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Montag, 8. Juli 2024

Bockmattli - Kairos (6b, 6 SL, Erstbegehung)

Das Bockmattli, ein kleines Gebirge mit vielen Türmen, Gipfeln, Scharten, Rinnen und Wänden, welches dem Kletterer unzählige Möglichkeiten bietet. Sozusagen in der zweiten Reihe versteckt steht der profan benannte Namenlose Turm. Von der Kletterhütte betrachtet, gibt er doch eine stolze Figur her und über seine Westkante verläuft eine der beliebtesten Routen im Gebiet. Seine etwas versteckte Nordwand blieb hingegen lange unbeachtet, erst im 2015 wurde mit der Meriba (5 SL, 5c+) eine Genusstour eingerichtet. Diese wird regelmässig begangen und fristet jetzt nicht mehr ihr alleiniges dasein: die hier beschriebene Neutour Kairos (6 SL, 6b) weist einen gleichermassen genussreichen Charakter auf. Sprich elegante Wandkletterei in ideal mit Schlitzen, Löchern, Schuppen und Rissen sehr kletterfreundlich strukturiertem Fels bei optimaler BH-Absicherung. Es fehlt die strenge Atmosphäre der Touren in der Nordwand des Grossen Turms mit ihren grimmigen Verschneidungen, die Standplätze befinden sich meist in gemütlicher Lage auf Grasbändern, so dass man sich kaum exponiert fühlt. Noch dazu ist der Zustieg unkompliziert und der Abstieg könnte zügiger nicht sein. Plaisir in alpiner Umgebung lautet das Motto - man darf hingehen und geniessen.

Ambiente total beim Ausstieg auf den Gipfel, im Hintergrund der Kleine Bockmattliturm.

Erschliessung

Schon länger trug ich den Gedanken mit mir, in der Nordwand vom Namenlosen Turm eine Route zu kreieren. Ziemlich sicher war ich mir aufgrund vom Einblick aus verschiedenen Perspektiven, dass es dort die Möglichkeit für eine gute Linie gäbe. Nur in der Wand selbst war ich noch nie: so war meine Begehung der Meriba am 18.6.2024 nicht nur ein Abendvergnügen, sondern die Gelegenheit, um meinen Plan ultimativ zu prüfen. Meine Einschätzung fiel absolut positiv aus und so gab es keinen Grund mehr, noch länger zu warten. Schnurstracks machte ich mich um 20.30 Uhr vom Gipfel auf in Richtung meines Depots in der Gross Chälen. Die Bohrausrüstung hatte ich in wohlweislicher Voraussicht nämlich mitgenommen - denn wenn das Feuer für eine Linie einmal brennt, dann kennt die Ungeduld keine Grenzen mehr. Da war es im Vergleich dazu keine allzu schwere Bürde, Power Drill, Hammer und Haken möglicherweise vergebens ans Bockmattli zu tragen.

Blick von der Kletterhütte auf den Kleinen Bockmattliturm (links) und den Namenlosen Turm, wo Einstieg und Gipfel von Kairos mit Pfeilen markiert sind. Die roten Punkte zeigen den ungefähren Zustiegsweg durch die Kleine Chälen an. Was hier "gar nicht ohne" aussieht, entpuppt sich vor Ort als problemlos begehbares Gelände.

In freudiger Erwartung rüstete ich mich mit dem Material zum Einbohren aus und eilte voller Motivation im Laufschritt mit Puls am Anschlag ein zweites Mal durch die Kleine Chälen hinauf zum Einstieg. Die Sonne hatte sich bereits hinter dem Horizont verabschiedet, als ich wieder in die Kletterfinken geschlüpft war. Doch es sollte noch reichen für einen vielversprechenden Start des Projekts: die ersten 25m gelangen mir, bis mich die einbrechende Dunkelheit um 21.50 Uhr an der weiteren Fortsetzung hinderte. Zügig machte ich mich aus dem Staub, bis zum Bikedepot bei der Schwarzenegg (22.20 Uhr) ging es noch ohne Stirnlampe, wenige Minuten später war ich nach einer Schussfahrt retour im Tal. Nachdem ich die Meriba im Rope Solo geklettert und auch die ersten 25m in diesem Stil eingebohrt hatte, rechnete ich damit, auch den Rest so anzugehen. Täglich schielte ich auf den Wetterbericht in der Hoffnung, zumindest einen abendlichen Abstecher ans Bockmattli machen zu können. Doch das war im Juni 2024 hoffnungslos, meist vereitelten Schauer oder Gewitter den Plan und wenn's einmal noch den Funken an Hoffnung gegeben hätte, standen mir weltliche Verpflichtungen im Wege.

Es sieht gar nicht mal nach so viel Material und Gewicht aus... es täuscht!

Am 28.6.2024 hatte ich mich mit Guido für ein Erschliessungsabenteuer verabredet. Auch dafür hatten wir uns wegen dem instabilen Vorsommerwetter im 2024 schon lange Wochen gedulden müssen. Endlich kam ein stabil-trocken-warmer Tag, nun musste es klappen. Doch es war wie verhext: in unserer eigentlichen Zielregion hatte es entgegen aller Prognosen in der Nacht noch heftig gewittert und geschüttet. Nein, das machte absolut keinen Sinn, wir mussten umdisponieren. Nicht nur für den Leser dieses Bericht liegt es auf der Hand wohin, für mich war das im Moment genau so klar. Guido willigte ein und war von diesem Projekt genauso begeistert wie vom ursprünglichen. Auch mir machte es keine Schwierigkeiten, so kurzfristig umzudisponieren. Mit einem Partner schien es realistisch, in diesem Push gleich bis zum Gipfel zu kommen, das wollten wir auf jeden Fall probieren.

Los geht's! Das ist der Auftakt in die Route (L1, 6a+), anlässlich der RP-Begehung.

So trugen wir unsere schweren Säcke zum Einstieg: 45 Bohrhaken betrug das im Einklang mit der Akkukapazität geplante Budget. Ob uns das bis zum Gipfel bringen würde?!? Meine Prognose war positiv, der Tag (bzw. die folgenden Zeilen) würden es zeigen. In direkter Linie wurde das bereits begonnene, erste Teilstück fortgesetzt, ein Stand platziert, der Sack gehisst und die Moves durch Guido im Nachstieg mit Genuss geklettert. Fünf weitere Male wurde dieses Prozedere repetiert. Die geplante Linienführung konnte exakt eingehalten werden - alles ging bestens auf, selbst die herausfordernd scheinende Löcherplatte von L4 bot die Strukturen genau am richtigen Ort. Das tönt nun so, wie wenn es im Handumdrehen erledigt gewesen wäre, was nun doch nicht ganz der Realität entspricht. Nach rund 9:00h in der Wand waren wir um 19.00 Uhr abends beide am Top. 39 Bolts waren es schliesslich gewesen, die ich im Vorstieg platziert hatte. Spätestens der nächste Tag bezeugte dann, dass dies eine harte Beanspruchung von Fuss- und Wadenmuskulatur gewesen war. Mit noch so grosser Freude allerdings!

Tolle Plattenkletterei mit ein paar seichten, aber griffigen Löchern in L4 (6b).

Damit war alles bereit für die ersten Wiederholungen der Route. Der Lauf der Dinge entwickelte sich schliesslich so, dass wir uns diese 8 Tage später am 5.7.2024 selbst sicherten. Ein freundlicher Samstagvormittag war angekündigt, bevor die nächste Gewitterfront über das Land ziehen sollte. So stellten wir einen straffen Zeitplan auf, denn nebst dem RP-Business in der Kairos sollte bei entsprechender Planung auch noch ein Nebenprojekt realisierbar sein. Nun denn, dass mir eine durchgehend sturzfreie RP-Begehung der Kairos gelang, wird die Leser bei den dafür vorgeschlagenen Schwierigkeiten kaum verblüffen und auch nicht für weitreichenden Applaus sorgen. Solcherlei Tun ist ja sowieso nur für den eigenen Genuss bestimmt und diesen hatte ich ausgiebig. Es war eine grosse Freude, die Route mit leichtem Gepäck zügig zu durchsteigen und nochmals zu erleben, wie mein Plan mit diesem Projekt so prima aufgegangen war. Bei eitel Sonnenschein stiegen wir freudig auf dem Gipfel aus. Die Konsultation von Uhr, Himmel und Radar-Animation verriet, dass wir das geplante Zweitvorhaben noch würden umsetzen können. Davon berichtet dann aber ein nächster Blog...

Da war die Mission am Fels schon erfüllt - nun hiess es noch, trocken ins Tal zu kommen. Hat geklappt!

Zustieg

Vom Wägitalersee entweder zu Fuss oder bequemer und zeitsparend per Bike zur Schwarzenegg. Ein markierter Wanderweg führt weiter zur am Wochenende bewarteten Kletterhütte Bockmattli. Von dieser kurz durch die Gross Chälen hinauf, bis in der fünften Kehre nach dem Wegweiser ein deutlicher Pfad nach links in die Kleine Chälen abzweigt. An deren Fuss gute Depotmöglichkeit, dann ~10 Minuten auf guten Trittspuren durch die Rinne hinauf bis zum Punkt, wo die Spur von der Westschulter des Kleinen Turms von links her einmündet. Nach einer kurzen Traverse von 20m nach rechts befindet man sich auf dem bequemen Einstiegsband. Links am Fuss einer Verschneidung startet Meriba (5c+), die mit Fixé-Laschen mit Bächli-Imprint ausgerüstet ist. Zehn Meter rechts davon ist der Einstieg von Kairos (Austrialpin-Plättli), gekennzeichnet durch 2 SU-Schlingen und einem eingemeisselten 'K' (Koordinaten CH LV95 2'715'015/1'217'665 bzw. WGS84 47.09998, 8.95379, Höhe 1660m). Gehzeit vom See zu Fuss ca. 75-90 Minuten (750hm), mit Bike ca. 30 Minuten schneller.

Durch die Kleine Chälen geht's in 10-15 Minuten von der Kletterhütte hinauf zum Einstieg.

Und wenn wir schon beim Zustieg sind: Kairos lässt sich ideal mit allen Routen kombinieren, welche auf der Westschulter des Kleinen Bockmattliturms enden (u.a. meine Kreationen Echo der Zeit, Element of Slime, Prachtsexemplar). Insbesondere zum Echo der Zeit ist es schwierigkeitsmässig die perfekte Ergänzung. Von dessen Ausstieg an der Westschulter erreicht man in nur 2 Minuten den Einstieg von Kairos und kann gleich wieder loslegen, es ist ein absolut logisches Enchainement.

