Auf dem Programm gestanden hatte sie schon anlässlich unserer Ferien vor 2 Jahren, die tief in der Gondoschlucht verborgene Wand. Damals kam es nicht dazu, doch wie so oft bringt Geduld den Erfolg, auch in diesem Fall. In der Zwischenzeit wurde das Gebiet auch im SAC-Kletterführer Oberwallis publiziert. Dabei wird der Schmugglerweg, Il Contrabbandiere, mit 3 Sternen bewertet. Sprich, es soll sich um einen absoluten Klassiker und eine der schönsten Routen in der Region handeln. So machten wir uns auf den Weg über den Simplonpass, um die 11 SL-Tour zu erkunden und zu geniessen.
Wenn man einmal den richtigen Parkplatz gefunden hat, von Norden kommend muss man definitiv nach der zweiten und nicht wie beschrieben nach der dritten Galerie die Strasse verlassen, beschränkt sich der Zustieg auf 10 fast ebene Minuten auf dem Stockalperweg. Der Einstieg ist sehr einfach zu lokalisieren, ganz rechts, dort wo der Fels bis zum Weg hinunter kommt. Zudem ist der Routenname direkt am Weg und auch nochmals in 5m Höhe angeschrieben.
Zustieg über die Galerien der Simplonstrasse. Man klettert also auf einer Galerie, sowas haben wir doch immer gerne! |
Der erste Eindruck der Wand frisiert einem nicht gerade zwingend die Haare nach hinten. Der untere Teil ist durchaus etwas vom Gemüse durchsetzt und der Fels teils moosig. Schon vom Einstieg aus ist aber sichtbar, dass die Route/n bestmöglichst durch die von der Vegetation freien Streifen gelegt wurde/n. Weiter oben sieht der Dom dann unnahbar und kompakt aus, da wird also etwas auf uns warten. Nachdem wir das Gear bereits beim Auto montiert hatten, waren wir rasch bereit und konnten um 10.15 Uhr einsteigen.
SL 1, 5c: Die ersten Meter noch sehr einfach, wird es nach dem ersten BH rasch mal tricky. Es wartet definitiv der erste Haftreibungs-Test. Rasch merkt man, dass der entsprechende Koeffizient hier nicht ganz so hoch ausfällt, wie da wo ich das letzte Mal im Granit unterwegs war (Chamonix). Ein echt anspruchsvoller Move führt über den Bolt hinweg, auch am zweiten ist es nochmal knifflig, dann übers Gras zum Stand (35m, 2 BH).
Soweit noch easy, der erste Test wartet aber gleich nach dem ersten BH. |
SL 2, 6a: Recht weit bis zur ersten Sicherung, noch einigermassen trivial bis zur zweiten und dann hoppala, da wartet wieder mal "Reibung total". Ein schwieriger Aufsteher wartet, danach noch einige Moves, die wieder besser gehen und voilà, Stand (25m, 3 BH).
Reibungskletterei, die phantasievolle Moves erfordert: SL 2, 6a. |
SL 3, 6a+: In einer Querung geht es nach links hinaus, nicht lange dauert es, bis wieder anspruchsvoll auf Reibung geklettert werden muss. Inzwischen haben wir es bereits akzeptiert, in dieser Wand gibt es nur wenige gute Griffe und viele runde Strukturen. Wirklich eine einzigartige Sache, sowas habe ich in dieser Art noch nie geklettert. Und logo, man muss sorgfältig und präzise moven (35m, 6 BH).
SL 4, 6a: Spannende und schöne Seillänge, die einen etwas kurvigen Weg durch die Wand nimmt, Halbseiltechnik ist zu empfehlen. Hier ist die Sache nun etwas steiler und es gibt durchaus ein paar Griffe, wo man sich richtig daran festhalten kann (35m, 7 BH).
Gut zu erkennen, dass man grossräumig um das Gemüse herumklettert: SL 4, 6a. |
SL 5, 5c: Nach dem Stand geht es links einer Kante entlang, bald danach wird das Gelände einfacher und etwas schrofig durchzogen. Mit einem langen Runout, immer gerade hochsteigend, erreicht man den Stand. Etwas Vorsicht kann hier sicher auch nicht schaden, das Blockwerk sieht doch einigermassen labil aus (25m, 2 BH).
SL 6, 5c: Lange Seillänge, die nach einem einfachen Beginn sehr kompakt und anhaltend ist. Insgesamt auch hier wieder die typische Nascosta-Kletterei, sauber stehen, die Moves gut planen und unverhofft kommt hin und wieder ein unerwarteter, guter Griff daher (50m, 6 BH).
Prima Länge über die kompakten Platten, der Tiefblick schon ansehnlich: SL 6, 5c. |
SL 7, 6a+: Schöne und knifflige Moves durch eine kompakte Wandzone auf das nächste Querband hinaus. Dieses wird überstiegen, an 2 weiteren BH vorbei erreicht man den schon von unten gut sichtbaren Stand (35m, 6 BH).
Auch gut, und wieder ein bisschen schwerer: SL 7, 6a+. |
SL 8, 6c: So, nun sollte man aufgewärmt sein, denn jetzt geht es mit der richtig schwierigen Kletterei los. Die drei nahe steckenden BH und die steile Wand nach dem Stand lassen eine Crux vermuten. Doch weit gefehlt, hier gibt es einige schöne, positive Leisten und eine Art Wasserlöcher, so geht das Tiptop. Weiter oben klettern man dann eine hängende Verschneidung an, welche es nach links mit einem Mantle zu verlassen gilt. Diese Bouldermoves bilden die spannend-interessante Crux (25m, 7 BH).
