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Montag, 1. September 2025

Pic de l'Aigle - Maëlstrom (7a)

Mit Larinas Teilnahme an der Jugend-WM und dem Trip nach Helsinki schrumpften unsere Sommerferien in den französischen Hautes-Alpes im 2025 auf ein Minimum zusammen. Mit nur 8 Klettertagen mussten wir uns auf "das Beste vom Guten" beschränken. Eine MSL im Massif des Cerces in der Nähe vom Col du Galibier gehörte da ganz eindeutig dazu, schliesslich galt es auch die schon über 7 Sommer fortgeführte Tradition zu bewahren. Nach zwei Limit-Sportklettertagen war das stabile Hochsommerwetter gegeben und der Wunsch nach etwas Erholung von den harten Moves präsent. So beschlossen wir, weder die längste noch die härteste Route anzugehen, welche für uns drin gelegen wäre. Trotzdem ist die hier beschriebene Maëlstrom kein "halbes Programm": toller Fels, eindrückliche Kletterei und ein super Ambiente charakterisieren diese Mega-Route.

Die fabelhafte Wand des Pic de l'Aigle mit dem Verlauf der Route Maelstrom.

Der von mir schon mehrfach beschriebene Vorteil der Wände um den Col du Galibier liegt darin, dass ein früher Aufbruch weder nötig noch vorteilhaft ist. Nach einem gesunden Schlaf und einem ausführlichen Zmorge machten wir uns in der zweiten Vormittagshälfte auf den Weg. Um 12.35 Uhr starteten wir schliesslich zu Fuss bei Les Mottets (2140m). Sprich, im Gegensatz zu unserer ersten Tour am Berg hatten wir noch die (schlimmer als) rätikonmässig holprige Piste von der Passstrasse bei Plan Lachat genutzt, um bis zur Barrieren-Absperrung zu fahren. Mehrheitlich den Kehren der Strasse folgend erreichten wir das Militärcamp bei Les Rochilles (2412m, 13.05 Uhr), wo allerhand Betrieb war (mehr dazu später). Nun gilt es noch, über ein Wiesen-Geröllgemisch, teilweise auf Wegspuren zum Einstieg zu gehen, welchen wir mit dem Fototopo problemlos anlaufen und identifizieren konnten (13.20 Uhr). Um 13.45 Uhr starteten wir mit der Kletterei.

Start zur Tour bei der Barriere von Les Mottets (2140m).

L1, 35m, 6a: An einem griffigen Riss geht's gleich steil in die Höhe, für die ausgegebene Bewertung doch gar nicht mal so einfach. Im oberen Teil dann einige Aufschwünge, bevor das Gelände abflacht und einfacher, ja am Ende gar etwas schrofig wird.

Schrofiger Ausstieg aus der sonst lässigen L1 (6a), hinten das Militärcamp Les Rochilles.

L2, 40m, 2a: Eine einfache Traverse, meist im Gehgelände, mit ein paar Kletterzügen im einfachen Fels. Es sind 4 BH vorhanden, grob gilt es sich Richtung 10 Uhr zu halten, sonderlich schwierig ist die Orientierung nicht.

Die zweite Länge ist noch als Zustieg zur eigentliche Kletterei am Pfeiler zu verbuchen.

L3, 35m, 6b: Hier geht's nun richtig los, wobei man auf den ersten Metern noch etwas Schonfrist erhält (gestufte Kletterei von noch nicht Top-Qualität). Letztere kommt aber: in steilplattigem Gelände gilt es entschlossen anzutreten, teilweise sind einige weite Moves an guten Griffen durchzuriegeln. Es ist anhaltend und recht komplex, eine taffe 6b! Hinweis: nach ca. 20m sieht man an einer Stelle den nächsten Haken nicht, dort geht es in Richtung 13 Uhr weiter (nicht den scheinbar einfacheren Weg nach links nehmen!)

Prima Plattenkletterei in tollem Fels mit eher vertikal ausgerichteten Strukturen (L3, 6b).

L4, 40m, 6b+: Nochmals eine anhaltende, plattige und fordernde Seillänge. Der Fels ist wohl rau, aber irgendwie doch schlabbrig-glatt mit wenig horizontaler Struktur, was mich sehr ans Schweizereck im Rätikon erinnert hat. Nach zwei Dritteln steigt man zu einem Break aus, die eindrücklich-plattige Traverse der Schlusswand löst sich dann gut auf, wenn man die richtige Beta findet.

Knallerplatte am Ende von L4 (6b+). Das hier im Bild löst sich gut auf, vorher ist es aber fordernd.

L5, 20m, 6c: Nun wird es deutlich steiler und der Charakter der Route wechselt zu steiler Tropflochkletterei. Schon bald einmal gilt es einen richtig harten Blockierer zu vollführen. Ich dachte mir erst "sowas kann nicht die 6c-Lösung sein", habe dann aber doch keine bessere Alternative gefunden. Nach etwas Dranbleiben werden die Griffe grösser und mit etwas links/rechts an der Kante gelangt man zum Stand.

Nicht so repräsentatives Bild vom einfacheren Ende der steilen Tropflochkletterei in L5 (6c).

L6, 35m, 7a: Bisher hatten sich alle Längen hart angefühlt, so machte ich mich für die Crux auf etwas gefasst. Ein kurzer, eher plattiger Auftakt führt zur Kante, wo man im leicht überhängenden Gelände an zwei diagonalen Tropfloch-Rails für Fortschritt sorgen muss. Da eng gebohrt, wäre A0 problemlos, doch der Onsight gelang mir überraschend easy. 1-2x kräftig aus einem Gaston riegeln, dann geht's ähnlich wie in der Länge zuvor mit links/rechts an der Kante deutlich griffiger und einfacher (6b) zum Stand.

Auch in der Cruxlänge flacht das Terrain am Ende ab und führt zu einem bequemen Stand (L6, 7a).

L7, 30m, 6c+: Zuletzt kommt noch ein richtiger Knaller mit Ausdauerkletterei in steilem Tropfloch-Gelände. Zwar geniesst die Länge im Internet nicht die beste Presse ("rocher ultra aggressif", "râpe à fromage", usw.). Doch ich klettere gerne in scharfem Fels und fand das einfach mega! Nach einem zupfigen Start geht's anhaltend und in luftiger Position zur Sache, gegessen und gepunktet ist es erst mit dem letzten Piaz-Überhängli, super!

Auch dieses Foto zeigt nicht das, was im Text steht. Erst die letzten Meter in L7 (6c+) sind geschenkt.

Dass uns dies (bzw. eine beidseitig einwandfreie Onsight- bzw. Flash-Begehung) gelang ist zwar nicht selbstverständlich, dürfte aber vermutlich auch nicht für allzu grosses Erstaunen oder Beifall sorgen. Muss es natürlich auch nicht, aber die ganze Wand ohne Sturz und Hänger zu beschreiten erhöht halt eben den Erlebniswert gleich nochmals deutlich - deshalb ist das immer das ultimative Ziel. Jedenfalls, um 18.15 Uhr waren wir am Top, somit hatten wir 4:30h gebraucht. Doch einen Grund zu pressieren gab es nicht, also genossen wir es ausgiebig und bis sich Larina jeweils an jedem Stand in bzw. aus ihren engen Comp-Kletterfinken geschält hat, vergehen durchaus Minuten... in dieser Hinsicht fruchten meine Appelle zur Verwendung von etwas grösser bemessenem Schuhwerk bei den nicht ganz so matchentscheidenden Tätigkeiten an Fels und Plastik leider gar nicht.

Fantastisches Panorama am Top - ils disent "bucolique".

Nach einer Pause bei schönster Abendstimmung und Top-Aussicht auf die rückseitigen Bergseen machten wir uns auf den Fussabstieg. Ein Abseilen macht hier überhaupt keinen Sinn: es wäre sehr umständlich und die Route ist nicht dafür eingerichtet, ein notfallmässiger Rückzug ginge aber schon. Zügig geht's im Bereich der Krete (Wegspuren vorhanden) abwärts zum Col des Rochilles und hinab zum Militärcamp. Und eben, dieses war mit dem Helikopter Squad der französischen Armee besetzt. Immer mal wieder war mit den eindrücklichen Riesenbrummern tagsüber eine Runde gedreht worden, für entsprechende Unterhaltung an den Standplätzen war also gesorgt. Nun: wie wir da zum Camp liefen, kamen Offiziere und Soldaten gleich dahergelaufen und empfingen uns wie Helden. Mit den Bergen und der Kletterei offenbar nicht vertraut, waren sie äusserst beeindruckt von unserer Kletterei durch die (vom Camp gesehen durchaus eindrückliche) Wand. Umso mehr, als sie sich gewahr wurden, dass da noch ein 15-jähriges Girl mit von der Partie war. Ein lustiger Austausch war es (parfois ça vaut la peine de bien parler français) und definitiv nicht der Zeitpunkt für ein Understatement, dass die Maelstrom für uns jetzt nicht "that big a deal" gewesen sei. Das wäre zwar durchaus korrekt, im Vordergrund steht aber sowieso das tolle Berg- und Klettererlebnis.

A+, wir kommen sicher wieder!

