Die Roskirche ist ein schlanker, rund 90m hoher Felsturm, der sich im Valsloch in der Südflanke vom Chäserrugg befindet. Selbst der Normalweg auf diesen Gipfel fordert den fünften Grad, somit ist es ein eindrückliches Erlebnis, diese Nadel zu besteigen und auch die Umgebung lohnt einen Besuch ganz sicher. Noch dazu gibt es eine erstaunliche Vielfalt von kurzen MSL-Kletterrouten in allen Schwierigkeitsgraden, sowohl in sonniger wie auch in schattiger Exposition. Im Sommer 2024 wurde das Angebot durch Neutouren und Sanierungen sogar noch markant erweitert. Dieser Beitrag schildert die News und präsentiert im Detail das Massnahmenpaket (7a+, 3 SL) welches dem alpin orientierten Sportkletterer eine schöne und steile Möglichkeit auf der Westseite bietet.
Erschliessung
Die Idee zum Massnahmenpaket stammt nicht vom Autor, sondern von Daniel Benz. Er war schon früh in seiner Kletterkarriere an der Roskirche aktiv und hat in den 2000er-Jahren die beiden Neutouren Lucky Bernd (7a) und Schattenbachfäger (6b) erschlossen. Im 2024 kamen dann neu die High-End-Route Hauch der Vergänglichkeit (8b+) und die von Dominic Eggenberger (mit Support von Daniel) eingerichtete und gepunktete Wildfang (7a+) hinzu. Nun lud mich Daniel zu einem Besuch an der Roskirche ein, wir könnten da eine Neutour einrichten. So etwas tönt natürlich wie Musik in meinen Ohren und sofort sagte ich zu.
Marcel späht am Einstieg danach, wo es langgehen soll. An der Kante im Bild, das ist die Lösung. |
Am (Nachmit)tag der Erstbegehung war es sehr heiss und der Zustieg mit dem Bohrmaterial war trotz aller Optimierung anstrengend. Als erste Massnahme musste ich mich nach der Ankunft am Fuss der Roskirche umgehend im Schatten abkühlen. Das gelang am Eingang der Rinne zum Nordsattel problemlos. So konnte ich auch noch der Mutmassung von Daniel lauschen, dass ich nach den Erstbesteigern von 1941 wohl die erste Person wäre, welche das Top der Roskirche zuerst über eine Neutour erreicht. Diesen Sachverhalt kann ich nicht abschliessend verifizieren, dass ich zuvor nie an dieser Nadel geklettert war, trifft hingegen uneingeschränkt zu.
Los geht's gleich steil! Daniel bohrt den ersten Zwischenhaken in L1 (6c). |
Also legten wir los, Daniel - Marcel - Daniel so ergab sich die Aufteilung der Seillängen. Zählt man die Zahl der platzierten Bohrhaken, dann ist die Aufteilung mit 15:10 nicht im Verhältnis 2:1, sondern bei 1.5:1. Natürlich sind diese Rechnereien absolut nur Spielerei: ich freute mich sehr, dabei sein zu können und die tolle mittlere Seillänge inkl. ein paar spannenden Cliff-Placements einbohren zu können. Aufregend war es und ich hatte sehr Freude daran, wie gut es mir gelungen war. Pünktlich zum Sonnenuntergang waren wir auf dem Gipfel und konnten den Tag mit frohem Herzen beschliessen.
Auf den letzten Metern zum Gipfel in L3 (7a+). |
Eine Woche später waren wir für das Rotpunkt-Business wieder vor Ort. Im Gegensatz zum letzten Mal sollte es dieses Mal eine Vormittags- und nicht eine Abendtour sein. Frühmorgens bei angenehm kühler Witterung und mit leichtem Gepäck fühlte sich der Zustieg gleich deutlich gemütlicher an. Wir entschieden uns schliesslich, das Punkten im Reverse Mode anzugehen. Sprich, man steigt diejenigen Seillängen vor, welche man nicht eingebohrt hat. Das erhöht die Spannung, so kann einem der Kletterpartner dann gleich berichten, ob man einen "Seich" zusammengebohrt hat und gleichzeitig würde auch dieses Mal die Aufteilung wieder 2:1 oder 15:10 lauten, einfach andersrum. Jedenfalls, die Rp-Begehung gelang auf den ersten beiden Seillängen mühelos. In der Cruxlänge hatte ich wohl eine Beta für die zwei schwierigsten Moves parat, doch es auf der kurzen Rési-Passage danach auch heimzunehmen war dann doch noch recht spannend - da musste ich durchaus Vollgas geben.
