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Dienstag, 31. Mai 2022

SAC-Kletterführer Alpstein 2022

Über 10 Jahre nach der letzten Auflage ist sie da: die neue Version des Alpsteinführers 2022 aus der Feder von Werner Küng. Es handelt sich um ein sehr umfangreiches Update, welches viele neue Gebiete und über 400 bisher nicht beschriebene Routen enthält. Dabei sind extrem spannende Neuigkeiten wie z.B. das Sommergebiet der Äscher Nordseite oder das Herbstgebiet der Wandfussplatten der Schafbergwand, wo alle bestehenden Routen saniert und viele neue erschlossen wurden. Auch an den Wänden über dem Fählensee und von anderswo hörte man in letzter Zeit von MSL-Neutouren munkeln - natürlich sind nun auch diese alle komplett mit Topos beschrieben. Meine "to do" bzw. "to try"-Liste ist jedenfalls nach dem Durchlesen des Führers gleich um viele Einträge länger geworden.

SAC-Kletterführer Alpstein, Ausgabe 2022 - sehr empfehlenswert!

Die technischen Eckpunkte des neuen Führers umfassen 384 Seiten, welche mit Farbfotos reicht bebildert sind. Alle Routen sind mit präzisen schematischen Topos inkl. eingezeichneten Sicherungspunkten und Längenangaben der Seillängen versehen. Zu jeder MSL-Route gibt es eine Textbeschreibung mit dem Charakter der Tour, während Piktogramme über das benötigte Material informieren. Die Zustiege sind sowohl mit Skizzen wie auch mit Worten beschrieben - alles in allem eine Fülle von präzisen Informationen, da bleiben keine Fragen offen! Trotzdem, und das ist eine grosse Kunst und verdient wirklich ein grosses Lob: der Führer wirkt kompakt, übersichtlich und nicht überladen.

Werner Küng geniesst den perfekten Fels in unserer gemeinsamen Neutour Blues in my Shoes.

Persönlich konnte ich nicht nur diverse Fotos beitragen, sondern zusammen mit dem Autor Werner Küng dafür sorgen, dass über neue und neu sanierte Routen im Alpstein berichtet werden kann. Dies z.B. mit den Sanierungen von Garten Eden und den Galoschen des Glücks, oder mit den Neutouren Blues in my Shoes oder der XL, die sich alle an der Schafbergwand befinden. Ich habe somit selber erfahren, wie viel Zeit und Arbeit Werner ins Sanieren und Erschliessen im Alpstein steckt, wie er all diese Gebiete und Routen wie seine Westentasche kennt und mit wie viel Akribie er seine Arbeit macht. Mit dem Alpsteinführer 2022 erhält man wirklich topaktuelle Informationen von einem Local mit grossem Detailwissen. 

Gemeinsam mit Werner an der Arbeit in der Schafbergwand.

Daher freue ich mich zusammen mit bzw. für Werner über jede verkaufte Kopie dieses Führers! Natürlich ist er über die üblichen Verkaufskanäle verfügbar. Es ist aber höchst willkommen, wenn ihr bei Werner persönlich für ein Exemplar anklopft. Bestellungen können unter klettern.alpstein@sac-saentis.ch aufgegeben werden, der Preis beträgt 50 CHF plus Porto und in wenigen Tagen ist der Führer in eurem Briefkasten. Auf Wunsch gibt's natürlich auch ein signiertes Exemplar mit Widmung. Los jetzt, rennt Werner die Bude mit Bestellungen ein :-)

Dienstag, 24. Mai 2022

Bike & Ski Piz Dolf (3028m)

Zu meinen Lieblingsbeschäftigungen gehört das Austüfteln von exotischen Skitouren anhand der Landeskarte. Genau auf diese Art und Weise habe ich auch die Tour zum Piz Dolf aus dem Calfeisental entdeckt. Sie gehört nicht zu den Standard-Skirouten, da der Zugang entlang dem Gigerwald-Stausee im Winter nicht möglich ist. Doch im Frühling, wenn die Strasse wieder passierbar ist, dann sollte man doch in diesem schattig gelegenen Talschluss noch auf gute Bedingungen treffen. Dies mit dem Nachteil verknüpft, dass sich der (Ski-)Tourenstart bereits ziemlich weitab von der Zivilisation befindet. Kombiniert man aber zu einem Bike & Ski, so geht alles wunderprächtig auf.

