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Montag, 27. Mai 2024

Sommerskifahren am Brisi (2279m)

Pfingsten 2024 steht im Hause Dettling zuerst im Zeichen des Sportkletterns, zwei Tage wird im steilen Konglomerat in Bürs gemovt. Am dritten Tag widmet sich Larina wieder dem gewohnten Plastik, während Marcel seinen Knochen lieber etwas Ruhe gönnt und sich einem Alternativprogramm besinnt. Ein früher Aufbruch liegt nicht drin, somit stehen die Zeichen auf Bike statt Ski. Aber nur solange, bis mir der Gedankenblitz mit dem Brisi durch die Hirnwindungen schiesst: plötzlich ändert die Losung auf Bike & Ski.

Sicht von Stein SG auf Zuestoll, Brisi und Frümsel - noch fast durchgehend schneebedeckt.

Den Schneekarten und den sehr guten Webcams sei Dank ermittle ich da nämlich, dass der Brisirücken noch eine fast durchgehende Schneedecke aufweist und es sich auf geeigneter Linie noch bis in die Nähe der Strasse fahren lässt. Um die Mittagszeit starte ich schliesslich in Unterwasser mit dem Bike und radle den Churfirsten entgegen. Es sei an dieser Stelle explizit erwähnt, dass eine solch späte Aufbruchszeit für eine Skitour im Mai sehr anachronistisch ist und meist nicht funktioniert, ja man sich so unter Umständen sogar in Lebensgefahr begibt. Nicht so an diesem Tag am Brisi, da war ich mir schon im Vornhinein absolut sicher und genau so traf es ein: von den kompakten Altschneefeldern ging keine Lawinengefahr aus.

Bei sommerlichen Bedingungen geht's mit dem Schneetaxi zur Wechselzone.

Meine Wechselzone befand sich bei einer Strassenkurve auf 1560m bei der auf der LK mit Thurtalerstofel beschrifteten Rinne/Rücken. Nur rund 20hm mussten die Bretter getragen werden, dann konnte ich fellend steigen. Einzig der Einstieg auf den Brisirücken erforderte eine kurze Portage von ca. 50hm auf dem aperen Wanderweg. Danach ging's wieder mit Ski weiter, zweimal trat ich noch ein paar Meter übers Gras, die Bretter blieben aber bis zum Gipfel an den Füssen. Ungespurt war die Route im Übrigen nicht: es sah danach aus, dass in den Tagen zuvor etliche andere Tourengänger auf dieselbe Idee gekommen waren. Weiter teilte ich den Gipfel mit mehreren Wanderern, die den Gipfel in Turnschuhen erklommen hatten. Auf ihrer Ideallinie hätte es nicht übermässig viel Schneekontakt gegeben, berichteten sie. 

Auf dem Foto fast noch winterlich anmutende Schneedecke auf dem Brisirücken. Dabei habe ich die gesamte Tour in den kurzen Hosen bestritten - definitiv eine Premiere auf Skitour. Hitzestau an den Beinen gibt's so nicht, allenfalls sogar (un)erwünschte Kühlung. V.a. in der Abfahrt fällt der Schnee unweigerlich in die Schuhe...

Dann war es Zeit zum Skifahren: wie erhofft ergaben sich im kompakten Schnee mit seiner ziemlich glatten, nun prima aufgeweichten Oberfläche schöne Schwünge. Vermutlich wäre es tageszeitlich früher, nach einer Strahlungsnacht eher schlechter, da rumpliger und unregelmässiger. Ich rauschte bis ans Ende des grossen Schneefeldes, wo ich mich nach links orientierte und mit einer kurzen Portage ein NW-Couloir erreichte, über welches man ~40 Grad steil vom Rücken ausfahren konnte - coole Linie! Auf 1800m wieder in flachem Gelände stehend reizte mich der Abstecher ins ebenfalls noch perfekt eingeschneite Frümseltal - die 250hm zur Obersäss Nideri waren zügig erledigt. Auch hier waren die Verhältnisse mit der kompakten Schneedecke ideal. Was dafür nur heisst, dass ich zu schnell wieder retour am Bike war. Dieses brachte mich zügig und mit Fahrspass retour ins Tal, wo ich konstatierte, dass dies nun ein hervorragend zugebrachter (Kletter-)Ruhetag war - und vielleicht die letzte Skitour der Saison 23/24?!?

Hoppsla, nicht alle Tore richtig passiert beim Riesenslalom um die Blöcke im Frümseltal.