Facts

Pic de l'Aigle - Maëlstrom 7a (6b obl.) - 7 SL, 240m - Déglise/Laferrière/Millot 2011 - ****;xxxx
Material: 1x oder 2x50m-Seil, 12 Express, Cams/Keile nicht nötig

Eine eher kurze, aber doch eindrückliche Kletterei welche zwar nicht mitten durch die steile Westwand am Pic de l'Aigle führt, aber doch über einen Pfeiler auf einen kecken Turm im rechten Teil. Bis auf die Schrofenzone in L2 wartet qualitativ hochwertige Kletterei: zuerst ein Riss, dann fordernde Platten und in den letzten drei steilen Seillängen verschärfte Tropflochcrimperei. Für die Höchstnote von 5 Sternen reicht es insgesamt nicht ganz, aber ein sehr, sehr gut gibt es auf jeden Fall. Die Absicherung mit verzinkten BH ist prima ausgefallen. In den plattigen Abschnitten von L3 und L4 heisst es auch zwischen den Haken mal noch gescheit auf die Füsse zu stehen. In den steilen Tropflochlängen danach sind die Abstände dann deutlich kürzer und die Kletterei schien mir wenig obligatorisch. Gedruckte Literatur zum Pic de l'Aigle gibt es meines Wissens nicht, informativ ist C2C und das Topo der Erschliesser.

Hier geht's los!

Samstag, 16. August 2025

Bockmattli - Schattenspiel (7c+)

Der Bockmattli Ostturm fristet etwas ein Schattendasein im Lichte seiner beiden westlichen Nachbarn. Dies liegt an verschiedenen Gründen wie der Zugänglichkeit und dem Routenangebot. Immerhin, für die Toptour Gravitation (8b) habe ich es vor rund 10 Jahren einmal in diesen Sektor geschafft. Ebenso steht der Trubadur (7a+) schon seit bald 30 Jahren auf meiner Projektliste. Einmal war ich mit Kathrin in dessen Richtung losgezogen, dann aber mussten wir wegen viel Restschnee in der Zustiegsschlucht auf die Dreimal kurz gelacht (6c) umdisponieren. Nun, auch dieses Mal wurde es eine andere Route: aus der Nähe schien uns das Schattenspiel (7c+) attraktiver, beim Trubadur schienen die Risse sehr grasig zugewachsen und feucht, was kein Klettervergnügen versprach.

Blick auf Trepsenstock, Ostturm und die Ostkante vom Grossen Turm im Bockmattli.

Wie üblich ging's per Bike zur Schwarzenegg, dann aber im Gegensatz zum üblichen Trott nicht Richtung Gross Chälen, sondern auf dem Trepsenweg unter den Türmen durch, welche sich aus dieser Froschperspektive sehr eindrücklich und einschüchternd zeigen. Man zweigt dann besser früher als später vom Wanderweg ab, konkret im Bereich der Schlucht zwischen Ostturm und Grossem Turm. So kann man durchgehend in gerölligem Gelände steigen, während es weiter östlich sehr krautig ist und man morgens dementsprechend durchnässt würde. Das Ziel ist aber schon die Schlucht links vom Ostturm. Von unten sieht es absolutely heinous aus, schon nur den Einstieg zu erreichen. Es löst sich dann aber doch recht gut auf: zuerst überhängend aber noch bodennah durch den Kamin (links 2 BH von beschränktem Nutzen), dann gestuft und zuletzt sehr exponiert aber doch vernünftig gängig in einer Linksschleife zum Einstieg.

Die m.E. beste Variante beim Kamin in der Zustiegsschlucht geht wie hier von mir geklettert direkt.

Achtung: der etwas improvisierte Standplatz am Einstieg (1 BH, 1 gebohrte SU, 2 NH) ist (Stand 2025) in schlechtem Zustand, d.h. der BH vom Steinschlag defekt und das Schlingenmaterial verrottet. Wir bereiteten uns auf die Kletterei vor und stiegen um 9.00 Uhr schliesslich ein.

Defekter Lotterstand am Einstieg, an welchem man auf dem Heimweg zwingend abseilen muss.

L1, 30m, 7a: Vom Ansehen her wirkt der Fels zu Beginn schön löchrig, was sich schliesslich beim Klettern nicht ganz so wie gewünscht manifestiert. Alles fühlt sich ein wenig rund an und es ist steil, so dass man rasch auf Betriebstemperatur kommt. Die Crux folgt dann mittig am vierten BH. Auch dieser war in einem schlechten Zustand: kolossal rostig, er steckt in eher brüchigem Fels, welcher um den Haken schon ausgebrochen ist. Ob der halten würde? Ich zweifle, aber da der BH darunter nicht weit weg ist, kann man es riskieren. Es folgt die Rési-Crux und ein etwas wackliger nächster Klipp, zum Glück blieb die Gurke ungetestet. Zuletzt gilt es noch, eine etwas ausdrehend-unbequeme Verschneidung zu meisten, dann ist Stand.

Recht komplexe und kräftig-ausdauernde Kletterei in L1 (7a). Zudem liefert das Bild einen guten Blick auf den letzten Teil vom Zustieg. Vom Schneefeld am oberen Bildrand geht's über ein paar Stufen in der Rinne hoch, zuletzt dann beim Wechsel vom dunklen zum hellen Gestein in einer Schleife (linksherum in Realität, via rechten Bildrand hier auf dem Foto) zu den Säcken, die am defekten Einstiegs-Standplatz deponiert sind.

L2, 45m, 7a: Es geht gleich steil weiter, auf den ersten paar Metern noch leidlich griffig. Bald zieht's aber an, alles wird sloprig-abschüssig und es heisst, sich gekonnt mit einem weiten Zug in eine stabile Position zu manövrieren. Leider stecken die Haken da etwas kreuz und quer, wer im Bereich der Crux nicht gut verlängert, zahlt später mit Seilzug. Mittig folgt dann einfacheres Gelände (6b), wo man in der Wand nahe einer etwas grasigen Rampe klettert. Zum Schluss hingegen geht's nochmals steil und crimpy neben und an einer kleinen Verschneidung zur Sache, dieser Teil ist etwas staubig und wohl oft auch nass.

Der Schlussabschnitt in L2 (7a) bietet nochmals steile und ausdauernde Kletterei.

L3, 40m, 6b: Auch hier geht's gleich wieder steil los, zum Glück aber gutgriffig. Nach dem Klipp des zweiten BH machte ich dann grosse Augen: wie zur Hölle soll man mit 6b-Moves zum 3m horizontal versetzten dritten kommen? Nach unserer Ansicht ist der zweite Haken ein Verhauer, die Rampe führt untenrum der etwas brüchigen Rampe entlang, so löst es sich gut auf (siehe Foto). Weiter geht's dann athletisch über einige Dächlein hinweg, später schliesslich einem zunehmend grasig werdenden Riss/Rampe entlang, wobei die Kletterei doch recht cool bleibt und nicht unangenehm ist.

Die im Text beschriebene Stelle zu Beginn von L3 (6b) mit dem Verhauer-BH.

L4, 15m, 6c: Kurz aber oho, so lautet das Motto für diesen nach links querenden Abschnitt. Der Beginn ist etwas öttelig, d.h. nicht einfach (auch nicht schwierig), der Fels nicht überzeugend und die Platzierung der BH macht es auch nicht bequem. An einer ersten kompakten Wandzone wartet ein Committing Move, so richtig fordernd ist dann aber das Finish. Da entfernt man sich mit einer Gegendruck-Linksquerung an Unter- und Seitgriffen zünftig vom Haken und riskiert an beiden Seilenden einen unangenehm wirkenden Pendelsturz. Wie schlimm es wäre bleibt zum Glück ungeprüft, somit kann ich nur beruhigen, indem ich schreibe, die Moves lösen sich dann schon besser auf, wie man aufs Erste befürchtet.

Hier am Ende von L4 (6c) heisst es zupacken. Die Schlüsselstelle ist sowohl im Vor- wie auch im Nachstieg anspruchsvoll und zwingend zu klettern. Der drohende Pendelsturz ist nicht unbedingt gefährlich, unangenehm wäre er aber sicher.

L5, 30m, 7c+: It's crux time! Diese Seillänge liegt in ihrer Schwierigkeit deutlich höher wie der Rest. Los geht's erstmal technisch-tricky, es will die beste Lösung erkannt werden (es gibt sie). Weiter führt eine steile und echt coole Sequenz an griffig-strukturiertem Fels bis unter ein Dächlein hoch, wo dann die Crux folgt (7a+/7b bis dahin). Diese besteht aus zwei richtig taffen Moves an miesen Seitgriff-Slopern bei sehr dürftigem Trittangebot, bis die Griffel nach einem weiten Move in ein positives Schüppli versorgt werden können - das Ganze übrigens in sehr luftiger Position. Ich habe nicht sehr lange experimentiert, diesen 2-Mover konnte ich auf die Schnelle aber nicht lösen. Hätte man dies getan, so darf man sich im weiterhin anspruchsvollen Rest einfach nicht mehr abschütteln lassen. Das ist fordernd, denn es ist a) steil-pumpig, b) etwas unübersichtlich und c) auch noch etwas chossy, sprich der Fels ist nicht schön, es gibt Griffe zum Ausreissen und Tritte zum Wegtreten, mit einer sorgfältigen Auswahl geht's aber schon. Der Teil ab der Crux zum Stand ist nochmals als ca. 7a+ einzustufen, im Durchstieg gibt's dann übrigens keinen wirklichen Rastpunkt.