Blick vom Bikedepot bei der Alp Sardona zum Piz Dolf (3028m)

Nachdem die Strasse dem Gigerwaldsee entlang wegen enormen Lawinenzügen in den beiden Vorjahren erst im Juni geöffnet werden konnte, so war es heuer bereits zum Muttertag am 8. Mai der Fall. So war ich mir sicher, problemlos zum kleinen Walserdorf St. Martin am Ende des Sees zu gelangen. Dort ist man allerdings noch nicht am Startpunkt der Tour, dieser befindet sich erst rund 500 Netto-Höhenmeter weiter oben bei der Alp Sardona. Zwingend zu beachten: die linke Seite des Taminatals (wo die Kiesstrasse zur Alp verläuft) ist "bis zum 15. Mai oder der Öffnung der Strasse zur Alp Sardona" mit einer Wildruhezone belegt. Kurzum, das Timing für die Tour muss passen. Im aktuellen Jahr war allerdings eher die Frage, ob es nach Mitte Mai nicht schon zu spät wäre für die Tour. Wenig erstaunlicherweise gibt's hinten im einsamen Kessel des Calfeisentals keine Webcam. Die (tendenziell eher zu optimistischen) Exolabs-Karten zeigten aber noch Schnee ab 1800m, somit wollte ich es probieren.

Einrollen dem halbleeren Gigerwaldsee entlang - nachher heisst's dann heftig in die Pedale treten!

Während die ganz sportliche Variante bereits in Vättis (973m) ihren Ausgangspunkt hätte, startete ich erst auf der Staumauer (1337m, einige Parkplätze vorhanden, 6.45 Uhr). Die Strecke dem See entlang ist (ab 9.00 Uhr morgens) mit einem wechselseitigen Einbahnverkehr belegt. Diese wenigen, mehrheitlich flachen Kilometer mit dem Bike zu machen ermöglichen also eine jederzeitige Rückkehr. Wem dies nicht wichtig ist, kann auch erst am hinteren Ende des Sees (Parli, 1340m, grosser Parkplatz) mit dem Bike starten. Auf jeden Fall heisst es dann, heftig in die Pedale zu treten oder natürlich auf die weniger anstrengende Variante mit E-Unterstützung zu zählen. Ich fuhr mein Zweirad schliesslich bis kurz vor die Schneegrenze bei der Vorderen Melchi auf 1800m (7.20 Uhr).

Seitenblick auf der Tour zur Nordflanke des Tristelhorns, das uns seinerzeit eine wahnwitzige Skitour beschert hatte. Diese ist übrigens wegen Wildschutzgebieten auf der Südseite des Berges nicht mehr so wie damals möglich...

Zur Skitour selber gibt's nicht allzu viel zu sagen: es geht übers Flachfeld in den Talschluss, im Bereich des Sommerwegs die Hänge hinauf. Die Sardonahütte lässt man deutlich rechts liegen und gelangt etwas später auf die offizielle Skiroute zum Sardonapass. Ist dieser erreicht, so hält man sich etwas Höhe vernichtend nach SSE, um auf den breiten Rücken des Piz Dolf zu gelangen. Auf diesem geht's problemlos bis zum Vorgipfel P.2997. Dort deponierte ich aufgrund von Schneemangel die Bretter und erreichte den Kulminationspunkt (3028m) in wenigen Minuten zu Fuss um 9.45 Uhr. Mein Aufenthalt am Top beschränkte sich auf wenige Minuten. Es ging ein zügiger Luft, so dass man an diesem Vorsommertag durchaus auch noch ins Frieren geraten konnte. Trotzdem heizte die Sonne den ostexponierten Hängen aber bestimmt schon heftig ein, so dass eine zeitige Abfahrt ratsam schien.

Fantastisch das Ambiente!

Die Hänge vom Vorgipfel bis zum Sardonapass begeisterten mit kompakter, ganz leicht aufgesulzter Schneedecke. Dass ich weiter unten nicht darauf zählen konnte, war bereits im Aufstieg klar geworden. Die Schneedecke war da nämlich nicht hart durchgefroren gewesen und bereits im Aufstieg weich. Schliesslich liess es sich aber doch ganz genussvoll Skifahren. Der Schnee war zwar durchaus pflüttrig, aber schon sommerlich kompakt und nicht allzu tief. So gelangte ich beschwingt wieder zum Bike und der Wechselzone (10.35 Uhr). Zügig war umgerüstet, in schwungvoller Fahrt ging es zum Ende des Sees und die letzten Kilometer ausgondelnd zur Staumauer, wo ich kurz nach 11.00 Uhr eintraf. Schon zum Mittagessen war ich wieder daheim und konnte noch einen stundenmässig vollen Arbeitstag auf dem Bürostuhl absolvieren.

Sulz al dente gab's nur ganz oben, doch auch unten war's ganz ordentlich zum Fahren.

