Nachdem durchzogenes Wetter viel Geduld erfordert hatte, bahnte sich nun endlich eine geeignete Wetterlage an, welche ich mit Jonas für einen 3-Tage-Trip nach Chamonix nutzen konnte. Zu nachtschlafener Stunde machte ich mich auf den Weg, schwer bepackt mit Fels- und Eismaterial, dazu auch die Skiausrüstung, um sich im Hochgebirge auf den verschneiten Gletschern zu bewegen. Und dies an einem Tag, an welchem Temperaturen jenseits von 30 Grad angesagt waren. Kaum überraschend, dass ich von den Mitfahrern in der S-Bahn, die meisten vom Typ beruflich ambitionierter Frühaufsteher, eher komisch gemustert wurde.
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Anreise und Wartezeit bei sommerlichen Bedingungen, die Aiguille du Midi (3842m) noch fast 3000hm entfernt. |
Aber egal, schliesslich erreichten wir Chamonix und trotteten zur Bahn, welche ins gelobte Alpinistenland, nämlich auf die Aiguille du Midi (3842m) führt. Nebst zahlreichen kurz behosten Touristen gab es hier nun auch einige Bergsteiger, doch mit unseren Skis waren wir auch hier Exoten. Schlimmer wog jedoch, dass wir ob dem Andrang eine Wartezeit von über einer Stunde zu vergegenwärtigen hatten. Diese hatten wir so nicht einkalkuliert, und dementsprechend gefährdete sie auch unsere Pläne, an diesem Anreisetag noch eine Route zu klettern.
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Schon etwas näher, auf Plan de l'Aiguille (2370m). Im Bild die Nordwand der Midi, auch Hort von tollen Routen. |
Unser Ziel war nämlich die Goulotte Chèré am Triangle du Tacul (3970m). Dieses Felsdreieck ob dem Col du Midi bietet einige kurze, aber dennoch sehr interessante, technische Nordwandtouren. Es handelt sich hierbei durchaus um sogenannten Sportalpinismus, ist doch der Gipfel des Dreiecks vollkommen unbedeutend. Die meisten Begeher nehmen sich denn auch nicht die Mühe, nach einer Tour am Triangle noch den 1-stündigen Aufstieg zum Gipfel des Mont Blanc du Tacul (4248m) auf sich zu nehmen, sondern ziehen den bequemen Rückweg durch Abseilen vor. Dass die Routen so beliebt sind, liegt natürlich am kurzen Zugang von der Midi-Seilbahn - hier kann man in einer Tagestour Nordwandklettern, und dies erst noch praktisch das ganze Jahr über, was will man also mehr.
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Triangle du Tacul, die Goulotte Chèré ganz rechts in den Felsen, direkt über den Leuten, sichtbar |
Um 14.15 Uhr waren wir endlich auf der Aiguille du Midi, flugs war die Ausrüstung montiert und eine schöne, sulzige Abfahrt in kompakten Sommerschnee führte uns rasch zum Einstieg der Route. Zwei Engländer beendeten eben ihren Rückzug, so hatten wir die Bahn frei. Eine erste Seillänge führt problemlos über den Bergschrund und einen etwa 50 Grad steilen Hang zu einem Bohrhakenstand am Fels. Allerdings ist dieser etwa 3-4m über dem Schnee gelegen und nur noch dank einem Fixseil nutzbar. Die Klimaerwärmung zeigt da ganz klar ihre Spuren, das ewige Eis schwindet auch hier auf beinahe 4000m zügig. Vom Klima zum Wetter, da windstill und etwas von der Sonne beschienen, waren die Temperaturen mehr als angenehm, ein paar dünne Handschuhe und ein leichter Pullover waren ausreichend - immer ein Genuss, so im Eis klettern zu können, und dies erst noch bei guten und sicheren Bedingungen.
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Jonas im Vorstieg, zweite Seillänge, 70 Grad. |
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Zweite Seillänge im Rückblick, an dieser Engstelle ist es manchmal Mixed. |
In der
zweiten Seillänge übernahm Jonas die Führung. Sie ist nicht sehr steil (max. 70 Grad), bietet aber bei wenig Vereisung manchmal etwas Felskontakt. Dies war aber bei unserer Begehung nicht der Fall, und so war zügig nach 50 Klettermetern der nächste Stand rechts im Fels erreicht. Nun wartete die dritte, d.h. die
Cruxlänge, welche mir zufallen sollte. Die Neigung wird hier in den einschlägigen Quellen mit 85 Grad bezeichnet und als Grad wird WI4 zitiert. Während die Steilheit vielleicht durchaus gute 80 Grad erreichen mag, fand ich den Eisgrad aber bei den von uns angetroffenen Bedingungen weit übertrieben: die Geräte bissen einfach perfekt ins Eis, welches zudem schön strukturiert war und deshalb beinahe von einem Komfortdesigner entworfene Fusstritte aufwies. Mit mehr wie WI3- hätte ich dies subjektiv kaum eingestuft.