Im Schlussteil der Cruxlänge (L5, 7c+) muss man kräftig dranbleiben. 

L6, 40m, 6c: Auch hier geht's wieder steil los und die Kletterei ist recht fordernd. Das ist nicht so leicht verdaulich, mit dem nötigen Selbstvertrauen und adäquaten Kraftreserven aber doch gut lösbar. Nach ca. 15m legt sich das Gelände dann etwas zurück und man kommt leichter zur Schlusswand, wo an schönem Fels bei einer Mischung von Riss und Wasserrille auf ein Podest an der Kante geklettert werden muss. Zuletzt dann links der Kante zum Stand. Achtung: das ist zwar einfach, aber expo. Man ist da schon sehr weit über dem letzten BH und würde im Sturzfall sicherlich sehr ungünstig im flacheren Gelände darunter an den Fels prallen.

Zu Beginn von L6 (6c) muss man sich doch ganz ordentlich festhalten im Steilgelände.

L7, 45m, 6a: Tja diese letzte Seillänge hat uns auch etwas auf dem falschen Fuss erwischt. Online hatten wir gelesen "evtl. kleine bis mittlere Cams für die letzte Seillänge", im Extrem Ost steht Cams 1 & 2. Wir führten schliesslich 0.3-0.75 mit und wähnten uns mit diesen 4 Pieces gut gerüstet, aber das war nicht der Fall. Die Seillänge beginnt mit einer durchaus noch schönen Plattenpassage, wo nach 3m der erste und einzige BH kommt. Dann die Verschneidung hinauf (Achtung, lose Blöcke/Schuppen), bevor man ca. 12m auf die Schlussplatte aussteigt. Dort geht's noch 25m bei abnehmender Felsqualität hinauf. Klar ist's einfach, aber stecken tut nix, die 4 Cams waren bald einmal ausgeschossen, das Gelände ist unangenehm und ein Sturz absolut zu vermeiden. Immerhin, die Zweifel ob oben überhaupt noch etwas kommt, waren unbegründet. Den Stand mit 2 BH vor dem Übergang zu Wald/Wiese wird man schon finden, denn brauchen tut man ihn ja unbedingt.

Zum Finish in L7 (6a) ein bisschen Scheissgelände mit schlechter Absicherung, insbesondere dann, wenn man nicht ausreichend viele Cams und Keile mitführt. Die Aussicht auf Chöpfenberg, Brüggler und Wageten macht jedenfalls sicher mehr Freude.

Um 14.30 Uhr und somit nach 5:30h in der Wand hatten wir das Top erreicht. Eigentlich gar nicht mal so schlecht, bis auf L5 hatte ich alles os/fl geschafft. Dort hatte ich mit ein paar Pausen bis auf 2 Moves alles klettern können. Ob die 7c+ passt, vermag ich nicht restlos zu beurteilen, geschenkt ist sie jedoch sicherlich nicht. Die restlichen Bewertungen fanden wir hingegen passend. Umgehend machten wir uns auf den Weg in die Tiefe, denn ab 15.30 Uhr waren die ersten Gewitter angekündigt. Das Abseilen funktioniert bei dieser steilen Route an sich problemlos. Allerdings: die Standplätze sind nur mit alten, verrotteten Schlingen verbunden und man fädelt das Seil entweder in antike Schnapper oder dünne, rostige Maillons. Ich würde unbedingt empfehlen, ein paar solide Maillons (rostfrei/Inox) und genügend Seilmaterial mitzubringen, noch besser wäre gleich eine Standplatzsanierung. Zu beachten ist auch, dass man mit 2x50m-Seilen einen separaten Abseilstand nutzen muss (Topo beachten), mit 2x60m wäre dies vermeidbar.

Steile Abseilerei, hier über die Cruxlänge (L5, 7c+). Wie wir uns beim Weg nach Hause gewahr wurden, gäbe es hier zu 98% die Möglichkeit, der harten und von uns nicht in freier Kletterei gemeisterten Schlüsselstelle mit einer Linkstraverse am Dach auszuweichen. Das gäbe womöglich ein homogeneres Ensemble und könnte bei einer allfälligen Sanierung beachtet werden.

Das vorsichtige Abseilen vom Einstieg über das Zustiegsgelände schien trotz dem defekten Stand am Einstieg gegenüber dem freien Abklettern vorteilhaft. So setzten wir das um und setzten wohlbehalten wieder den Fuss auf ebeneres Gelände. Blieb noch der Weg zurück ins Tal, den wir trotz dunkel drohenden Wolken trocken zurücklegen konnten. Es war also alles aufgegangen wie geplant, tiptop!

Facts

Bockmattli / Ostturm - Schattenspiel 7c+ (6c obl.) - 7 SL, 210m - Rütsche/Zanetti 2001 - **;xxxx
Material: 2x50m-Seile, 14 Express, Cams 0.2-1 & Keile

Eine durchaus interessante Route in schattiger Lage. Sie führt durch steiles Gelände und bietet an ihren Schlüsselstellen steile, ausdauernde Wandkletterei. Der Fels ist dabei meistens von guter Qualität. Einige Stellen sind etwas staubig/belagig, anderswo ist es leicht brüchig und aus fast allen Rissen spriesst üppig das Gras. Die Absicherung ist bei allen schwierigen Stellen eng gehalten, mit 6c obl. sollte man gut durchkommen. Im einfacheren Gelände sind die Abstände weiter und im 6a-Schlussabschnitt steckt sogar nur ein einziger BH zu Beginn. Wer dort hoch will, dem kann ich nur empfehlen, die von mir angegebenen Cams/Keile mitzunehmen. Ebenfalls zu erwähnen ist, dass die Absicherung etwas sanierungsbedürftig wirkt. Die teilweise verzinkten Haken zeigen Korrosion und insbesondere die Standplätze sind (gerade für das Abseilen) schmalbrüstig ausgestattet. Ein Topo und weitere Infos vom Erschliesser findet man auf der Topo-DB, ebenso ist die Route im Extrem Ost beschrieben.

Dienstag, 5. August 2025

Pizzo d'Eus - Va Pensiero (7b+)

Nach unserem letzten Besuch am Pizzo d'Eus für die Vai con gli Amici hatte ich schon beinahe meine MSL-Ausrüstung verkauft. Denn das war ein haarsträubendes Unternehmen gewesen und irgendwann ist der Zeitpunkt da, wo man seine alten Knochen zu schonen wissen muss. Da mag es schon fast paradox erscheinen, dass ich nur zweieinhalb Monate später schon wieder den Weg ins Val Carecchio antrat. Doch das Tessin bot wettermässig die einzige Möglichkeit an diesem Tag. Zudem sollte die hier beschriebene Va Pensiero besser abgesichert sein und laut Kletterführer auch eine der schönsten MSL im Tessin. Stimmt das?!? Naja, einige Seillängen sind super, andere weniger super und die 7b und 7b+ Längen sind einfach brutal hart. So hart, dass wir stark daran zweifeln, dass die vergebenen Grade korrekt sind.

Mit einem Wandfoto ist es am Pizzo d'Eus schwierig, wenn die Vegetation schon in voller Blüte ist, erst recht. Darum gibt's an dieser Stelle ausnahmsweise kein Bild mit dem Routenverlauf, sondern es werden die Steinhütten der Siedlung Eus gezeigt. Diese bekommt man jedoch nur auf dem Fussabstieg vom Gipfel zu Gesicht.

Will man als Alpennordseiten-Bewohner in einer Tagestour am Pizzo d'Eus klettern, so geht es nicht ohne frühes Aufstehen ab. Noch sehr übernächtigt schälte ich mich um 4.45 Uhr aus dem Bett, um ca. 8.30 Uhr starteten wir schliesslich mit dem Zustieg. Dieser hatte sich noch verzögert, weil wir dummerweise ohne Exen auf dem Parkplatz oberhalb von Lavertezzo standen. Anstatt dass ich es selbst getan hätte, hatte Kathrin hatte die nach dem Sportklettern am Vortag in ihren Rucksack gepackt und dort waren sie noch immer. Immerhin, mit dem Zusammenklauben von allem was in meinem Haulbag und sonst im Kofferraum an Seilresten und Karabinern verfügbar war, hatten wir schlussendlich ein genügend umfangreiches Set beisammen und konnten uns an den Zustieg machen.

Das Foto ist von L5 (7b), soll aber hier unsere Bastelarbeit zum Generieren von ausreichend vielen Exen aus Seilstücken, Schlingen und allerlei Arten von alten Karabinern repräsentieren. Das erste Hindernis auf dem Weg zum Erfolg war so aus dem Weg geräumt.