Blick zur Westschulter, wo Echo der Zeit, Element of Slime und Prachtsexemplar enden. Ein kurzer Abstieg über das Band (mit inzwischen guter Wegspur) führt unmittelbar am Start von Kairos vorbei. Wer also noch Lust auf mehr hat, kann gleich wieder loslegen.

Routenbeschreibung

Bockmattli / Namenloser Turm - Kairos 6b (6a obl.) - 6 SL, 180m - M. Dettling & G. Arnold 2024
Material: 1x40m-Seil, 12 Express, Cams/Keile einsetzbar aber nicht zwingend nötig

L1, 40m, 6a+: An Henkeln geht's mit dem Motto "hoch das Bein" über den ersten Überhang hinweg, bevor griffige Löcher zur Verschneidung führen, die an einigen 'klingenden' Griffen erstiegen wird. Der direkte Weiterweg führt auf eine dunkle Platte. Formidable Strukturen mit Trittmulden und kleinen Schüpplein erlauben die Passage in gerader Linie, bevor man gutgriffig über einen kleinen Wulst die letzten Meter zum Stand absolviert.

Guido folgt in L1 (6a+) an unserem Bohrtag. Nebenan ist eine Seilschaft in der Meriba unterwegs.

L2, 25m, 5c/6a: Auch hier erlaubt der schön strukturierte Fels das Weitersteigen direkt über die folgende Wandzone. Mittig in der Seillänge heisst es dann aber unweigerlich, auf einen Grasbalkon zu manteln (originelle Passage, geht gut!). Die folgende Steilzone markiert die Crux: auch diese geht sehr elegant und an überraschend auftauchenden Griffen direkt - wer es sich einfach(er) machen will, klettert eine Rechtsschleife. Dann zu Stand auf bequemem Band.

Ausblick auf L2 (5c/6a), wo gerade der letzten Zwischenhaken gebohrt wird.

L3, 25m, 5c+: Zuerst eine kurze "Emmentaler-Passage" mit griffigen Löchern zum "Kühlschrank", d.h. einem zwischen etwas grasigen Rissen eingebettenen, kompakten Plattenstück. Die Absicherung ist so konzipiert, dass man dieses rein im Fels ersteigen kann. Ausweichen ist wohl einfacher und weniger genussvoll, mais chacun à son goût. Der Stand dann erneut auf bequemem Grasband.

Die bequem gelegenen Standplätze sind sehr angenehm, dafür gibt's weniger tolle Nachsteigerfotos.

L4, 30m, 6b: Eine tolle Seillänge! Ja, es geht wirklich direkt durch das kompakteste Plattenstück mit seinen nur fein angedeuteten Lochstrukturen (siehe Foto im Abschnitt 'Erschliessung'). Die BH sind vom Stand auf den ersten Blick leicht zu übersehen - es geht nach rechts rüber an den Fels und dann gerade hoch, nicht etwa links die Rinne hinauf! In der Lochwand gilt es, die optimale Griff-/Tritt-Kombination zu entschlüsseln - eine knifflige Sache, doch mit der richtigen Lösung ist es gar nicht allzu schwierig! Im oberen Teil bieten rissähnliche Strukturen Brotlaib-Pinching, bevor ein Hangel an einem griffigen Riss nach rechts zum Stand führt.

Eine schöne Hangelpassage beschliesst die Cruxlänge (L4, 6b).

L5, 25m, 5c+: Hier geht's über ein kompaktes, pfeilerähnliches Stück Fels weiter - mit griffig-steilem Auftakt, gefolgt von einem technischen Boulder. Etwas leichteres, griffiges Gelände führt zu einem breiten Grasband, wo sich am Fuss der letzten Felsstufe der Stand befindet. Das Wandbuch liegt in einer Nische 2m links vom Stand in einem Honigglas (gut sichtbar, bitte nach Eintrag wieder gut verschliessen und verstauen, danke!).

Am Einrichten von L5 (5c+).

L6, 35m, 5b: Schöne, griffige und gemütliche Kletterei führen über die Kante hinauf. Bei einem Absatz nach 20m wechselt man nach rechts in die Wand (die BH leiten den Weg). Ein kleiner Überhang und ein schöner Plattenriss bilden die letzten klettertechnischen Programmpunkte, bevor ein paar grasige Meter direkt zum Gipfel vom Namenlosen Turm führen. Der Stand (Muniring und Longlife-BH, gemeinsam mit Namenloser Kante und Höhlenweg) befindet sich 3-4m zurückversetzt südseitig am Fels - am besten mit Seilschlinge vorne an der Kante zur Nordwand nachnehmen!

Fantastisch das Ambiente da oben, mit Ausblicken bis zu mir daheim im Züribiet!

Abstieg

Von Namenlosen Turm gibt es zwei ideale, zügige und unkomplizierte Fussabstiege. Dazu vom Gipfel 100m ostwärts auf gut sichtbarer Wegspur der Krete entlang bzw. leicht nordseitig unterhalb gehen bis zu einem kleinen Sattel. Nun entweder a) nach rechts auf einem Weg in die Gross Chälen absteigen, was in 20 Minuten zur Kletterhütte Bockmattli führt. Alternativ b) vom Sattel nach links weglos über die wenig steile Grasflanke absteigen. Diese führt einen (zuletzt über eine kurze Stufe) zur Kleinen Turmscharte am oberen Ende der Kleinen Chäle. Dann durch diese auf Trittspuren hinunter zurück zur Kletterhütte. Der Zeitbedarf dafür ist etwas länger, dafür kommt man nochmals am Einstieg vorbei. Ein Abseilen vom Gipfel ist nicht sinnvoll und aufgrund der Lage des Standplatzes am Gipfel auch nicht vernünftig auszuführen. Ein Rückzug ist jedoch bis zum Stand nach L5 von jedem Punkt der Route gut möglich, die Standplätze sind entsprechend ausgerüstet.

Auf dem Abstieg (Variante b)), hier in der Kleinen Turmscharte mit super Ausblick auf den Westpfeiler.

Material, Absicherung & Topo

Die Route ist mit 46 rostfreien Bohrhaken prima abgesichert und kann auf Stufe xxxx bzw. Plaisir gut+ eingeschätzt werden. Diese Form der Erschliessung wurde bewusst gewählt: sie erlaubt es, genussvoll und direkt über die schönsten, kompaktesten Felspartien zu steigen. Ein gewisser Anspruch besteht aber dennoch, ca. 5c+/6a ist obligatorisch zu meistern - bei guter Absicherung in Gelände wo man auch stürzen darf, wohlverstanden! Wiederholt sind (v.a. an einfacheren) Stellen SU-Schlingen, Cams und/oder Keile für zusätzliche mobile Sicherungen einsetzbar. Zwingend nötig erscheint mir dies wegen der guten BH-Grundabsicherung jedoch nicht. Zuletzt noch ein paar Planungsgrundlagen: die NW-seitig ausgerichtete Route liegt bis am frühen Nachmittag im Schatten, hat grob von Mai-Oktober Saison und trocknet dank der Wandkletterei über kompakte Wandzonen (für Bockmattli-Verhältnisse) zügig ab. Selbst im niederschlagsreichen Juni 2024 war sie stets einwandfrei begehbar. Somit verbleibt mir nur, viel Spass zu wünschen! Hier gibt's das Topo als PDF, allez les amateurs!

Das schematische Topo zur Kairos im Bockmattli. Gibt's auch als PDF!

Zuletzt werden hier noch unsere Gedanken zur Wahl des Routennamens geschildert. Ich zitiere von dieser Webseite: "Chronos und Kairos, die Dichotomie der Zeit. Die alten Griechen hatten zwei Bezeichnungen für die Zeit: Chronos und Kairos. Der griechische Gott Chronos, Vater des Zeus, steht für den tickenden Sekundenzeiger, die fallenden Körner der Sanduhr. [...] Wer seine Lebenszeit nicht effizient nutzt, der wird von Chronos verschlungen. Dem aktiven Menschen ist Chronos der Schatz an Erfahrungen und Weisheiten. Kairos hingegen, der jüngste Sohn des Zeus, ist der Gott des rechten Augenblicks und der günstigen Gelegenheit. Kairos trennt die Verbindung zur Vergangenheit. Die Chancen liegen im aktuellen Moment. Um die Gelegenheit am Schopf zu packen, muss man achtsam im Moment leben. Denn der richtige Augenblick ist flüchtig. [...] Chronos steht für Erfahrungen, Kairos für Möglichkeiten. Chronos ist die Vergangenheit und die Zukunft, Kairos ist die Gegenwart.". Das hat bestens gepasst, denn hier haben wir den richtigen Moment für diese Neutour gepackt. Zudem kann Kairos ideal im Anschluss ans Echo der Zeit geklettert werden...

Das Fototopo zur Kairos im Bockmattli. Gibt's auch als PDF!

Dienstag, 2. Juli 2024

Bockmattli - Meriba (5c+)

Ja, von Mitte Mai bis Mitte Juni lief wetterbedingt nicht viel im MSL-Business. Oder genauer gesagt: gar nichts. Darum auch die temporäre Funkstille auf diesem Blog. Untätig war ich deswegen natürlich nicht geblieben, aber übers Sportklettern und Bouldern gab's (trotz einiger schöner Erfolge) nix generell Wissenswertes zu schreiben. Doch endlich einmal war ein trockener und warmer Sommertag angesagt. Für eine grössere Tour reichte es leider nicht, unverrückbare Termine bei der Arbeit stellten es sogar in Frage, ob ich überhaupt ausrücken könnte. Schliesslich war es 15.15 Uhr, bis ich den Laptop endgültig zuklappen konnte. Allzu grosse Sprünge lagen um diese Zeit nicht mehr drin und ob der Unsicherheit hatte ich auch keinen Partner organisiert. Für einen Ausflug ans Bockmattli, wo ich das letzte Mal vor 3 Jahren war, sollte es aber reichen.

Blick von der Kletterhütte Bockmattli auf den Kleinen Turm und den Namenlosen Turm. Der Einstieg und das Top der Route Meriba (5 SL, 5c+) sind mit den Pfeilen markiert. 