Damit waren wir fast, aber noch nicht ganz fertig: als Variante zur dritten Seillänge gibt's ein massives, von einem gut fingerdicken Splitter Crack durchzogenes Dach. Dieses hatten wir initial verworfen, weil der Weg durch die Wand daneben einfacher und schöner schien (ersteres trifft sicher zu, zweiteres ist hingegen eine Frage der persönlichen Vorlieben). So seilten wir vom Gipfel in den grossen Spalt ab, gingen bzw. kraxelten durch den Kamin zurück auf die Westseite (konkret zum letzten Standplatz der Westroute) und nahmen die Trad-Variante dann in Angriff. Daniel zögerte kurz und platzierte (fast) seine ganze Familie an Klemmgeräten - die Sache ist eben schon noch committing! Dann aber zog er es so durch, wie man es von ihm kennt und diese coole, naturgegebene Linie war zur neuen Seillänge geworden. Wir schlagen dafür eine Bewertung von 7b vor. Damit war an diesem Tag noch nicht ganz fertig, denn wir hatten auch noch die Erstbegehung der Sinnfrage (7a, 3 SL) auf dem Plan. Doch davon berichtet dann mein nächster Blog...
Jetzt gilt's ernst! Der Boulder beim Ausstieg aus dem Dach ist die Crux der Trad-Variante (7b). |
Zustieg
Es gibt mehrere Varianten, um zur Roskirche zu kommen.
- Für uns die schnellste und bequemste Variante, ein idealer E-Bike-Usecase: von Walenstadt bzw. vom Hasebärg (ca. 560m) an der Lüsisstrasse mit dem Stromrad steil aufwärts, dann auf 1100m noch steiler auf den Tschinglaweg abzweigen und diesem via Vorder Büls bis zum P.1544 (ca. 9km, 1100hm). Von dort auf dem blau-weiss-blau markierten Wanderweg über die Schwarzen Platten (T4) zum Chammsässli und weiter hinauf zum Valsloch. Nach der Engstelle an dessen Eingang noch ein paar Kehren (ca. 50hm) aufsteigen, bevor man horizontal zur gut sichtbaren Roskirche quert (zu Beginn weglos, dann schwache Pfadspuren, T4+). Ein gutes und bequemes Depot befindet sich gleich am Punkt, wo man die Roskirche erreicht. Der Einstieg befindet sich 10-15m unterhalb bei einem bequemen Podest (BH mit Austrialpin-Lasche und falls noch lesbar Farbanschrift "M.N.P" vorhanden). Zeitbedarf ab Walenstadt: ca. 40-45 Minuten per Bike plus 30-35 Minuten zu Fuss, d.h. 1:15h ab Walenstadt.
- Wer von Süden kommt und über kein E-Bike verfügt, der fährt wohl mit dem PW aufs Lüsis. Dort gibt es nur eingeschränkte Parkmöglichkeiten. Auf Anfrage kann man (wenn Platz vorhanden) beim Gasthaus abstellen (15 CHF/Tag). Frei parkieren ist nur beim abseitig gelegenen P.1327 erlaubt, was sowohl die Anfahrt wie auch den Zustieg verlängert. Dann auf markierten Wanderwegen Richtung Tschingla, vorteilhaft über den Chalberhalden Highway zum Chammsässli und dann wie unter 1) beschrieben zur Roskirche. Zeitbedarf ab Walenstadt ca. 20-25 Minuten per PW und ~90 Minuten zu Fuss, total gegen 2:00h ab Walenstadt.
- Am wenigsten Zustiegs-Höhenmeter sind involviert, falls man die Bahn auf den Chäserrugg nutzt (Betriebszeiten beachten, mit Stand 2024 kostet das 62 CHF retour pro Person, bzw. 31 CHF mit Halbtax). Vom Chäserrugg auf dem Valslochweg absteigen und auf ca. 1950m (d.h. höher als wenn man von unten kommt) nach links zur Felswand hinüberqueren, an deren Fuss ein Wildpfad zur Roskirche führt. Auf dem Retourweg sind dann ~350hm im Aufstieg zu bewältigen. Zeitbedarf aus dem Tal in Unterwasser muss man selber berechnen... Diese Variante bietet sich vor allem dann an, wenn man von Norden durch das Toggenburg anreist.
Der Zustieg an die Roskirche ist nicht eben kurz. Aber es lohnt sich 😀 |
Routenbeschreibung
Roskirche - Massnahmenpaket 7a+ (6c obl.) - 3 SL, 100m - D. Benz, M. Dettling 2024
Material: 1x50m-Seil, 9 Express, Helm
L1, 30m, 6c: Los geht's mit ein paar gemässigten Moves an einem kurzen Vorbau, dann folgt aber gleich ein steiler Wulst, wo es kräftig zupacken heisst! Es lässt nicht gleich nach und mit dem Ausstieg in etwas flacheres Gelände wartet eine knifflige Stelle. Rechterhand setzt da eine Rissverschneidung an, welche in die Sequenz eingebaut gehört, auch das ist nicht trivial. Später etabliert man sich dann wirklich an diesem Riss, er ist aber breit und nicht so griffig. So wird man weiterhin gefordert, erst am Ende lässt es dann etwas nach.