Dienstag, 17. Mai 2022

Moor - Moorpheus (7a+)

Saisonstart im alpinen Sportklettern - stimmt zwar nicht ganz, da wir mitten im Winter im Tessin (1,2) und in Talnähe an der Föhnmauer aktiv waren. Doch für einen ambitionierten Besuch in den Top-Gebieten der Alpennordseite geht's erst jetzt mit fortgeschrittener Schneeschmelze so richtig los. Top motiviert wurde gleich der Moor mit seinem nicht eben kurzen Zustieg und den nicht minder anspruchsvollen Routen zum Ziel auserkoren. Da wir uns gut vorbereitet und ausgeruht fühlten, sollte das aber schon passen. Zum Sammeln von Kraft und Motivation sollte mir auch der Sparta Kids Fight dienen, an welchen ich am Tag zuvor zwecks Fahrdienst und Coaching anwesend war. Das traf zu, bis ich mich bei der After-Comp-Session dazu hinreissen liess, in die Kletterfinken zu schlüpfen und nicht mehr aufhören konnte, bis alle Boulder durchgeprügelt waren. So blieb nur die Hoffnung, dass jugendlich anmutender Leichtsinn auch jugendlich anmutende Über-Nacht-Rekuperationssfähigkeiten induzieren würde...

Da thront er imposant am Horizont über Wildhaus, der Moor - links die Schafbergwand.

Jedenfalls gelang es schon mal, einigermassen früh aus den Federn zu kommen und den Zustieg um 8.20 Uhr in Wildhaus zu starten. Schon ganze 7 Jahre ist es her, seit ich dereinst für das Moorphium den 1000hm umfassenden Zustieg unter die Füsse genommen hatte - Wahnsinn, wie die Jahre im Eiltempo verstreichen. Im Gegensatz zu damals schien es ratsam, den Zustieg etwas gechillter anzugehen. Der Weg blieb sich genau derselbe, durchs Flürentobel zum Wildhauser Schafboden und weiter auf dem Weg zum Jöchli bis ca. 1880m. Ab dort in logischer Linie steil aber recht gut gängig (ca. T4+ bis T5) über einen Sporn und zuletzt querend zum Einstieg. Dieser befindet sich ca. 20m links der markanten Schlucht in Mitte der Wand und ist ziemlich unscheinbar. Als Markierung dient eine Bandschlinge in einer gebohrten Sanduhr, ebenso lassen sich beim Sperbern die ersten 3 BH erkennen. Nach 1:45h Zustieg waren wir da und starteten ein paar Minuten vor 10.30 Uhr mit der Kletterei. Zu erwähnen ist, dass die erste Seillänge nicht so viel früher von der Sonne beschienen wird.

Wandansicht vom Schafboden mit dem Verlauf von Moorpheus.

L1, 35m, 6b: Nach ein paar einfachen Metern etabliert man sich rechts auf dem Plattenpanzer, klippt den ersten Bolt und gleich geht's los. Der Fels ist wunderbar rau bei erstklassiger Reibung, welcher aber auch unverzüglich zu vertrauen ist. Hat man den dritten BH geklippt, so befindet sich der nächste erst in weiter Ferne. Dies "zwingt" den Vorsteiger fast, links im etwas durchzogenen Gelände zu steigen. Angenehmer und kaum schwieriger ist aber die gut strukturierte Platte rechts, nur halt etwas kühn(er). Der erwähnte, distant steckende Bolt ist dann etwas heikel anzuklettern bzw. zu klippen (!), erlaubt aber stressfrei die letzte Stelle rechts hinauf über den Wulst zu erledigen.

Die "gut strukturierte Platte" in L1 (6b), mangels Absicherung geht der Vorsteiger aber wohl meistens links im etwas durchzogenen Gelände. Ich würde es nicht empfehlen, besser sichern kann man da auch nicht wirklich und auch wenn's vielleicht einen Tick einfacher ist, angenehmer zu klettern ist es da bestimmt nicht.