Mit dem E-Bike ging's zügig von der Staumauer hinauf zur Schwarzenegg, dann zu Fuss ins Reich der Türme. Diese präsentierten sich auf den ersten Blick verwaist und menschenleer. Etwas unverhofft kreuzte ich später aber dann doch zwei Seilschaften, welche beide das Echo der Zeit geklettert hatten und mir lobende Worte darüber berichteten. Dem konnte ich nur zustimmen, diese Linie hätte mir bestens gefallen, war meine Replik 😊 Mein Weg führte mich schliesslich hinauf durch die kleine Chälen zum Einstieg. Diesen findet man am Namenlosen Turm auf der Höhe, wo von links die Wegspur von der Westschulter am Kleinen Turm einmündet. Es starten dort zwei mit BH abgesicherte Routen, die linke mit den grossen Fixé-Plättli mit dem Bächli-Imprint ist die Meriba. Rechts startet die vom Autor im 2024 erschlossene Neutour Kairos (6b). Um 17.45 Uhr war ich 'all geared up' und startete im Rope Solo Modus in die Route.

L1, 40m, 5c+: Eine absolut geniale Seillänge. Steil, aber mit Schlitzen, Löchern und Leisten garniert. So geht auch das was schwierig aussieht immer super auf, ohne dass es je schwierig würde! Noch dazu ist die Absicherung mit vielen BH im Komfortmodus ausgefallen, auch stecken sie an den absolut richtigen Stellen.

Dieses Foto wurde beim Abstieg von der Westschulter des Kleinen Bockmattliturms aufgenommen (nachdem wir die erste RP-Begehung der neuen Version vom Element of Slime gemacht hatten). Kathrin (in voller Auflösung sichtbar) befindet sich gerade an dem Punkt, wo die Spur von der Westschulter mit jener in der Kleinen Chäle zusammentrifft. Und genau von dort quert man wenige Meter hinüber zum Einstieg der Meriba. Deren tolle erste Seillänge ist hier bestens sichtbar.

L2, 40m, 5c: In ähnlichem Stil geht's weiter - nicht mehr ganz so gut und anhaltend, hin und wieder kann/muss man hier nun auch schon mal auf's Gras treten. Am Ende der Seillänge wird man sich bewusst, dass man an einer Art Vorbau/Turm geklettert ist und nur eine kleine Abkletterpartie von 2-3m in die Scharte einen zum nächsten Stand bringt (in Seilschaft vermutlich seilzugtechnisch nicht ganz optimal).

L3, 35m, 5c: Hier ist das Gelände nun nicht mehr ganz so homogen toll wie davor. Die Route sucht und findet aber den besten Weg mit lässiger Kletterei, besonders im Mittelteil geht's super griffig an bzw. rechts einer Verschneidung durch. Auch am Ende dieser Seillänge ist man wieder auf einer Art Turm angelangt. Hier ist das Abkletterstück in die Scharte nun schon 4-5m (Fixseil vorhanden) und man sichert vermutlich bequemer mit Zackensicherung auf dem Turm nach?!?

Der Fokus bei der Aufnahme dieses Fotos lag mehr auf dem eleganten Bockmattli Westpfeiler leicht links der Bildmitte. Tatsächlich ist aber auch fast der ganze Verlauf der Meriba in der schattigen Nordwand am Namenlosen Turm einsehbar.

L4, 35m, 5c: Auf diesem Abschnitt bewegt man sich am linken Rand einer grossen Platte. Wenn man sich den besten Weg sucht, wird es nie schwierig, griffige Schuppen helfen auch hier kommod bei der Fortbewegung. Am Ende in wenig steilem Grasgelände zu Stand an 2 BH am Fuss der Kante des folgenden und letzten Felsabschnitts.

L5, 35m, 4b: Der Auftakt bietet nochmals ein paar spannende Moves, nachher wird das Gelände gratartig und deutlich leichter. Am Ende geht's in grasigem Gelände um die Bäume herum dem Gipfel entgegen. Der letzte BH-Stand von Meriba befindet sich ca. 5m unter dem Gipfel hinter der Tannengruppe, von wo man dann seilfrei die letzten Meter zum Gipfel steigen kann. Alternativ gleich den Muniring der Namenlosen Kante am Top nutzen, welcher sich 1m jenseits unterhalb des Gipfels südseitig befindet.

Eh bien, c'est ça! Ein paar Minuten nach 20.00 Uhr und somit nach rund 2:15h der Kletterei hatte ich die Route 2x im Aufstieg und 1x abseilend bewältigt. Das war also ziemlich zügig gegangen - wie vermutet war die Meriba dank ihrer Unkompliziertheit, der angenehmen Straightforward-Kletterei und der sehr guten Absicherung ein ideales Ziel für eine Rope Solo Mission gewesen. Denn dabei zählt für mich nur der Genuss und Spass am Moven, da muss ich mich nicht mit anspruchsvollen Routen verwirklichen, die man besser in Seilschaft angeht. So konnte ich gechillt auf dem Namenlosen Turm eine Pause machen. Der Abstieg von der Meriba führt erst auf deutlichen Wegspuren ca. 100m dem Grat entlang Richtung Osten, in der ersten Scharte führt dann rechts ein Weg in die Gross Chälen hinunter und retour zum Kletterhüttli. Alternativ kann man von der Scharte auch nach links weglos über die Wiese absteigen und gelangt so zur kleinen Turmscharte, von wo man durch die Kleine Chälen wieder die Kletterhütte erreicht. Das ist kraxliger und eher langsamer, dafür kommt man nochmals am Einstieg vorbei und kann ein allfälliges Depot aufheben. Dieser Alternativabstieg ist auf dem Foto oben gut sichtbar. Für mich persönlich war's das nicht ganz, das Tageslicht liess noch einen spannenden Erkundungsgang durch das Bockmattlimassiv zu und ich machte mich erst auf den Heimweg, als es definitiv einzudunkeln begann. Viel Freude hatte es gemacht, sich endlich wieder einmal im Terrain und nicht nur im Klettergarten oder an den Blöcken zu bewegen - möge endlich so richtig stabiles Wetter kommen, das uns mehr derartige Ausflüge ermöglicht!

Time to go home: die Westschulter am Kleinen Turm im letzten Licht.

Facts

Bockmattli / Namenloser Turm - Meriba 5c+ (5c obl) - 5 SL, 185m - M. & K. Schmed, T. Götz 2015 - ***;xxxx
Material: 1x40m-Seil, 12 Express, Cams/Keile nicht nötig

Genussreiche, unkomplizierte und sehr gut abgesicherte Plaisirroute, die meist Wand- und Plattenkletterei in prima strukturiertem, solidem Bockmattli-Nordwandfels bietet. Hier und da spriessen Grasbüschel und auf ein paar Abschnitten geht/klettert man im Grasgelände, was aber überhaupt nicht stört. Position und Umgebung sind fabelhaft, mit dazu gehört ein Gipfelerlebnis - top! Wie bereits erwähnt, ist die Absicherung mit rostfreien BH bestens, fürchten muss man sich hier nicht. Hier werden wohl alle frohgemut auf mobile Sicherungen verzichten können - anbringen könnte man allerdings immer wieder welche, wenn man denn wollte. Erwähnenswert: abseilen über die Route macht keinen Sinn, der Fussabstieg ist viel schneller und einfacher. Falls ein Rückzug nötig ist, so ist dieser sicher möglich - wegen der Lage der Standplätze 2 und 3 hinter Scharten ist aber etwas Improvisation gefragt (sprich einfach an den Kettenständen abseilen funktioniert eher nicht). Für einen Rückzug günstiger liegen die Standplätze der Nachbarroute Kairos. Das Topo zur Meriba findet man im plaisir OST oder auf der Webseite der YOYO-Kletterschule.

Freitag, 7. Juni 2024

Schibenstoll - Party 1142 (7a)

Erst kürzlich war mein Seilpartner in die Schweiz übersiedelt. Als bekennender MSL-Fan sei es ihm bisher schwer gefallen, Seilpartner für anspruchsvolle Unternehmen in den Bergen zu finden. Zwar seien alle Bouldergyms und die überhängenden Klettergebiete sehr gut besucht. Aber mit Zustieg, technisch-plattiger Kletterei und den Unabwägbarkeiten einer MSL-Tour wolle sich fast niemand herumschlagen. Somit wartete er noch auf seine Première nach der Züglete, wobei das instabile Frühlingswetter im 2024 natürlich das seinige dazutat. Jedenfalls konnte ich seinen Feststellungen nur zustimmen. Zu den erwähnten Punkten kommt bei mir kommt noch hinzu, dass nach langer "Karriere" bereits (fast) alle gängig-bekannten und im Topo mit 5* dekorierten Touren gemacht sind. Und Leute für neu erschlossene, obskure und/oder schwierige Routen zu finden, ist dann gleich nochmals schwieriger. Kurzum, die Party 1142 gleich als die erste MSL-Adresse in der Schweiz anzusteuern ist sicherlich etwas unorthodox - aber unter den gegebenen Voraussetzungen hat die Wahl eben doch ihre Logik.

Nein, so winterlich hat es an unserem Tourentag natürlich nicht ausgesehen. Der Nachteil am Churfirsten-Zustieg von Norden ist ganz klar, dass man Wand und Route nie übersichtlich zu Gesicht bekommt. Aus diesem Grund musste ich mir hier auch mit einem Foto von countryboy @ hikr.org behelfen, um den ungefähren Routenverlauf der Party 1142 am Schibenstoll Westgipfel einzuzeichnen.

Der beste Ausgangspunkt zur Tour befindet sich hier auf der Selamatt (Kartenlink) in der Kurve vor P.1536 bei Schribersboden, wo sich einige wenige Parkplätze befinden. Die Zufahrt dahin kostet 13 CHF an Taxe, bezahlbar an einem Automaten mittels Münzen oder Twint. Alternativ (und insgesamt etwas schneller) von Unterwasser per E-Bike, mit welchem man noch hinauf bis ins Rügglizimmer (P.1648) fahren kann. Von da geht es nur noch zu Fuss weiter, unsere Tour startet um 8.45 Uhr. Wir folgen dem Wanderweg bis zur Verzweigung Zuestoll/Schibenstoll, wobei wir schon die ersten Schneefelder begehen müssen - keine Überraschung für mich, es ist ja erst 6 Tage her, seit ich am Brisi noch auf Skitour war. Sie sind jedoch kompakt und auch in Zustiegsschuhen easy begehbar. Solange noch Schnee liegt, gilt es jedoch Acht zu geben auf einige heimtückische Karstlöcher, die sich in unmittelbarer Nähe der Wegspur befinden. Auf ca. 1765m nehmen wir dann den direkten Weg ins Kar zur Stollenfurggel und gehen meist über den gut begehbaren Schnee, das apere Gelände zu suchen wäre aufwändiger und zeitraubender. 