Eine Flussüberquerung trockenen Fusses schien uns im Mai 2025 schon im Vornhinein unrealistisch. Das bestätigte sich absolut, die Kneippkur im kalten Wasser war unumgänglich. Immerhin stand der Fluss nur mässig hoch und die Strömung war gering, einen Zeitverlust im Vergleich zum Steine hüpfen wie im Winter muss man trotzdem kalkulieren. Wie gewohnt nahmen wir die Abkürzung via Cürt. Mit der spriessenden Vegetation herrschte auf dem ganzen Weg bis zum Wandfuss eine unglaubliche Zeckenplage. Nonstop mussten wir Dutzende dieser Viecher vom Körper entfernen. Nach einer Pause und (da wir auf einen Fussabstieg setzten) dem Anlegen von einem Depot wurde es ca. 10.40 Uhr, bis wir mit der Kletterei starteten. Um den harten Kaltstart in der originalen L1 zu vermeiden, setzten wir für die zugänglichere Variante weiter links. Zwei andere Seilschaften hatten mir von einer ausführlichen A0-Übung in der eigentlichen Startlänge berichtet, da war ich nicht so scharf darauf, diese zu replizieren. 

Zweites Hindernis: obligatorische Kneippkur beim Überqueren des Riale di Pincascia

L1, 45m, 6b (Variante Gege): Sehr schöne Slab mit coolen Strukturen. Die Seillänge ist mit nur 8 BH eher distant gebohrt. Im einfachen Gelände heisst es Marschieren und auch die Crux verlangt hier ein gewisses Committment.

L2 & L3, 40m, 6a (Variante Gege): Auch hier findet man auf der Platte zu Beginn fantastische Strukturen, es handelt sich um eine easy 6a. Man kommt dann zum Stand und kann die nominelle L3 gleich problemlos anhängen. Auf einem Band quert man horizontal nach rechts, klettert an einem antiken Stand vorbei und bewältigt noch eine Wandstelle zum korrekten Stand der Va Pensiero. Eine 6b findet man auf diesem Abschnitt definitiv nicht.

Das Foto gibt stimmungsmässig deutlich mehr her als die "easy 6a" von L2 & L3.

L4, 25m, 6c: Coole und originelle Seillänge. Zuerst geht's entlang einer Fuge nach links, dann kräftig hinauf und zuletzt mit einem Runout (Pendelgefahr im Nachstieg) wieder nach rechts zurück. Insgesamt eine sehr pumpige Sache, wir meinen eher 6c+/7a.

Kräftige Kletterei, erst nach links und dann wieder nach rechts zurück in L4 (6c).

L5, 25m, 7b: Geile und ultrapumpige Seillänge! Zuerst geht's mal knifflig mit einem slabby Boulder aus dem Stand raus. Dann kommen in der athletischen Rechtsquerung zwar mehr oder weniger durchgehend akzeptable Griffe. Aber es ist sehr anhaltend und die Schwierigkeiten nehmen zu. Die Länge ist dicht gebohrt, trotzdem ist es oft recht unklar, was die beste Beta ist (untenrum, obenrum?). Matteo della Bordella hat mir geschrieben, dass er die Länge bei der Erstebegehung mit 7b+ bewertet hätte. Fände ich passender wie 7b. Ich konnte mich bis ca. 2/3 durchkämpfen, dann war der Tank aber leer. Ob ich es im Zweiten einfach so gezogen hätte. Ich zweifle... und bei einer echten 7b in diesem Style gibt es da keine Fragezeichen. 

Das Foto ist wenig repräsentativ für die ultrapumpige L5 (7b). Aus dieser Perspektive habe ich mir erst auch noch gedacht, dass dies wohl nicht so schwierig wäre. Doch schon nur vom Stand in die Position des Akteurs zu kommen erfordert einen taffen Slab-Boulder. Und mit den guten Griffen ist es danach dann bald einmal fertig...

L6, 30m, 7b+: Ganz anderer Charakter, die initiale Crux ist "heinous", d.h. ein bockharter, trittarmer Boulder an feinen Leisten auf Gegendruck, noch dazu sollte man mittendrin auch noch klippen (wie?). Diese Stelle konnten wir nicht freiklettern, ich meine im Minimum 7A bloc, möglicherweise auch mehr. Danach länger im 6c/7a-Bereich über tolle Strukturen, erst das Finish ist dann henklig-easy. Nach der Mitte befinden sich 2 BH recht neben der einfachsten Linie.

Schönes Ambiente im einfachen Finish von L6 (7b+).

L7, 50m, 6c: Eine affengeile Seillänge mit tollen Strukturen und Moves in ihrem ersten Teil. Ein Abschnitt in der Mitte ist wohl länger nass und kurz etwas dreckig - wenn trocken, stört das aber kaum. Das Finish dann einer Schuppe im Trad-Style (Cams zwingend!). Insgesamt eine easy 6c, auch das gibt's hier also. Achtung Seilzug!

Genuss mit Blick bis nach Lavertezzo am Ende von L7 (6c).

L8, 40m, 6a+: Tiefe Bewertung, aber nicht so leicht verdaulich. Zuerst reibungslastig, wobei es schwierige Stellen deutlich über dem Haken gibt, wo man unweit von der Haftgrenze dem Gummi einfach vertrauen muss. Es geht dann (für den Grad alles andere als einfach) über ein Dächli auf die Slab, welche zum Band hochführt. Dieser Teil ist tatsächlich easy (ca. 5a). Dafür stecken keine Bolts. Sofern trocken ok, doch leider sifft es hier häufig. Für uns ging es (nach einer durchaus trockenen Periode) grad so zwischen den Rinnsalen durch. Wenn es grossflächiger nass ist, kommt man da nicht hoch.

Plattige Kletterei mit weiten Hakenabständen charakterisiert L8 (6a+).

L9, 35m, 7b+: Was kann ich sagen?!? Es sieht abschreckend aus und klettern tut es sich nicht viel besser. Über die ersten 4 BH brutal kräftiger Gegendruck auf strukturloser, sandiger Wand. Ich meine, von BH #1 zu #2 min. 7A bloc und die Stelle von #3 zu #4 min. 7B bloc, jedenfalls deutlich oberhalb meiner Möglichkeiten. Wie meine Abklärungen im Nachhinein ergeben haben, wurde diese Länge ursprünglich (zuerst von MdB, danach von Erschliesser FF) nur als 7b+ mit 1pa an #3 gepunktet. Später ist das 1pa aus den Topos verschwunden, warum ist nicht ganz klar. Dem Vernehmen nach wurde sie vom starken Tessiner Nick Vonarburg befreit. Aber, und da bleibe ich dabei: für 7b+ ist das nie und nimmer zu haben. Jedenfalls: nach diesem harten Boulder geht's direkt in einen kolossal grasigen Riss, wo man sich durchs Gebüsch zu kämpfen hat (Cam #3 zwingend!). Einige Meter höher ist der Fels wieder sauber, wenn auch etwas sandig. Es wartet anspruchsvolle Wandkletterei, wobei einige der Schuppen ziemlich dumpf tönen (der Kleber, mit welchem sie befestigt waren, hat leider seinen Dienst quittiert). Zum Ende wartet dann noch eine cleane Untergriffschuppe mit tricky Exit (Cam #2 & #1 zwingend), gefolgt von einer Plattenstelle, wo sich jeder wünscht, einfach noch ein paar Dezimeter mehr Reichweite zu haben (oder die Beine ein paar Grad mehr spreizen zu können). Hinweis: der Teil ab der Grasinsel nach BH #4 ist ca. 7a (und davor heisst's für die meisten wohl A0, auch das ist nicht so easy).

Im Vordergrund die Crux der Route, an deren Ende heisst's ab durchs Gebüsch: L9, 7b++???

L10, 50m, 6c+: Fängt hart an mit einem Mantle und danach einer kniffligen Querung auf Reibung. Die Absicherung ist an sich schon gut, aber die Moves sind zwingend und es gibt irgendwie doch ein ungeschmeidiges Abschmierpotenzial. Die 6c+ passt vielleicht schon, aber halt von der plattig-harten Sorte und im Kopf muss es auch stimmen. Die zweite Hälfte ist deutlich einfacher, und aufgrund der spärlichen Absicherung nicht so einfach zu finden. Der Verlauf tendiert eher etwas nach links. Achtung Seilzug!

L11, 35m, 6a+: Flechtig ist bei dieser Seillänge nur der Vorname! Hat eher den Charakter von einem Überführungsstück Richtung Top, genussreich ist die Kletterei nicht. Auch nicht wirklich schwierig und wenn es sich so anfühlt, dann am ehesten wegen der ungewohnten Unterlage und dem spärlichen Bolting. Kleine und mittlere Cams können etwas Abhilfe schaffen. 

Wildes Ambiente in der sehr flechtigen L11 (6a+).

L12, 25m, 7a: Nein, billig kommt man nicht zur schon nahe wirkenden Wandkante. Sondern es geht mit einem Schlussbouquet durch die rutschig-glatt-flechtige, leicht überhängende Wand mit gerade ausreichend kleinen Crimps und sloprigen Rissen. Schneller als mir lieb ist, befinde ich mich in prekärer Position über dem Haken, was meinen Kampfgeist wieder aufweckt. Mittig folgt ein ziemlicher Abstand und dann wird zum Ende noch geprüft, wie viel Benzin noch im Tank ist. Nachdem zuvor schon wieder gewisse Gedanken ans endgültige Verscherbeln vom MSL-Gear aufgekommen waren, entschädigt dieser Onsight auf dem letzten Blatt doch wieder für die ganzen Mühen. 3x hatte ich mich in letzter Not vor dem Abkippen retten können (1x davon (zumindest gefühlt) weit über dem Haken) - leider geil, kann man da nur sagen! Woher diese Energie noch gekommen ist?!? Das frage ich mich ehrlich gesagt auch...

