der Kletterei.

Super Panorama: die Écrins-Berge und der Col du Lautaret, welcher Briançon mit Grenoble verbindet.

L1, 25m, 6a+: Eine relativ kurze Seillänge, mit einem ersten Haken, der nicht gerade bodennah steckt. Die Kletterei im plattigen Terrain hat Rätikon-Feeling und nach dem zweiten und letzten Bolt kommt eine Crux, die es in sich hat: ein richtig taffer Move von einem Seitgriff, dann Mantle ins flachere Gelände. Kurzum, eine 6a+ die man vermutlich nur kann, wenn man viel schwieriger klettert. Falls das zutrifft, dann kommt's ja auch nicht so darauf an, wie der Abschnitt bewertet ist... im Vergleich zu dem was später noch kommt, ist's ja effektiv "einfach".

L2, 30m, 6b+: Anhaltende und bereits recht steile Seillänge an vom Wasser zerfressenem Fels. Sie hat sich schwieriger angefühlt, wie ich dies aufgrund vom Schwierigkeitsgrad her erwartet hätte. Larina und ich teilten uns den Eindruck, dass man hier nie so recht weiss, ob man sich einfach ungeschickt anstellt, oder ob man tatsächlich schon solch kräftige Moves ausführen muss. Hinweis: das Plättli am zweiten Bohrhaken ist vom Steinschlag plattgebogen, mit schmalem Karabiner oder einer Schlinge aber noch klippbar. Der Bolzen sieht noch ok aus.

Steile Kletterei an wasserzerfressenem Fels in L2 (6b+), man muss sich durchaus schon festhalten!

L3, 35m, 7b: Hier startet man mit einer noch gut machbaren Querung nach links (ca. 6c), welche einen zu einer athletischen Sektion an Unter- und Seitgriffen bringt. Da heisst es zupacken und gleichzeitig möglichst effizient durchkommen, um die Körner für das kleingriffige Finale zu sparen. Entschlossenheit und hohes Antreten sind dort neben ein wenig Fingerkraft wohl der Schlüssel zum Erfolg. Diese Stelle ist zwar dicht abgesichert (A0 dürfte problemlos sein), dafür ist es wegen der feingriffigen Natur nicht so einfach, stabile Klipp-Positionen zu finden. Ich dachte schon mal kurz, es gehe nicht mehr, bevor ein magischer Toehook mich aus der brenzligen Situation gerettet und den Onsight konserviert hat. Larina marschierte im Nachstieg dann völlig easy über die Stelle - wer kann der kann!

Diese Seillänge (L3, 7b) ging ihr leicht von der Hand - mir nicht ganz so sehr.

L4, 30m, 6a: Henklige Fun-Kletterei einem System von Schuppen entlang. Im weiteren Verlauf dann der Ausstieg auf eine gebänderte Zone und linkshaltend zum Stand auf dem Pfeilerkopf hinauf. Dieser bequeme Platz bietet sich für eine Pause an, bevor es wieder zur Sache geht.

Das Finish von L4 (6a) ist nix fotogen, so zeigen wir lieber, wie wir uns mit einem Pain au Chocolat für die verbleibenden Seillängen gestärkt haben. Ich glaube man kann sagen, dass diese Sportlernahrung ziemlich gut funktioniert hat ;-)

L5, 40m, 7a: Schön zu kletternde Traverse nach rechts in griffigem Gelände, dann am Pfeiler aufwärts zur Crux, welche sich in einer seichten Verschneidung bzw. dem linkshaltenden Ausstieg aus dieser präsentiert. Wir fanden das ziemlich harmlos für den angegebenen Grad. Weiter oben wartet dann noch eine technische Sektion der Art "gewusst wie" bzw. "erkannt wie", wo man sich ein wenig engagieren muss. Am Ende muss man aufpassen, nicht zu hoch zu geraten. Beim letzten Bohrhaken heisst es scharf links abzubiegen und in einer horizontalen Traverse von 6-7m den nicht sehr offensichtlichen Stand zu erreichen. Die Orientierungs-Challenge besteht (weiterhin) darin, herauszufinden welches der letzte Bolt in dieser Länge ist... 😁

Im Bild die Traverse am Ende von L5 (7a), die für ängstliche Nachsteiger problematisch sein könnte.