L2, 35m, 7a+: Spätestens ab hier heisst es, richtig parat zu sein. Über eine abdrängende Seitenwand heisst es, rechts hinaus auf eine nächste Steilplattenzone zu kommen. Da der Fels ordentlich mit Crimps und Schlitzen garniert ist, geht dies einfacher als befürchtet. Einmal drüben ist man froh, dass sich die Neigung etwas zurücklegt. Die richtige Linie will aber erkannt werden, ein Cam muss hinter einer Schuppe platziert werden und bald geht's richtig los. Der nächste Haken blitzt in als haarsträubend weit empfundener Ferne, "bin nicht sicher, ob ich mich das traue" rufe ich dem Kameraden zu. Da es aber niemand anders für mich klettert und ich nicht schon wieder nach Hause will, steige ich natürlich trotzdem mal los. Zwei Meter über dem Haken stehend folgt dann die Erkenntnis, dass Zurückklettern definitiv unmöglich ist und Abspringen auch die sekundäre Option gegenüber dem Versuch, die restlichen 3m zum nächsten Rettungsanker doch noch zu versuchen (inkl. dem Risiko eines immer mordsmässigeren Abgangs, selbstverständlich) - alpines Sportklettern at it's finest, so schnell ist man wieder mittendrin! Doch wie so oft, zum Glück kommen die benötigten Griffe und die Begehung bleibt sauber. In der Folge stecken die Bolts wieder etwas dichter, was wegen diversen bouldrigen Stellen aber auch nötig ist. Doch auch die Psyche wird nochmals gefordert, ein Runout zum Stand inkl. knifflig-grifflosen Abschlussmantle beschliesst dieses Wahnsinngerät von einer Seillänge.

Fetzenscharfe, steile Tropflochkletterei in L2 (7a+)

L3, 30m, 7a: Hier wartet erneut anhaltend anspruchsvolle Kletterei in absolut vorzüglichem, fetzenscharfem Tropflochfels. Quasi vom ersten Meter an heisst es beständig, die oft eher minimalen Strukuren so zu nutzen, dass man die Füsse effektiv auf die Rauigkeiten pressen kann. Die Kletterei ist sehr athletisch und sehr technisch zugleich. Die Hakenabstände sind mit dem Zollstock gemessen nicht allzu weit, aber bei dieser Art der Kletterei subjektiv trotzdem sehr fordernd. Achtung, nach dem fünften BH heisst es, horizontal ca. 15m nach links zum Stand zu queren - und für den Nachsteiger gibt's durchaus ein paar aufregende Momente nach dem Aushängen dieses Hakens. Die Bewertung von 7a (laut Extrem Ost) hier gegenüber der 6c+ (SAC-Führer) ganz sicher angebracht, ist diese Länge doch nach unserem Empfinden sicherlich nicht einfacher wie L4 (7a) oder L7 (7a+).

Super genial und anhaltend ist L3 (7a), bald steht dem Nachsteiger ein spannender Moment bevor.

L4, 35m, 7a: Nein, zurücklehnen kann man sich auch hier nicht. Es geht gleich volle Kanne los, knifflig unter ein Dach, kräftig darüber hinweg und mit der Ausdauer rettet man sich an Slopern in flacheres Gelände. Leider kam mir dabei (wie sich zeigen sollte) der ansonsten einwandfreie Onsight-Durchstieg der ganzen Route abhanden - schade! Nun kann man natürlich konstatieren, dass der ohne die Kraftverschwendung beim Bouldern am Vorabend möglicherweise gelungen wäre. Tja, mehr Kraft hilft natürlich immer, doch intelligenter Klettern meist noch deutlich mehr. Sprich, hätte ich von Beginn weg auf die richtige Lösung gesetzt, so wäre es locker aufgegangen. Nun denn, nach der Steilzone mit der Crux klettert man einfacher über schöne Platten (weite Absicherung), bevor ein paar athletische Züge über den letzten BH führen.

Kernig-kräftige Kletterei zum Beginn von L4 (7a).

L5, 35m, 6c+: Ohlala, zum ersten Haken scheint es weit - dank mobiler Sicherung und guten Griffen aber problemlos. Die kompakte Zone beim dritten BH bietet dann wie vermutet die Crux. Eher vom Typ bouldrige Einzelstelle, die auf den ersten Blick unmöglich scheinende Wand offeriert tatsächlich ein paar versteckte Griffe, während die vermeintlich mögliche Auskneifvariante über links echt keine Option ist. Genussreich und extrem strukturiert geht's über zwei weitere Bolts zum Stand.

Toller Fels und dem Himmel entgegen in L5 (6c+), bald folgt die bouldrige Einzelstelle.

L6, 30m, T5: Überführungsstück über grasige Schrofen an die nächste kompakte Wand. Es ist ziemlich problemlos begehbar, nicht allzu steil und gut gestuft. Sicherungsmöglichkeiten gibt's allerdings keine, daher liegen keine Fehler drin.

