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Dienstag, 5. Juli 2016

Gross Bielenhorn - Don Bernardo (6b+) & Xopoxo (6b+)

Auf der Suche nach einem vergnüglichen, nicht allzu langen und nicht allzu schweren Kletterprojekt im Granit landeten wir schliesslich bei den Routen in der oberen SE-Wand des Gross Bielenhorn. Gemäss den einschlägigen Quellen soll der Granit hier beinahe Chamonix-Qualität aufweisen und die Routen erfordern zudem noch selbständiges Absichern. Das tönte ja wirklich attraktiv. Es kam noch hinzu, dass Zu- und Abstieg in diesen Tagen gerade noch mit den Ski erledigt werden konnten, was deutlich angenehmer und bequemer ist als die Geröllholperei, welche dann im Hochsommer und Herbst fällig ist.

Das Ziel für den heutigen Tag, die obere SE-Wand des Gross Bielenhorn mit Don Bernardo (6b+) und Xopoxo (6b+).
So beluden wir unser Gefährt mit Ski- und Kletterausrüstung und fuhren zu P.2280 am Furkapass, d.h. der Brücke über den Sidelenbach. Auch hier war es schon reichlich grün, doch ein kurzer Augenschein von oberhalb dem ersten Port zeigte, dass man mit den Skis noch bis wenige Minuten ob der Strasse würde abfahren können. Also war es klar, dass die Bretter mitkommen. So ging es um 8.30 Uhr per Pedes los. Im Aufstieg war es am bequemsten, die Skis bis auf 2550m zu buckeln. Dort wurde dann auf die Felle gewechselt, etwas östlich an der Sidelenhütte vorbei ging es in die untere Bielenlücke. Hier lag tatsächlich noch viel Schnee, ein Fussaufstieg wäre viel mühsamer gewesen wie die Portage zu Beginn, und von der Abfahrt wollen wir gar nicht sprechen.

Situation in der Schwemmebene oberhalb der Passstrasse. Ein Schneestreifen ist noch fahrbar, die Bretter kommen mit.
Preparations, leicht exotisch im Juli nochmals das Ski-Equipment hervorzunehmen. Wobei, selbst auf dem Bild hat's Schnee.
Bei der unteren Bielenlücke kamen wir die Wand dann zu Gesicht. Alles war trocken und in besten Bedingungen. So war noch eine mehr oder weniger horizontale Querung und etwas Aufstieg zum Startpunkt zu meistern. Das letzte Stück ist dabei ziemlich steil und ich war froh, einen Leichtpickel mitgeführt zu haben. Ein Ausrutscher würde hier ein böses Ende nehmen, da der Hang unterhalb in felsigen Stufen endet. Die Route war gut sichtbar angeschrieben, eine heikle Randkluft war nicht vorhanden und sogar der Wechsel von Ski- auf Kletterausrüstung konnte bequem und trockenen Fusses erfolgen. Was will man noch mehr?!? Ja genau, Sonne und angenehme Temperaturen, aber auch das war gegeben. Der Zustieg hatte uns total etwa 1:20 Stunden (ca. 640hm) gekostet, um etwa 10.15 Uhr stiegen wir ein.

Chli und Gross Kamel, der Aufstieg über die unterer Bielenlücke rechtsrum, die Abfahrt durch Couloir links des Chli Kamel.
Don Bernardo (6b+)

L1, 25m, 6a: Sehr schöne Seillänge in sauberem, orangenem Granit entlang einer kleinen Verschneidung, die selber abgesichert werden muss. Die im Topo angegebenen Schwierigkeiten von 6a konnten wir nicht auffinden und hätten diese Seillänge eher mit dem Grad 4b bewertet.