Lieber ein Foto vom Klettern wie vom Wandern... das ist der Start in L3 (6c+). Ich komme nicht umhin, den sich hier amateurhaft hinter dem Seil befindlichen Fuss zu kommentieren. Vor dem Klipp des zweiten BH war die Positionierung richtig, unmittelbar danach (als geknipst wurde) nicht mehr. Das wurde natürlich vor dem Weiterklettern bereinigt, so zu stürzen wäre unangenehm. Aber besser noch hätte ich den Haxen schon vor dem Foto umplatziert 😎

In der Stollenfurggel eröffnet sich der wunderbare Tiefblick auf den Walensee. Und es wird sich uns präsentieren, wie gut wir in den Schnüerliweg einsteigen können. Früh in der Saison kann es wegen Wechtenbildung in allen Churfirstensätteln schwierig sein, von der schneebedeckten Nordseite auf die apere Südseite zu wechseln. Meine Ferndiagnose anlässlich einer Bouldersession im Murgtal hatte zwar ergeben, dass es problemlos sein müsste. Aber aus 7.5km Distanz sieht man nicht alles restlos genau... doch hier lag ich richtig, es war kein Problem. Ich war sehr gespannt auf diesen Abschnitt des in letzter Zeit stark gehypten Schnüerliwegs (zuvor kannte ich nur den östlichen Teil vom Valsloch bis zum Einstieg der Rauchpause). Doch während es global gesehen schon eine recht aussergewöhnliche Passage ist, war ich schlussendlich fast ein wenig enttäuscht: die Querung von der Palisnideri zu den Einstiegen am Zuestoll ist doch wesentlich spektakulärer und exponierter. Zum Einstieg muss dann noch ein ordentliches Stück (ca. 200m) unter der Wand in problemlosen Gehgelände gequert werden. Die Fixschlinge am Einstieg der Westgipfel Südwand weist einen dann unmissverständlich darauf hin, dass man sich am richtigen Ort befindet. Wir bereiteten uns vor, ich startete schliesslich um 9.45 Uhr mit der Kletterei.

Die schmalste Passage am Schnüerliweg - nicht ganz so spektakulär wie der Zustieg am Zuestoll.

L1, 25m, 6a+: Die ersten Moves haben es gerade in sich, danach folgt schöne, etwas einfachere Kletterei in gutem, plattigem Fels. Zuletzt dann nochmals etwas steiler nach rechts hinaus. Ein freundlicher und gut abgesicherter Auftakt.

Am Ende von L1 (6a+) wartet nochmals eine etwas steilere Passage.

L2, 20m, 6c: Gleich die Passage aus dem Stand raus ist wegen Trittarmut fordernd, bevor es etwas einfacher zu einem kleinen Dächli mit nachfolgender Rippe geht. Weite Züge zwischen recht guten Schuppen stehen da auf dem Programm, wobei die Füsse ausgewählt auf abschüssigen-rauen Reibungstritten platziert werden müssen. 

Das im Text zu L2 (6c) erwähnte Dächli dürfte hier erkennbar sein.

L3, 20m, 6c+: Kurz nach links und dann geht's gleich los mit einer Passage, wo entschlossen an kleinen (und teils fragil wirkenden) Schüpplein gezogen werden muss. Eindrücklich und anhaltend geht's durch die geschlossene Wand weiter, wobei sich dem Kennerauge immer ein Weg eröffnet und alles gut aufgeht. Das gilt auch für die Linkstraverse am Ende der Seillänge - choose your way wisely!

Hervorragende, senkrecht-technische Wandkletterei in L3 (6c+).

L4, 25m, 7a: Erneut gibt's einen fulminanten Auftakt gleich mit der Crux. Mein Kletterpartner hat die mit komplett anderer Beta gelöst wie ich. Er probierte erst meine Idee und taxierte sie als 'unmöglich', mir ging's aber mit seinem Ansatz genau gleich... jedenfalls, ich kam gut durch und fand diesen Abschnitt nicht spürbar schwieriger wie die Cruxen L3 oder L5. Bald ist die Sache hier gegessen, die oberen drei Viertel sind deutlich einfacher: erst griffige Wand, dann an oder schöner neben der Verschneidung.

Da ist der gute Griff am Ende der Cruxsequenz von L4 (7a) in der Hand und es kann entspannt werden.

L5, 35m, 6c: Zu Beginn eine stark grasig-schrofige Passage, zum Glück ist der Fels fest. Es folgt ein erster Riegel in sehr schönem Fels, der sich tiptop auflöst. Am zweiten Riegel heisst es dann mehr zupacken: der präsentiert die Crux: sich abschüssig-seitgriffig delikat positionieren und kurz zum Rettungsgriff zaubern heisst da das Motto. Geholfen hat dabei ein Mikroschüpplein - ja es ist dort geblieben, aber ob es dies für immer tut?!? Zuletzt einfacher zum Stand, Achtung auf den (offensichtlichen) losen Block.

Das Finish von L5 (6c) ist gemütlich, die Crux hingegen knifflig-bouldrig-kurz und tricky.

L6, 35m, 6c+: Im Schrofengelände hinauf zu einer superschönen Wand, die attraktiv aussieht aber taffe Moves vermuten lässt. Diese findet man jedoch vor allem am Einstieg, wo es an Slopern in einer Traverse über ein Dächlein hinweg geht. Wichtig: den zweiten BH nach Klipp des dritten wieder aushängen oder stark verlängern, sonst bezahlt man sicher mit viel Seilzug. Die Wand oberhalb klettert sich dann dank super strukturiertem Fels genialst und viel einfacher wie gedacht.

Nach schrofigem Auftakt bietet L8 (6c+) kompakte Wandkletterei in superschönem Fels.

L7, 35m, 5c+: Der Auftakt in diesen Abschnitt ist komplizierter, wie man für den Grad vermuten könnte. In einem 'S' liegt die Lösung, nachher geht's auf der Rampe in schönem, griffigem Fels gemütlich nach rechts. Wir haben uns gefragt, warum vom Erschliesser nicht eine schwierigere Linie gerade hoch in de visu schönem, forderndem Terrain gewählt wurde... unsere Antwort dazu: so käme man nicht zum Gipfel und die Route wäre 1 SL weniger lang.

Gemütliche Kletterei in schönem Fels über die Rampe, durch welche L7 und L8 führen.

L8, 40m, 6a: Auf der Rampe geht's weiter, die Kletterei noch immer schön, aber ohne die ganz speziellen Momente. Im zweiten Teil kommt man dann zu einem schrofigen Kessel unter dem Gipfelaufbau. Hier wurde die Route rechts in den Fels gelegt - das ist v.a. zu Beginn sicher angenehmer so, vor dem Ende ist der Fels dann aber eher chossy und erfordert einige Vorsicht. Wir fanden diese Länge insgesamt einfacher wie L7.

L9, 25m, 6b: Das etwas gesuchte Schlussbouquet am Gipfelaufbau bietet nochmals schöne Moves. Über Stufen hinweg zu einer Traverse, wo der Exit in einfaches Gelände die Crux darstellt. Diese ging allerdings 'gäbig' von der Hand, sprich eher einfacher wie 6b. Der letzte Teil zum Top ist dann zwar klettertechnisch geschenkt, der lose Fels erfordert aber gehörige Aufmerksamkeit.

Bernat entsteigt der Crux von L9 (6b). Zum Schluss dann alpines Gelände, das Umsicht erheischt.

Um 13.45 Uhr hatten wir es nach 4:00h Kletterei geschafft. Meinem Kletterpartner war eine einwandfreie Onsight/Flash-Begehung gelungen - bravo, welch ein Einstand ins Schweizer MSL-Klettern! Mit einer einwandfreien Begehung kann ich mich nur fast (bzw. eben nicht) rühmen: leider musste ich zu Beginn von L3 einen Sturz wegen Griffausbruch verzeichnen. Ich nutzte das offensichtlichste, positive Feature da, im Glauben dass dies bereits bei Erschliessung und Erstbegehung getestet worden sei. Doch entweder lag ich damit falsch oder habe zu viel Kraft eingesetzt... jedenfalls war ich zurück auf Höhe Stand, bin gleich wieder los und durchgestiegen. Bei der entsprechenden Stelle muss nun eine andere, kleinere Struktur genutzt werden, die aber vorhanden ist. Rein in Bezug auf's Festhalten ist vielleicht einen Tick schwieriger geworden, dafür ist der Onsight-Durchstieg aber vielleicht auch einfacher, weil ich eine "Falle" aus der Route entfernt habe 😊 Anyway, bis auf dieses kurze Missgeschick darf auch ich mir einen Durchstieg notieren. 

Top am Schibenstoll Westgipfel (P.2196), ein exklusiver, nur selten besuchter Ort.

Wir machten den kurzen Weg hinüber zum Steinmann auf dem Schibenstoll Westgipfel (P.2196), den ich zuvor noch nie erreicht hatte und der auch nur sehr selten bestiegen wird. Es gibt nämlich keinen wirklich einfachen Weg dahin und die Kletterrouten sind alle nur spärlich frequentiert. Das zeigt sich durch die Tatsache, dass immer noch das erste Gipfelbuch von 1968 in der Schatulle versteckt ist. Es war sehr spannend darin zu lesen, bitte dieses jedoch sehr sorgsam behandeln!!! Ein Kurzfazit: ab 1968 und in den 1970ern gab es regen Verkehr der lokalen und regionalen Szene in den damals relativ frisch erschlossenen, klassischen Routen. Mit dem Aufkommen der Sportkletterei verebbte dies, so herrscht zwischen 1985 und 1992 eine Lücke. Wohl nur dank der guten Dokumentation in den Churfirstenführern von Thomas Wälti (1995 und 2023) gibt es in der neueren Zeit überhaupt noch Besuch. Doch auch dieser ist nicht üppig. Es wird spannend zu sehen sein, ob die Party 1142 nun mehr Begeher an den Schibenstoll Westgipfel lockt. Laut dem Gipfelbuch war unsere Begehung jedoch die erste Wiederholung der Route.

Man vergleiche zu p.11 im SAC-Kletterführer St. Galler Oberland von 2023 😀. Also von den 1142 Türmen im Elbsandstein bin ich weit, weit weg. Im besten Fall sind es 11 oder noch ein paar mehr, sicher aber keine 42. Sprich, ich war anno 2009 mal dort unterwegs. Leider die Fotos (Speicherkarte) verloren und daher nie "etwas daraus gemacht", was die Erinnerungen hat verblassen lassen... Dafür komme ich langsam in die Nähe von 1142 gekletterten MSL-Routen, das ist ja doch auch etwas 🤓 und erst noch mit dem Vorteil, dass man damit nicht fertig ist, sondern die Geschichte noch weitergeht. Allerdings gibt's halt auch keine Party...