L7, 35m, 7a+: Abwechslungsreiche Länge mit einem heiklen Auftakt: der erste BH steckt tief und nahe, dies allerdings mit Fug und Recht. An scharfen und kleinen Griffen gilt es eine Schuppe zu erhaschen. Spätestens wenn man diese in den Fingern hat, darf man nicht mehr stürzen, sonst kratert man am Boden ein. Zum nächsten BH sind es jedoch nochmals 4-5m, jedoch mit einfacherer, relativ kontrollierbarer Kletterei. Man überlege sich also genau, ob man dieser Stelle gewachsen ist - die offensichtliche Alternative besteht in einer Umgehung linksherum über den Parcours von 'Mittler Moor'. Nach dem zweiten BH wird man auf eine geneigte Platte entlassen, die zum finalen, überhängenden Wulst führt. An Slopern hangeln, hooken, sich dann an besser werdenden Griffen nicht abschütteln lassen und rausmanteln ist das Programm - ein richtig cooler Boulder!

Sieht auf dem Bild nicht ganz so spektakulär aus, wie die Seillänge gut ist. Kurz vor dem Ausstiegsmantle aus dem überhängenden Wulst am Ende von L7 (7a+) - nur nicht mehr Abschütteln lassen jetzt.

L8, 15m, 6b: Kurzes, aber kurzweiliges Teilstück, das nur gerade kurz vor dem Ausstieg ins flache Gelände einen BH aufweist. Der Rest muss selber mit Cams und an einer Sanduhr abgesichert werden, was aber ganz gut möglich ist. Auch die Moves sind echt cool an originellen Strukturen.

Um ca. 16.40 Uhr und damit nach rund 6:00 Stunden Kletterei hatten wir das Top erreicht. Wir hatten uns wie eigentlich immer die Zeit genommen, an beiden Seilenden eine (einwand)freie Begehung herzustellen. Ein kleiner Wermutstropfen war der verzockte Onsight meinerseits in L4, der ganze Rest der Route gelang mir in diesem Stil. Am Top gab es nicht viel zu tun, die bequemen Schuhe, das Sandwich und die Getränke waren ebenso am Einstieg geblieben. So fädelten wir praktisch unverzüglich die Seile und glitten in die Tiefe. Und zwar über das Moorphium, wo dies direkter und weniger umständlich möglich ist. Mit 2x50m-Seilen sind 5 Manöver nötig (Top -> 30m zu Kettenstand von Mittler Moor -> S5 -> S3 -> S2 -> Boden), mit 2x60m kann man die obersten beiden Abschnitte verbinden. Keine halbe Stunde später waren wir zurück auf Terra Firma. Nach einem Imbiss, dem Verräumen des Materials und dem ehrfürchtigen Beäugen unserer nächsten Projekte (wovon der Strapaziergang (7c) wohl die nächstschwierigere Route ist) beschäftigten wir uns, bevor wir talwärts liefen. Das steile Gelände erfordert erst vorsichtiges Absteigen, einmal zurück auf der Pfadspur zum Jöchli kann dann mehr Gas gegeben werden. Ein paar Schneefelder erlaubten noch das Abrutschen, so dass wir nach einer guten Stunde zurück in Wildhaus waren, wo sich der Kreis um 18.40 Uhr schloss. Mit dem guten Gefühl, eine Toproute in sauberem Stil geklettert zu sein, machten wir uns zufrieden auf den Heimweg.

Was für eine tolle Gegend! Blick auf Tristen, Zehenspitz und den Gipfel der Schafbergwand, unten im Tal der Ausgangsort Wildhaus und am Horizont die Alviergruppe und die Churfirsten. Auch wettertechnisch waren wir genau am richtigen Ort gewesen. Hier hielt es und war lange sonnig, während im Berner Oberland schon früh Gewitter niedergingen.

Facts

Moor - Moorpheus 7a+ (6c+ obl.) - 8 SL, 250m - Oswald/Riediker/Stalder - *****;xxx
Material: 2x50m-Seile, 12 Express, Cams 0.2-1

Grandiose Route in fast durchwegs perfektem, rauem bis scharfem Gebirgskalk. Von steilplattigen Abschnitten zu viel athletischer Tropflochkletterei bis zu bouldrig-überhängenden Wulsten findet man einiges an Abwechslung und vieles an spannenden Herausforderungen. Die Route ist ein wenig homogener in den Schwierigkeiten, oben raus etwas spannender und nach meinem Gusto einen Tick schöner wie das benachbarte, ebenfalls sehr gute Moorphium und muss den Vergleich zu einer Wendenroute absolut nicht scheuen. Die Absicherung mit Inox-BH ist gut, aber oft zwingend und vergleichbar mit der Situation im Moorphium. An diversen Stellen muss man schon parat sein um im nichttrivialen Gelände zünftig von der letzten Sicherung wegzusteigen. Hier und da müssen (vorwiegend einfachere) Abschnitte mit Cams zusätzlich abgesichert werden. Ein Set Cams von 0.2-1 ist daher unabdingbar, grössere Exemplare braucht es hingegen definitiv nicht. Topos zur Route bzw. zum Moor allgemein findet man im Extrem Ost und im SAC-Kletterführer Alpstein.

