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Montag, 7. August 2017

Rothorn / Rote Fluh - Marque Jaune (7a+)

Die Tropflochklettereien an der Roten Fluh im Färmeltal sind legendär und hochgelobt. Doch weil das Gebiet nicht eben in meinem Vorgarten liegt, hatte ich es in meiner langen Kletterkarriere noch nie bis dorthin geschafft. Nun, mit einem Kletterpartner aus dem Berner Oberland unterwegs, wollte ich diesen weissen Fleck auf meiner Kletterlandkarte endgültig tilgen. Zudem hatte es in der Höhe mitten im Sommer geschneit, heftige Gewitter hatten viele andere Wände im Land mit drückendem Wasser verunstaltet. Nicht so an der Roten Fluh, hier trafen wir auf ideale Bedingungen. 

Wandansicht, Zustieg und Routenverlauf.
Ist man einmal durch das endlos lange Simmental gekurvt und hat das Färmeltal gefunden, so gestaltet sich die Suche nach einem geeigneten Parkplatz gar nicht so trivial. In der Literatur ist der Platz bei Büel P.1407 angegeben, wo wir aber die Bauern beim Heuen behindert hätten. Etwas weiter talaufwärts, nachdem man den Bach überquert hat bei einem kleinen Waldstück auf ca. 1450m wird man dann aber fündig. Der Zustieg sieht auf den ersten Blick abschreckend steil aus, allerdings löst sich das am Ende alles tiptop auf - es ist wie schon andere vor mir geschrieben haben, tatsächlich einen Tick harmloser als beispielsweise der Wenden-Zustieg an den Pfaffenhuet. Der richtige Weg ist zu Beginn gar nicht so einfach zu finden - entweder wirft man einen Blick auf die Landeskarte (Link mit Fadenkreuz beim Parkplatz) oder man vertraut einfach seiner Intuition. 

Jedenfalls gilt es, den Pfad durch das Waldstück rechts vom Bluttligraben zu erreichen. So geht's steil und zügig hinauf zu den Alphütten. Nun verliert sich der Pfad vorerst wieder, nur um später links der markanten Geröllhalde wieder deutlich aufzutauchen. Ein präziser, verbaler Beschrieb ist jedoch nicht wirklich nötig. Wenn man einfach dort durchgeht, wo der kürzeste, logische und am einfachsten scheinende Weg zum Einstieg verläuft, dann ist man richtig. Wir waren um 7.50 Uhr losgelaufen, den Einstieg von Le Salamandre (7a), wo die einzige andere Seilschaft des Tages gerade gestartet war, hatten wir nach einer knappen Stunde erreicht. Pfadspuren führen von dort in wenigen Minuten, nun etwas exponierter und Aufmerksamkeit erheischend, in wenigen Minuten zum Einstieg der Marque Jaune. Dieser ist nicht näher bezeichnet und etwas unscheinbar einige Meter rechts neben einer kleinen Nische auf ca. 2080m. Zwei Bohrhakenlinien gehen hier gemeinsam los über die graue Platte hinauf - die rechte der beiden ist dann die richtige. Um 9.15 Uhr starteten wir mit der Kletterei.

L1, 25m, 6b: Schöne Plattenkletterei in bisweilen noch etwas glattem Fels, von der legendären Schärfe ist da noch nichts zu spüren. Eigentlich ist's gut abgesichert und mega schwierig auch nirgends, trotzdem ist schon etwas Einsatz und Aufmerksamkeit gefordert. Von den mit 6b bewerteten Seillängen fand ich diese jedenfalls deutlich die schwierigste, im Vergleich zum Rest der Route wäre der Grad 6b+ meines Erachtens angebracht.

Plattige Kletterei in L1 (6b), da wird man gleich einmal aufgeweckt!
L2, 35m, 6b+: Zuerst ein paar Meter nach rechts übers Gras, dann etwas plattig hinauf zu einem Wulst, der etwas unschönes, aber gut ausgeputztes Gestein aufweist. Griffig und leicht überhängend, aber sehr gut abgesichert geht es in die Höhe, dies an Seit- oder zumindest diagonalen Griffen und manchmal etwas schlipfrigen Tritten.

Ädu unterwegs im etwas brüchigen, aber gut ausgeputzten Wulst von L2 (6b+).
L3, 30m, 6c: Eine super Seillänge in die steile, orange Wand hinauf. Der Beginn entpuppt sich dabei als erstaunlich zahm (~6a+) in einer wenig ausgeprägten Verschneidung. Die Klimax kommt dann am Ende, wo man etwas nach links queren und einen Steilwulst überqueren muss. Ich interpretiere diese Stelle erst völlig falsch, probiere unmögliche Beta und gelange irgendwann mit heftig gepumpten Armen zur Einsicht, dass ich alles auf eine ganz andere, letzte Karte setzen muss. Nach einigen gewagten Moves am Limit und kurz vor dem Abkippen kann ich meine Griffel schliesslich ein ein extrascharfes Tropfloch krallen, uff! In Retrospekt war dies für mich die schwierigste Kletterstelle der ganzen Route. Wobei, wie erwähnt, ich habe es (zuerst) mehrmals komplett falsch angepackt und so meine Kraft unnötig verpulvert.

