Schon seit Jahren war sie auf der Liste meiner Wunschtouren, die Rauchpause am Schibenstoll. Immer wieder gab es den einen oder anderen Grund dagegen, und so harrte die Route bis im Sommer 2007 meiner Begehung. Ja, das liegt schon lange zurück. Weil ich diese Tage per E-Mail über die Route diskutiert habe, eben wieder einmal durch meine Fotos gezappt bin und mit dem Topo die Erinnerung an die Route aufgefrischt habe, gibt es an dieser Stelle nun doch noch einen kurzen Bericht darüber.
|
Zustieg zur Route, d.h. Querung auf dem Schüerliweg unter der Schibenstoll Südwand. |
Während ich vermute, dass sich der bequemste Zustieg von der per Auto erreichbaren Selamatt (P.1537, Schribersboden) via Stollenfurgge und Schnüerliweg in ca. einer Stunde vollzieht, gelangten wir mit der Seilbahn von Unterwasser auf den Chäserrugg. Mit dabei war nicht nur die Kletterausrüstung, sondern auch der Gleitschirm, den wir per Veloschloss an den Windmesser auf dem Hinterrugg ketteten. Er sollte uns später einen bequemen Weg ins Tal ermöglichen. Für uns indessen ging es erst einmal zu Fuss runter, in die Scharte an der Mündung des Gluuristals.
Von dort wartet ein steiler und ziemlich herbalpiner, grasiger Abstieg nach Süden (T6). Ein Sturz oder Rutscher wäre unmöglich aufzufangen, der beste Weg ist von oben kommend nicht ganz einfach einzuschätzen. Aber es ging alles gut. Erst die letzten 15m, wo das Gelände noch steiler ist, kann man dann abseilen. Danach geht es immer unter der Wand entlang auf dem sogenannten Schnüerliweg gen Westen, bevor man kurz vor dem ziemlich markanten Chiantiegg den Einstieg erreicht. Auch dieser Abschnitt gilt als ein T5, im Vergleich zum Abstieg aus dem Gluristal-Sattel ist er aber ein Kinderspiel.
|
Hier muss man runter: grimmiges, ungesichertes T6-Gelände im Abstieg vom Gluuristal-Sattel. |
Schliesslich konnte es losgehen mit der Kletterei.
SL 1, 2a: In ähnlichem Stil wie auf dem Zustieg fängt die Route an, grasig und etwas heikel. Absichern kann man nicht recht, so dass die Sache durchaus eine gewisse Ernsthaftigkeit aufweist. Als Bewertung passt daher T6+ besser als 2a.
SL 2, 6a+: Nun geht es mit der richtigen Kletterei los. Schon unmittelbar nach dem Stand fordert eine plattige, aber gut mit Bohrhaken abgesicherte Querung in eine Verschneidung hinein alles. Ich schaffte das gerade so am Limit, und ich denke 6b+ wäre als Bewertung sicher passender. Die Verschneidung dann schön, einfacher und gut selbst abzusichern.
SL 3, 5c: Einfachere Kletterei in mässigem Fels, die zudem auch noch selber abgesichert werden will, teils auch etwas grasig. An der Bewertung habe ich für einmal nichts auszusetzen.
|
Der Fels ist an sich von guter Qualität, in manchen Seillängen aber immer wieder mit etwas Gras durchsetzt. Ausstieg aus SL 3 (5c). |
SL 4, 6a: Kurze, steile und selbst abzusichernde Verschneidung. Klettert sich schliesslich einfacher, als man von unten zuerst denken würde. Danach auf dem Band noch etwas nach links halten.
SL 5, 6a+: Die schönste Seillänge der Route: Steilplattenkletterei in tollem Fels. Wirklich schwer ist nur eine kurze Stelle zu Beginn, danach tauchen immer schön griffige Leisten auf und auch zum Stehen ist der Fels prima strukturiert. Die Absicherung teilweise etwas weit, aber ok. Der Schluss der Länge ist sicher deutlich einfacher, wenn man nicht den direkten Weg wählt (siehe Topo, Achtung Seilzug!).
|
Prima Kletterei in SL 5 (6a+), mit schönem Tiefblick auf den Schnüerliweg, der über das Band am Wandfuss verläuft. |
SL 6, 6b/A0: Noch, und immer noch ein Freikletterproblem: insgeheim hatte ich mir erhofft, hier etwas in freier Kletterei ausrichten zu können. Nachdem das aber bereits 20 Jahre lang niemandem geglückt war, ein ziemlich vermessenes Vorhaben. Und es wurde nix: weil die Uhr schon vorgerückt war und die Moves auch gar nicht banal aussahen, bediente ich rasch die Textilgriffe. Vermutlich ist die Stelle kletterbar, aber halt stehtechnisch anspruchsvoll, kleingriffig und nicht besonders hübsch. Die obere Hälfte der Länge klettert man in schönem Fels frei, erst an einem Riss, dann mit einer kühnen Querung nach rechts.