Dienstag, 10. Mai 2022

Fontainebleau - Cul de Chien

Ob wir den Sektor Cul de Chien besuchen sollten, wurde kontrovers diskutiert. Überlaufen, zu heiss/sonnig und keine guten Circuits waren die Argumente dagegen. Dafür sprach vor allem der landschaftliche Reiz. Die Sandebene, rund um welche die Blöcke angeordnet sind, ist für mitteleuropäische Verhältnisse wirklich sehr aussergewöhnlich. Persönlich war ich frei von Emotionen in Sachen Gebietswahl, bzw. ich war mir sicher, überall interessante Herausforderungen zu finden. So zogen wir dann tatsächlich Richtung Cul de Chien. Fazit: klar war da Betrieb, aber überfrequentiert waren die Boulder nicht. Tatsächlich liegen die Blöcke etwas sonniger als anderswo, dafür ist's relativ gut belüftet, sprich als heisser als anderswo empfand ich es nicht unbedingt. Und dass es keine gute Circuits gibt ist definitiv falsch, bzw. eine veraltete Info. Orange, Blau und Rot sind tiptop, frisch markiert und perfekt zu begehen!

Das sieht fast schon wie eine Wüstenexpedition aus! Les sables de cul de chien, vraiment extraordinaire!

Dies ist der letzte Beitrag zu unserem Fontainebleau-Trip. Er deckt auch gleich noch zwei weitere Bouldertage ab, welche hier Unterschlupf finden sollen. Am Tag zuvor waren wir am Rocher St-Germain aktiv. Ein sehr schönes, in etwas dichterem (Nadel)wald gelegenes Gebiet mit Circuits in allen Schwierigkeiten. Mein Versuch, den kompletten roten Parcours zu ziehen, endete nach gut der Hälfte der Boulder. Irgendwann waren der Saft und vor allem die Haut schlicht und einfach durch. Auch wenn ich mir diverse Aufgaben mit Sitzstarts schwieriger als nötig gemacht hatte und wir bereits vom fünften Bouldertag in Folge sprechen - einen kompletten roten Parcours einwandfrei zu ziehen ist einfach eine harte Nuss. Nachdem ich alleine unterwegs war, gibt es von diesem Tag keine Fotos und damit auch keinen Blog. Am Cul de Chien startete ich wieder auf der blauen Piste. Der grössere Teil unserer Gruppe fokussierte auf den orangen Circuit, nur die beiden U14-Mädels starteten mit mir. Während sie es eher gemütlich und ohne die Ambition auf eine Komplettbegehung nahmen, erhöhte ich irgendwann die Kadenz.

Auf dem obigen Foto bouldert Seraina in #2 (Le Liseré, 4A+), einem gemütlichen Aufwärmproblem. Das erste Mal ernst gilt es bei #4 (La Dignité, 5A, mit optionalem Sitzstart schwieriger), wo die Athletik getestet wird und man kräftig Hooken muss. Bei #7 (La Coque, 4A, siehe Foto unterhalb von Larina) ging der Flash vor die Hunde. Wobei auch hier wieder einmal gilt: aufgrund der Markierung am Fels gingen wir davon aus, nicht links an der Ecke klettern zu dürfen, wie es die Topos zeigen...

Gefallen hat mir auch #9 (La Bottine, 4C) mit Gegendruck-Kletterei an Untergriffschuppen, was sich schon fast granitig-alpin angefühlt hat. Einen weiteren Test der eher alpinen Skills findet man gleich nebenan mit der #9b (La Médiane, 4C, siehe Foto unterhalb), einem Fingers to Thin Hands Jam Crack - einfach nicht mit "Betrugstechniken" à la Layback auskneifen. Das Argument "ihr wollt doch auch einmal in Meiringen am Weltcup mitmachen" überzeugte schliesslich auch die beiden Girls, den Riss in Jamtechnik zu probieren.

Während die Girls danach erst einmal Mittagspause einlegten, machte ich mich alleine auf den Weiterweg. Der beinhaltete mit #15 (La Téméraire, 5A) ein kräftiges Athletikproblem, sofern man direkt klettert und nicht linksherum auskneift - wie so oft stellt(e) sich auch hier die Frage, was denn im Sinne des Erfinders ist und was nicht. 