Facts

Brisi ab Selamatt, 700hm (+250hm für das Frümseltal), Ski-Schwierigkeit ZS

Mittwoch, 15. Mai 2024

Hundstein - Buuchfrei (6c)

Buuchfrei, das hört sich nach einem Thema für Teenage Girls an. Ist es aber nicht, denn die meisten weiblichen Geschöpfe dieser Altersstufe würden sich mit der hier beschriebenen Route ganz bestimmt keinen Gefallen tun. Viel mehr spricht sie vermutlich ältere Herren an. Ob das mit den genannten Kleidungsstücken nicht eigentlich genauso der Fall ist, ist eine Frage, wo man auf dieser Tour ganz bestimmt die Gelegenheit zur Erörterung findet. Denn wenn man die Route mit einem Attribut beschreiben müsste, so wäre dieses mit Sicherheit "lang". Mit 25 Seillängen an Kletterei und einem selbst bei flottem Marschtempo gegen zweistündigen Zustieg kann man sich auf eine 16+ Stunden Tour gefasst machen. Aber wenn man so etwas gerne macht, dann lohnt es sich sehr, das sei ganz klar bemerkt!

Blick von der Bollenwees auf den Fählensee und den Hundstein, mit dem Verlauf der Monster-Klettertour Buuchfrei (25 SL, 6c) im Profil. Kleiner Spoiler: man beachte die Schneefelder rechts vom Gipfel. Die sollten im Lauf unserer Tour noch eine Rolle spielen...

Die Tour startet beim Parkplatz Pfannenstil hinter Brülisau (Taxe 5 CHF/Tag, bezahlbar per Münzen oder mit Twint). Wer das straffe Programm nicht in einem Tag absolvieren möchte, findet diverse Möglichkeiten zur Unterkunft. Das Gasthaus Bollenwees (mit Hotelkomfort) oder die urige Variante im Matrazenlager der Fählenalp (derzeit noch nicht geöffnet) bieten sich am meisten an. Bis zur Bollenwees sind es rund 5km und netto 600hm auf einer breiten Fahrstrasse: erst steil hinauf durchs Brüeltobel, dann mit Höhenvernichtung am Sämtisersee vorbei und bei wechselnder Steigung zum Fählensee. Selbst wenn man sich hart ranhält, muss man gegen 1.5h kalkulieren. 

Fast schon wie ein Gemälde, diese Morgenstimmung am Fählensee: fantastisch!

Von der Bollenwees sind es dann nochmals rund 20 Minuten flach dem See entlang zur Fählenalp bzw. eine halbe Stunde zum Einstieg. Nur für marschtüchtige Kletterer also, das kann man mit Sicherheit sagen. Um 7.45 Uhr stiegen wir in die Route ein, wer also Reverse Engineering betreibt um die Aufstehzeit zu ermitteln, wird möglicherweise gleich vom Grauen gepackt. Die ist etwa dann, wenn die bösen Buuchfrei-Girls vom Ausgang heimkommen 😁 Als weitere Unannehmlichkeit (zumindest für jemanden wie mich, der zu 95% entweder sportklettert oder bouldert) lastet dann mit Cams, Schuhen und ausreichend Getränken/Verpflegung für einen solch langen Tag so viel Gepäck an Gurt und Schultern, wie es höchstens fürs Training, nicht aber zum freien Moven willkommen ist. Naja, man wächst hoffentlich an seinen Aufgaben...

Sicht von der Fählenalp auf die Riesenwand am Hundstein mit dem ungefähren Verlauf von Buuchfrei. Gewisse Teile (im Mittelteil der Route) sind verdeckt und nicht einsehbar. Ebenso führt der Quergang im Gipfelbereich so weit nach links, dass man eine weitere, von diesem Punkt noch gar nicht einsehbare Wand erreicht. Kurzum, die Route ist lang! Die Sonne bescheint den Einstieg um diese Jahreszeit (Mitte Mai) schon sehr früh (ab ca. 6.30 Uhr). Im Herbst hingegen könnte das erst viel später der Fall sein (not sure though!).

L1, 35m, 6b+: Fulminanter Auftakt, steil-athletisch an Unter- und Seitgriffen bei nicht so üppigem Trittangebot, das kann gleich heftig in die noch nicht zum Einsatz gekommenen Arme fahren! In der zweiten Hälfte dann Kletterei an distant verteilten, guten Griffen auf der gutmütigeren Seite der Senkrechten mit einer plattigen Challenge kurz vor Schluss.

In L1 (6b+) kommt man zügig auf Betriebstemperatur!