Taffe Kletterei durch die Schlusswand in L12 (7a), what an experience!

Jedenfalls, um 20.20 Uhr fand diese Kampfbegehung ihr Ende, in 9:40h zähen Ringens hatte sich die Route schliesslich beugen müssen. Da im Moment hatte ich den Eindruck, den Ansprüchen überhaupt nicht genügt zu haben. Mit etwas Distanz bilanziere ich, dass eigentlich nur die Passagen zu Beginn von L6 und L9 nicht freigeklettert waren, und das Pumpgerät in L5 nicht gepunktet. Der Rest ging auf Anhieb, vielleicht erlege ich mir einfach zu strenge Massstäbe auf?!? Wobei, am Anfang hatten wir ja auch noch eine schwierige Seillänge umgangen, von daher verbleibt vielleicht doch eher die Bezeichnung Geschnafel für diese Performance. Eines sei noch erwähnt: im Mai ist es sicherlich oft zu heiss um am Pizzo d'Eus zu klettern. An diesem teilweise bewölkten und windigen, sowie nicht allzu heissen Tag waren die Conditions aber 1a.

Auf dem breiten und flachen Gipfel vom Pizzo d'Eus.

Ganz in Alpinistenmanier liessen wir uns den kleinen Umweg zum Gipfel nicht nehmen (20.35 Uhr), bevor es via die Hütten von Eus (20.50 Uhr) zurück zum Depot beim Abzweig vom Wanderweg ging (21.15 Uhr). Wir sortierten das Gear und liefen dann mit eingeschalteten Stirnlampen zu Tal. Bis nach Hause war es noch ein weiter Weg, um 2.30 Uhr legte ich mich nach fast 22h auf den Beinen noch für ein paar Stunden aufs Ohr, bevor die Pflicht wieder rief. Tja, ohne Fleiss kein Preis, bzw. ohne Einsatz gibt's keine Eus-Route - erst recht nicht, wenn man das von der Alpennordseite als Tagestour angeht. Only for crazy people, some may think...

Facts

Pizzo d'Eus - Va Pensiero 7b+ (7a obl.) - 12 SL, 390m - F. Fratagnoli et al. 2004 - ***;xxx
Material: 2x50m-Seile, 12 Express, Cams 0.3-3

Lange und eindrückliche MSL-Route, welche in der Literatur hoch gelobt wird. Mir hat sie nicht ganz so gut gefallen. Einige Abschnitte sind wirklich sehr schön und verlaufen in hervorragend strukturiertem Gneis. Anderswo ist die Kletterei weniger prickelnd, da es sich um "unmögliche" Boulderstellen handelt, die Unterlage sandig-brösmelig ist, man sich zweifelhaften, dumpf tönenden Schuppe bedient, oder Flechten und sonstiger Bewuchs stören. Vor weiterer Punkt: die schwierigen Stellen sind hammerhart, wer sonst so 7b/+ auch mal Onsight klettert, wird da kaum eine Chance haben. Ebenso wird die Route in den bisherigen Topos als 6b/+ obligatorisch veranschlagt. Das ist für meinen Geschmack deutlich zu tief, man rechne eher mit 7a. Die Absicherung mit rostfreien BH ist meistens durchaus gut und auf Niveau xxxx. Dann aber gibt es einzelne Passagen, die aus diesem Rahmen fallen (im Text erwähnt), weshalb übers Ganze nur xxx vergeben werden können. Die Cams kommen nur relativ selten zum Einsatz, an gewissen clean gebliebenen Stellen sind sie jedoch unverzichtbar. Ein Topo und weitere Infos zum Pizzo findet man im Extrem Sud oder im SAC-Kletterführer Tessin.

Donnerstag, 24. Juli 2025

Chaiserstock - Cyndarella (6c+)

Die Route Cyndarella führt in 6 kurzen Seillängen durch die kleine Westwand am Chaiserstock. Sie wurde 1990 von den Gebrüdern Müller eingerichtet und fiel danach kaum bekannt in einen Dornröschenschlaf. Wenige Wochen vor meiner Tour wurde sie von den Erstbegehern mit modernem Material und einigen zusätzlichen Bohrhaken saniert. Der Bericht auf rauchquarz.ch lockte mit vielversprechendem Text und anmächeligen Bildern. Das war genau die richtige Tour für diesen Freitagnachmittag, für mich quasi eine Zeitreise durch die Jahrzehnte.

Blick auf den Chaiserstock mit seiner Westwand und dem Verlauf der Route Cyndarella (6c+)

Es war nämlich schon über 30 Jahre her, seit ich mit meiner damaligen Freundin am Chaiserstock die Verschlossene (5c) und den Kaminpfeiler (6a) klettern konnte - Erinnerungen für die Ewigkeit. Später kamen dann noch in Verbindung mit einer Skitour S'chli Träumli (6b) und Via Fantastika (6a+) hinzu, zuletzt war es dann Rinderwahn (6c). Die letztere Tour fand vor bald 16 Jahren statt, als Kathrin mit Larina schwanger war. Und diese Larina spielte auch für die Gestaltung der hier beschriebenen Tour eine wesentliche Rolle. Vor ihrem Aufbruch an den EYC in Bologna wollte ich vormittags mit ihr noch die Aktivierung bestreiten und Zmittag essen. Danach war ich frei, doch mit dieser Tagesplanung und eher exotischen Ideen mit einem Bike, Hike & Climb-Triathlon gelang es mir an diesem Freitagnachmittag in den Sommerferien nicht, eine Begleitung zu organisieren. Doch ohne zu hadern machte ich mich alleine auf den Weg.

Wunderschön die Aussicht auf der Bike-Zufahrt von Morschach ins Riemenstaldental.

Meine Tour startete in Brunnen und führte mich zuerst per Bike nach Morschach, dann hoch über dem Vierwaldstättersee in aussichtsreicher Lage auf teilweise coolen Trails ins Riemenstaldental und schliesslich nach Käppeliberg (13km, +900hm). Von der Luftseilbahn nach Spilau machte ich gerne Gebrauch, ich konnte unmittelbar einsteigen und wenige Minuten später meine Wanderung zum Chaiserstock starten (3.5km, +600hm). Diese kam mir nicht eben kurz vor: trotz zügigen Schrittes brauchte ich schliesslich 70 Minuten, bis ich am dank Wandbild und dem BH mit Raumer-Plättli und Bächli-Logo problemlos zu identifizierenden Einstieg anschlug. Nun war erst einmal eine Pause fällig. Um ca. 15.45 Uhr bepuderte ich das erste Mal meine Hände im Chalkbag und legte kurz darauf los.

Begegnung am Wegesrand unterwegs zum Chaiserstock.

L1, 25m, 6c+:  Der erste Schritt ist gleich der schwierigste der ganzen Route. Wirklich, das Abheben vom Boden ist nicht trivial (5C/6A bloc), könnte aber falls nötig per Textilgriff entschärft werden. Sorgfältig hatte ich alle Griff- und Trittmöglichkeiten vom Boden aus abgescannt und eine Beta visualisiert. Diese konnte ich dann sauber ausführen. Hat man einmal die Henkel für den Klipp des zweiten BH in der Hand, so kommt die Sache deutlich zahmer daher. Erst heisst es noch etwas dranbleiben an wasserzerfressenem Fels, was man aber recht gut wegstehen kann. Bald lässt es definitiv nach, man quert nach rechts und erreicht durch eine einfachere Verschneidung den Stand.

Durch diese einfachere Verschneidung führt der obere Teil von L1 (6c+).

L2, 25m, 6a: Auf einem Band geht's ein paar Meter nach rechts, dann folgen 15m an Top-Kletterei in exzellentem Premier-Cru-Fels à la Rätikon. Gut abgesichert, wobei die schwierigste Stelle doch recht zwingend zu meistern ist!? So kam es mir jedenfalls vor. Schon zu bald erreicht man ein nächstes Bändersystem, der zuerst nicht sichtbare Stand befindet sich gerade voraus.

Weil die Sonne fehlt, kommt es auf dem Foto nicht so zur Geltung. Doch in diesem Abschnitt von L2 (6a) ist der Fels von der Marke Extraklasse!

L3, 30m, 5c: Dieser Abschnitt hat den Charakter von einem Überführungsstück. Erst über durchzogenes Gelände leicht linkshaltend hinauf, etwas gesucht über eine Steilstufe hinweg in wiederum gestuftes Terrain. Dann entweder direkt über das Grasband oder mit einer kleinen Zusatzaufgabe links zum nächsten bequemen Stand. Um meinen Füssen eine Pause zu gönnen, habe ich diese Seillänge im Nachstieg mit den Turnschuhen geklettert, was problemlos ging - von mir aus gesehen leichtverdaulich für 5c.

Da wird sich manch einer denken: sieht auf dem Foto besser aus, wie der Text beschreibt. Zudem stecken die Haken in L3 (5c) etwas links vom Seilverlauf (in voller Auflösung sind sie erkennbar). Hier war es aber wegen dem Verlauf deutlich günstiger, die Exen beim Abseilen schon auszuhängen.

