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Freitag, 16. September 2022

Rothorn / Rote Fluh - Bons Baisers de Sibérie (7a+)

An die gelobte Rote Fluh im Färmeltal hatte ich es bisher erst ein einziges Mal in meiner Kletterkarriere geschafft und das liegt nun auch schon wieder 5 Jahre zurück. Doch nun war wieder einmal ein Tag dafür gekommen. Eine langsam abziehende Schlechtwetterfront versprach in der Zentral- und Ostschweiz noch viele Restwolken und die Temperaturen waren auf herbstliches Niveau gefallen. Zusätzlich waren der persönliche Formstand und die nötige Dicke der Fingerhaut auf dem erforderlichen Level. So konnte die kurvenreiche Anfahrt ins hintere Simmental gutem Mutes angepackt werden. Noch während dieser einigten wir uns auf einen Versuch in der am höchsten gelobten Tour an der Wand. Diesen Lobpreisungen kann ich nur zustimmen, die Bons Baisers ist mit Garantie eine der Top-MSL-Routen der Schweiz!

Das Rothorn in seiner ganzen Pracht mit dem Verlauf der Bons Baisers de Sibérie (7a+)

Wie schon beim letzten Mal stationierten wir unser Gefährt beim Waldstück auf ca. 1440m und liefen um 8.40 Uhr los. Scheinbar waren keine anderen Kletterer unterwegs und das bestätigte sich später tatsächlich; wir hatten die ganze Wand des Rothorns alleine für uns zu Verfügung - erstaunlich! Erst auf Güterstrassen, dann entlang dem Wanderweg zum und durch den Brandwald ging es bis zum Ausgang desselben unterhalb der Alp Bluttlig auf 1710m. Dort verliert sich der Pfad, man geht am besten einfach gerade über die Wiesenhänge hinauf. So wird man unweigerlich auf den Climbers Trail treffen, der ab ca. 1790m wieder deutlich ausgeprägt ist und im Bereich der grossen Geröllhalde zur Wand führt. Gerade eine Stunde nach Aufbruch waren wir an den tiefsten Felsen, wo sich der Einstieg von Le Salamandre befindet. Etwa 50m weiter links oben liegt der Startpunkt der BBdS - die Aufschrift ist inzwischen abgeblättert, die (auf den Topos verzeichnete), markante kleine Nische links an diesem Felsriegel ist aber genügend charakteristisch, um sich sicher zu sein. Um 10.05 Uhr waren wir 'geared up' und starteten mit der Kletterei.

Das hintere Färmeltal - de toute beauté :-)

L1, 45m, 6b+: Die ersten Meter sind gleich der am wenigsten attraktive Abschnitt der ganzen Route. Da ist der Fels noch nicht über jeden Zweifel erhaben, passt aber schon. Bald einmal geht's athletisch-griffig über zwei Wulste hinauf, was einen auf die grosse Platte bringt. Dank tollem, rauem Fels und genügend Struktur geht's auch da weitgehend recht kommod voran. Nur an einer Stelle, die sich zusätzlich auch noch zwischen den Haken befindet, muss man vage Sloper bedienen, sich 'süüferli' verschieben und der Reibung das Vertrauen schenken. Zuletzt dann wieder einfacher auf das Grasband hinauf.

Zum Greifen nah! Wir hatten definitiv mehr Freude an ihm wie die Dohlen.

L1bis, 20m, Gehgelände: Man muss sich über das Grasband nach links verschieben, wo die Route nun so richtig beginnt und durch die ~180m hohe, stets mindestens vertikale und oft überhängende Steilwand führt. Von den beiden Standplätzen bzw. Hakenlinien ist die rechte die Richtige, bei der linken handelt es sich ein schwieriges Projekt/Route (?) von Berner Oberländer Kletterern.