Das hat beinahe die Qualität von einem Gemälde! Yours truly mit falscher Beta am Fighten in L3 (6c).
L4, 25m, 6b+: Superschöne Kletterei an eigentlich durchgehend griffigen Tropflöchern, ein Traum! Etwas schwieriger ist nur eine ganz kurze Stelle, wo ein etwas entschlossener Move nötig ist. Jedoch kommen dann gleich wieder prima Tropflöcher, so dass ich diese Länge als deutlich einfacher wie L3 und auch einfacher als L1 einstufen würde.

Typischer Wandanblick von unten in L4 (6b+). Wenn man es nicht wüsste, man würde nicht glauben, dass hier eine solche, nur relativ moderat schwierige Route durch die steile und abweisend aussehende Wand führt. Dem Erschliesserteam Piola/Anker kann man nur ein Kränzchen widmen!
L5, 35m, 7a+: In dieser Seillänge klettert man ein grosses, spiegelverkehrtes S. Nach dem Stand also nach links und dann grossgriffig aufwärts, dieser Abschnitt ist noch ohne grössere Schwierigkeiten zu klettern (~6a+). Es folgt dann eine lange Traverse leicht diagonal nach rechts hinauf, in einem Gesteinsband wo der Fels ziemlich glatt und sloprig ausgefallen ist. An Seitgriffen und einigen kleinen Leisten gilt es, sich technisch und gut geplant nach rechts zu moven. Mir geht das erstaunlich gäbig von der Hand, nach 2x etwas zaubern lässt sich auf einem guten Tritt schon wieder durchschnaufen und ich kann die wiederum einfacheren, griffigen Ausstiegsmeter (~6a+) anpacken. Bei Nichtbeherrschen lässt sich die schwierigste Sequenz sicher auch mit Griff zum Haken bewältigen.

Super Tiefblick auf die kurz mal etwas glatte Quergangs-Crux der Route in L5 (7a+).
L6, 25m, 6c+: Ein fotogener Quergang über eine glatt aussehende Wand, welche aber mit ein paar idealen, scharfen kleinen Leisten bestückt ist, führt nach links aufwärts. Hier wartet erst ein Bauch, wo der glatte Fels unterhalb kaum Tritte hergibt. Die Tropflochstrukturen oberhalb sind aber gut, mit etwas Entschlossenheit ist man da rasch drüber. Nach einem Rastpunkt wartet dann eine weitere, feine Wandstelle. Man muss dabei gut an feinen Tropflochstrukturen antreten und aus den unzähligen, aber allesamt nicht ganz idealen Griffmöglichkeiten eine geeignete auswählen. 

Mit der Fernsicht passt's in dieser Route auch. Eine sehr schöne Gegend mit wunderbaren Aussichten, hier zu Beginn von L6 (6c+). Erwähnt sei aber auch, dass es im Färmeltal einen Schiessplatz gibt. Prompt wurde den ganzen Tag über geballert. Komplett unnötig, ja - aber wer würde sich an einem solchen Klettertag über sowas nerven?!? Ich jedenfalls sicher nicht.
L7, 35m, 6b: Quel Plaisir! Absolut geniale Tropflochkletterei, die bei sehr guter Absicherung etwas nach rechts hinaufführt. Ein Hochgenuss, schwierige Stellen habe ich dabei keine wahrgenommen. Aber so geht's, wenn man einmal richtig im Flow ist!

Wieder einmal Luis Trenker wie er leibt und lebt! Dieses Foto zeigt wohl sehr gut auf, dass man in solch steilen Wänden mit unglaublich viel Genuss klettern kann. L7 (6b) bietet diesen aber auch in ganzer Fülle!
L8, 30m, 6c: Eine athletische Superlänge, welche in geschickter Linienführung durch die Dächerzone hinaufführt. Beim Start ist die kurze Linksschleife (welche die Bolts suggerieren) tatsächlich deutlich einfacher. Dann unterquert man ein erstes Dach, steigt darüber hinauf und sieht sich dem grössten Runout der ganzen Route ausgesetzt (problemlos, einfache Kletterei im 5c-Bereich). Nun aber steil, ausdauernd und griffig nach rechts hinaus - wer alle seine Körner bereits verschossen hat, dem kann diese Länge noch auf die Pelle rücken! Die Position übrigens unglaublich luftig hier und die immer wieder in der Schichtfuge auftauchenden Henkel - einfach genial!

