Ja, wir zahlten einen Preis, weil wir unbedingt einen hohen Gipfel besteigen wollten. Nämlich jenen, dass dieser den ganzen Tag über eine Wolkenkappe auf hatte und die Aussicht dementsprechend sehr stark eingeschränkt war. Da hätte man auf einem niedrigeren Voralpengipfel definitiv eine längere und sonnigere Gipfelrast abhalten können. Es ist aber nicht so, dass sich die Tour deswegen nicht gelohnt hätte. Die Idee mit der ~30km langen Silvrettadurchquerung von Guarda im Unterengadin nach Klosters im Prättigau war eindrücklich und sehr lohnend - die meiste Zeit waren wir sogar an der Sonne und lohnend Skifahren liess es sich auch.
Die Tour beginnt mit einem flachen Aufstieg durchs Val Tuoi. |
Die Tour begann in Schellenurslis Zuhause, mitten im Dorf Guarda. Erst geht's auf präparierter Piste los, danach weiter flach hinein ins Val Tuoi. Dieser Abschnitt bringt viel Distanz (~7km) aber nur 600m Höhengewinn mit sich. Während ich sonst das Beschreiten langer, flacher und einsamer Täler im Winter durchaus mag, war's hier ein wenig mühsam. Die Spur war aufgrund von Fussgängern, Schneeschuhläufern und Lawinenbollen meist unruhig, beständig ging's etwas auf und ab, das schöne, rhythmische Schreiten kam nicht so oft zum Zug. In ca. 1:40 Stunden schafften wir es zur Chamanna da Tuoi, wo wir eine Pause und einen Umtrunk geplant hatten. Leider war jedoch der Wirt gerade nicht zugegen, so dass wir alleine in der Stube sassen und unseren Rucksack plündern mussten.
Die Chamanna da Tuoi ist erreicht. Die Hütte war offen und geheizt, der Hüttenwart aber kurzfristig abwesend. |
Die nächste Etappe führt nach einer kurzen Abfahrt dann steiler weiter. Vis-à-vis der Hütte geht's anhaltend an und über der 30-Grad-Grenze hinauf zur Verflachung von Cronsel (2700m). Hier konnten wir von einer Spur profitieren, welche 2 von der Hütte aufgebrochene Tourengänger gelegt hatten. Dann hiess es für uns links abzweigen. Über einen steilen Nordhang (35-40 Grad) gilt es, den namenlosen Gletscher in der Ostflanke des Piz Fliana zu erreichen. In dessen erster Stufe (40-45 Grad) lag eine sehr mühsame, rutschige Pulverauflage auf kompaktem Untergrund. Bald wurde uns der Aufstieg mit Fellen zu bunt und wir bewältigten 100hm zu Fuss mit den Skis am Rucksack. Danach legt sich das Gelände etwas zurück und wir gelangten fellend unter die steile Schlusspartie (40-45 Grad), die in den Sattel am Nordgrat des Piz Fliana hinaufführt. Diese war mit Ski gangbar.
Eindrückliches Gelände bei Cronsel (2700m), hier zweigt die Route zum Piz Fliana über den ostseitigen Gletscher ab. |
Vom Sattel (ca. 3150m) konnte man mit den Ski noch zwischen den Steinen hindurch etwas aufsteigen, nach rund 50hm war dann aber Schluss. Zu Fuss ging's weiter auf einen flachen Gratabschnitt auf ca. 3220m. Dort setze dann der echte Nordgrat zum Gipfel an. Dieser bietet leichte Kletterei (max. UIAA II) über teils etwas plattige und verschneite Felsen. Meist ist die Sache unschwierig, zwei etwas komplexere Passagen stellen sich jedoch in den Weg. An jenen sind die Felsen abschüssig und wenig gestuft und da der Grat doch ziemlich exponiert ist, fühlte sich das nicht ganz trivial an, erst recht dann im Abstieg. Aufgrund der Natur des Geländes waren für uns Steigeisen und Pickel nicht zwingend nötig - doch ausser wenn man über genaue Infos verfügt, dann macht es hier wohl Sinn, sie auf jeden Fall zur Tour mitzunehmen.