L2, 35m, 6c+: Hier ist die Schonfrist definitiv vorbei und es geht volle Kanne los. Schon nach wenigen Metern ist man von der fingerkräftigen Tropflochkletterei hoffentlich begeistert, kämpft möglicherweise gegen den aufkeimenden Pump und sucht sich seine Sequenz durch die unzähligen Strukturen der Wand. Schon bald ist einiges an Engagement nötig - die Absicherung ist zwar safe, aber doch nicht allzu üppig, vor allem aber ist das Terrain anhaltend und die Moves auch zwischen den Haken fordernd. In der Mitte lockt ein arg auf direkte Linie gesetzter Haken zum Pokerspiel über die zu wählende Beta und auch kurz vor Ende erfordert eine weitere cruxy Sektion Entschlossenheit. Insgesamt ein tough cookie, hier eine 7a zu geben wäre sicher auch nicht verkehrt.

Exzellente Kletterei in fetzig-scharfem Tropflochkalk in L2 (6c+).

L3, 25m, 7a+: Metermässig eine der kürzeren Seillängen, subjektiv wird es einem aber bestimmt nicht als eine halbe Portion vorkommen. Gängiges Gelände führt einen an die Crux heran, wo wegen Trittarmut athletisch an Untergriffen und ein paar mässigen Leisten operiert werden muss, bis man seine Griffel wieder in scharfe Tropflöcher krallen kann. Nach einer kurzen Verschnaufpause fordert eine zwar recht gutgriffige, löchrige aber unübersichtliche und erneut trittarme Power-Passage. Ein Runout bringt einen zum finalen, funky Boulderproblem über einen Wulst mit einem balancy Ausstieg - kühne Sache, die durchaus Entschlossenheit fordert. Auch hier gilt, die 7b (welche in älteren Topos zum Teil noch gelistet wird) wäre bestimmt keine Überbewertung.

Nach athletischer Power-Kletterei wartet in L3 (7a+) ein knifflig- bouldriges Finale.

L4, 45m, 6c+: Eine Mooonster-Länge, aber so, so gut! In perfektem Tropflochfels geht's diagonal rechts hinauf, mit der richtigen Linienwahl doch einigermassen kommod. Nach etwa 15m stellen sich einem aber zwei überhängende Abschnitte in den Weg. Rissähnliche Strukturen und ein paar runde Löcher stellen das Material dar, um diese mit kräftigen Moves zu bezwingen. Man erreicht so eine wasserrillige Rampe, welche die Route aber zu Gunsten von schwierigerer Kletterei gleich wieder nach rechts verlässt. Kühne Steilplattenmoves werden gefordert, die Stelle vom zweitletzten BH weg ist dabei echt knifflig und leitet in einen längeren Abstand über - nur cool bleiben, je mehr man sich vom Haken entfernt, desto einfacher wird es. Diese Länge wird in einigen Topos als 6c+, in anderen sogar nur als 6c bewertet. Letzteres macht für mich keinen Sinn (da hier nix einfacher ist wie in L2, L5, L6) und auch eine 7a wäre nicht gestohlen.

Die Mooonster-Pitch (L4, 6c+) endet mit harter Steilplattenpassage, in einen Runout übergehend.

L5, 35m, 6c+: Von den allesamt genialen Seillängen im Hauptteil ist diese hier vermutlich die am wenigsten herausragende - aber natürlich immer noch kein Programm zum Wegzappen. Los geht's nach links hinauf mit steiler, stets latent pumpiger Tropflochkletterei. Wer noch ausreichend Reserven an Kraft und Haut hat, kommt aber bestimmt ohne grössere Basteleien zur Crux, wo man sich von einer guten Rastposition die Strategie zurechtlegen kann. Die offensichtliche Standard-Beta besteht aus einem instabilen Move von einem Sloper in einen Untergriff. Ich habe drei-, viermal dazu angesetzt, aber die Garantie die Bewegung ohne Wegzukippen ausführen zu können spürte ich nicht. Da ich mir den Onsight nicht versauen wollte, habe ich schliesslich eine bessere Lösung identifiziert und auf diese gesetzt. Die ging stabil, aber ob sie nun tatsächlich einfacher ist oder womöglich sogar nur mit meinen Proportionen machbar, vermag ich natürlich unmöglich zu sagen. Mein Kletterpartner hat mir im Anschluss bestätigt, dass der Move auf der Originalbeta effektiv so schwierig und heikel ist, wie ich ihn eingeschätzt habe. Nach der Crux wird es bald einfacher, man klettert in nicht mehr ganz perfektem Fels auf den Hinkelstein hoch, der Hakenabstand zum Stand ist richtig weit!