Die steile und sehr griffige L8 (6c) ist nochmals ein richtiges Highlight an Linienführung und Kletterei!
L9, 15m, 6b: Kurz und mehr oder weniger problemlos. Ein athletischer Move über ein Dächli hinauf erfordert kurz das Zupacken, zumal oberhalb ein zwar durchaus tauglicher Griff, aber halt kein Henkel kommt. Bald ist das nächste Band erreicht, wo man sich bequem ausruhen kann, oder dann gleich die Ausstiegslänge anhängt.

L10, 20m, 6b: Diese Seillänge hat nicht ganz die Qualität der vorangehenden, zudem ist sie auch gesucht in den schweren Fels gelegt worden. Rechts könnte man im schrofigen Gelände den Gipfel einfach erreichen, aber wer will das schon?!? Daher macht die Routenführung eben doch allen Sinn. Der Auftakt kurz recht athletisch (Vorsicht vor einem Sturz aufs Band, v.a. beim Verbinden der Seillängen), es hat aber super Henkelgriffe à Discretion. Danach beständig einfacher werden hinauf zum Stand, welcher sich wenige Meter unterhalb vom Rothorn-Mittelgipfel (P.2350) befindet.

Gipfelfeelings! Yours truly bereits ganz oben am Ende von L10 (6b).
Um 13.50 Uhr hatten wir nach gut 4.5 Stunden äusserst genussvoller Kletterei das Top erreicht. Mir war dabei eine komplette Onsight/Flash-Begehung gelungen und war dabei in einen richtig genialen Kletterflow gelangt. Genau das macht die Faszination von solchen MSL-Touren aus! Nachdem für den Nachmittag einige Gewitter angesagt waren und sich der Himmel in Richtung SW tatsächlich schon reichlich verdunkelte, hielten wir uns nicht lange auf, sondern traten den Weg in die Tiefe an, das Sandwich war ja sowieso auch am Einstieg geblieben. Während auf dem Internet teils deutlich vom Abseilen über die Marque Jaune abgeraten wird, so wollten wir doch diesen auch im Kletterführer angegebenen Abstieg wählen. Und das macht absolut jeden Sinn, ja gar grössten Spass - ein Wechsel zur Abseilpiste der Peter Pan ist sicherlich sehr umständlich, gefährlicher und viel zeitaufwändiger.

Die Abseilerei ist extrem steil, gleichzeitig aber auch sehr bequem und macht richtig Spass!
Es wartet erst ein kurzer Abseiler (am besten an einem Seil) aufs Band hinunter, danach folgen dann 4 ausgereizte Strecken in der durchgehend leicht überhängenden Wand. Die Seile baumeln unter einem ins Leere, aber mit etwas Pendeln sind die Standplätze problemlos erreichbar, zumal sie immer schön direkt in der Falllinie liegen. Das Einhängen von Zwischensicherungen (wie in den Topos teils angegeben) empfand ich als unnötig - dies ist ja immer eine umständliche Sache und auch nicht ganz frei von Umständen und Gefahren. Es heisst einfach richtig Abstossen und die Freiheit des Pendelschwungs geniessen! Da absolut keine Seilpflege betrieben werden muss, ist man im Nu am Einstieg zurück, wir haben nicht einmal eine halbe Stunde dafür gebraucht. So können wir uns dem Sandwich widmen und laufen dann ins Tal - 1.5 Stunden nach dem Aufbruch vom Top sind wir bereits zurück am Auto. Auf der langen Heimfahrt bleibt gut Zeit um die Gedanken zu ordnen. Das Fazit unzweifelhaft: das war ein absolut genialer Klettertag!

Oida leck, das war jetzt ein echt genialer Klettertag!
Facts

Rote Fluh - Marque Jaune 7a+ (6b obl.) - 10 SL, 275m - Piola/Anker 1994 - ****;xxxx
Material: 2x50m-Seile, 13 Express, Keile/Friends nicht nötig

Die Route ist so gut wie ihr Ruf. Steile, athletische Kletterei, luftige Linie, über weite Strecken super Tropflochfels und sehr gute Absicherung. Da ist der Seilschaft Piola/Anker wirklich ein absolutes Highlight gelungen. Hingehen und Klettern, kann man da nur anraten. Ausser einem Set an Expressen braucht man dabei keine weiteren Gerätschaften mitzubringen, da diese sowieso auch kaum einzusetzen wären. Das Topo zur Route findet man im Extrem West (z.B. bei Bächli Bergsport erhältlich). Alternativ ist die Route auch im Topoguide Band II enthalten, wobei die dort angegebenen Bewertungen (z.B. 9-/9 für die Cruxlänge) mir durchgehend zu hoch erscheinen. Im Original passt's meines Erachtens ziemlich gut in den Durchschnitt von (Schweizer) Alpinbewertungen.

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