Eindrückliches Tourengelände, so haben wir es gern. Dieser Abschnitt ist bereits bis zu 40 Grad steil. |
Auf dem Gipfel, wo es wie bereits beschrieben dick neblig war, hielten wir uns nicht lange auf. Der Aufstieg hatte uns von Guarda insgesamt doch fast 4:30h gekostet. Klar sind es netto nur gut 1700hm, aber eben auch einiges an Distanz und viel Gelände, wo die Höhenmeter nicht einfach so dahinpurzeln. Vorsichtig stiegen wir zurück zum Skidepot, zurrten alles fest und machten uns an die Abfahrt. Vom Sattel 3150m wollten wir über die 40-45 Grad steilen Nordhänge nach NW zum Vadret Tiatscha abfahren. Gute und absolut sichere Verhältnisse sind hier Bedingung, der Hang bricht unten in Felsen ab und man fühlt sich ganz schön exponiert. Der Schnee war hier schön pulvrig, doch auch wenn wir nun wieder ausserhalb vom Nebel waren, war es hier um die Sicht nicht zum allerbesten bestellt. Bei rund 2760m kamen die Skis zum stehen und wir zogen erneut die Felle auf.
Aufstieg über den exponierten Nordgrat am Piz Fliana, Fehler sind hier keine erlaubt! |
Der gang hinauf zum Verstanclator ist an sich weder weit (ca. 1km, 160hm), doch hier drückte die Bise den Nebel hinauf, so dass wir in ein wahres Whiteout gerieten. Sich beim Weg in die Lücke zu verirren ist zwar nur schwerlich möglich, trotzdem war's angenehm, mit dem GPS jederzeit zu wissen, wo man sich gerade befand. Bald erreichten wir den Einschnitt und konnten abfellen. Freudig stellten wir fest, dass der Nebel hier endete und für die lange Abfahrt nach Klosters Sonnenschein und beste Sicht herrschen würde. Um die Schneeverhältnisse war es auf den obersten 400hm jedoch nicht ideal bestellt. Der Schnee war eher decklig und es gab nur hier und da ein paar schöne Schwünge. Unterhalb von 2500m trafen wir dann jedoch auf besten, gesetzten Pulver und konnten beschwingt durch das einsame und noch komplett unverspurte Gelände cruisen.
Gipfel erreicht! Trotz Whiteout ein schönes Erlebnis, mit Panorama wäre es aber zweifellos noch besser gewesen! |
Auf etwa 1670m verflacht sich das Gelände dann zusehends und es gilt in ~6km Flachlauf die Ebene der Alp Sardasca zu queren. Die Höhendifferenz auf diesem Abschnitt beträgt nur 100m. Wenn noch keine Spur oder kein kompakter Schnee liegt, ist man sehr gut daran beraten, nochmals die Felle aufzuziehen. In Unkenntnis der genauen Gegebenheiten und in der Hoffnung, dass hinter der nächsten Ecke wieder mehr Gefälle warten würde, verzichteten wir darauf. Schlussendlich musste der Vorangehende jedoch ziemlich durchgehend "watscheln", der Zweite konnte immerhin hier und da auf die etwas kraftsparendere Technik mit Doppelstockstössen setzen. Jedenfall waren wir äusserst froh, als wir wenig oberhalb von Novai auf die Abfahrtsspuren vom Roggenhorn trafen, was ein wieder bequemeres Fortkommen erlaubte.
Die Abfahrt vom Verstanclator nach Klosters ist lang, einsam und eindrücklich - sehr empfehlenswert! |
Über eine Stufe wo es "wieder fährt" gelangten wir hinunter nach Novai. Bis hierher sind von Klosters Langlaufloipen und Winter-Wanderwege gespurt. Trotzdem sind es nochmals ~7km bei 180hm Höhenverlust. Von alleine läuft's da nicht, Skating-Technik ist gefragt. Nach knapp 8h on the move wurde dann aber schliesslich das Ziel in Klosters erreicht. Zurückblicken konnten wir auf eine lange und erlebnisreiche Reise mitten durch die Silvretta. Auch wenn Meteo und Schnee nicht zu 100% top waren, so war das doch eine sehr schöne Skitour mit tollen Emotionen, viel Abwechslung, grandioser Landschaft und stiebenden Skischwüngen.
Tolle Stimmungen, geniale Landschaft und lässiges Skigelände. |
Facts
Route: Guarda - Chamanna Tuoi - Piz Fliana - Verstanclator - Klosters
Rund 30km Distanz mit 1900m Aufstieg und 2400hm Abfahrt, Schwierigkeit S
Material: Skitourenausrüstung, Steigeisen/Pickel für Gipfel empfohlen, evtl. Seil
Fazit: Lange Silvrettadurchquerung mit imposantem Gipfel, konditionell anspruchsvoll
Unsere Route, so quasi 1x Vereina hin und zurück. Quelle der Karte: map.geo.admin.ch |
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