Daniel folgt im oberen Teil von L1 (6c), das Bild aufgenommen bei der RP-Begehung. |
L2, 35m, 6c: Unsere Route nutzt hier die Wandpartie gleich rechts vom Kamin der Westroute. Während die Kante noch dazu gehört, ist der Kamin und die linke Seitenwand gemäss unserer Interpretation zwecks Eigenständigkeit und Homogenität der Schwierigkeiten nicht Teil der Route. Aber Definitionen beim Klettern sind eh fragwürdig, auf MSL erst recht. So mache jeder, was er will. Auf den ersten Metern ist der Fels nicht super top, aber ok. Spätestens ab dem dritten BH spielt sich der Verlauf unweigerlich rechts in der Wand ab, das Gestein nun prima. Griffig biegt man um die Ecke und an eine steile Wandpartie heran. In bestem, wasserzerfressenem Fels mit Leisten und Löchern wartet die Crux, bevor rissige Strukturen beim Ausstieg ins flachere Gelände helfen, wo der Stand kommt.
Marcel unterwegs mit der Bohrmaschine am Gurt in L2 (6c). |
L3, 35m, 7a+: Über eine schöne, raue und strukturierte Platte erreicht man "the meat of the pitch", eine überhängende Wandpartie mit der Crux. Erst noch griffig, heisst es dann erst kleine, scharfe Kratzer zu zwicken, die Füsse raufzubringen und dann mit etwas Rési an sloprigen Strukturen den Rettungsanker in Form von henkligem Griffmaterial zu erreichen. Wer sich am mitten in der Cruxzone befindlichen BH bedient, dort rastet und ihn zur Fortbewegung nutzt, kommt auch mit 6c 1pa durch, wodurch die Anforderungen der Route schön homogenisiert werden. Von den zuvor erwähnten Henkeln erreicht man eine Kante, an welcher man aufwärts steigt. Im oberen Teil ist rückseitig noch ein BH der Westroute klippbar. Man kommt so zum höchsten Punkt der Roskirche, geht dort einige Schritte horizontal nach Osten und steigt dann über eine Stufe ab zu Stand und Gipfelbuch.
Für Action Fotos aus L3 (7a+) siehe oben. Hier am Gipfel bei der Erstbegehung im letzten Teil von L3. |
Abstieg
Vom Gipfelstand muss abgeseilt werden. Zuerst 15m auf der Nordostseite zu einem Bödeli. Man geht ca. 5-10m nach Osten zu Stand im Spalt, von wo man 25m auf das geräumige Velobödeli abseilt. Von diesem quert man über ein ca. 60cm breites Band für 15m in die Nordwand hinein zu einem weiteren Abseilstand. Über eine 25m-Strecke erreicht man den Sattel im Norden der Roskirche, von wo man zu Fuss zum Depot absteigt. Ins Tal zurück geht's dann gleichermassen wie beim Aufstieg. Zum Abseilen ist das Massnahmenpaket nicht eingerichtet. Vom Gipfelstand ist es auch nicht (vernünftig) möglich, über den Aufstiegsweg zurück zu seilen. Falls man von Stand 1 oder Stand 2 einen Rückzug machen muss, so ist das an sich problemlos - dafür eingerichtet sind die Standplätze jedoch derzeit nicht.
Time to go home! Abgeseilt wird über die Nord- und Ostseite der Roskirche. |
Material, Absicherung & Topo
Die Route ist mit rostfreien Bohrhaken prima auf Stufe xxxx abgesichert. Hier und da muss man sich schon ein wenig engagieren, aber es gibt keine langen Runouts oder schwierige, psychisch anspruchsvolle Stellen fernab der letzten Sicherung. Ganz vereinzelt könnte man sicher noch einen Cam legen, nötig ist dies aber nicht und die Geräte können gut am Einstieg oder (je nachdem, was man sonst noch klettern will an der Roskirche) daheim bleiben. Ein super PDF-Topo mit allen Updates von der Roskirche gibt's zwar nicht aus der Feder, aber vom Computer von Daniel - Grundlage dafür waren die exzellenten Informationen im SAC-Führer St. Galler Oberland von Thomas Wälti. Vielen herzlichen Dank Daniel und Thomas für die saubere Arbeit, die keine Fragen mehr offen lässt! Wie beschliessen den Beitrag mit dem Foto der Wand mit dem Routenverlauf - so hat auch Marcel noch etwas zur Dokumentation der Linie beigetragen 😊 Viel Spass an der Roskirche wünscht euch das Erschliesserteam!
Die Westseite der Roskirche mit dem Verlauf von unserer Route Massnahmenpaket (3 SL, 7a+). |