L2, 50m, 5c+: Erst weit in grasigem T6-Gelände ohne wirklich gute Sicherungsmöglichkeiten hinauf zum Pfeiler, welcher dann in schönem Fels und guter Kletterei erklommen wird. Möglichst direkt an dessen Kante zu bleiben bietet die attraktivsten Moves. Auf der Suche nach dem einfachsten Weg pendelt man mehr hin und her.

Pfeilerkletterei in L2 (5c+).

L3, 30m, 6a: Es geht noch kurz am Pfeiler weiter, bevor dieser markant einfacher wird und sich zurücklegt heisst es etwas unlogisch und nicht gut sichtbar nach links abzweigen. Man wird dafür mit prima Fels und guten Moves entschädigt. Die Crux mit einem Strecker zu gutem Griff gar nicht mal so einfach.

L4, 40m, 5c: Eine wenig begeisternde Länge, bei der Stufe zu Beginn ist der Fels nicht so top und die Kletterei etwas murksig. Hier aber dafür recht gut gesichert. Dann der Ausstieg auf ein grasiges Band und über dieses hinauf zu Stand.

L5, 45m, 6a: Super Seillänge über eine plattige Rampe mit hervorragendem Fels à la Rätikon, teils mit seichten Wasserrillen versehen. Die Sicherungsabstände sind weit (5 BH plus 1 SU) und erfordern einige Unerschrockenheit. Immerhin stecken die Bolts genau dort, wo es ohne Sicherung dann echt unangenehm zu werden begänne.

Hat ein paar Grasbüschel, aber trotzdem super Kletterei in prima Fels: L5 (6a).

L6, 45m, 5b: Dito wie L5. Einfach ein bisschen einfacher, dafür nur noch 4 BH. Mega cool, hier einfach auf direkter Linie in diesem Premium-Fels zu moven. Macht man aber vermutlich nur im Nachstieg so (und geht super!). Der (=mein) Vorsteiger mäandriert da gerne deutlich mehr, um nicht so kompromisslos über die Platten zu müssen und vielleicht irgendwo noch ein Klemmgerät platzieren zu können.

Tolle Kletterei, weiträumig gesichert in L6 (5b).

L7, 30m, 6a: Durchzogener Beginn (Achtung, grosse lose Schuppe direkt auf der Linie, linksrum umgehbar). Zum Ende eine cooler Boulder mit feiner Wandstelle. Jedoch eher 6A bloc als 6a Route und zwar mit 2 BH gesichert - wer stürzt, den pfeffert es vermutlich trotzdem unangenehm ins flache Gelände. Vielleicht war's auch nur das, was mein Schwierigkeitsempfinden so hochgetrieben hat?!?

L8, 40m, 6a: Sehr schöner Auftakt an super Wasserrillen, wobei der erste BH eher hoch steckt und einen doch noch zupfigen Boulder über dem Grasband erfordert (es wird nicht von der Mitnahme eines Crashpads abgeraten 😁). Die zweite Wandstufe ist dann ok aber kein Highlight, der zweite Teil der Seillänge besteht aus einer einfachen Graswanderung.

Fantastische Rillen am Anfang von L8 (6a).

L9, 40m, 6b: Eine Wandstufe mit lässiger Kletterei. Lange geht's gut, aber die 6b wird wohl kommen. Nach den Erfahrungen von L7 mache ich mich auf etwas gefasst - tatsächlich ist es ein zwar kurzer, aber heftig technischer Plattenboulder. Ich würde sagen voll zwingend - aber gut gesichert, da kann man voll riskieren.

Zuerst geht L9 (6b) gut, die 6b-Stelle kommt im kompakten Wandstück rechts oben im Bild.

L10, 30m, T4: Einfache, horizontale Querung auf Grasband nach links.

L11, 40m, 5c: Erneut schöne Wasserrillen zum Auftakt, dann genussreiche, plattige Wandkletterei. Man muss sich aber sicher sein was man tut, 4 BH auf diese Kletterstrecke sind keine üppige Absicherung. Geht aber schon, die Kletterei ist gut kontrollierbar und man bringt auch noch die eine oder andere mobile Sicherung unter. 

In L11 (5c): Grasbüschel hat's mehr wie Bohrhaken. Trotzdem, prima Kletterei.

L12, 40m, 5c+: Ähnlicher Charakter wie L11. Schön kompakter Fels, weite Abstände (auch hier stecken nur 4 BH). Schlussendlich löst sich doch alles recht gut auf, wobei mich die Bolts in diesem Abschnitt nicht ganz so perfekt platziert dünkten (Seilzug und man klettert irgendwie komisch darum herum).