Für den Abstieg gibt es unterschiedliche Optionen: 1) hinüber zum Hauptgipel (alpines Gelände, T6) und Fussabstieg über den Wanderweg, 2) Abstieg mit 3x Abseilen über den Westkamin oder 3) Abseilen über die Route. Das ist laut Topo nicht vorgesehen, aber wir hatten trotzdem beschlossen, auf diese Lösung zu setzen (da nordseitig teils noch Schnee vorhanden und man sonst das ganze Material mitführen muss, da man nicht mehr am Einstieg vorbeikommt). Das Abseilen ging gut und zügig in 4 Manövern à 60m. Wobei zwei, drei Dinge zu erwähnen sind: a) die Standplätze sind nur rudimentär mit Schlingen, jedoch ohne Abseilring/Karabiner ausgerüstet, b) v.a. in den flacheren Passagen besteht ein substanzielles Verhängerrisiko an Schuppen und Zacken mit rauem Fels und c) ist die Steinschlaggefahr beim Seilabziehen bestimmt nicht null. Das konnten wir aber alles managen und bald am Einstieg vespern, bevor wir über den Schnüerliweg rausquerten, dann auf dem Schnee zügig das Stollental runterrutschten und zurück zum Ausgangspunkt gelangten. Das war eine tolle Auftakttour mit Bernat gewesen, es mögen hoffentlich noch viele weitere folgen!

Zügiger Abstieg durchs Stollental (steilste Passage 40 Grad, heikel bei Hartschnee!)

Facts

Churfirsten / Schibenstoll - Party 1142 7a (6b+ obl.) - 9 SL, 260m - Th. Wälti 2022 - ***;xxxx
Material: Ja nach Abstieg 1x50m bis 2x60m, 10 Express, Cams 0.2-1

Die erste moderne Route am Schibenstoll Westgipfel bietet über weite Strecken schöne Kletterei in gutem Fels. In den schwierigen Abschnitten dominiert senkrechtes, technisch anspruchsvolles und bewegungsintensives Gelände, welches gute Lesefähigkeiten und Fusstechnik erfordert. Wegen der Art der Kletterei und auch weil die oft kleinen Strukturen mit Verstand behandelt werden wollen, scheint mir die Route eher für in diesem Gelände versierte Leute prädestiniert. In einfachen Abschnitten trifft man auch auf etwas Gras und weniger soliden Fels. Diesem Klartext zum Trotz sei erwähnt, dass die Route für erfahrene MSL-Kletterer wirklich ein absolut lohnendes Unternehmen ist, das vielleicht nicht ganz, aber doch fast an die Routen in der Zuestoll Südwand herankommt. Die Absicherung mit rostfreien Bolts ist an den Schlüsselstellen prima (Niveau xxxx) und es gibt keine zwingend schwierigen Passagen weitab der letzten Sicherung. Im einfacheren Gelände (bis 6a) wurde deutlich spärlicher gebohrt, da heisst es oft mehrere Meter zu steigen, bis wieder geklippt werden kann. Aber alles in vernünftigem Rahmen, denke Niveau xxx wird auch da erreicht. Da und dort lässt sich noch mobiles Gear platzieren. Allzu zwingend ist dies nicht und es lassen sich so auch nicht alle der längeren Hakenabstände entschärfen. Wir haben total ca. 5x einen (jeweils eher mässig zwingenden) Cam gelegt, die mitgeführten Klemmkeile haben wir nie benutzt. Ein Topo und weitere Infos findet man im hervorragenden SAC-Kletterführer St. Galler Oberland von Erschliesser Thomas Wälti himself.

Samstag, 1. Juni 2024

Schweiz plaisir JURA 2024

Vor wenigen Tagen steckte er in meinem Briefkasten, nun habe ich ihn bei regnerischem Wetter ausgiebig studiert, so dass ich ihn an dieser Stelle würdigen kann: der Schweiz plaisir JURA 2024 aus dem Filidor-Verlag von Sandro von Känel. Die letzte Ausgabe stammte aus dem Jahr 2017, wurde ebenfalls hier auf dem Blog präsentiert und mit vielen lobenden Worten versehen. Alle die damals erwähnten Pluspunkte treffen auch auf das neuste Werk zu: topaktuelle Infos, handliches Format, übersichtliche jedoch vollständige Skizzen und Topos, sowie die Anbindung an die Vertical-Life-App.

Alt und neu - das rechte Büchlein mit dem Titelfoto am Bubichopf in der Oberdörflerchlus ist die Ausgabe 2024.

Die Ausgabe 2024 präsentiert die 68 lohnendsten Plaisir-Gebiete in den drei Ländern Schweiz, Frankreich und Deutschland. Sie verteilen sich grob über das Dreieck Genf-Colmar-Zürich. Das sind ähnliche Parameter wie bei der Ausgabe 2017: dort waren 67 Gebiete beschrieben, ein grosser Teil ist in der 2024er-Edition natürlich deckungsgleich vorhanden - in dieser dicht besiedelten Region können kaum mehr grössere Klettergärten mit lohnenden neuen Felsen erschlossen werden. Ja man muss sogar aufpassen, dass es wegen Naturschutzauflagen und sonstigen Einschränkungen nicht immer weniger werden! Nichtsdestotrotz, eine Handvoll im alten Führer beschriebene Gebiete ist nicht mehr enthalten, während anderswo neues hinzukam. 

Blick auf die Umschlagseite mit dem Inhaltsverzeichnis der Ausgabe 2024.

Vielleicht ist das auch die grösste "Schwäche" der neuen Ausgabe: in Sachen Neuerschliessung von Plaisirgebieten läuft in dieser Region nicht viel und die Version von 2017 war schon so gut, dass massive Verbesserungen an Design und Layout kaum mehr möglich waren. Für Leute, bei welchen der Plaisir JURA noch nicht im Regal steht, ist er auf jeden Fall sehr empfehlenswert. Wenn man hingegen bereits auf die Auflage von 2017 zugreifen kann, so ist der Fortschritt nicht eminent - auch wenn es bestimmt manchen Klettertag erleichtert sowie Nerven und Zeit spart, wenn man über die neusten Infos in Sachen Sanierungen, Naturschutz, saisonale Sperrungen oder Parkplätze verfügt. Ich schliesse diesen Beitrag mit einem herzlichen Dank an Sandro, denn solch informative und gleichzeitig übersichtliche Kletterführer zu verfassen ist eine Kunst und das Beschaffen der ganzen Informationen eine Knochenarbeit. Der plaisir JURA ist ab sofort im Fachhandel erhältlich oder kann direkt beim Verlag bestellt werden!

Montag, 27. Mai 2024

Sommerskifahren am Brisi (2279m)

Pfingsten 2024 steht im Hause Dettling zuerst im Zeichen des Sportkletterns, zwei Tage wird im steilen Konglomerat in Bürs gemovt. Am dritten Tag widmet sich Larina wieder dem gewohnten Plastik, während Marcel seinen Knochen lieber etwas Ruhe gönnt und sich einem Alternativprogramm besinnt. Ein früher Aufbruch liegt nicht drin, somit stehen die Zeichen auf Bike statt Ski. Aber nur solange, bis mir der Gedankenblitz mit dem Brisi durch die Hirnwindungen schiesst: plötzlich ändert die Losung auf Bike & Ski.

Sicht von Stein SG auf Zuestoll, Brisi und Frümsel - noch fast durchgehend schneebedeckt.

Den Schneekarten und den sehr guten Webcams sei Dank ermittle ich da nämlich, dass der Brisirücken noch eine fast durchgehende Schneedecke aufweist und es sich auf geeigneter Linie noch bis in die Nähe der Strasse fahren lässt. Um die Mittagszeit starte ich schliesslich in Unterwasser mit dem Bike und radle den Churfirsten entgegen. Es sei an dieser Stelle explizit erwähnt, dass eine solch späte Aufbruchszeit für eine Skitour im Mai sehr anachronistisch ist und meist nicht funktioniert, ja man sich so unter Umständen sogar in Lebensgefahr begibt. Nicht so an diesem Tag am Brisi, da war ich mir schon im Vornhinein absolut sicher und genau so traf es ein: von den kompakten Altschneefeldern ging keine Lawinengefahr aus.

Bei sommerlichen Bedingungen geht's mit dem Schneetaxi zur Wechselzone.

Meine Wechselzone befand sich bei einer Strassenkurve auf 1560m bei der auf der LK mit Thurtalerstofel beschrifteten Rinne/Rücken. Nur rund 20hm mussten die Bretter getragen werden, dann konnte ich fellend steigen. Einzig der Einstieg auf den Brisirücken erforderte eine kurze Portage von ca. 50hm auf dem aperen Wanderweg. Danach ging's wieder mit Ski weiter, zweimal trat ich noch ein paar Meter übers Gras, die Bretter blieben aber bis zum Gipfel an den Füssen. Ungespurt war die Route im Übrigen nicht: es sah danach aus, dass in den Tagen zuvor etliche andere Tourengänger auf dieselbe Idee gekommen waren. Weiter teilte ich den Gipfel mit mehreren Wanderern, die den Gipfel in Turnschuhen erklommen hatten. Auf ihrer Ideallinie hätte es nicht übermässig viel Schneekontakt gegeben, berichteten sie. 

Auf dem Foto fast noch winterlich anmutende Schneedecke auf dem Brisirücken. Dabei habe ich die gesamte Tour in den kurzen Hosen bestritten - definitiv eine Premiere auf Skitour. Hitzestau an den Beinen gibt's so nicht, allenfalls sogar (un)erwünschte Kühlung. V.a. in der Abfahrt fällt der Schnee unweigerlich in die Schuhe...

Dann war es Zeit zum Skifahren: wie erhofft ergaben sich im kompakten Schnee mit seiner ziemlich glatten, nun prima aufgeweichten Oberfläche schöne Schwünge. Vermutlich wäre es tageszeitlich früher, nach einer Strahlungsnacht eher schlechter, da rumpliger und unregelmässiger. Ich rauschte bis ans Ende des grossen Schneefeldes, wo ich mich nach links orientierte und mit einer kurzen Portage ein NW-Couloir erreichte, über welches man ~40 Grad steil vom Rücken ausfahren konnte - coole Linie! Auf 1800m wieder in flachem Gelände stehend reizte mich der Abstecher ins ebenfalls noch perfekt eingeschneite Frümseltal - die 250hm zur Obersäss Nideri waren zügig erledigt. Auch hier waren die Verhältnisse mit der kompakten Schneedecke ideal. Was dafür nur heisst, dass ich zu schnell wieder retour am Bike war. Dieses brachte mich zügig und mit Fahrspass retour ins Tal, wo ich konstatierte, dass dies nun ein hervorragend zugebrachter (Kletter-)Ruhetag war - und vielleicht die letzte Skitour der Saison 23/24?!?