L6, 35m, 7c+ oder 7a+ 3pa: Tolle, luftige Kletterei, welche einer Art Rampe folgend nach links in die steile Wand hinauszieht, zum markanten grauen Streifen hinüber. Lange geht's gut, aber dann ist wirklich fertig. Die Crux scheint extrem kleingriffig und ohne Tickmarks oder sonstigen Plan zu haben was es da zu tun gibt, waren wir völlig chancenlos. Wenn man die Lösung entziffern kann, so habe ich gelesen, sei es anscheinend nicht so schwierig (für eine 7c+). Hier haben wir beide, nachdem jeweils der Onsight/Flash vergeigt war, zügig das Handtuch geschmissen. Ein Restart zum Punkten würde zudem eine ziemlich mühsame Abseilaktion mit Traverse im Steilgelände bedingen. Mit dem Textilgriff lässt sich der kurze, schwierige Abschnitt problemlos meistern. Allerdings geht's danach gleich nochmals zäh weiter mit einer (gut abgesicherten) ~6c-Stelle, die relativ zwingend zu meistern ist. Dann kommt vermeintlich schon der Stand nahe. Jedoch ist der erste/untere nicht die richtige Adresse (er gehört zur En Short au Paradis), sondern es ist besser noch zwei Bolts höher zu klettern und den dortigen Stand zu verwenden (die beiden Routen verlaufen auf diesem letzten Abschnitt gemeinsam).

Orange-graues Gestein mit Struktur der Marke "extrascharf", so lautet das Programm in L6 (7c+).

L7, 30m, 6a+: Auf dem Papier ein einfacherer Abschnitt, beginnt es in der Realität gleich mit einem "pas si facile que ça"-Abstand zum ersten Haken. Die L'usure du temps ist die rechte Linie, d.h. rechtshaltend gewinnt man eine Verschneidung, ignoriert den Abseilstand rechts aussen und gewinnt in sehr schöner Kletterei im Winkel bzw. der Tropflochwand links daneben an Höhe - tolle Moves und Genuss satt!

Die rechte Verschneidungswand geschickt in die Sequenz eingebaut heisst Kraft gespart in L7 (6a+).

L8, 45m, 6c: Ulala, ulalalala! Hier verspürte ich schon beim Nachsichern ein gewisses Muffensausen, denn die furchtsamen Ankündigungen online ("un pas bien teigneux et obligatoire entre les points #2 et #3") schienen sich für einmal zu bewahrheiten. Der Abstand ist tatsächlich markant und während man im Vorfeld noch auf gut versteckte (oder versteckte gute) Griffe hoffen kann, so zeigt sich: sie existieren nicht wirklich, die Kletterei spielt sich im feinen, leicht überhängenden Tropflochgelände bei mässigem Trittangebot ab. Die schwersten zwei Meter, d.h. drei, vier Moves startet man, wenn man mit den Füssen auf Hakenhöhe steht, nachher wartet noch ein etwas wackliger Klipp. Nicht extrem wild also, auch nicht gefährlich, aber die Crux ist zwingend, mit dem Potenzial für einen etwas unangenehm harten Sturz. Dies umso mehr für mich, da wir wegen dem potenziellen High-Energy-Fall und der Gewichtsdifferenz auf die wenig dynamische Fixpunktsicherung setzen mussten. Nein, locker habe ich diese Stelle ganz sicher nicht bewältigt... aber geschafft habe ich sie, uff! Ehrlich gesagt kam sie mir deutlich schwieriger vor wie 6c, aber mit der Angst im Nacken verschiebt sich da der Bewertungsraster ja gerne einmal. Auch Larina konnte die Stelle natürlich ziehen, doch selbst im Nachstieg mit ein wenig Beta-Vorinfo befand sie es für taff. Sicher schwieriger wie die 7a-Stelle in L5, meinen wir. Zur Entschädigung ist der Rest der Länge in strukturiert-griffigem Fels dann leicht zu haben (ca. 6a). Oben zieht's etwas nach rechts, man kommt auf das Abschlussdach, wo der finale Stand ein paar Meter gerade voraus gut sichtbar ist und über sehr schöne Wasserrillen erreicht werden kann.

Am Ende von L8 (6c) gibt's noch Plaisir-Wasserrillen, allerdings ist der Start nicht ganz so Plaisir.