Bei #17 (La Camée, 4B) fragte ich 'random bypassers' nach einem Foto - gar nicht mal schlecht geworden :-)

In Erinnerung geblieben ist mir auch #20 (Le Kyste, 4C) mit seinem knifflig-kraftraubenden Sloper-Mantle-Exit ein typisches Bleau-Problem. Am Block von #24 (Les Précieuses, 3A) fand ich die Normalvariante banal und wenig inspirierend. Deutlich fordernder, cooler und mit einer Art 'Klangloch' richtig aussergewöhnlich ist die Bis-Variante gleich daneben (#24b, Le Turpide, ca. 4B). Mit etwas Kraft gut bedient ist man auch bei #28 (Le Baraqué, 4C) mit grossen, sloprigen Löchern.

Auf diesem Abschnitt des Parcours befindet man sich übrigens im lichten Wald, ein ganzes Stück von der Sandebene entfernt. Hier hinten war es komplett ruhig und es waren keine anderen Boulderer unterwegs. Nach ein paar einfacheren Bouldern um den hinteren Wendepunkt findet man mit #34 (Le Barbot, 4A, mit Sitzstart deutlich besser & schwieriger) ein richtig geiles Power-Problem für die hoffentlich wieder zurückgekehrten Kräfte. Auch #35 (La Poulette, 4B) mit Sitzstart zu Untergriff und einem Heelhook-Aufrichter machte richtig Spass.

Nachdem ich wie erwähnt am Vortag den wesentlichen Teil meiner Haut am roten Circuit am Rocher St-Germain gelassen hatte, konnte ich nur mit Tapes klettern. Ideal ist das überhaupt nicht, doch für einen blauen Circuit war es in Ordnung. Und sowieso war ich ab diesem Punkt auf der Zielgerade. Wie die obigen Fotos zeigen, war ich alleine und ohne Matte unterwegs. Das ging prima, nur #41 (L'Angle Solide, 4B, mit Sitzstart schwieriger) war als knifflige Kante zwischen den Blöcken drin mit suboptimalem Sturzgelände nicht ganz ohne. Bei #44 (La Traversée du Temps, 4A+) darf man kurz vor Schluss nochmals seine Jam-Technik zum Einsatz bringen, bald darauf hatte ich die 46 Boulder (plus ein paar Varianten und einige rote Probleme am Weg) in einer guten Zeit komplettiert. 

Da alle noch beschäftigt waren, blieb mir genügend Zeit, am grossen Boulderjam beim berühmten 'Toit du Cul de Chien' mitzumachen. Die Linie durchs Dach ist ein grosser 7A-Klassiker, der schon 1977 geklettert werden konnte. Der blieb für mich aber auf der Projektliste... das gechippte 2-Finger-Loch in der Crux im Dach ist definitiv nicht ein Griff nach meinem Gusto, erst recht nicht in solchem Steilgelände und nach 6 Tagen Vollgas-Bouldern. Immerhin konnte auf einigen etwas einfacheren Problemen nebenan der Flow im raschen Durchsteigen wieder aufgebaut werden. 

Citron Vert (6A, die rote #7) - da muss man sich schon gut festhalten!

Am folgenden Tag blieb mit Zeltabbau und der langen Heimreise dann nicht mehr so viel Zeit für Aktivität an den Blöcken. Für einen Besuch in den Gorges d'Apremont und dem Schmöckern einiger interessanter Probleme rund um den Lagerplatz reichte es noch. Tja, es gibt noch so viel zu tun und zu entdecken... Wir müssen wieder zurück nach Bleau, und dies nicht erst nach weiteren 30 Jahren.

Facts & Links

Der Sektor Cul de Chien ist landschaftlich einzigartig mit seiner Sandebene. Viele einfachere Boulder oder Kids-Parcours gibt's hier nicht, aber in dem mittleren Schwierigkeiten (orange, blau, rot) findet man sehr gut markierte Circuits. Und natürlich fehlen schwierige Einzelboulder bis 8B ebenso wenig. Am meisten Betrieb herrscht um den zentralen Platz beim Toit du Cul de Chien. Die Circuits sind etwas weitläufig und führen auch in bewaldetes Gelände weiter nordöstlich, wo man mehr Einsamkeit geniesst. Das Absprunggelände ist meist perfekt und sandig.