Kompakte Plattenkletterei mit weiten Hakenabständen auch in L12 (5c+).

L13, 45m, T5: Grasiger Abschnitt, steiler als in L10, aber immer noch unproblematisch in den Kletterfinken zu machen. Gleich links runter dürfte einfacher sein, wie erst dem Sporn zu folgen und erst oben zu traversieren. 

Damit war der erste Routenteil abgeschlossen. Es war schon 13.15 Uhr, somit hatte dieser Abschnitt doch 5:30h gebraucht und damit viel länger wie gedacht. Eine mögliche Erklärung ist unsere Ineffizienz, andererseits sind es doch 500 Klettermeter da rauf. Auch wenn es sich meist um Fünfer- oder unteres Sechsergelände handelt, so kann man doch nicht einfach so hochspulen. Dafür ist die Absicherung zu spärlich, d.h. man muss sich oft weit über dem letzten Bolt im plattigen Gelände sorgfältig bewegen und/oder nach mobilen Absicherungsmöglichkeiten suchen. Aber item: während Viktor dafür plädierte, dass ich nun die Cassiopeia (8 SL, 7b max, 7a+ obl) vorsteigen solle, fand ich das keine so gute Idee. Nach kurzer Nacht, weitem Zustieg, schon etlichen Stunden Kletterei in den Knochen und mit dem ganzen Geraffel an Gurt/Rücken schien es mir wenig plausibel, die gleich mehreren harten Seillängen mit laut Beschreibung anspruchsvoller Absicherung einfach so rasch wegzuspitzen. Das Unternehmen Cassiopeia hätte wohl mindestens den Zeitplan gesprengt, wenn es denn nicht völlig zum Waterloo geworden wäre. Somit lautete die (=meine) Devise erst einmal, die Buuchfrei sauber onsight zum Top zu bringen: auch das war noch Aufgabe genug...

Marcel am Start vom oberen Teil von Buuchfrei und La Mushkila, ebenso der Start der Abseilpiste über den Wandsockel. Für Felix 😉, sonstige Anwärter und damit ich es selbst nicht vergesse: beim blauen Fass kann man wohl ganz leidlich biwakieren. Relativ schmal aber ebener Platz.

L14, 40m, 6a+: Sorry, not sorry: eine grauenhafte Seillänge! Ich will niemanden abschrecken, aber gerade die erste Hälfte nach rechts raus in die Nische ist ein furchtbarer Bruch. Der zweite Teil, der gerade hinauf führt, ist dann nicht mehr ganz so schlimm - dafür steiler und schwieriger, so dass man halt an teils dubiosem Material richtig ziehen muss, und nicht mehr einfach mit Stützen und Schieben durchkommt. Es stecken BH, die fachmännisch platziert wurden. Sprich im besten verfügbaren Fels, hohl dröhnen tut allerdings auch der. Wird aber im Falle des Falles schon halten... Die Seillänge ist nur etwas für Leute, die sich in solchem Gelände zu bewegen wissen. Allem übel zum Trotz: wir konnten die Länge beide ohne Sturz, Griff- oder Trittausbruch bewältigen, es geht also schon. Und sie ist die Eintrittskarte für den fantastischen oberen Teil - es lohnt sich, durchzubeissen. Im Wissen drum was folgt, würde ich sie auch nochmals klettern. Sonst alternativ 2 SL über die Muskhila (7b+, 7a) wobei das Gelände zu Beginn de visu nicht erbaulicher aussieht.

Sieht supercool aus, zum Klettern aber... abschreckend (L14, 6a+).

L15, 30m, 6c: Mit einer splittrigen Querung nach links hinaus erreicht man guten Fels. Leisten und scharfes, wasserzerfressenes Material wartet. Super Kletterei mit guter Absicherung im schwierigsten Abschnitt, oben raus bei nachlassenden Schwierigkeiten (6a+/6b) heisst es dann mutig weit über die Bolts zu steigen - Wendenvibes kommen auf! Aber die Griffe sind da (und werden es auch bleiben 😁).

Auf der Suche nach gutem Fels - jetzt kommt er dann gleich (L15, 6c).

L16, 30m, 6b: Gerade voraus ginge es im superkompakten Fels in eine 7b der Mushkila. So gesehen kann man froh sein, dass Buuchfrei einen kleinen Umweg rechtsrum macht. Dort ist kurzzeitig nochmals etwas Lottergelände angesagt - nicht so schlimm allerdings. Nach dem ersten Drittel dann prima Fels mit steiler, athletischer und harter 6b-Kletterei. Knapp mit BH gesichert - wer die Reserven hat, steigt da einfach drüber. Wer sie nicht hat, beginnt vermutlich mit Cams hier und da zu fummeln, was den Akku dann noch schneller leersaugt - choose wisely! Das Finale dann wieder mehr technisch nach rechts hoch.