In L5 (6c+): "Kannst mal anhalten, damit ich ein Foto machen kann?" - ja, ich konnte :-) 

L6, 30m, 7a: Während man dem zu Beginn dem Band entlang untenrum fast spazieren könnte, so nimmt die Route einen scheinbar etwas gesuchten Weg im steilen Gelände oberhalb. Die diagonale Querung an einer Reihe von erstaunlichen Löchern klettert sich dann aber echt genial und elegant. Schliesslich geht's wieder hinein in das steile Tropflochgelände. Gleich zu Beginn etwas heikel - ein Sturz würde da wohl heftig wehtun - aber es finden sich schon so richtig gute Crimps zum Zuschrauben, so dass die Gefahr eines Abgangs eher hypothetisch bleibt. Mittig heisst es dann, ein paar Moves an seitlichen Scharf-Winz-Griffen und auf mässigen Tritten mit Entschlossenheit durchzuziehen. Das bringt einen zu einem Dächlein, wo trotz ganz anderen Bewegungen/Charakter nochmals genau dieselben Worte zu den Strukturen und dem Geisteszustand gesagt werden darf. Zum Dessert wartet dann noch ein piaziger Riss. Meine Befürchtungen, es hier ganz am Ende noch in meinem Antistyle zu vergeigen bewahrheiteten sich nicht - der Flow war da und sowieso, im rau modellierten Tropflochkalk dülfert es sich doch merklich leichter wie im glatten Granit (mal abgesehen davon, dass die Stelle im Gesamtkontext auch nicht so schwierig ist). Ein paar Henkel führen schliesslich nach links zum Top, wo ich mir doch die Frage stellte, warum genau diese Länge mit 7a bewertet ist. Obwohl ich an diesem Punkt sicherlich schon etwas müde war, ging es mir tendenziell leichter von der Hand wie L2, L4 und L5, wobei die 7a im einem weiter gefassten Vergleich aber sicher gerechtfertigt ist.

Diagonale Lochreihe zu steiler Tropflochwand heisst es in L6 (7a+) - erneut genial!

Um 16.50 Uhr und damit nach 'a whopping' 6:45 Stunden Kletterzeit hatten wir beide das Top erreicht. Das tönt bei nur 6 Seillängen bestimmt nach sehr viel. Es war aber alles perfekt gelaufen, für uns stand bei perfekten äusseren Bedingungen aber halt die freie Begehung im Zentrum. Die anhaltend schwierige Kletterei ist einerseits oft tüftelig-unübersichtlich, zudem erfordert und erlaubt sie es aber doch stets, an etwas besseren Griffen zu schütteln um auf einem akzeptablen Laktatlevel zu bleiben und sich die Strategie für eine folgende, kleingriffigere Sektion zu zimmern. Total geflasht von dieser Traumbegehung warfen wir die Seile aus. Das Abseilen geht ob der steilen Wand sehr zügig, mit nur 5 Manövern (Top -> S5 -> S4 -> S3, von da (mit 50m knapp!) -> S1bis -> Boden) waren wir um 17.15 Uhr zurück bei unserem Depot am Einstieg. Wir verpufften das Material und schnürten die Schuhe, der Weg zum Ausgangspunkt lässt sich zügig erledigen, so dass wir um 18.20 Uhr talwärts rollten. In Zweisimmen hiess es noch, des Automobils Akku mit einer Portion Ökostrom für den Heimweg zu versorgen, währenddessen konnten wir unsere Speicher gleich nebenan ebenfalls auffüllen. Schliesslich gondelten wir entspannt unseren Betten entgegen, mit dem Gefühl dass man diesen Sonntag kaum mit einem besseren Programm hätte verbringen können :-)

Super-fetzige Tropflochkletterei bis zum letzten Meter (L6, 7a) - der Stoff, aus dem Kletterträume sind!