Hoppsla, nicht alle Tore richtig passiert beim Riesenslalom um die Blöcke im Frümseltal.

Facts

Brisi ab Selamatt, 700hm (+250hm für das Frümseltal), Ski-Schwierigkeit ZS

Mittwoch, 15. Mai 2024

Hundstein - Buuchfrei (6c)

Buuchfrei, das hört sich nach einem Thema für Teenage Girls an. Ist es aber nicht, denn die meisten weiblichen Geschöpfe dieser Altersstufe würden sich mit der hier beschriebenen Route ganz bestimmt keinen Gefallen tun. Viel mehr spricht sie vermutlich ältere Herren an. Ob das mit den genannten Kleidungsstücken nicht eigentlich genauso der Fall ist, ist eine Frage, wo man auf dieser Tour ganz bestimmt die Gelegenheit zur Erörterung findet. Denn wenn man die Route mit einem Attribut beschreiben müsste, so wäre dieses mit Sicherheit "lang". Mit 25 Seillängen an Kletterei und einem selbst bei flottem Marschtempo gegen zweistündigen Zustieg kann man sich auf eine 16+ Stunden Tour gefasst machen. Aber wenn man so etwas gerne macht, dann lohnt es sich sehr, das sei ganz klar bemerkt!

Blick von der Bollenwees auf den Fählensee und den Hundstein, mit dem Verlauf der Monster-Klettertour Buuchfrei (25 SL, 6c) im Profil. Kleiner Spoiler: man beachte die Schneefelder rechts vom Gipfel. Die sollten im Lauf unserer Tour noch eine Rolle spielen...

Die Tour startet beim Parkplatz Pfannenstil hinter Brülisau (Taxe 5 CHF/Tag, bezahlbar per Münzen oder mit Twint). Wer das straffe Programm nicht in einem Tag absolvieren möchte, findet diverse Möglichkeiten zur Unterkunft. Das Gasthaus Bollenwees (mit Hotelkomfort) oder die urige Variante im Matrazenlager der Fählenalp (derzeit noch nicht geöffnet) bieten sich am meisten an. Bis zur Bollenwees sind es rund 5km und netto 600hm auf einer breiten Fahrstrasse: erst steil hinauf durchs Brüeltobel, dann mit Höhenvernichtung am Sämtisersee vorbei und bei wechselnder Steigung zum Fählensee. Selbst wenn man sich hart ranhält, muss man gegen 1.5h kalkulieren. 

Fast schon wie ein Gemälde, diese Morgenstimmung am Fählensee: fantastisch!

Von der Bollenwees sind es dann nochmals rund 20 Minuten flach dem See entlang zur Fählenalp bzw. eine halbe Stunde zum Einstieg. Nur für marschtüchtige Kletterer also, das kann man mit Sicherheit sagen. Um 7.45 Uhr stiegen wir in die Route ein, wer also Reverse Engineering betreibt um die Aufstehzeit zu ermitteln, wird möglicherweise gleich vom Grauen gepackt. Die ist etwa dann, wenn die bösen Buuchfrei-Girls vom Ausgang heimkommen 😁 Als weitere Unannehmlichkeit (zumindest für jemanden wie mich, der zu 95% entweder sportklettert oder bouldert) lastet dann mit Cams, Schuhen und ausreichend Getränken/Verpflegung für einen solch langen Tag so viel Gepäck an Gurt und Schultern, wie es höchstens fürs Training, nicht aber zum freien Moven willkommen ist. Naja, man wächst hoffentlich an seinen Aufgaben...

Sicht von der Fählenalp auf die Riesenwand am Hundstein mit dem ungefähren Verlauf von Buuchfrei. Gewisse Teile (im Mittelteil der Route) sind verdeckt und nicht einsehbar. Ebenso führt der Quergang im Gipfelbereich so weit nach links, dass man eine weitere, von diesem Punkt noch gar nicht einsehbare Wand erreicht. Kurzum, die Route ist lang! Die Sonne bescheint den Einstieg um diese Jahreszeit (Mitte Mai) schon sehr früh (ab ca. 6.30 Uhr). Im Herbst hingegen könnte das erst viel später der Fall sein (not sure though!).

L1, 35m, 6b+: Fulminanter Auftakt, steil-athletisch an Unter- und Seitgriffen bei nicht so üppigem Trittangebot, das kann gleich heftig in die noch nicht zum Einsatz gekommenen Arme fahren! In der zweiten Hälfte dann Kletterei an distant verteilten, guten Griffen auf der gutmütigeren Seite der Senkrechten mit einer plattigen Challenge kurz vor Schluss.

In L1 (6b+) kommt man zügig auf Betriebstemperatur!

L2, 50m, 5c+: Erst weit in grasigem T6-Gelände ohne wirklich gute Sicherungsmöglichkeiten hinauf zum Pfeiler, welcher dann in schönem Fels und guter Kletterei erklommen wird. Möglichst direkt an dessen Kante zu bleiben bietet die attraktivsten Moves. Auf der Suche nach dem einfachsten Weg pendelt man mehr hin und her.

Pfeilerkletterei in L2 (5c+).

L3, 30m, 6a: Es geht noch kurz am Pfeiler weiter, bevor dieser markant einfacher wird und sich zurücklegt heisst es etwas unlogisch und nicht gut sichtbar nach links abzweigen. Man wird dafür mit prima Fels und guten Moves entschädigt. Die Crux mit einem Strecker zu gutem Griff gar nicht mal so einfach.

L4, 40m, 5c: Eine wenig begeisternde Länge, bei der Stufe zu Beginn ist der Fels nicht so top und die Kletterei etwas murksig. Hier aber dafür recht gut gesichert. Dann der Ausstieg auf ein grasiges Band und über dieses hinauf zu Stand.

L5, 45m, 6a: Super Seillänge über eine plattige Rampe mit hervorragendem Fels à la Rätikon, teils mit seichten Wasserrillen versehen. Die Sicherungsabstände sind weit (5 BH plus 1 SU) und erfordern einige Unerschrockenheit. Immerhin stecken die Bolts genau dort, wo es ohne Sicherung dann echt unangenehm zu werden begänne.

Hat ein paar Grasbüschel, aber trotzdem super Kletterei in prima Fels: L5 (6a).

L6, 45m, 5b: Dito wie L5. Einfach ein bisschen einfacher, dafür nur noch 4 BH. Mega cool, hier einfach auf direkter Linie in diesem Premium-Fels zu moven. Macht man aber vermutlich nur im Nachstieg so (und geht super!). Der (=mein) Vorsteiger mäandriert da gerne deutlich mehr, um nicht so kompromisslos über die Platten zu müssen und vielleicht irgendwo noch ein Klemmgerät platzieren zu können.

Tolle Kletterei, weiträumig gesichert in L6 (5b).

L7, 30m, 6a: Durchzogener Beginn (Achtung, grosse lose Schuppe direkt auf der Linie, linksrum umgehbar). Zum Ende eine cooler Boulder mit feiner Wandstelle. Jedoch eher 6A bloc als 6a Route und zwar mit 2 BH gesichert - wer stürzt, den pfeffert es vermutlich trotzdem unangenehm ins flache Gelände. Vielleicht war's auch nur das, was mein Schwierigkeitsempfinden so hochgetrieben hat?!?

L8, 40m, 6a: Sehr schöner Auftakt an super Wasserrillen, wobei der erste BH eher hoch steckt und einen doch noch zupfigen Boulder über dem Grasband erfordert (es wird nicht von der Mitnahme eines Crashpads abgeraten 😁). Die zweite Wandstufe ist dann ok aber kein Highlight, der zweite Teil der Seillänge besteht aus einer einfachen Graswanderung.

Fantastische Rillen am Anfang von L8 (6a).

L9, 40m, 6b: Eine Wandstufe mit lässiger Kletterei. Lange geht's gut, aber die 6b wird wohl kommen. Nach den Erfahrungen von L7 mache ich mich auf etwas gefasst - tatsächlich ist es ein zwar kurzer, aber heftig technischer Plattenboulder. Ich würde sagen voll zwingend - aber gut gesichert, da kann man voll riskieren.

Zuerst geht L9 (6b) gut, die 6b-Stelle kommt im kompakten Wandstück rechts oben im Bild.

L10, 30m, T4: Einfache, horizontale Querung auf Grasband nach links.

L11, 40m, 5c: Erneut schöne Wasserrillen zum Auftakt, dann genussreiche, plattige Wandkletterei. Man muss sich aber sicher sein was man tut, 4 BH auf diese Kletterstrecke sind keine üppige Absicherung. Geht aber schon, die Kletterei ist gut kontrollierbar und man bringt auch noch die eine oder andere mobile Sicherung unter. 

In L11 (5c): Grasbüschel hat's mehr wie Bohrhaken. Trotzdem, prima Kletterei.

L12, 40m, 5c+: Ähnlicher Charakter wie L11. Schön kompakter Fels, weite Abstände (auch hier stecken nur 4 BH). Schlussendlich löst sich doch alles recht gut auf, wobei mich die Bolts in diesem Abschnitt nicht ganz so perfekt platziert dünkten (Seilzug und man klettert irgendwie komisch darum herum).

Kompakte Plattenkletterei mit weiten Hakenabständen auch in L12 (5c+).

L13, 45m, T5: Grasiger Abschnitt, steiler als in L10, aber immer noch unproblematisch in den Kletterfinken zu machen. Gleich links runter dürfte einfacher sein, wie erst dem Sporn zu folgen und erst oben zu traversieren. 

Damit war der erste Routenteil abgeschlossen. Es war schon 13.15 Uhr, somit hatte dieser Abschnitt doch 5:30h gebraucht und damit viel länger wie gedacht. Eine mögliche Erklärung ist unsere Ineffizienz, andererseits sind es doch 500 Klettermeter da rauf. Auch wenn es sich meist um Fünfer- oder unteres Sechsergelände handelt, so kann man doch nicht einfach so hochspulen. Dafür ist die Absicherung zu spärlich, d.h. man muss sich oft weit über dem letzten Bolt im plattigen Gelände sorgfältig bewegen und/oder nach mobilen Absicherungsmöglichkeiten suchen. Aber item: während Viktor dafür plädierte, dass wir nun über die Cassiopeia (8 SL, 7b max, 7a+ obl) weitergehen sollten, fand ich das keine gute Idee. Nach kurzer Nacht, weitem Zustieg, schon etlichen Stunden Kletterei in den Knochen und mit dem ganzen Geraffel an Gurt/Rücken schien es mir wenig plausibel, die gleich mehreren harten Seillängen mit laut Beschreibung anspruchsvoller Absicherung noch souverän zu klettern, bzw. einfach so rasch wegzuspitzen. Das Unternehmen Cassiopeia hätte wohl mindestens den Zeitplan gesprengt, die Vermutung dass es zum völligen Waterloo geworden wäre, lässt sich auch nicht von der Hand weisen. Somit lautete die Devise also, die Buuchfrei sauber onsight zum Top zu bringen: auch das war noch Aufgabe genug...