L17, 20m, 6b: Tolle Seillänge in steilem Gelände mit prima Fels, welche einer Reihe von mehreren Löchern und Nischen folgt. Hier ist die Absicherung mit BH im Vergleich zu den Längen davor und danach nach meinem Empfinden um einiges grosszügiger ausgefallen, somit ein vergleichsweise leichtverdauliches Teilstück.

Sieht nicht so berauschend aus, ist aber eine tolle Seillänge (L17, 6b).

L18, 40m, 6a+: Ein mega Killerviech von einer Seillänge, absolut genial mit Premium-Fels und Kletterei. Nur bei der Bewertung kann es sich bloss um einen Scherz handeln. Rein von der Qualität her passt dieser Abschnitt problemlos an die Wendenstöcke - nur die Bewertung würde selbst die dortigen Massstäbe sprengen (und es gilt ja gemeinhin das Motto "man spasse nie mit einer Wenden-6a+ !!!"). Die 6 BH sind (bei anhaltenden Schwierigkeiten) gut platziert, dazwischen wartet einiges an Raum für die freie Kletterei. Nach unserer Einschätzung sicher 6b+ (und zwar im Bewertungskontext von Buuchfrei, in Kalymnos wohl eher 7a+).

Moooonster-Pitch L18 (laut Topo 6a+, man stelle sich besser auf 6b+/6c ein).

L19, 45m, 4b: Jetzt heisst es queren. Eine solch lange Traverse im Grad 4b mit nur 3 BH lässt unterschwellig meist Gehgelände vermuten. Das manifestierte sich so ganz und gar nicht. Es muss geklettert werden und zwar richtig. Der Fels ist super, die Sicherungsabstände sind weeeeiiiiit. Ob nur das Angesicht eines Wahnsinnspendlers ins Leere die empfundene Schwierigkeit auf 5bc (oder sowas) hochgetrieben hat?!?

L20, 45m, 5b: Weiter geht's mit Quergang - super Fels mit extrascharfen Wasserrillen, sehr eindrücklich. Hier stecken 4 BH, zwei, drei mobile Sicherungen bringt man unter. Aber nicht nach Belieben und was ein Pendelsturz in diesem ultrarauen, scharfkantigen Fels bedeuten würde - man will es sich nicht ausmalen. Für die Person am hinteren Seilende trotzdem etwas angenehmer wie die 4b, da es hier schon wieder etwas mehr hinauf und nicht nur horizontal geht.

Da legt die Route dann eben mal 150m Quergang hin. Hier schon L21 (5c+).

L21, 50m, 5c+: Noch mehr Quergang, wobei es hier v.a. am Ende definitiv schon mehr hoch als hinüber geht. Man befindet sich hier nicht mehr direkt in der Tropfzone unter dem oberen Bauch, weshalb der Fels nicht mehr ganz so gut, ja am Ende schon wieder etwas durchzogen ist. Mit immerhin 7 BH etwas freundlicher geboltet als die beiden vorangehenden und gefühlt nicht wirklich schwieriger?!?

L22, 45m, 6c: Gespannt waren wir, was uns hier als Schlussbouquet präsentiert wird. Es ist eine geniale Seillänge mit betont senkrechter Kletterei in perfektem Fels, gespickt mit kleinen Schuppen, die als Untergriffe, Seitgriffe und lochartige Leisten daherkommen. Im steilen Teil gut eingebohrt, aber doch recht zwingend. Und wo sich das Gelände dann zurücklegt, heisst es im steilplattigen Gelände beherzt voranzuschreiten. 

Das Foto wird der Güte der Kletterei nicht ganz gerecht: grandioses Schlussbouquet in L22 (6c).

L23, 20m, 5a: Das Dächli gleich oberhalb vom Stand ist die Crux. Direkt, rechtsrum oder deutlich einfacher linksrum, make your choice. Danach folgt schrofiges Gelände zu Stand an einem Einzelbolt.

L24, 50m, 6a: Laut Topo quert die Route nun noch für zwei Seillängen etwas gesucht nach links rauf Richtung Gipfel. Der logische und schnellere Weg führt direkt hoch zum Grat. Den wählen wir, denn es schien nun definitiv nicht unweise, uns noch etwas Zeitreserven zu gönnen...