Facts

Rothorn - Bons Baisers de Sibérie 7a+ (6c/+ obl.) - 6 SL, 230m - Anker/Piola 1990 - *****;xxx
Material: 2x50m-Seile, 12 Express

Für meinen Begriff zweifellos eine der besten MSL-Touren dieser Art in der Schweiz, die anhaltend steile, homogen schwierige Tropflochkletterei in exzellentem, stark strukturiertem Gestein sucht ihresgleichen. Die vollen 5 Sterne mit dem Prädikat "Weltklasse" sind zweifellos verdient, auch wenn Empfindliche oder sich diese Art der Kletterei nicht Gewohnte die schiere Schärfe des Gesteins monieren könnten - was für mich effektiv kein Problem darstellte, rein von der Haut her könnte ich die Route bestimmt 3-4x am Stück klettern (in Sachen Kraftreserven und Zeitbudget sieht es freilich anders aus ;-)). Zum positiven Erleben trägt neben der schönen Landschaft auch die stimmungsvolle Absicherung bei: sie ist eher knapp gehalten, erfordert beherztes Steigen und den stetigen Willen zum 'Schritt vorwärts'. Nie aber empfand ich es als psycho oder unangenehm, zudem stecken die Bolts halt einfach genau da, wo es sie am meisten braucht - die Route ist nicht nur ein Meisterwerk der Natur, sondern auch der Erschliessung. Es sei noch erwähnt, dass man mit Cams/Keilen kaum etwas anfangen kann und diese darum getrost daheim bleiben können. Topos findet man z.B. im Extrem West, im Topoguide Band II oder im SAC-Führer Berner Voralpen.

Montag, 7. August 2017

Rothorn / Rote Fluh - Marque Jaune (7a+)

Die Tropflochklettereien an der Roten Fluh im Färmeltal sind legendär und hochgelobt. Doch weil das Gebiet nicht eben in meinem Vorgarten liegt, hatte ich es in meiner langen Kletterkarriere noch nie bis dorthin geschafft. Nun, mit einem Kletterpartner aus dem Berner Oberland unterwegs, wollte ich diesen weissen Fleck auf meiner Kletterlandkarte endgültig tilgen. Zudem hatte es in der Höhe mitten im Sommer geschneit, heftige Gewitter hatten viele andere Wände im Land mit drückendem Wasser verunstaltet. Nicht so an der Roten Fluh, hier trafen wir auf ideale Bedingungen. 

Wandansicht, Zustieg und Routenverlauf.
Ist man einmal durch das endlos lange Simmental gekurvt und hat das Färmeltal gefunden, so gestaltet sich die Suche nach einem geeigneten Parkplatz gar nicht so trivial. In der Literatur ist der Platz bei Büel P.1407 angegeben, wo wir aber die Bauern beim Heuen behindert hätten. Etwas weiter talaufwärts, nachdem man den Bach überquert hat bei einem kleinen Waldstück auf ca. 1450m wird man dann aber fündig. Der Zustieg sieht auf den ersten Blick abschreckend steil aus, allerdings löst sich das am Ende alles tiptop auf - es ist wie schon andere vor mir geschrieben haben, tatsächlich einen Tick harmloser als beispielsweise der Wenden-Zustieg an den Pfaffenhuet. Der richtige Weg ist zu Beginn gar nicht so einfach zu finden - entweder wirft man einen Blick auf die Landeskarte (Link mit Fadenkreuz beim Parkplatz) oder man vertraut einfach seiner Intuition. 