Es gibt etwas Unklarheit darüber, ob man am Stand nach L8 das Routenende erreicht hat oder nicht. Die Literatur gibt variable Informationen und das Fototopo im ONOS ist schlicht und einfach falsch. Zu dieser Einsicht waren wir schon bei der Begehung der Marmotta Impazzitta (6c) gelangt, wo wir diesen Stand nach L8 ebenfalls passiert hatten. Damals kletterten wir noch etwa 10-15m höher hinauf, dies entspricht wohl dem als 5b gelisteten Teilstück in einigen Topos. Klettertechnisch bringt das wenig, nur die Abseilerei wird umständlicher, somit liessen wir es gerne sein. Auf 17.50 Uhr war die Uhr zu diesem Zeitpunkt vorgerückt, was eine Kletterzeit von 5:30h ergibt. Ich glaube, als extremen Zeitverschleiss muss man das nicht taxieren: wir hatten versucht, die Route onsight/flash zu klettern. Das war uns für die 7b-Version, d.h. bis auf die p.a.-Haken in L6 gelungen. Oder halt eben nicht gelungen, wenn man die Wand als Ganzes betrachtet... es wäre spannend zu wissen, wie oft (und ob überhaupt) die 7c+ schon onsight geklettert wurde.

Yeehaa - happy on the top!

Wie schon bei den früheren Gelegenheiten hatten wir auf das Abseilen gesetzt, was als letzte bzw. einzige Seilschaft in diesem Wandbereich gut machbar ist. Mit 2x60m-Seilen ist das zügig zu meistern. Es sind 50m zum Abseilstand der sich (im Aufstiegssinn) rechts in L7 befindet, dann eine kurze 30m-Strecke zum Stand nach L5. Wer sich dann 55m gerade runter wagt, findet auf der Höhe von einem kleinen Band den Stand nach L3 von Ici mieux qu'en face (7b), von welchem man in 58m zurück auf Terra Firma (etwas oberhalb vom Einstieg) gelangt. Hinweis: auf den Bändern liegen lose Steine herum, das Seilabziehen geht kaum vonstatten ohne dass Material in die Tiefe fällt. Die Eigengefährdung dadurch ist gut überschaubar, jedoch sind andere Seilschaften in der Wand oder im Einstiegsbereich gefährdet. Daher nur dann Abseilen, falls man die Wand für sich alleine hat, sonst wählt man besser den Fussabstieg.

Dieser Shot und ebenso wenig der Spruch dazu darf natürlich nicht fehlen: "la fille n'est plus parmi les  petites, mais la paroi reste parmi les grands". Man vergleiche mit den früheren Editionen: Ponant Neuf (6a+)Marmotta Impazzitta (6c), Feu Sacré (7a).  

Wir packten unsere Sachen und liefen bei schöner Abendstimmung zügig zurück zur Passstrasse. Der Galibier bzw. der Tour Termier hatte wieder einmal geliefert, was wir uns versprochen hatten. Und natürlich ist die Vorfreude auf die Rückkehr gross. Spannende Projekte gibt's gleich noch mehrere, für den nächsten Besuch müssen wir uns aber steigern: diese Routen sind alle anhaltend im siebten Franzosengrad und 7a obligatorisch. Ob das dannzumal dann eine (Vorstiegs-)Aufgabe für den immer älter werdenden Herr oder die immer stärker werdende Dame ist, werden wir dann ja sehen 😎

Facts

Tour Termier - L'Usure du Temps 7c+ (6c obl.) - 8 SL, 270m - Desseux/Voldoire 2005 - ****;xxxx
Material: 2x50m-Seile (zum Abseilen besser 2x60m), 14 Exen, Cams/Keile nicht nötig bzw. einsetzbar

Hervorragende alpine Sportkletterroute, welche durch steiles, wasserzerfressenes Gestein führt. Ein bisschen ähnlich wie am Rothorn im Berner Oberland oder auch in Taghia, so sagt man. Nach meinem Gusto reicht's nicht ganz für die vollen 5 Sterne. Dafür ist die Linie zu wenig luftig-attraktiv, die Kletterei zu wenig aussergewöhnlich und der Fels zu wenig durchgehend perfekt. Also schon sehr, sehr gut, aber irgendwie fehlt mir persönlich der Wow-Effekt, den es für die Höchstnote zwingend braucht. Die Kletterei ist relativ anhaltend im 6bc-Bereich, die schwierige(re)n Stellen sind jeweils kurz. Die Absicherung mit verzinktem Material (Fixé-Plättli, Zustand 2024 gut) ist meist prima. An den Schlüsselstellen sogar eher xxxxx als nur xxxx, jedoch gibt's ein paar 6bc-Stellen, wo man dann doch auch über dem Haken etwas bieten muss. Und die angegebene 6c obligatorisch findet man spätestens in der letzten Seillänge definitiv. Als gedruckte Literatur gibt's (glaube ich) nur den Oisans Nouveau, Oisans Sauvage. Sehr nützlich sind die Hinweise auf C2C, wo man auch gleich mehrere Topos vorfindet.