SL 7, 6c: Zuerst etwas rampfig einen steilen Riss hinauf, dann querend nach links. Das ist die Crux, etwas plattig und nicht besonders elegant. Nachdem man nochmals einen Haken geklippt hat, gilt es dann den bereits vom Gras überwucherten Stand zu lokalisieren (NH plus Sanduhr). Der macht nicht so richtig Freude, unbequem ist er auch.
|
Die obere Hälfte von SL 6 (6b/A0) bietet schöne Freikletterei. Trotz etwas Restnässe war sie gut passierbar. |
SL 8, 1a: Querung über das Grasband hinweg, Fels gibt es eigentlich keinen, als Bewertung passt T6 besser.
SL 9, 5c+: Anspruchsvolle Verschneidungskletterei, die bis auf einen unguten Normalhaken selber abgesichert werden muss. Das ist zwar recht gut möglich, trotzdem sollte man hier noch einige Reserven haben, zumal auch die beste Linie gar nicht so offensichtlich ist. Würde ich eher mit 6a+/6b bewerten.
SL 10, 2a: Über den Sandstein der Garschella-Formation, oder wahlweise ziemlich viel Gras erreicht man den Gipfel. Haken stecken sowieso keine mehr, also wählte ich eine Variante, die mehr durch den Fels führt und eher 4b als 2a war.
Nun gut, der Gipfel war erreicht, und die für mich letzte Churfirstenwand nun auch durchstiegen. So richtig schlecht war das jetzt nicht, aber in Begeisterungsstürme versetzte mich die Route nun auch nicht gerade. Aber sowieso war noch nicht aller Tage Abend, auf dem Programm stand ja noch einiges. Zuerst der alpine Abstieg über die Ostflanke: während das erst noch gut geht, wird das Terrain bald steil und eine erste Felsstufe muss abgeklettert werden (T6). Sorgfältig erreichten wir den Abbruch des zweiten Felsriegels, wo sich schliesslich ein Stand identifizieren liess. Mit einem 50m-Abseiler reichte es gerade so in einfacheres Gelände hinunter, von wo zum Gluuristal-Sattel abgestiegen werden kann.
|
Schibenstoll Ostflanke: vom Gipfel über Gras und die erste Felsstufe nahe der Kante abklettern. Über steile Schrofen runter zum nächsten Felsriegel, wo man mit 1x50m Abseilen die grasige Schrägrampe erreicht, über die man zur Geröllhalde absteigen kann. |
Die Schwierigkeiten waren nun zwar vorbei, doch mit gemütlich (aber weit, ca. 1.5h!) ins Tal bummeln war aber nix. Unser Weg nach Hause führte nochmals hinauf zum Hinterrugg. Viel Zeitreserve blieb nicht mehr, so übergab ich Kathrin das Klettermaterial und sprintete so schnell ich noch konnte die 260hm hinauf zum Hinterrugg, um den Gleitschirm für den Flug vorzubereiten. Oder, im schlechteren Fall, ihn zu schultern und zurück Richtung Tal zu steigen. Keuchend kam ich an und konnte immerhin konstatieren, dass der angesagte WNW-Wind perfekt mit 15km/h anstand und somit ideale Startbedingungen versprach. Als dann Kathrin verschwitzt und erschöpft bei mir auftauchte, gab es keine Pause. Sondern es hiess gleich rein in den Sitz, anschnallen und los, denn die Dunkelheit war bereits am Hereinbrechen.
Immerhin gelangten wir inklusive dem Kletter-Karsumpel mit einem sauberen Start in die Luft. Der Gleitflug nach Unterwasser dauerte bloss gute 15 Minuten, somit hatte sich die Fliegerei zeitlich doch noch ausbezahlt. Im letzten Licht landeten wir am Parkplatz in Unterwasser und packten unsere 7 Sachen zusammen. Müde und erschöpft ging es nach Hause. Eine Frage beschäftigte uns die ganze Fahrt: "was machen wir morgen?" Perfektes Wetter war angesagt, die
Excalibur an den Wendenstöcken angedacht. Nach einigem Ringen stellten wir den Wecker auf 5 Uhr früh - eine Entscheidung, die wir vielleicht beim Aufwachen kurz bereuten, die aber, erst recht im Rückblick 5.5 Jahre danach, vollkommen korrekt war!
Facts
Churfirsten/Schibenstoll -
Rauchpause 6c, A0 (6b obl.) - 10 SL, 325m - Wiesmann/Ott 1988 - **, xx(x)
Material: 12 Express, Keile 4-9, Camalots 0.3-3
Abenteuerliche Kletterei in an sich gutem und zumeist solidem Fels, der aber immer wieder von grasigen Stellen unterbrochen wird. Die Absicherung kann als gut bezeichnet werden. Wo nötig stecken solide, durchdacht platzierte Bohrhaken. Dazwischen muss aber viel selbst gelegt werden, teilweise über ganze Seillängen hinweg, was aber zumeist gut möglich ist. Insgesamt würde ich meinen, eine Tour eher für den Liebhaber einsamer Wege, von regionaler Bedeutung und nur bei ausreichender Alpinerfahrung anzuraten.
Ein Topo findet sich im exzellenten
SAC-Kletterführer Churfirsten - Alvierkette - Fläscherberg von Thomas Wälti.