Jedenfalls gilt es, den Pfad durch das Waldstück rechts vom Bluttligraben zu erreichen. So geht's steil und zügig hinauf zu den Alphütten. Nun verliert sich der Pfad vorerst wieder, nur um später links der markanten Geröllhalde wieder deutlich aufzutauchen. Ein präziser, verbaler Beschrieb ist jedoch nicht wirklich nötig. Wenn man einfach dort durchgeht, wo der kürzeste, logische und am einfachsten scheinende Weg zum Einstieg verläuft, dann ist man richtig. Wir waren um 7.50 Uhr losgelaufen, den Einstieg von Le Salamandre (7a), wo die einzige andere Seilschaft des Tages gerade gestartet war, hatten wir nach einer knappen Stunde erreicht. Pfadspuren führen von dort in wenigen Minuten, nun etwas exponierter und Aufmerksamkeit erheischend, in wenigen Minuten zum Einstieg der Marque Jaune. Dieser ist nicht näher bezeichnet und etwas unscheinbar einige Meter rechts neben einer kleinen Nische auf ca. 2080m. Zwei Bohrhakenlinien gehen hier gemeinsam los über die graue Platte hinauf - die rechte der beiden ist dann die richtige. Um 9.15 Uhr starteten wir mit der Kletterei.

L1, 25m, 6b: Schöne Plattenkletterei in bisweilen noch etwas glattem Fels, von der legendären Schärfe ist da noch nichts zu spüren. Eigentlich ist's gut abgesichert und mega schwierig auch nirgends, trotzdem ist schon etwas Einsatz und Aufmerksamkeit gefordert. Von den mit 6b bewerteten Seillängen fand ich diese jedenfalls deutlich die schwierigste, im Vergleich zum Rest der Route wäre der Grad 6b+ meines Erachtens angebracht.

Plattige Kletterei in L1 (6b), da wird man gleich einmal aufgeweckt!
L2, 35m, 6b+: Zuerst ein paar Meter nach rechts übers Gras, dann etwas plattig hinauf zu einem Wulst, der etwas unschönes, aber gut ausgeputztes Gestein aufweist. Griffig und leicht überhängend, aber sehr gut abgesichert geht es in die Höhe, dies an Seit- oder zumindest diagonalen Griffen und manchmal etwas schlipfrigen Tritten.

Ädu unterwegs im etwas brüchigen, aber gut ausgeputzten Wulst von L2 (6b+).
L3, 30m, 6c: Eine super Seillänge in die steile, orange Wand hinauf. Der Beginn entpuppt sich dabei als erstaunlich zahm (~6a+) in einer wenig ausgeprägten Verschneidung. Die Klimax kommt dann am Ende, wo man etwas nach links queren und einen Steilwulst überqueren muss. Ich interpretiere diese Stelle erst völlig falsch, probiere unmögliche Beta und gelange irgendwann mit heftig gepumpten Armen zur Einsicht, dass ich alles auf eine ganz andere, letzte Karte setzen muss. Nach einigen gewagten Moves am Limit und kurz vor dem Abkippen kann ich meine Griffel schliesslich ein ein extrascharfes Tropfloch krallen, uff! In Retrospekt war dies für mich die schwierigste Kletterstelle der ganzen Route. Wobei, wie erwähnt, ich habe es (zuerst) mehrmals komplett falsch angepackt und so meine Kraft unnötig verpulvert.

Das hat beinahe die Qualität von einem Gemälde! Yours truly mit falscher Beta am Fighten in L3 (6c).
L4, 25m, 6b+: Superschöne Kletterei an eigentlich durchgehend griffigen Tropflöchern, ein Traum! Etwas schwieriger ist nur eine ganz kurze Stelle, wo ein etwas entschlossener Move nötig ist. Jedoch kommen dann gleich wieder prima Tropflöcher, so dass ich diese Länge als deutlich einfacher wie L3 und auch einfacher als L1 einstufen würde.