Marcel am Start vom oberen Teil von Buuchfrei und La Mushkila, ebenso der Start der Abseilpiste über den Wandsockel. Für Felix 😉, sonstige Anwärter und damit ich es selbst nicht vergesse: beim blauen Fass kann man wohl ganz leidlich biwakieren. Relativ schmal aber ebener Platz.

L14, 40m, 6a+: Sorry, not sorry: eine grauenhafte Seillänge! Ich will niemanden abschrecken, aber gerade die erste Hälfte nach rechts raus in die Nische ist ein furchtbarer Bruch. Der zweite Teil, der gerade hinauf führt, ist dann nicht mehr ganz so schlimm - dafür steiler und schwieriger, so dass man halt an teils dubiosem Material richtig ziehen muss, und nicht mehr einfach mit Stützen und Schieben durchkommt. Es stecken BH, die fachmännisch platziert wurden. Sprich im besten verfügbaren Fels, hohl dröhnen tut allerdings auch der. Wird aber im Falle des Falles schon halten... Die Seillänge ist nur etwas für Leute, die sich in solchem Gelände zu bewegen wissen. Allem übel zum Trotz: wir konnten die Länge beide ohne Sturz, Griff- oder Trittausbruch bewältigen, es geht also schon. Und sie ist die Eintrittskarte für den fantastischen oberen Teil - es lohnt sich, durchzubeissen. Im Wissen drum was folgt, würde ich sie auch nochmals klettern. Sonst alternativ 2 SL über die Muskhila (7b+, 7a) wobei das Gelände zu Beginn de visu nicht erbaulicher aussieht.

Sieht supercool aus, zum Klettern aber... abschreckend (L14, 6a+).

L15, 30m, 6c: Mit einer splittrigen Querung nach links hinaus erreicht man guten Fels. Leisten und scharfes, wasserzerfressenes Material wartet. Super Kletterei mit guter Absicherung im schwierigsten Abschnitt, oben raus bei nachlassenden Schwierigkeiten (6a+/6b) heisst es dann mutig weit über die Bolts zu steigen - Wendenvibes kommen auf! Aber die Griffe sind da (und werden es auch bleiben 😁).

Auf der Suche nach gutem Fels - jetzt kommt er dann gleich (L15, 6c).

L16, 30m, 6b: Gerade voraus ginge es im superkompakten Fels in eine 7b der Mushkila. So gesehen kann man froh sein, dass Buuchfrei einen kleinen Umweg rechtsrum macht. Dort ist kurzzeitig nochmals etwas Lottergelände angesagt - nicht so schlimm allerdings. Nach dem ersten Drittel dann prima Fels mit steiler, athletischer und harter 6b-Kletterei. Knapp mit BH gesichert - wer die Reserven hat, steigt da einfach drüber. Wer sie nicht hat, beginnt vermutlich mit Cams hier und da zu fummeln, was den Akku dann noch schneller leersaugt - choose wisely! Das Finale dann wieder mehr technisch nach rechts hoch.

L17, 20m, 6b: Tolle Seillänge in steilem Gelände mit prima Fels, welche einer Reihe von mehreren Löchern und Nischen folgt. Hier ist die Absicherung mit BH im Vergleich zu den Längen davor und danach nach meinem Empfinden um einiges grosszügiger ausgefallen, somit ein vergleichsweise leichtverdauliches Teilstück.

Sieht nicht so berauschend aus, ist aber eine tolle Seillänge (L17, 6b).

L18, 40m, 6a+: Ein mega Killerviech von einer Seillänge, absolut genial mit Premium-Fels und Kletterei. Nur bei der Bewertung kann es sich bloss um einen Scherz handeln. Rein von der Qualität her passt dieser Abschnitt problemlos an die Wendenstöcke - nur die Bewertung würde selbst die dortigen Massstäbe sprengen (und es gilt ja gemeinhin das Motto "man spasse nie mit einer Wenden-6a+ !!!"). Die 6 BH sind (bei anhaltenden Schwierigkeiten) gut platziert, dazwischen wartet einiges an Raum für die freie Kletterei. Nach unserer Einschätzung sicher 6b+ (und zwar im Bewertungskontext von Buuchfrei, in Kalymnos wohl eher 7a+).

Moooonster-Pitch L18 (laut Topo 6a+, man stelle sich besser auf 6b+/6c ein).

L19, 45m, 4b: Jetzt heisst es queren. Eine solch lange Traverse im Grad 4b mit nur 3 BH lässt unterschwellig meist Gehgelände vermuten. Das manifestierte sich so ganz und gar nicht. Es muss geklettert werden und zwar richtig. Der Fels ist super, die Sicherungsabstände sind weeeeiiiiit. Ob nur das Angesicht eines Wahnsinnspendlers ins Leere die empfundene Schwierigkeit auf 5bc (oder sowas) hochgetrieben hat?!?

L20, 45m, 5b: Weiter geht's mit Quergang - super Fels mit extrascharfen Wasserrillen, sehr eindrücklich. Hier stecken 4 BH, zwei, drei mobile Sicherungen bringt man unter. Aber nicht nach Belieben und was ein Pendelsturz in diesem ultrarauen, scharfkantigen Fels bedeuten würde - man will es sich nicht ausmalen. Für die Person am hinteren Seilende trotzdem etwas angenehmer wie die 4b, da es hier schon wieder etwas mehr hinauf und nicht nur horizontal geht.

Da legt die Route dann eben mal 150m Quergang hin. Hier schon L21 (5c+).

L21, 50m, 5c+: Noch mehr Quergang, wobei es hier v.a. am Ende definitiv schon mehr hoch als hinüber geht. Man befindet sich hier nicht mehr direkt in der Tropfzone unter dem oberen Bauch, weshalb der Fels nicht mehr ganz so gut, ja am Ende schon wieder etwas durchzogen ist. Mit immerhin 7 BH etwas freundlicher geboltet als die beiden vorangehenden und gefühlt nicht wirklich schwieriger?!?

L22, 45m, 6c: Gespannt waren wir, was uns hier als Schlussbouquet präsentiert wird. Es ist eine geniale Seillänge mit betont senkrechter Kletterei in perfektem Fels, gespickt mit kleinen Schuppen, die als Untergriffe, Seitgriffe und lochartige Leisten daherkommen. Im steilen Teil gut eingebohrt, aber doch recht zwingend. Und wo sich das Gelände dann zurücklegt, heisst es im steilplattigen Gelände beherzt voranzuschreiten. 

Das Foto wird der Güte der Kletterei nicht ganz gerecht: grandioses Schlussbouquet in L22 (6c).

L23, 20m, 5a: Das Dächli gleich oberhalb vom Stand ist die Crux. Direkt, rechtsrum oder deutlich einfacher linksrum, make your choice. Danach folgt schrofiges Gelände zu Stand an einem Einzelbolt.

L24, 50m, 6a: Laut Topo quert die Route nun noch für zwei Seillängen etwas gesucht nach links rauf Richtung Gipfel. Der logische und schnellere Weg führt direkt hoch zum Grat. Den wählen wir, denn es schien nun definitiv nicht unweise, uns noch etwas Zeitreserven zu gönnen...

Somit waren wir um 19.45 Uhr nach 'a whopping' 12:00h Kletterzeit am Gipfel. Sagen wir doch 'in climbing it's not the speed that counts, but getting to the top'. Schlussendlich war es im Schnitt auch nur eine Halbstunde pro Seillänge - trotzdem schreibe ich das alles etwas beschämt, denn irgendwie sollte es eigentlich schon ein wenig schneller gehen, so sagt mir mein unterschwelliges Gefühl. Jedoch ist es nicht so, dass mich die Route überfordert hätte. Ich konnte alles souverän im Onsight klettern, was das vorrangige Ziel war. Für mich ist es das ultimative Erlebnis, komplett frei durch eine solche Wand zu steigen und zu "beweisen", dass es das Seil und die Bohrhaken (zumindest theoretisch 😉) nicht bräuchte. Das Gefühl es auch wirklich geschafft zu haben, war wie immer grandios. De fakto war es nach dem Alpsteinmarathon und der Roten Freiheit schon die das dritte Mal, dass ich dieses super eindrückliche Riesengemäuer durchstiegen habe, ohne das Seil je belastet zu haben. 

Es hat seine geraume Weile gedauert. Aber: doch noch oben!

Diese Gedanken um den Style gehen mir jetzt im Nachhinein beim Sinnieren über die Stimmung am Top durch den Kopf. Vor Ort drehte sich das Kopfkino vor allem darum, möglichst effizient wieder vom Berg zu kommen. Eigentlich keine Sache, der T4-Wanderweg vom Hundstein bringt einen wenn's pressiert in 45 Minuten zur Bollenwees, von wo man weitere 1:15h ins Tal wackelt. Doch da war noch was: während die Schneekarten und die Situation auf den Webcams südseitig bis auf die Höhe vom Hundstein-Gipfel grossmehrheitlich apere Verhältnisse zeigten, so war mir bewusst, dass in solch exponiertem Gelände schon nur ein kleines Schneefeld am falschen Ort ein Showstopper sein könnte. Nach dem Blick von der Bollenwees frühmorgens (siehe Titelfoto) und der Tatsache, dass man mit zunehmendem Aufstieg immer mehr Weiss um sich herum sieht (während von ganz unten her gesehen alles grün schien) beschlich mich im Lauf des Tages je länger je mehr das Gefühl, dass der Fussabstieg nicht ginge (dies auch der Grund, in L24 direkt und ohne den Umweg von L25 nach links zum Gipfelgrat zu klettern). Und so war es: grossmehrheitlich aper war schon richtig, aber die erste exponierte Querung unter den Widderalpstöck wäre selbst mit alpiner Vollausrüstung ein sehr gewagtes Unternehmen gewesen. Und nur mit den Turnschuhen definitiv ein Himmelfahrtskommando.