L4, 25m, 6a+: Die kompakte Platte zu Beginn ist eines der Highlights der Route. Einige gute Griffe und ein Mantle führen noch recht kommod zum zweiten Klipp. Für den dritten muss man sich dann schon ein wenig anstrengen und gescheit auf die Füsse stehen (oder notfalls auf den zweiten BH). Nachher folgt dann ein weiter Hakenabstand, wo zwingend über die Platte geschritten werden muss. Ohne zu viel verraten zu wollen: Augen auf, der einfachste Weg ist nicht jener in direkter Hakenlinie. Und auch wenn es etwas einschüchternd aussieht: hat man den Haken einmal überstiegen, so lassen die Schwierigkeiten nach, es geht dann schon. Ist der nächste BH geklippt, geht's dann leichter diagonal nach rechts zum baldigen Stand. Ich würde sagen, die Platte ist der forderndste Abschnitt der Route, wobei die 6a+ im Vergleich zu meinen kürzlichen Erfahrungen an der Handegg allerdings deutlich gutmütiger ist. Caveat: ich klettere auf Reibung lieber im rauen Kalk als im glatten Granit, zudem sollte man Handegg-Bewertungen besser nicht als Referenz verwenden. Zuletzt ein Hinweis: wie es im Bericht von Bruno geschrieben steht, wer die Platte nicht packt, kann mit einem Pendler in den Riss rechterhand auskneifen.

Rückblick auf die kompakte Platte, über welche L4 (6a+) verläuft. Der längere Abstand gut sichtbar.

L5, 15m, 5c: Achtung Verhauergefahr, die gut sicht- und erreichbaren BH rechts gehören zum Westwandpfeiler, Cyndarella führt relativ unscheinbar links über den Riegel hinweg, welche durch eine Art Verschneidung in 3d-Manier erstaunlich einfach erklommen wird. Bald danach kommt schon der Stand, wer sich sicher fühlt, kann die ebenfalls recht kurze folgende SL gleich anhängen. 

Blick auf die 3d-Verschneidung in L5 (5b), unten wo die Ecke im Seilverlauf ist, befindet sich der Stand nach L4 (6a+). Im Ropesolo-Modus liessen sich diese beiden Abschnitte problemlos verbinden (ca. 35m Kletterstrecke). Das geht sicher auch in Seilschaft mit Verwendung einer langen Exe am Stand, wobei sich der Link L5/L6 noch deutlich mehr anbietet.

L6, 20m, 6b: Nochmals ein sehr schöner Abschnitt mit rätikonartigem Fels und Steilplattenkletterei. Die mit 6b (oder 6a A0) angegebene Stelle im ersten Drittel konnte ich so nicht nachvollziehen. Dazu müsste man schon übertrieben direkt in Hakenlinie klettern. Links gibt's hingegen gute Griffe, von welchen man die Bolts problemlos klippen kann (selbst das ursprüngliche, noch 20cm weiter rechts steckende Exemplar). Denke mehr wie 6a ist das nicht?! Weiter geht's direkt aufwärts, ganz am Ende wird der Fels etwas rund und staubig, kurz vor dem Ausstieg kann wohl drückende Nässe ein Problem darstellen.

Ausblick auf die letzte Seillänge (L6, 6b), die nochmals tollen Fels bietet.

Etwas vor 18.30 Uhr und damit nach rund 2:45h Kletterei hatte ich das Top in einer einwandfreien Onsight-Begehung erreicht. Im Topo ist nur das Abseilen beschrieben. Doch meine Vermutung, dass man nach oben aussteigen kann und dann zu Fuss weiter, bestätigte sich zum Glück (20m rechts vom Ausstieg beginnt zudem die Rampen-Abseilmöglichkeit bei einer Eisenstange). Nachdem ich mein Material gepackt hatte, lief ich die wenigen Schritte hoch zum markierten Bergweg, über welchen man in ein paar Minuten das Gipfelkreuz erreichen kann. Eine absolut fantastische Aussicht bei einer Top-Abendstimmung erwartete mich - welch ein Genuss, dem ich mich gerne hingab! Natürlich hätte man diesen noch bis zum Eindunkeln zelebrieren können, doch es wartete ja noch ein ziemlich weiter Weg retour nach Brunnen. 

Panorama vom Ausstieg der Route, was für ein wundervoller Abend.

Um 19.00 Uhr ging ich am Gipfel los, stieg über den mit Drahtseilen versicherten Steig via Chaisertor in die Nähe vom Einstieg ab und ging dann ohne übertriebene Eile zurück zur Lidernenhütte (20.00 Uhr). Die Bahn war schon nicht mehr in Betrieb, so dass ich durch das Proholz zu Fuss absteigen musste. Das hatte ich bisher noch nie so gemacht, wobei dies sehr zügig in ~30 Minuten geht und im Vergleich zu einer Bahnfahrt insgesamt kaum zusätzliche Zeit kostet. Es blieb noch der Downhill mit dem Bike, was meist in rauschender Fahrt passiert - wobei zwei Gegensteigungen mit +200hm die Beine nochmals fordern. Um 21.00 Uhr hatte sich der Kreis schliesslich geschlossen. Was für eine geniale und genussvolle Tour war das gewesen!

Fantastisches Ambiente mit tollen Verblauungen am Gipfel des Chaiserstock.

Facts

Chaiserstock - Cyndarella 6c+ oder 6a+ A0 (6a obl.) - 6 SL, 140m - B. & K. Müller 1990 - ***;xxxx
Material: 1x60m oder 2x50m-Seil, 10 Express, Cams/Keile nicht nötig

Sehr schöne, kurze und gut abgesicherte Route mit Plaisircharakter in fantastischer Umgebung. Es gibt drei kurze Stellen (gleich am Einstieg, die Platte in L4, sowie im ersten Drittel von L6) die etwas höhere Schwierigkeiten bieten, jedoch auch mit Hakenhilfe oder einem Pendelquergang umgangen werden können. Der Rest bietet genussvolles Steigen, welches sich meist im fünften Franzosengrad abspielt. Seit der Sanierung durch die Erschliesser im 2025 ist die Route mit rostfreiem Material prima abgesichert, mobiles Material ist nicht nötig. Mit 2x50m-Seilen kann ich 4 Manövern über die Route abgeseilt werden, mit 1x60m und Nutzung jedes Standplatzes (d.h. 6 Manöver) sollte es auch möglich sein. Bequem und zügig ist auch der Fussabstieg über den markierten Steig via Chaisertor. Das Topo zur Route findet man auf der Seite vom Erschliesser Bruno Müller. Vielen Dank für eure Arbeit!

Montag, 14. Juli 2025

Handegg - Badwannä-Tango (6b+)

Die Route Badwannä-Tango verläuft in der arsch- oder (weniger vulgär) eben spiegelglatten Spiegelwand und wurde im 1989 von Bruno Müller und Hans Zgraggen in äusserst kühner Manier mit minimaler Absicherung eröffnet. Jahrzehnte später war kaum mehr jemand gewillt, solche Risiken für eine Wiederholung einer No-Name-Reibungsroute einzugehen und sie fiel in völlige Vergessenheit. Neu zum Leben erweckt wurde sie durch die Sanierung der Gebrüder Müller im 2023. Dabei wurden im Vergleich zum Originalzustand viele zusätzliche BH platziert. Damit kann man heute von einer (fordernden!) Plaisirtour sprechen - für meinen Geschmack ist der Tanz auf dem glatten Parkett aber immer noch eine sehr aufregende Sache, welcher laufend für Adrenalinausstösse sorgt.

Blick auf die Spiegelwand, drei Minuten vor Erreichen des Einstiegs. Für den Routenverlauf konsultiere man das Topo von Erschliesser Bruno Müller. Aus dieser Perspektive ist zwar der Grossteil der Route einsehbar. Die Linie wäre aber arg verzerrt und nicht repräsentativ, deshalb verzichte ich an dieser Stelle lieber darauf.

Weil bei der Kraftwerkzentrale der KWO ein neuer Stollen gebaut wird, ist der übliche Zustieg von ebenda im Sommer 2025 gesperrt. Der kürzere, bessere und einfacher zu findende Alternativweg ist jener vom Bügeleisen-Parkplatz (P.1289). Man geht kurz der Strasse entlang wieder talwärts, nimmt dann eine Fuhre rechterhand auf und nutzt die Brücke, um den Fluss zu queren. Klar sichtbare Wegspuren führen erst durch Blöcke hindurch, dann die Höhe haltend ca. 100m nordwärts, bevor man über Wiesland aufwärts geht und schliesslich ein trockenes Bachbett erreicht, welche zu den Felsen (Einstieg der Route Chamäleon) führt, siehe Karte unten. Wir hatten keine Orientierungsprobleme und gelangten zügig dahin, das Gelände bietet aber durchaus die Möglichkeit, sich ins Blockchaos oder einen  krautigen Dschungel zu verkoffern.