Gute Aussichten! Entlang dem Verschneidungssystem in der rechten Bildhälfte führt L1 (6a). 
L2, 30m, 6a+: Vom Stand ein bisschen rechtstendierend aufwärts an dünnem Riss (BH) bei sehr schöner Felsstruktur. Dann schwerer und etwas kühn (Cam) dem bogenförmigen Riss entlang aufwärts, ums Eck und zur Crux. Diese besteht aus kurzer, bouldriger Stelle über ein Aufschwünglein, der BH steckt unangenehm hoch (hilft dabei aber vermutlich, um die Stelle A0 zu bewältigen).

Unterwegs im dünnen Riss am Anfang von L2 (6a+).
Der Granit im unteren Wandteil ist wirklich prima! Jonas folgt in L2 (6a+), an derselben Stelle wie im Foto oben.
Detail aus der Crux von L2 (6a+), zu viel wird hier aber trotzdem nicht verraten.
L3, 25m, 5c+: Man folgt dem logischen Weg entlang von ein paar Rissen rechts aufwärts, zwei BH sichern die steile, gutgriffige Wandstelle ab. Schöne Kletterei, aber auch ziemlich einfach, wir hätten hier mit etwa 5b bewertet.

Die schwerste Stelle in L3 (5c+), ein gutgriffiger Aufschwung.
L4, 35m, 5b: Links ums Eck und nun nicht in der grossen Verschneidung, sondern in einem Sekundärsystem weiter links aufwärts. Zuerst ziemlich einfache Kletterei, zwei BH sichern diese Passage ab. Das Finish dann kurz etwas steiler mit Risswechsel und selber abzusichern. Sicherlich deutlich schwerer wie alles, was in L1 & L3 wartet, wir hätten etwa 6a gegeben.

Schöne Kletterei auch in L4 (5b), für einmal eher schwieriger wie von den Erstbegehern vorgeschlagen.
L5, 35m, 6a+: Im Gehgelände über die Bänder hinweg, die BH der Fortsetzung im Fels sind erst nicht gut zu sehen, es geht aber +/- geradeaus weiter. Danach schöne, recht steile Kletterei an Seitgriffschuppen, oft auf Gegendruck, gut mit BH abgesichert. Nicht ganz banal, aber vermutlich könnte man hier auch mit 6a bewerten.

Nach kurzer Gehpassage über die Bänder folgt im oberen Teil von L5 (6a+) schöne Gegendruck-Kletterei.
L6, 25m, 6b: Steiler Auftakt an einem Riss zu phänomenaler Wandstelle mit aus der Wand hervortretenden Henkeln, wirklich total genial. In der ersten Hälfte der Länge ist evtl. noch ein Cam zu platzieren, der obere Teil ist gut eingebohrt. Eindrücklich, aber wir fanden es nirgendwo wirklich schwierig, für die alpine Härte könnte man dieser Seillänge auch 6a geben.

Coole Wandstelle an beinahe unglaublichen Strukturen in L6 (6b). 
L7, 15m, 6b+: Hier geht's auf der Ostseite am pilzförmigen Turm aufwärts. Kurze, steile Kletterei zwischen einem diagonal verlaufenden Riss und der Turmkante. Gut geplant ist halb geklettert, schwerer wie 6a+ dünkte uns dieser mit 2 BH gut abgesicherte Abschnitt nicht.

On the Top! In der Abfahrt ostwärts Richtung Tiefengletscher würde man auch noch etwas Schnee finden...
Bereits ein paar Minuten vor 12.00 Uhr und damit nach weniger als 1:45 Stunden Kletterzeit hatten wir den Stand ganz oben auf dem Gipfelblock erreicht. Das war also sehr flott gegangen und zeigt auf, dass die Gesamtanforderungen hier nicht allzu hoch sind. Die Seillängen sind alle eher kurz, die Kletterei durchgehend im Komfortbereich und lange mit eigenen Sicherungsmitteln rumfummeln musste man auch nicht. Unser Kletterhunger war noch nicht gestillt, weshalb wir uns umgehend auf den Weg in die Tiefe machten, um noch eine zweite Route zu klettern. Vom Top ging's 50m auf die Bänder, mit ein paar Schritten zu Fuss zu Stand 4, dann 50m zu Stand 2 und nochmals 50m an den Einstieg, so waren wir innert Kürze nach 3 Manövern retour beim Depot. Dort ein Vesper, der Wechsel auf die Skischuhe, ein kurzer Aufstieg an der Üri Jam (6b+) vorbei übers steile Schneefeld zum Turm in Wandmitte. Hier befanden sich entgegen der Angabe im Topo zwei Routen, die linke davon konnten wir als die Angepeilte identifizieren und so starteten wir um 12.50 Uhr mit der Kletterei.