Typischer Wandanblick von unten in L4 (6b+). Wenn man es nicht wüsste, man würde nicht glauben, dass hier eine solche, nur relativ moderat schwierige Route durch die steile und abweisend aussehende Wand führt. Dem Erschliesserteam Piola/Anker kann man nur ein Kränzchen widmen!
L5, 35m, 7a+: In dieser Seillänge klettert man ein grosses, spiegelverkehrtes S. Nach dem Stand also nach links und dann grossgriffig aufwärts, dieser Abschnitt ist noch ohne grössere Schwierigkeiten zu klettern (~6a+). Es folgt dann eine lange Traverse leicht diagonal nach rechts hinauf, in einem Gesteinsband wo der Fels ziemlich glatt und sloprig ausgefallen ist. An Seitgriffen und einigen kleinen Leisten gilt es, sich technisch und gut geplant nach rechts zu moven. Mir geht das erstaunlich gäbig von der Hand, nach 2x etwas zaubern lässt sich auf einem guten Tritt schon wieder durchschnaufen und ich kann die wiederum einfacheren, griffigen Ausstiegsmeter (~6a+) anpacken. Bei Nichtbeherrschen lässt sich die schwierigste Sequenz sicher auch mit Griff zum Haken bewältigen.

Super Tiefblick auf die kurz mal etwas glatte Quergangs-Crux der Route in L5 (7a+).
L6, 25m, 6c+: Ein fotogener Quergang über eine glatt aussehende Wand, welche aber mit ein paar idealen, scharfen kleinen Leisten bestückt ist, führt nach links aufwärts. Hier wartet erst ein Bauch, wo der glatte Fels unterhalb kaum Tritte hergibt. Die Tropflochstrukturen oberhalb sind aber gut, mit etwas Entschlossenheit ist man da rasch drüber. Nach einem Rastpunkt wartet dann eine weitere, feine Wandstelle. Man muss dabei gut an feinen Tropflochstrukturen antreten und aus den unzähligen, aber allesamt nicht ganz idealen Griffmöglichkeiten eine geeignete auswählen. 

Mit der Fernsicht passt's in dieser Route auch. Eine sehr schöne Gegend mit wunderbaren Aussichten, hier zu Beginn von L6 (6c+). Erwähnt sei aber auch, dass es im Färmeltal einen Schiessplatz gibt. Prompt wurde den ganzen Tag über geballert. Komplett unnötig, ja - aber wer würde sich an einem solchen Klettertag über sowas nerven?!? Ich jedenfalls sicher nicht.
L7, 35m, 6b: Quel Plaisir! Absolut geniale Tropflochkletterei, die bei sehr guter Absicherung etwas nach rechts hinaufführt. Ein Hochgenuss, schwierige Stellen habe ich dabei keine wahrgenommen. Aber so geht's, wenn man einmal richtig im Flow ist!

Wieder einmal Luis Trenker wie er leibt und lebt! Dieses Foto zeigt wohl sehr gut auf, dass man in solch steilen Wänden mit unglaublich viel Genuss klettern kann. L7 (6b) bietet diesen aber auch in ganzer Fülle!
L8, 30m, 6c: Eine athletische Superlänge, welche in geschickter Linienführung durch die Dächerzone hinaufführt. Beim Start ist die kurze Linksschleife (welche die Bolts suggerieren) tatsächlich deutlich einfacher. Dann unterquert man ein erstes Dach, steigt darüber hinauf und sieht sich dem grössten Runout der ganzen Route ausgesetzt (problemlos, einfache Kletterei im 5c-Bereich). Nun aber steil, ausdauernd und griffig nach rechts hinaus - wer alle seine Körner bereits verschossen hat, dem kann diese Länge noch auf die Pelle rücken! Die Position übrigens unglaublich luftig hier und die immer wieder in der Schichtfuge auftauchenden Henkel - einfach genial!

Die steile und sehr griffige L8 (6c) ist nochmals ein richtiges Highlight an Linienführung und Kletterei!
L9, 15m, 6b: Kurz und mehr oder weniger problemlos. Ein athletischer Move über ein Dächli hinauf erfordert kurz das Zupacken, zumal oberhalb ein zwar durchaus tauglicher Griff, aber halt kein Henkel kommt. Bald ist das nächste Band erreicht, wo man sich bequem ausruhen kann, oder dann gleich die Ausstiegslänge anhängt.