Topo, Liste und Fotos von boolder.com

PDF-Topo bei cosiroc.fr

Mittwoch, 4. Mai 2022

Fontainebleau - Beauvais Nainville / Rocher du Duc

Mit frisch geladener Batterie des Autos (und nach geruhsamer Nachtruhe auch bei uns selber) sollte es an diesem Tag rund 15 Autominuten nach Norden gehen, um im Sektor Nainville am Rocher du Duc bei Beauvais zu Bouldern. Unsere neu angekommenen Freunde hatten dieses Gebiet vorgeschlagen, da es total 9 Circuits vom Weiss (für Kids ab 6-9 Jahren) bis zu Schwarz/Weiss (für die Elite) gibt. Nachdem Larina einen Ruhetag einlegen wollte, startete ich mit den beiden Frauen auf den blauen Circuit. Dies mit der Aussicht, dass ich mich nach einer Weile von ihnen lösen würde, um alle 50 Boulder zu komplettieren. So kam es dann auch. An dieser Stelle eine Fotogalerie und ein paar Kommentare zu den markantesten Problemen. 

Kathrin in #4 mit einem echt coolen Ausstieg an Slopern.

Manuela zieht an in #6, wo es nach einem (fakultativen?) Sitzstart athletisch zur Sache geht. Und auch erst jetzt werde ich mir bewusst, dass man für den Start auf den Block links hätte treten dürfen, was die Sache sicherlich massiv vereinfacht hätte...

Manuela in #11, ein ähnliches Foto von Kathrin gibt's hier.

Kräftig geht's auch in #16 zur Sache

Hier endet die Fotogalerie wie auch unsere gemeinsame Session. Wie es so ist, eine vollständige Begehung eines Circuits beginnt immer dann ins Wanken zu kommen, wenn ein Boulder Schwierigkeiten macht, viele Versuche mit 100% Einsatz und entsprechende Pausen dazwischen erfordert. Damit machte ich mich alleine auf den Weiterweg und dementsprechend gibt's keine weiteren Bilder mehr, mit Ausnahme des Videos von der coolen Plattentraverse #45 unten. In Erinnerung geblieben sind mir über die oben abgebildeten hinaus noch die folgenden Boulder:

  • #13, eine knifflige Plattentraverse - ins Schleudern gekommen und das war's mit dem Flash
  • #18, erst mit einer langen Traverse und einem hohen Ausstieg, fast eine Kletterroute
  • #22, ein sehr delikater Stützmantle (wenn mit Sitzstart und ohne Auskneifen direkt geklettert)
  • #28, eine ausdauernde Traverse an guten Griffen
  • #31, Power-Traverse an Slopern (natürlich ohne verfrüht auf den Block auszusteigen!)
  • #34, eine fast 15m lange, ausdauerorientierte Wandkletter-Traverse
  • #35, Reibungsplatte à la Ticino, fast schon bedenklich hoch
  • #37, keine 2m hoch, aber kräftig an Slopern mit seeeehr kniffligem Mantle (Sitzstart!)
  • #41, runter und wieder rauf, originelle Linie mit erstaunlich kniffliger Kletterei
  • #45, die Plattentraverse im Video unten mit einem ziemlich schwierigen Exit

Nach wiederum vielen Stunden hatte ich den 50er-Parcours inkl. der 14 Zusatzboulder und zu Beginn noch einigen roten Probleme als 'zusätzlicher Zeitvertrieb' geschafft. Das war also wieder ein happiges Programm gewesen. Aber rein in der Anzahl gekletterten Boulder war es trotzdem nichts gegen die Kids, welche alle einfachen Parcours abgegrast und so 250 Probleme erledigt hatten! So konnten wir mit rechtschaffener Müdigkeit zum Camping zurückfahren, wo in Zwischenzeit eine weitere befreundete Familie eingetroffen war und sich auf unserem Campsite installiert hatte. Tja, leichter wurden die folgenden Tage damit nicht... wenn man nach 3 Tagen die "Sturm-und-Drang-Phase" in den Ferien etwas hinter sich hat, kommt nochmals jemand und reisst einen in dieser Hinsicht wieder mit ;-)

Facts & Links

Der Sektor Nainville befindet sich auf einem licht bewaldeten Hügel und bietet 9 verschiedene Circuits in allen Schwierigkeiten. Das Gelände ist nicht ganz so übersichtlich wie z.B. in der Canche aux Merciers, aber trotzdem sehr familienfreundlich. Das Absprunggelände ist meist freundlich, ich bin den grössten Teil des blauen Circuits ohne Matte geklettert. Dieser Parcours zeichnet sich dadurch aus, dass man ihn fast komplett "über die Blöcke", d.h. ohne dazwischen den (Wald)boden zu betreten klettern kann. Wie üblich wird einem viel Abwechslung in allen Stilen geboten.

Topo, Liste und Fotos/Videos aller Boulder des blauen Circuits