Ab jetzt ist man definitiv in der kompakten Headwall! SL 8, 6c. |
SL 9, 7a: Erst gilt es, sich auf einem Band etwa 10m nach links zu verschieben, wo die nächste SL startet. Erst geht es noch gutmütig über einen Wulst hinweg und mit kleinem Runout zu einer kompakten, steilen Zone, wo nahe Sicherungsabstände die Crux vermuten lassen. Einige Leisten und ein genau an der richtigen Stelle platziertes Superloch machen die ersten Moves dieses Abschnitts noch gängig. Dann wird es aber zäh: mit technisch kniffligen Moves an Seitgriffen und Reibungstritten schiebt man sich höher, zuletzt wartet dann ein Sloper-Ausstieg à la Fontainebleau, wirklich absolut genial (20m, 6 BH)!
Sloper-Ausstieg à la Fontainebleau: SL 9, 7a. |
SL 10, 6a: Schöne Querung nach links, hier ist der Fels nun für lokale Verhältnisse fast schon unverschämt griffig. Nach 20m kommt man zu einem Stand, der eigentlich zur Route "Berghi" gehört. Entweder man macht dort Stand (20m, 4 BH), oder man klettert gleich weiter.
SL 11, 6a: Hier geht es nun leicht nach rechts aufwärts, in steiler, griffiger Kletterei, zum Ausstiegsstand knapp unter der Kante. Etwas verwirrt von den Gegebenheiten, habe ich diese SL gleich an die vorangehende angehängt, was problemlos möglich war (20m, 5 BH).
Das Top ist erreicht, hinten die wilde Gegend der Gondoschlucht. |
Um 14.40 Uhr erreichen wir das Top. Als ich den Ausstiegsgriff in den Händen halte, scheint mir das allererste Mal die Sonne ins Gesicht. Mit Einsatz und etwas Glück, d.h. knapp vor dem Abrutschen in der Cruxlänge, gelingt mir die perfekte Onsight-Begehung. Die hatte ich mir fest vorgenommen, und nachdem ich zwei Tage zuvor im Klettergarten Heji gleich um die Ecke eine 7c onsighten konnte, war ich im Kopf davon überzeugt, dass sie gelingen müsse. Dies ist wohl die wesentlichste Voraussetzung für das Gelingen einer Begehung, der feste Glaube daran!
Abseilerei, oben die kompakte Headwall. |
Nach einem Vesper an der Sonne geht das Abseilen dann zügig vonstatten, in nur 6x erreicht man den Boden. Allerdings werden 50m-Seile mehrmals bis zum letzten Zentimeter ausgenützt, d.h. für das Überspringen der Stände braucht es das nötige Können und etwas kühles Blut. Oder dann rückt man mit 60m-Seilen an, nötig ist dies aber keinesfalls. Glücklicherweise ging es dieses Mal auch ohne Seilverhänger vonstatten, in diesem kompakten, strukturarmen Gelände ist das aber auch so zu erwarten. So steigen wir um 16.20 Uhr wieder ins Auto und fahren im Kriechgang zurück über den Simplon. Überrascht stellen wir fest, dass im Aletschgebiet gerade ein heftiges Gewitter tobt - da hatten wir Glück mit der Gebietswahl.
Wissenswertes
Parete Nascosta - Il Contrabbandiere 7a (6b obl.) - Pellizon/Vaudo/Manoni 2001 - 11 SL, 325m - ***, xxx
Material: 10 Express, Friends & Keile sind nicht nötig/einsetzbar
Die Absicherung würde ich gemäss Plaisir-Standard als "gut" bezeichnen, bzw. Stufe 3 von 5 gemäss meiner Skala verteilen. Die beiden schweren Längen sind in den Cruxzonen sehr gut gesichert und können technisch geklettert werden. Im leichten Gelände (Stellen bis 5c) sind die Abstände aber nicht gerade kurz und darum sollte der Vorsteiger schon wissen, was er macht: an der einen oder anderen Stelle könnte man auch ungut auf Bänder runterfallen, etc.
Die Angabe von 6b obligatorisch kann ich +/- unterstützen. Ich denke, den Grad 6b sollte man einigermassen solide draufhaben, damit man die Route souverän und mit Genuss klettern kann. Allerdings wird man als 6b-Kletterer in den beiden Schlüsselstellen wohl chancenlos sein. Aber auch wenn die paar wenigen schwereren Meter mit Hakenhilfe geklettert werden, ist die Tour immer noch lohnend.
Erlebnisberichte (auf italienisch) über die Route sind eher gemischt. Den einen hat es gefallen, den anderen offenbar weniger. Ich fand die Route wirklich lohnend, 3 von 5 Schönheitssternen hat sie bestimmt verdient, das Prädikat Weltklasse ist aber ebenso verfehlt. Der Fels ist super solide, die Kletterei vielleicht tatsächlich über alle Seillängen hinweg ziemlich ähnlich und nicht sehr abwechslungsreich, aber immer spannend.Einige gute Griffe tauchen zwar unverhofft auf, vielfach klettert man aber auf runden Strukturen und auf Reibung.
Die Wand liegt selbst im Hochsommer bis um 13 Uhr komplett im Schatten, die oberen, steilen Seillängen sind sogar bis gegen 15 Uhr vor der Sonne geschützt. Mit der häufig vorherrschenden thermischen Brise handelt es sich um ein Ziel für die warmen und wärmsten Tage. Ob man solche Tage wirklich in der Gondoschlucht verbringen will, bleibt jedem selber überlassen. Der Ort ist auf jeden Fall aussergewöhnlich und bestimmt sehenswert.
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