Somit waren wir um 19.45 Uhr nach 'a whopping' 12:00h Kletterzeit am Gipfel. Sagen wir doch 'in climbing it's not the speed that counts, but getting to the top'. Schlussendlich war es im Schnitt auch nur eine Halbstunde pro Seillänge - trotzdem schreibe ich das alles etwas beschämt, denn irgendwie sollte es eigentlich schon ein wenig schneller gehen, so sagt mir mein unterschwelliges Gefühl. Jedoch ist es nicht so, dass mich die Route überfordert hätte. Ich konnte alles souverän im Onsight klettern, was das vorrangige Ziel war. Für mich ist es das ultimative Erlebnis, komplett frei durch eine solche Wand zu steigen und zu "beweisen", dass es das Seil und die Bohrhaken (zumindest theoretisch 😉) nicht bräuchte. Das Gefühl es auch wirklich geschafft zu haben, war wie immer grandios. De fakto war es nach dem Alpsteinmarathon und der Roten Freiheit schon die das dritte Mal, dass ich dieses super eindrückliche Riesengemäuer durchstiegen habe, ohne das Seil je belastet zu haben. 

Es hat seine geraume Weile gedauert. Aber: doch noch oben!

Diese Gedanken um den Style gehen mir jetzt im Nachhinein beim Sinnieren über die Stimmung am Top durch den Kopf. Vor Ort drehte sich das Kopfkino vor allem darum, möglichst effizient wieder vom Berg zu kommen. Eigentlich keine Sache, der T4-Wanderweg vom Hundstein bringt einen wenn's pressiert in 45 Minuten zur Bollenwees, von wo man weitere 1:15h ins Tal wackelt. Doch da war noch was: während die Schneekarten und die Situation auf den Webcams südseitig bis auf die Höhe vom Hundstein-Gipfel grossmehrheitlich apere Verhältnisse zeigten, so war mir bewusst, dass in solch exponiertem Gelände schon nur ein kleines Schneefeld am falschen Ort ein Showstopper sein könnte. Nach dem Blick von der Bollenwees frühmorgens (siehe Titelfoto) und der Tatsache, dass man mit zunehmendem Aufstieg immer mehr Weiss um sich herum sieht (während von ganz unten her gesehen alles grün schien) beschlich mich im Lauf des Tages je länger je mehr das Gefühl, dass der Fussabstieg nicht ginge (dies auch der Grund, in L24 direkt und ohne den Umweg von L25 nach links zum Gipfelgrat zu klettern). Und so war es: grossmehrheitlich aper war schon richtig, aber die erste exponierte Querung unter den Widderalpstöck wäre selbst mit alpiner Vollausrüstung ein sehr gewagtes Unternehmen gewesen. Und nur mit den Turnschuhen definitiv ein Himmelfahrtskommando.

Zum Glück hatte ich mir alle andere Optionen schon längst zurechtgelegt gehabt. Nun mussten sie mit dem vollen Überblick über die Lage im Gelände und der zur Verfügung stehenden Zeitreserve nur nochmals durchgerattert und in eine Entscheidung umgemünzt werden. Ich verzichte nun an dieser Stelle auf die Auflistung aller Pläne C, D, E, ... und fokussiere auf Plan B, welcher schlussendlich reibungsfrei und auch zügig funktioniert hat.