Xopoxo (6b+)

L1, 30m, 5c+: Schöne Kletterei im erneut orangenen Granit entlang von Rissen und einer Verschneidung (3 BH). Möglicherweise wartet die Hauptschwierigkeit in einer Plattenstelle im ersten Teil der Länge. Wir konnten das nur vermuten, starteten wir doch mit dem ersten BH auf Hüfthöhe im Schnee. Den Teil, den wir kletterten ist kaum schwerer wie 5b.

Prima Kletterei in orangenem Granit wartet auch in L1 von Xopoxo (5c+).
L2, 30m, 6b+: Gleich oberhalb vom Stand wartet eine knifflige Wandstelle (2 BH), die es kleingriffig zu überlisten gilt. Danach links zum Band, der folgende Aufschwung (1 BH) muss noch selber zusätzlich abgesichert werden, damit man nicht aufs Band kracht. Danach einfach ein paar Schuppen entlang zum Stand. Würden wir mit 6a+ oder 6b bewerten - in etwa gleich schwer wie die Stelle in L4 der Hanimoon.

Jonas folgt im einfacheren, oberen Teil von L2 (6b+). Hier anfangs gut legen, damit kein Sturz aufs Band droht.
L3, 30m, 6b+: Links ums Eck herum geht's weiter, nicht etwa der grossen, etwas dreckigen Verschneidung entlang, sondern dem fantastischen Handriss links davon. Kühn, eindrücklich und relativ anhaltend, dafür aber nie verzweifelt schwer geht's in die Höhe. Erst muss man selber absichern, die schwerste Stelle wird von einem (nicht zwingend nötigen, man könnte hier sehr gut legen) BH markiert. Eine super Länge, auch nicht ganz banal - 6a+ reicht aber wohl!?! In den USA würde das vermutlich sogar nur als 5.9 gehandelt?!?

Der geniale Riss in L3 (6b+), das ist definitiv die coolste Passage dieser Route!
L4, 30m, 6a: Zuerst etwas plattige Wandkletterei (2 BH), danach etwas einfacher und eher etwas links tendierend, zum finalen, etwas mühsam-würgigen Aufschwung mit der Crux. Vielleicht 5c+, mit dem Mühsam-Faktor vielleicht auch 6a.

Der etwas würgige Boulder kurz vor dem Routenende in L4 (6a).
Es war nun 13.55 Uhr, somit hatten uns diese 4 Seillängen auch nur eine gute Stunde beschäftigt, doch weiter ging's nicht. Mir schien es zwar, dass man mit einer 25m-Linksquerung über ein Band noch den nächsten Turm mit 2 vielversprechenden Seillängen Kletterei hätte erreichen können. Da aber nicht eingerichtet, machten wir uns auf den Weg in die Tiefe. Hierzu sind nur 2 Manöver nötig, dementsprechend schnell waren wir zurück am Einstieg. Vorsichtig galt es, das steile Schneefeld zurück zu unserem Depot abzusteigen. Hätte ich nicht den Kindern versprochen gehabt, zeitig nach Hause zu kommen und noch mit ihnen ins Freibad zu gehen, so hätte es tatsächlich auch noch für die 7 Seillängen der Üri Jam (6b+) gereicht, denn das Wetter war weiterhin gut.