Zum Glück hatte ich mir alle andere Optionen schon längst zurechtgelegt gehabt. Nun mussten sie mit dem vollen Überblick über die Lage im Gelände und der zur Verfügung stehenden Zeitreserve nur nochmals durchgerattert und in eine Entscheidung umgemünzt werden. Ich verzichte nun an dieser Stelle auf die Auflistung aller Pläne C, D, E, ... und fokussiere auf Plan B, welcher schlussendlich reibungsfrei und auch zügig funktioniert hat.

  1. Ich spielte schon nach der 6c in L22 mit dem Gedanken von dort abzuseilen. Dies im Bewusstsein darum, dass der Weg vom Gipfelgrat zurück dahin umständlich und zeitraubend sein könnte. Oder dass wir im schlimmsten Fall über eine andere Route abseilen müssten. In der Kombination von Gipfeldrang und der Hoffnung auf den Fussabstieg fiel trotzdem der Entscheid weiterzugehen.
  2. Tatsächlich gibt's oben, 2m unterhalb vom Gipfelgrat in idealer Position einen neueren Einzelbolt mit Maillon - ganz bestimmt von den Buuchfrei-Erschliessern, die so zurück auf ihre Route gekommen sind. Er befindet sich direkt oberhalb vom Stand nach L22, bis dahin sind es in direkter Linie ca. 50m Abseilstrecke. Wer sich im Gelände gut orientieren kann, wird den Abseilbolt zweifellos finden. 
  3. Über den oberen Wandteil, d.h. die eigentliche Hundstein-Südwand, haben wir dann die im SAC-Buuchfrei-Topo verzeichnete Abseilpiste gewählt. Vom Gipfelgrat wie erwähnt 50m zu einem Irniger-Abseilstand wenig neben Stand 22, dann sind es 45m in mässig steilem Gelände (schon etwas westwärts haltend, der Irniger-Abseilstand ist westlich vom Graben/Kamin). Der folgende 30m-Abseiler ist dann sehr respekteinflössend und erfordert es, das Abseil-Einmaleins perfekt zu beherrschen. Nach 15m steht man an der Kante vom Bauch, die Seile baumeln unten im luftleeren Raum, der Abseilstand befindet sich mindestens 5m weit seitlich versetzt und scheint unerreichbar. Tipp: mit einem Cam 0.75 lässt sich ein sicheres Directional legen. Der Seilzweite entfernt dieses und schaut dann, dass er ohne Pendler und sonstigen Landschaden den Stand erreicht. Zuletzt sind es noch 55m freihängend 'back to the ground', d.h. in steiles Schrofengelände am Fuss der Südwand. Um auf diese Abseilmöglichkeit zurückgreifen zu können, hatte ich an diesem Tag die 60er-Seile genommen (mache ich sonst nie, wenn es sie nicht zwingend braucht). Mit 50er-Stricken geht's wohl wirklich nicht, ohne die letzten Meter abzuspringen...
  4. Am Fuss der Südwand befindet man sich auch mehr oder weniger im Niemandsland. Fussabstieg via Rotturmsattel und das Mörderwegli wäre eine Option. Dabei handelt es sich zumindest zu Beginn um steiles T5/T6-Absturzgelände. Suboptimal ohne Ortskenntnisse, bei noch plattgedrückt-glattem Gras und vor allem gab's da drüben auch noch Schneereste, welche den Optimallinie möglicherweise unter sich bedeckt hielten. Das wollten wir nicht riskieren.
  5. Der mit Abstand beste und sicherste Weg vom Wandfuss der Hundstein-Südwand zurück zur Fählenalp ist die relativ neue Abseilpiste von Andy Trunz und Werner Küng vom Oktober 2022, auf Eastbolt würde darüber berichtet. Dafür hiess es erst einmal, zurück zum Stand 13 von Buuchfrei zu kommen, was einen weiteren 15m-Abseiler über eine Felsstufe und die Querung von exponiertem Schrofengelände erfordert (tw. Fixseile und einige BH vorhanden). Die Abseilpiste bietet dann 8 Manöver à meist 45-50m und funktioniert wirklich hervorragend. Steile Felsstufen wechseln sich mit grasigem Gelände ab. Selbst das grasige Terrain ist aber genügend steil, wenig strukturiert und es liegen auch kaum Steine herum. So braucht's erstaunlich wenig Seilpflege und das Risko von Steinschlag beim Seilabziehen ist auch im grünen Bereich. Noch dazu sind die Standplätze geschickt platziert.
Freihängender 55m-Abseiler an den Fuss der Südwand. Wie man sieht, dort wartet keine flache Wiese.

Das tönt jetzt alles, wie wenn der Weg zurück an den Einstieg eine halbe Ewigkeit gedauert hätte. Das ist aber nicht der Fall, 90 Minuten waren es vom Gipfel zurück zum Einstieg - nicht schlecht für total 14 Abseilmanöver in unbekanntem Gelände und noch eine exponierte Querung zu Fuss dazwischen. Naja, 'immerhin runter sind sie schnell', könnte man sagen. Profitiert habe ich dabei von der exzellenten Skizze von Werner. Die Geländefeatures zum Auffinden der Standplätze weisen exakt den richtigen Detaillierungsgrad auf und vor allem stimmen die Meterangaben perfekt. Als Gold wert haben sich natürlich auch die (selbst angebrachten) 15m, 30m und 45m-Markierungen am Seil erwiesen. So habe ich selbst bei schwindendem Tageslicht alle Standplätze subito und ohne zu Suchen identifizieren können. Vielen Dank, Werner!!!

Den haben wir unterwegs noch gefunden. Da steckt wohl auch eine Geschichte dahinter...

Tja, das war's schon fast. Von der Fählenalp gab's nun noch einen Heimweg, der sich durchaus noch etwas in die Länge zog. Die erste Schwierigkeit bestand darin, dass dem Fählensee entlang reger Froschverkehr herrschte - eine unglaubliche Vielzahl an Amphibien war da unterwegs. Von der Bollenwees weg war's dann hingegen einfach noch eine lästige Pflichtaufgabe. Aber nach einem solchen Tag nimmt man die natürlich gerne in Kauf - aussergewöhnliche Erlebnisse bedingen halt auch aussergewöhnlichen Einsatz. Die letzte Stunde vor Mitternacht war schon angebrochen, bis wir zurück am Parkplatz waren - froh drum, aufs Polster sitzen zu können und das Bett daheim nicht mehr allzu fern zu wissen.

Mein Fazit: entweder hat Viktors Iphone eine genial gute Kamera oder mit meinen Augen stimmte etwas nicht mehr. Nach meinem persönlichen Eindruck war es nämlich langsam 'pitch black', als wir die Seile aufrollten.

Bleibt noch der Epilog zur Tour: am nächsten Tag war ich dann mit dem Teenage Girl am Voralpsee. Hört sich nach einer solchen Monstertour vielleicht ziemlich verrückt an, aber versprochen war versprochen. Und es ging tatsächlich gut - naja, 'gut' ist vielleicht ein wenig optimistisch, aber zumindest konnte ich solide performen und ich habe dabei nicht heftiger aufs Dach bekommen, wie dies am Voralpsee selbst bei optimaler Vorbereitung jeweils der Fall ist. Wobei das schon eine gewisse Logik hat. In der MSL-Tour wurden v.a. die Körperteile unterhalb der Buuchfrei-Grenze hart beansprucht, während es am Voralpsee in erster Linie jene oberhalb davon waren. Jedenfalls bei meinem Trainingsstand, your mileage may vary 🤗

Facts

Hundstein - Buuchfrei 6c (6b+ obl.) - 25 SL, 950m - Angst/Wälti 2019 - ****;xxx
Material: 2x60m-Seile (!!!), 12 Express, Cams 0.2-2, evtl. Keile

Eine wahre Monstertour! Der untere Teil ist wie bei den benachbarten Routen auch: felsige Stufen zwischen grasigen Bändern, die Erschliesser haben den schönen Fels gesucht und ihn weitgehend auch gefunden. Spannende Kletterstellen wechseln sich mit Graspassagen ab. Durchaus lohnend, aber nicht super eindrücklich und insgesamt mehr ein Kletterzustieg zum wesentlichen, oberen Teil. Nachdem man sich mit einer (mehr als nur teilweise) brüchigen Einstiegslänge dort das Ticket gelöst hat, wird man dann mit vielen herausragenden Längen in oft fantastischem Fels belohnt. Alles in allem, mit Routenlänge, Erlebniswert, Ambiente und der Anzahl an schönen Metern gebe ich gerne 4 Sterne. Wer negativ denkt und für Gras, Bruch und Quergänge Abzüge von der Höchstnote macht, kommt vermutlich zu einem anderen Ergebnis. Die Absicherung mit rostfreien Bohrhaken ist OK. Die schwierigen Kletterstellen >6a sind fast immer gut abgesichert. Im einfacheren Gelände sind die Abstände oft weit, dies auch bei ungutem Sturzgelände (z.B. über Bändern). Da muss man einfach sicher klettern. Kurzum, ab 6b gebe ich xxxx, unterhalb von 6a dafür nur xx, dazwischen und im Schnitt xxx. Teilweise ist es möglich, mobil abzusichern, aber nicht immer und überall. Wir hatten ein Set Cams von 0.2-1 dabei, welches regelmässig zum Einsatz kam. Es ging gut ohne die Grösse 2, für welche man aber durchaus Einsatzmöglichkeiten findet. Keile haben wir nur 2-3x eingesetzt, die würde ich als fakultativ bezeichnen. Ein gutes Zeitfenster für die Route zu finden ist gar nicht mal so einfach: wir hatten Mitte Mai optimale Bedingungen zum Klettern, dafür war der Fussabstieg wegen Restschnee noch nicht machbar (das Abseilen ist aber recht gut möglich und kostet gegenüber dem Abstieg nur ca. 1h zusätzlich, wenn alles glatt läuft). Im Sommer ist es tendenziell eher zu heiss, v.a. im unteren Teil kann man da schon richtig gebraten werden. Und der üppige Grasbewuchs kann auch störend sein. Ab Mitte August kann die schrumpfende Tageslänge dann zum Nachteil werden. Wichtig: man bewegt sich im alpinen Gelände, das Gelände um die Hundstein Südwand ist extrem steil und schrofig. Man informiere sich über Rückzugsmöglichkeiten und bereite sich entsprechend vor. Im unteren Teil ist der Handyempfang eher unzuverlässig, oben hat man dann freie Sicht nach Österreich und entsprechend Netz. Topos und weitere Infos findet man im hervorragenden SAC-Kletterführer Alpstein von Werner Küng. Man führe auf jeden Fall auch die (im Führer noch nicht enthaltene) Skizze zur Abseilmöglichkeit von der Südwand mit.