So verläuft die Zustiegsvariante vom Bügeleisen-Parkplatz P.1289. Karte: map.geo.admin.ch

Vom Fuss der Felsen (die man "normal" von rechts her erreicht), steigt man über eine Felsstufe mit Fixseil ca. 30m hinauf, bevor man auf Wegspuren ein kleines Wäldchen durchschreitet. Bei dessen Ausgang linkshaltend hinauf. In einer felsigen Zone quert man die wasserführende Rinne. Falls im Frühjahr noch Schneereste in dieser liegen, kann dort Lawinen- bzw. Eisschlaggefahr herrschen. Man kann die Stelle jedoch zügig überqueren (Ohren spitzen!). Jenseits geht's dann über Geröll hoch zum Einstieg am Fuss der markanten Verschneidung. Es ist derselbe Ort wie für die Herrenpartie, der mir natürlich bekannt war, weil ich diese Route 5 Jahre zuvor mit Larina geklettert hatte. Um 11.45 Uhr hatten wir uns mit reichlich Sonnencrème eingeschmiert und auch sonst alles parat, es konnte losgehen.

L1, 35m, 5c: Auf los geht's los, und dies unmittelbar rechts der Verschneidung gleich mit zwei fordernden Sektionen auf glatter Reibung. Der erste Haken steckt hoch, der zweite ebenso. Man muss parat sein und die Sache hat das Flair von einem Eintrittstest. Oben geht's dann etwas einfacher einer kleinen Verschneidung entlang, am Ende zieht man nach links zum Stand der Herrenpartie.

Trotz "nur 5c" fordert schon die Startlänge richtig. Das nachfolgende Team macht sich für den Sohläblitz bereit.

L2, 40m, T4: Über krautige Bänder quert man nach rechts. Sichern kann man nicht, dies ist jedoch auch nicht nötig, weil das Gelände problemlos begehbar ist. Es gilt, den richtigen Punkt für die Fortsetzung zu identifizieren. Sehr schwierig ist das nicht. Am rechten Ende der grasigen Bänder, wo nur wieder deutlich felsigeres Gelände in die wasserführende Rinne rechts führen würde, steckt ein einzelner BH mit Austrialpin-Lasche um Stand zu machen.

L3, 40m, 6a+: Los geht's noch moderat, mit einem weiten Abstand nach dem zweiten Haken zur Crux. Die drei nahe steckenden Haken lassen vermuten, dass es dort zur Sache geht. Dies tut es, und zwar heftig mit Reibung pur. Knapper am Wegrutschen hätte es sich nicht anfühlen können, aber es ging. Ob ich diese Stelle im Rückblick nach dem Meistern aller weiteren Herausforderungen noch gleich eingeschätzt hätte?!? Das ist eine gute Frage, welche ich nicht abschliessend beantworten kann. Zuletzt dann mit erneut weitem Abstand in strukturiertem Gelände zum Stand.

Am Anfang von L3 (6a+) gibt's noch ein paar einfacher Meter, ab der Position der Kletterin geht's dann aber volle Kanne auf Reibung zur Sache. Die Route meidet übrigens die Wasserläufe weitestgehend, nur in L7 und L8 kommt man bei normalen Bedingungen mit diesen in Berührung. Wobei diese Stellen so eingerichtet sind, dass man sie trotzdem klettern kann.

L4, 40m, 6b+: Zuerst führt dieser Abschnitt über ein kleines Dächlein hinweg, was aber noch nicht das Hauptproblem darstellt. Dieses besteht in gleich mehreren sehr reibungslastigen Passagen. Die forderndste davon vielleicht bald nach Beginn mit dem Klipp des dritten Hakens. Wobei diese Aussage ohne Gewähr bleibt: einmal ungut erwischt, oder einmal Zweifel im Kopf, das macht hier einen grossen Unterschied im Empfinden. Sicher ist: es bleibt fusstechnisch fordernd bis zum Ende. Und ich konnte die Sache sauber bewältigen 🤗

Ein absoluter Reibungsknaller wartet in L4 (6b+).

L5, 40m, 6a: Fast schon erwähnenswert ist die Tatsache, dass es hier zu Beginn einige Leisten gibt, welche der Gletscher nicht glattzupolieren vermochte. Für uns die Hauptsache bei diesem Abschnitt war ein weiter Abstand mittig. Quert man tief nach links und steigt dann hinauf, so löst sich das vernünftig auf. Das Problem war nur, dass die Vorsteigerin hier zu lange direkt stieg und dann am Ende viele Meter über der letzten Sicherung eine sehr gewagte Reibungsquerung zum silbern glänzenden Retter meistern musste - zum Glück erfolgreich! Das ist halt auch immer das "Risiko" bei solch weiten Abständen. Ein Sturz bei dieser Querung hätte wohl kaum folgenlos geendet, ein 15m-Rutscher über diese Platte ist jetzt nicht das, was man/frau zur Wellness braucht.

Die heikle Querung nach einer Linien-Fehlwahl gemeistert: L5, 6a.

L6, 40m, 5c: Deutlich tieferer Grad, davon merkt man auf den ersten drei, noch wassergewachsen glatten Reibungsmetern nicht viel. Insbesondere der saubere Klipp vom ersten Haken fordert. Danach geht's dann tatsächlich in besser strukturiertem Gelände leichter voran.

Dieses Foto zeigt zwar den Start von L7 (6b) mit dem im Text erwähnten Plattenrücken. Aber auch in L6 (5c) führt die Route für einmal Strukturen entlang, wie sie hier auf dem Bild sichtbar sind. Das macht das Fortkommen natürlich gleich deutlich einfacher.

L7, 40m, 6b: Im ersten Teil stecken die Haken auf einem Plattenrücken. Es lassen sich jedoch sehr gut die Strukturen abseits von diesem zur Fortbewegung nutzen, somit bleiben die Schwierigkeiten tief. Oben heisst es dann zwischen zwei (wohl sehr oft vorhandenen) Rinnsalen plattig nach links zu queren. Dank intelligent platziertem Bolt funktioniert das prima und es war auch nicht schwierig. Während man vielleicht schon über eine mühelose Begehung dieser 6b frohlockt, so wartet die Crux ganz am Ende. Möglicherweise ginge es recht easy, wenn man auf der Wand rechts der Plattenkante antreten könnte. Diese war bei uns pitschnass, glitschig und damit nicht nutzbar. Dies ist wohl oft oder fast immer so, ist doch der letzte BH so platziert, dass man links im trockenen Gelände klettern kann/muss. Dort wartet allerdings eine kurze, aber heftige Reibungsstelle. Man muss 2x äusserst glatt antreten und aus einem seichten Winkel den nötigen Druck auf die Füsse bringen - uff, näher am Rutschen könnte man kaum sein, aber es ging.

Die Wasserläufe spielen in L7 (6b) eine Rolle. Da vorausschauend eingerichtet, kommt man gut durch.

L8, 35m, 6b: Hier spielt sich der Start an der selben Plattenkante ab, wie die vorherige geendet hat. Die nass-glitischige rechte Seitenwand spielte also auch hier eine Rolle. Ich entschied mich dafür, trotzdem einige Leisten für die Füsse zu nutzen. Das ging, jedoch zum Preis nasser Sohlen, was für die Fortsetzung logischerweise problematisch, aber schliesslich kein Showstopper war. Denn nach diesem Auftaktboulder warten noch viele sehr anspruchsvolle und auch zwingende Schritte auf glattem Reibungsparkett. Oben gibt's mal noch eine etwas doofe Stelle, wo eine schuhbreite Kante sehr unangenehm im Sturzraum droht. Hier könnte man aus mehreren Metern Höhe sehr abrupt gestoppt werden. Langsam im Groove und mit dem erlangten Selbstvertrauen ging das... aber uff!

Da hat die Nachsteigerin in L8 (6b) gut lachen: so kann nix passieren, in dieser Position befindet man sich im Vorstieg aber über der im Text erwähnten und auf dem Foto gut sichtbaren Kante, wo man aus mehreren Metern Höhe sehr abrupt gestoppt werden könnte. Und generell: es gibt hier viele zwingende Schritte auf Reibung.

L9, 35m, 6b: ACHTUNG, in dieser SL fehlt zur Zeit (Stand Juli 2025) der zweite BH, da er abgeschert wurde. Dadurch ist sie im Vorstieg nicht kletterbar. Nun, das wusste ich natürlich noch nicht, als ich mich auf den Weg machte. Das Maillon in der ersten Sicherung und der offensichtlich weite Abstand (ca. 12m) zur nächsten waren zwar durchaus eine Warnung. Aber ich wollte es versuchen. Gleich über den ersten BH hinweg wartet eine tricky Stelle, dann auf einfacher werdender Reibung hinauf. Gute fünf Meter später blickte ich dann eben auf den abgescherten Stummel, der nächste Bolt nochmals mindestens soweit entfernt. Nein, das konnte ich nicht riskieren. Es blieb mir nichts anderes übrig, als die Reibung wieder abzuklettern - eine haarige Sache, aber ich schaffte es. Um nicht schon nach Hause gehen zu müssen, war die einzige Alternative, mit einem Abseiler zum etwas tiefer gelegenen Stand der Herrenpartie zu wechseln. Wir kletterten dann deren L8, eine 50m lange 5b auf Reibung. Von deren Station konnten wir erneut einen kurzen Abseiler zum Stand 9 vom Badwannä-Tango ziehen. Somit waren wir quasi "back on track". Weil ich natürlich jeden Schritt vom Tango praktiziert haben wollte, liess ich mich zu meiner Umkehrstelle ab. Natürlich konnte ich die Stelle im Nachstieg meistern, aber hier einen Rückzieher zu machen, war absolut vernünftig gewesen. Nach dem nächsten Klipp gibt's noch eine zwingende, glatte Reibungsstelle, bevor es dann strukturierter an den Stand geht.