  1. Ich spielte schon nach der 6c in L22 mit dem Gedanken von dort abzuseilen. Dies im Bewusstsein darum, dass der Weg vom Gipfelgrat zurück dahin umständlich und zeitraubend sein könnte. Oder dass wir im schlimmsten Fall über eine andere Route abseilen müssten. In der Kombination von Gipfeldrang und der Hoffnung auf den Fussabstieg fiel trotzdem der Entscheid weiterzugehen.
  2. Tatsächlich gibt's oben, 2m unterhalb vom Gipfelgrat in idealer Position einen neueren Einzelbolt mit Maillon - ganz bestimmt von den Buuchfrei-Erschliessern, die so zurück auf ihre Route gekommen sind. Er befindet sich direkt oberhalb vom Stand nach L22, bis dahin sind es in direkter Linie ca. 50m Abseilstrecke. Wer sich im Gelände gut orientieren kann, wird den Abseilbolt zweifellos finden. 
  3. Über den oberen Wandteil, d.h. die eigentliche Hundstein-Südwand, haben wir dann die im SAC-Buuchfrei-Topo verzeichnete Abseilpiste gewählt. Vom Gipfelgrat wie erwähnt 50m zu einem Irniger-Abseilstand wenig neben Stand 22, dann sind es 45m in mässig steilem Gelände (schon etwas westwärts haltend, der Irniger-Abseilstand ist westlich vom Graben/Kamin). Der folgende 30m-Abseiler ist dann sehr respekteinflössend und erfordert es, das Abseil-Einmaleins perfekt zu beherrschen. Nach 15m steht man an der Kante vom Bauch, die Seile baumeln unten im luftleeren Raum, der Abseilstand befindet sich mindestens 5m weit seitlich versetzt und scheint unerreichbar. Tipp: mit einem Cam 0.75 lässt sich ein sicheres Directional legen. Der Seilzweite entfernt dieses und schaut dann, dass er ohne Pendler und sonstigen Landschaden den Stand erreicht. Zuletzt sind es noch 55m freihängend 'back to the ground', d.h. in steiles Schrofengelände am Fuss der Südwand. Um auf diese Abseilmöglichkeit zurückgreifen zu können, hatte ich an diesem Tag die 60er-Seile genommen (mache ich sonst nie, wenn es sie nicht zwingend braucht). Mit 50er-Stricken geht's wohl wirklich nicht, ohne die letzten Meter abzuspringen...
  4. Am Fuss der Südwand befindet man sich auch mehr oder weniger im Niemandsland. Fussabstieg via Rotturmsattel und das Mörderwegli wäre eine Option. Dabei handelt es sich zumindest zu Beginn um steiles T5/T6-Absturzgelände. Suboptimal ohne Ortskenntnisse, bei noch plattgedrückt-glattem Gras und vor allem gab's da drüben auch noch Schneereste, welche den Optimallinie möglicherweise unter sich bedeckt hielten. Das wollten wir nicht riskieren.
  5. Der mit Abstand beste und sicherste Weg vom Wandfuss der Hundstein-Südwand zurück zur Fählenalp ist die relativ neue Abseilpiste von Andy Trunz und Werner Küng vom Oktober 2022, auf Eastbolt würde darüber berichtet. Dafür hiess es erst einmal, zurück zum Stand 13 von Buuchfrei zu kommen, was einen weiteren 15m-Abseiler über eine Felsstufe und die Querung von exponiertem Schrofengelände erfordert (tw. Fixseile und einige BH vorhanden). Die Abseilpiste bietet dann 8 Manöver à meist 45-50m und funktioniert wirklich hervorragend. Steile Felsstufen wechseln sich mit grasigem Gelände ab. Selbst das grasige Terrain ist aber genügend steil, wenig strukturiert und es liegen auch kaum Steine herum. So braucht's erstaunlich wenig Seilpflege und das Risko von Steinschlag beim Seilabziehen ist auch im grünen Bereich. Noch dazu sind die Standplätze geschickt platziert.
Freihängender 55m-Abseiler an den Fuss der Südwand. Wie man sieht, dort wartet keine flache Wiese.

Das tönt jetzt alles, wie wenn der Weg zurück an den Einstieg eine halbe Ewigkeit gedauert hätte. Das ist aber nicht der Fall, 90 Minuten waren es vom Gipfel zurück zum Einstieg - nicht schlecht für total 14 Abseilmanöver in unbekanntem Gelände und noch eine exponierte Querung zu Fuss dazwischen. Naja, 'immerhin runter sind sie schnell', könnte man sagen. Profitiert habe ich dabei von der exzellenten Skizze von Werner. Die Geländefeatures zum Auffinden der Standplätze weisen exakt den richtigen Detaillierungsgrad auf und vor allem stimmen die Meterangaben perfekt. Als Gold wert haben sich natürlich auch die (selbst angebrachten) 15m, 30m und 45m-Markierungen am Seil erwiesen. So habe ich selbst bei schwindendem Tageslicht alle Standplätze subito und ohne zu Suchen identifizieren können. Vielen Dank, Werner!!!

Den haben wir unterwegs noch gefunden. Da steckt wohl auch eine Geschichte dahinter...

Tja, das war's schon fast. Von der Fählenalp gab's nun noch einen Heimweg, der sich durchaus noch etwas in die Länge zog. Die erste Schwierigkeit bestand darin, dass dem Fählensee entlang reger Froschverkehr herrschte - eine unglaubliche Vielzahl an Amphibien war da unterwegs. Von der Bollenwees weg war's dann hingegen einfach noch eine lästige Pflichtaufgabe. Aber nach einem solchen Tag nimmt man die natürlich gerne in Kauf - aussergewöhnliche Erlebnisse bedingen halt auch aussergewöhnlichen Einsatz. Die letzte Stunde vor Mitternacht war schon angebrochen, bis wir zurück am Parkplatz waren - froh drum, aufs Polster sitzen zu können und das Bett daheim nicht mehr allzu fern zu wissen.