L10, 20m, 6b: Diese Seillänge hat nicht ganz die Qualität der vorangehenden, zudem ist sie auch gesucht in den schweren Fels gelegt worden. Rechts könnte man im schrofigen Gelände den Gipfel einfach erreichen, aber wer will das schon?!? Daher macht die Routenführung eben doch allen Sinn. Der Auftakt kurz recht athletisch (Vorsicht vor einem Sturz aufs Band, v.a. beim Verbinden der Seillängen), es hat aber super Henkelgriffe à Discretion. Danach beständig einfacher werden hinauf zum Stand, welcher sich wenige Meter unterhalb vom Rothorn-Mittelgipfel (P.2350) befindet.

Gipfelfeelings! Yours truly bereits ganz oben am Ende von L10 (6b).
Um 13.50 Uhr hatten wir nach gut 4.5 Stunden äusserst genussvoller Kletterei das Top erreicht. Mir war dabei eine komplette Onsight/Flash-Begehung gelungen und war dabei in einen richtig genialen Kletterflow gelangt. Genau das macht die Faszination von solchen MSL-Touren aus! Nachdem für den Nachmittag einige Gewitter angesagt waren und sich der Himmel in Richtung SW tatsächlich schon reichlich verdunkelte, hielten wir uns nicht lange auf, sondern traten den Weg in die Tiefe an, das Sandwich war ja sowieso auch am Einstieg geblieben. Während auf dem Internet teils deutlich vom Abseilen über die Marque Jaune abgeraten wird, so wollten wir doch diesen auch im Kletterführer angegebenen Abstieg wählen. Und das macht absolut jeden Sinn, ja gar grössten Spass - ein Wechsel zur Abseilpiste der Peter Pan ist sicherlich sehr umständlich, gefährlicher und viel zeitaufwändiger.

Die Abseilerei ist extrem steil, gleichzeitig aber auch sehr bequem und macht richtig Spass!
Es wartet erst ein kurzer Abseiler (am besten an einem Seil) aufs Band hinunter, danach folgen dann 4 ausgereizte Strecken in der durchgehend leicht überhängenden Wand. Die Seile baumeln unter einem ins Leere, aber mit etwas Pendeln sind die Standplätze problemlos erreichbar, zumal sie immer schön direkt in der Falllinie liegen. Das Einhängen von Zwischensicherungen (wie in den Topos teils angegeben) empfand ich als unnötig - dies ist ja immer eine umständliche Sache und auch nicht ganz frei von Umständen und Gefahren. Es heisst einfach richtig Abstossen und die Freiheit des Pendelschwungs geniessen! Da absolut keine Seilpflege betrieben werden muss, ist man im Nu am Einstieg zurück, wir haben nicht einmal eine halbe Stunde dafür gebraucht. So können wir uns dem Sandwich widmen und laufen dann ins Tal - 1.5 Stunden nach dem Aufbruch vom Top sind wir bereits zurück am Auto. Auf der langen Heimfahrt bleibt gut Zeit um die Gedanken zu ordnen. Das Fazit unzweifelhaft: das war ein absolut genialer Klettertag!

Oida leck, das war jetzt ein echt genialer Klettertag!
Facts

Rote Fluh - Marque Jaune 7a+ (6b obl.) - 10 SL, 275m - Piola/Anker 1994 - ****;xxxx
Material: 2x50m-Seile, 13 Express, Keile/Friends nicht nötig

Die Route ist so gut wie ihr Ruf. Steile, athletische Kletterei, luftige Linie, über weite Strecken super Tropflochfels und sehr gute Absicherung. Da ist der Seilschaft Piola/Anker wirklich ein absolutes Highlight gelungen. Hingehen und Klettern, kann man da nur anraten. Ausser einem Set an Expressen braucht man dabei keine weiteren Gerätschaften mitzubringen, da diese sowieso auch kaum einzusetzen wären. Das Topo zur Route findet man im Extrem West (z.B. bei Bächli Bergsport erhältlich). Alternativ ist die Route auch im Topoguide Band II enthalten, wobei die dort angegebenen Bewertungen (z.B. 9-/9 für die Cruxlänge) mir durchgehend zu hoch erscheinen. Im Original passt's meines Erachtens ziemlich gut in den Durchschnitt von (Schweizer) Alpinbewertungen.