Das ist der Bösewicht in L9 (6b). Hinweis: Foto ist um 90 Grad gedreht.

L10, 45m, 6a: Das Topo suggeriert, dass man nun etwas Zurücklehnen und entspannter Richtung Top schreiten kann. Doch man wird sehr bald eines besseren belehrt. Der Abstand zum ersten Haken ist weit, löst sich aber gut auf. Damit ist es nicht gegessen: es kommen noch viele weitere, gewagte Schritte auf Reibung. Taffe Sache, schien uns kaum einfacher als die drei 6b-Längen zuvor.

Black Beauty in L10 (6a).

L11, 35m, 6a: Nein, es ist noch nicht fertig! Einen Hammer gibt's gleich vom Stand weg, es heisst vor dem ersten Klipp über eine "falsch gebaute Treppe" in dunklem, vom Wasser gewaschenen Fels zu schleichen (abwärts geschichtet, d.h. es hat Leisten, diese bilden aber kleine Dächlein). Dem gewonnen Selbstvertrauen sei Dank ging's... Auch weiter führt die Route dann nicht den Strukturen links entlang, sondern hält sich nochmals rechts durchs kompakte Plattengelände. So gilt es auch hier wiederum auf die Optimallinie zu spekulieren, insbesondere kam mir dies ganz zum Schluss im Abschnitt zum Stand hinaus so vor, wo nochmals ein extraglatter (und natürlich zwingender) Abschnitt wartet.

Steht man wie hier in L11 (6a) auf einer kleinen Delle, so ist plötzlich alles ganz entspannt. Fehlen diese jedoch komplett, so kriegt die Sache gleich eine neue Dimension. Erst recht, wenn zum Ende einer Seillänge auch noch das Gewicht des Stricks schon spürbar ist.

L12, 30m, 5c: Hier geht's nun tatsächlich etwas leichter voran. Man kommt am Anfang gleich bei einigen sehr grossen Schuppen vorbei, wo man sich sehr leicht die Frage stellen kann, wie diese überhaupt in der Wand bleiben?!? Rundherum gerissen liegen sie quasi einfach da auf dem glatten Untergrund - möge einfach die Erde nicht gleich einen Hustenanfall kriegen! Enden tut der Badwannä-Tango nach meiner Logik am Irniger-Kombistand von Schiefer Traum rechts auf einer Kanzel, links befinden sich noch die beiden originalen Rostgurken vom Tango die helfen, den entsprechenden Punkt zu identifizieren.

Relikte aus früheren Zeiten... gibt's hier und da in der Spiegelwand. Diese Ringbohrhaken mit stark in die Länge gezogenen Laschen findet man in L8 der Herrenpartie. Generell ist anzumerken, dass das Material in diesen Platten schon leidet und nicht ewig hält. Eben, der abgeschlagene BH im Badwannä-Tango, einige weitere Laschen sind durch Steinschlag, Eis- oder Schneedruck auch plattgemacht (jedoch noch nutzbar).

L13, 40m, 5b: Dieser Abschnitt gehört eigentlich zu Schiefer Traum. Doch einerseits ist es logisch, noch bis zum Top weiterzuklettern. Andererseits wurde es uns erst gewahr, dass wir fremd unterwegs waren, als in L12 die 50m komplett ausgestiegen waren und kein (offizieller) Stand kam. Ein solcher konnte jedoch an einem sanierten BH und einer alten Rostgurke gerade vor dem Dächli improvisiert werden, von wo es dann in gestreckten 50m zum Ende reichte (d.h. wir kletterten L12, L13 und L14 in zwei gestreckten 50m-Längen). Jedenfalls: es geht hier über einige Stufen aufwärts, zuletzt nach rechts querend über ein Dächlein hinweg auf die höher liegende Endplatte, wo nach 10m der richtige Stand kommt.

L14, 35m, 5b: Ebenfalls Schiefer Traum, mit einer nochmals wirklich coole Seillänge in hier nun etwas weniger glattpoliertem, dafür nicht mehr ganz so sauberen Fels (d.h. von einigen Flechten bewachsen). Es gilt auch hier der Reibung zu vertrauen, einige Ansätze von Rissen und Verschneidungen und zuletzt eine Art Wasserrille helfen aber auch beim Fortkommen.

Die letzten Meter zum Top in L14 (5b), man erkennt gut die unterschiedliche Färbung vom Fels.

Ein paar Minuten nach 18.00 Uhr hatten wir nach 6:15h der Kletterei viele Meter absolviert und entschieden uns, an dieser Stelle definitiv Schluss zu machen. Rechts steckten zwar noch weitere Bolts und vermutlich wären noch 1-2 Seillängen mehr möglich. Es ist jedoch alte Ware (nicht saniert) und es ist auch nicht klar, zu welcher Route dies gehört und wie schwierig es wäre. So fädelten wir die Seile und glitten in die Tiefe. Erst war es praktischer, Schiefer Traum zu folgen, mittig wechselten wir dann mit einer 50m-Strecke zurück in Badwannä-Tango. Generell sind die Abschnitte jedoch zu lang, um sie verbinden zu können, so dass 12 Manöver nötig waren, bis wir um ca. 19.15 Uhr wieder am Einstieg waren. Seile aufrollen, Material verpuffen und absteigen waren die nächsten Programmpunkte, ein paar Minuten vor 20.00 Uhr setzten wir uns dann aufs bequeme Polster und fuhren heimwärts. Das war ein sehr aufregender Tag mit richtig cooler Kletterei gewesen. Hin und wieder macht es schon extrem Spass, sich der Science Friction hinzugeben.

Barfuss-Abseilen, das funktioniert hier tiptop. Wobei aufgrund vom von der Sonne aufgeheizten Fels die Füsse unangenehm gewärmt werden können. Sowieso ist es eine gute Frage, bei welcher Temperatur die Reibung zwischen Kletterfinkengummi und Fels optimal ist?!? Ich denke, in den dunklen Zonen war die Felstemperatur durchaus bei mindestens 30-35 Grad, d.h. eben so, dass man es als warm bis heiss empfindet. Das ist wohl oberhalb vom Optimum?!?

Facts

Handegg / Spiegelwand - Badwannä-Tango 6b+ (6b obl.) - 14 SL, 530m - Müller/Zgraggen 1989 (saniert 2023) - ****;xxx
Material: 2x50m-Seile, 10 Express, Cams/Keile nicht nötig bzw. kaum einsetzbar

Reibung pur auf Gletscherschliff und das von der verschärften Sorte. Mehr gibt es zum Programm kaum zu sagen und Abwechslung zu diesem Kletterstil gibt es so gut wie gar nicht. Heisst aber natürlich nicht, dass die Route deswegen nicht lohnend wäre. Ganz im Gegenteil, durch diese eindrückliche Plattenflucht zu steigen ist ein grandioses Erlebnis. Die Schwierigkeiten sind von A-Z anhaltend und es warten unzählige herausfordernde Passagen. Ob die Bewertungen wie vorgeschlagen zutreffen ist wie immer bei solchen Touren eine strittige Frage. Bei einer athletischen 6b ist das bei mir nie und nimmer der Fall, hier beim Tango dagegen fühle ich mich immer wieder am Limit des gerade noch Durchführbaren. Man kann die Route als gut abgesichert bezeichnen. Die Bolts sind intelligent platziert. Sprich immer dann, wenn es ohne (mit meiner Risikotoleranz) nicht mehr ginge, kommt auch wieder einer. Dazwischen bleibt aber viel Platz für das (Glücks)spiel ob der Schuh hält oder nicht. Dazu muss man die nötige Psyche und das Können mitbringen. Einige wenige Stellen mit immer noch forderndem Reibungscharakter, aber jeweils leicht tieferen Schwierigkeiten (z.B. Anfang L1, Anfang L3, Runout L5, Abschnitt über Band L9) erfordern einen sicheren Vorstieg, da dort ein Sturz das Potenzial von gröberen Verletzungen als bloss heftigen Abschürfungen mitbringt. Und eben, solange der BH in L10 fehlt, kann man die Route gar nicht auf dem Originalparcours begehen. Weitere Infos und das Topo zur Route auf der Seite von Erschliesser Bruno Müller, ansonsten helfen auch der Plaisir West Band I und das SAC-Tourenportal mit Topos von den anderen Routen im Sektor weiter.

Es steckt in der Spiegelwand Material aus verschiedenen Generationen. Dieser Standplatz in der Route Schiefer Traum hat mit Kette die Originalversion (?) von Hans Howald aus dem Jahr 1979, der Muniring wurde wohl irgendwann in den 1990ern ergänzt (?), der Irniger-Stand (mit leider rostendem, verzinkten Maillon Rapide) stammt von der letzten Sanierung im Jahr 2015. Achtung übrigens, in der Route Schiefer Traum fehlen zur Zeit (Stand Juli 2025) mehrere BH-Laschen.