Die Traverse von den Einstiegen retour zu den Kamelen...
Ready to drop in, und das im Juli!
So machten wir uns aber auf den Weg ins Tal. Am Einstieg der Don Bernardo konnten wir die Skis anschnallen. Rasch war der Sattel beim Chli Kamel erreicht und wir konnten durch dieses Couloir in die Tiefe rauschen. Sommerschnee herrschte vor, kompakt, weich und gut zu schwingen. Da war ich im tiefsten Winter definitiv schon viel schlechter Ski gefahren. An der Sidelenhütte vorbei hielten wir noch etwas weiter nach SW und zielten auf den ausgekundschafteten Schneestreifen. Dieser liess sich durchgehend bis auf eine Höhe von 2400m hinunter befahren. Von da waren es dann keine 10 Minuten zu Fuss retour an die Passstrasse, die Strategie mit den Skis hatte sich also tatsächlich voll ausbezahlt. Bereits um 15.00 Uhr rollten wir talwärts, tatsächlich blieb mir noch ausgiebig Zeit fürs Freibad. Es ist doch einfach toll, wenn man an ein und demselben Tag Skifahren, Klettern und Baden kann!

Das sind noch Aussichten! Das Couloir am Chli Kamel, ca. 40 Grad steil.

Facts

Gross Bielenhorn - Don Bernardo 6b+ (5c+ obl.) - 7 SL, 200m - Bricker/Keller 2013 - ***; xxxx
Material: 2x50m-Seile, 10 Express, Camalots 0.3-1

Gross Bielenhorn - Xopoxo 6b+ (5c+ obl.) - 4 SL, 120m - Anderegg/Bricker/Keller 2014 - ***; xxxx
Material: 2x50m-Seile, 10 Express, Camalots 0.3-2 plus 1 kleinerer.

Beides sind sehr schöne Routen in meist sauberem, orangenem Granit, sie weisen nur ganz zuoberst etwas Flechtenbewuchs auf. Gesteinsfarbe und Ambiente erinnern tatsächlich an die tollen Klettereien in Chamonix, nur ganz so steil ist's an der SE-Wand des Gross Bielenhorn nicht. Die von den Erstbegehern angegebenen Schwierigkeiten empfanden wir im Vergleich zu anderen Routen in dieser Region (und auch sonstwo in Granit und Kalk) als zu hoch. Auf dem Topo ähnlich bewertete Klettereien wie z.B. der Eisbrecher an der Grauen Wand, die Via Hammerbruch am Salbit oder selbst das moderne Pissoir du Diable an der Teufelstalwand erfordern schon etwas mehr Einsatz. Ich schreibe das nicht zur Profilierung meiner selbst und es tut der Schönheit der Kletterei auch keinen Abbruch. Trotzdem ist es sicher hilfreich, eine klare Vorstellung davon zu haben, was einen hier erwartet - in unserem Fall war es einfach deutlich weniger schwierig wie gedacht. Man kann also sagen, dass die Routen eher dem Genre 'Plaisir' zuzuordnen sind. Das trifft auch auf die Absicherung zu. Die beiden Routen sind zwar nicht komplett eingebohrt, alle schwierigen Kletterstellen sind aber mit BH gut abgesichert, ein paar Klemmgeräte an einfacheren Stellen dazwischen lassen sich gut platzieren. Im Vergleich zu den Erstbegehern habe ich deshalb auch die Empfehlungen für das Rack deutlich reduziert - wir haben schlussendlich einfach nicht mehr als das eingesetzt, und pro Seillänge auch jeweils nur 1-2 mobile Sicherungen platziert.

Topo

An dieser Stelle die Originaltopos der Erstbegeher zu Don Bernardo, Üri Jam und Xopoxo. Die Don Bernardo ist auch im Kletterführer Alpen, Band III beschrieben und womöglich als Einzelstück bei Topoguide zu erwerben.

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