Mein Fazit: entweder hat Viktors Iphone eine genial gute Kamera oder mit meinen Augen stimmte etwas nicht mehr. Nach meinem persönlichen Eindruck war es nämlich langsam 'pitch black', als wir die Seile aufrollten.

Bleibt noch der Epilog zur Tour: am nächsten Tag war ich dann mit dem Teenage Girl am Voralpsee. Hört sich nach einer solchen Monstertour vielleicht ziemlich verrückt an, aber versprochen war versprochen. Und es ging tatsächlich gut - naja, 'gut' ist vielleicht ein wenig optimistisch, aber zumindest konnte ich solide performen und ich habe dabei nicht heftiger aufs Dach bekommen, wie dies am Voralpsee selbst bei optimaler Vorbereitung jeweils der Fall ist. Wobei das schon eine gewisse Logik hat. In der MSL-Tour wurden v.a. die Körperteile unterhalb der Buuchfrei-Grenze hart beansprucht, während es am Voralpsee in erster Linie jene oberhalb davon waren. Jedenfalls bei meinem Trainingsstand, your mileage may vary 🤗

Facts

Hundstein - Buuchfrei 6c (6b+ obl.) - 25 SL, 950m - Angst/Wälti 2019 - ****;xxx
Material: 2x60m-Seile (!!!), 12 Express, Cams 0.2-2, evtl. Keile

Eine wahre Monstertour! Der untere Teil ist wie bei den benachbarten Routen auch: felsige Stufen zwischen grasigen Bändern, die Erschliesser haben den schönen Fels gesucht und ihn weitgehend auch gefunden. Spannende Kletterstellen wechseln sich mit Graspassagen ab. Durchaus lohnend, aber nicht super eindrücklich und insgesamt mehr ein Kletterzustieg zum wesentlichen, oberen Teil. Nachdem man sich mit einer (mehr als nur teilweise) brüchigen Einstiegslänge dort das Ticket gelöst hat, wird man dann mit vielen herausragenden Längen in oft fantastischem Fels belohnt. Alles in allem, mit Routenlänge, Erlebniswert, Ambiente und der Anzahl an schönen Metern gebe ich gerne 4 Sterne. Wer negativ denkt und für Gras, Bruch und Quergänge Abzüge von der Höchstnote macht, kommt vermutlich zu einem anderen Ergebnis. Die Absicherung mit rostfreien Bohrhaken ist OK. Die schwierigen Kletterstellen >6a sind fast immer gut abgesichert. Im einfacheren Gelände sind die Abstände oft weit, dies auch bei ungutem Sturzgelände (z.B. über Bändern). Da muss man einfach sicher klettern. Kurzum, ab 6b gebe ich xxxx, unterhalb von 6a dafür nur xx, dazwischen und im Schnitt xxx. Teilweise ist es möglich, mobil abzusichern, aber nicht immer und überall. Wir hatten ein Set Cams von 0.2-1 dabei, welches regelmässig zum Einsatz kam. Es ging gut ohne die Grösse 2, für welche man aber durchaus Einsatzmöglichkeiten findet. Keile haben wir nur 2-3x eingesetzt, die würde ich als fakultativ bezeichnen. Ein gutes Zeitfenster für die Route zu finden ist gar nicht mal so einfach: wir hatten Mitte Mai optimale Bedingungen zum Klettern, dafür war der Fussabstieg wegen Restschnee noch nicht machbar (das Abseilen ist aber recht gut möglich und kostet gegenüber dem Abstieg nur ca. 1h zusätzlich, wenn alles glatt läuft). Im Sommer ist es tendenziell eher zu heiss, v.a. im unteren Teil kann man da schon richtig gebraten werden. Und der üppige Grasbewuchs kann auch störend sein. Ab Mitte August kann die schrumpfende Tageslänge dann zum Nachteil werden. Wichtig: man bewegt sich im alpinen Gelände, das Gelände um die Hundstein Südwand ist extrem steil und schrofig. Man informiere sich über Rückzugsmöglichkeiten und bereite sich entsprechend vor. Im unteren Teil ist der Handyempfang eher unzuverlässig, oben hat man dann freie Sicht nach Österreich und entsprechend Netz. Topos und weitere Infos findet man im hervorragenden SAC-Kletterführer Alpstein von Werner Küng. Man führe auf jeden Fall auch die (im Führer noch nicht enthaltene) Skizze zur Abseilmöglichkeit von der Südwand mit.