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Yours Truly in der Schlüsselstelle, gute 80 Grad steil. |
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Jonas folgt in der Cruxlänge, tolle Bedingungen, und wir haben doch etwas Exposition gegenüber unserem Depot unten |
Den Stand bezog man wieder nach 50m auf der rechten Seite an Bohrhaken. Jonas überliess dann freundlicherweise auch auf der
vierten Seillänge die Führung mir. Diese wartet nach einem ersten Flachstück nochmals einige steilere Meter (gegen 80 Grad) auf. Doch auch diese kletterten sich problemlos und sehr genussreich, so dass ich auch hier super zügig den Bohrhakenstand nach 50m, dieses Mal auf der linken Seite, erreichte. Um 16.25 Uhr, d.h. nach nur 1:15 Stunden Kletterzeit, waren wir schon beide am Top der spannenden Kletterei. Natürlich könnte man von hier über 50 Grad steiles Gelände den Gipfel des Triangle du Tacul erreichen und noch zum Gipfel weitergehen. Dies hätte mich auch durchaus gereizt, doch schliesslich rief auch noch der Weg ins Refugio Torino, wo wir rechtzeitig zum Znacht eintreffen sollten.
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Letzte Seillänge, nochmals gegen 80 Grad steil, aber eigentlich easy peasy. |
So machten wir uns ans
Abseilen, welches eventfrei und zügig vonstatten ging. Mit 50m-Seilen reicht es ganz unten nur knapp über den Bergschrund hinunter, aber es langt gerade, und das zählt ja. Wir sattelten wieder auf die Skis um, und während auf dem Plateau des Col du Midi erst noch etwas Stockeinsatz vonnöten war, gab es danach eine
tolle Sulzabfahrt unter den imposanten Ostwänden des Mont Blanc du Tacul, bis auf etwa 3180m hinunter. Damit war das Tagwerk aber noch nicht getan, wartete noch der Gegenaufstieg zum
Col du Flambeau (3420m). Mit unseren schweren Säcken, ohne Akklimatisation, müde vom langen Tag, im sulzigen Schnee und der Nachmittagshitze ging der gar nicht so leicht von der Hand.
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Jonas am Top (d.h. beim letzten BH-Stand), weit unten das Tal von Chamonix. |
Doch noch vor 19.00 Uhr waren wir da, und damit rechtzeitig aufs Znacht. Auf die Hütte war ich ziemlich gespannt, hatte ich doch einiges schlechtes darüber gehört. Sicherlich ist sie nicht das mit viel Charme geführte Bijou, doch ich muss sagen, dass ich einige Worte und Zeilen darüber doch auch ziemlich übertrieben fand. Die 3 Tage, die wir dort verbrachten, waren auf jeden Fall sehr gut auszuhalten. Mit grossem Hunger machten wir uns auf zum Znacht, den man sich aber erst mit etwas Anstehen in der Schlange verdienen muss. Und dass bei einer maximal mittelgrossen Portion Pasta und dem aus einem Fleischli und etwas Spinat bestehenden Secondo kein Nachschlag möglich ist, bildet für hungrige Mäuler durchaus einen Challenge. Nicht ganz alles ist also so, wie man sich das von einer währschaften Schweizer SAC-Hütte gewohnt ist. Aber zum Glück war da noch eine Extratafel Schoggi im Rucksack, so konnten wir nach Topostudium und Lagebesprechung, doch noch gesättigt, zeitig in die Federn, in Vorfreude auf das grosse Projekt... über welches hier demnächst berichtet wird!
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Schöne Sulzschwünge bei der Abfahrt über den Glacier du Géant |
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Landschaftlich schöner, aber zäher Gegenaufstieg zum Rifugio Torino. Hinten der Dent du Geant (4013m). |
Facts:
Mont Blanc du Tacul / Triangle du Tacul -
Goulotte Chèré - D, WI4, 85 Grad
Material: 2x50m Seil, 6-8 Eisschrauben
Sehr genussvolle Plaisir-Eiskletterei, welche in 4 Seillängen durch die Nordwand des Triangle du Tacul führt. Sie ist sehr beliebt, häufig begangen und beinahe das ganze Jahr hindurch machbar. Bei guten Bedingungen sind die Schwierigkeiten überschaubar und die Begehungszeit kurz, so dass ein Spontanbesuch zur aktiven Akklimatisierung am An- oder Abreisetag gut möglich ist. Für den, der mehr Zeit hat, bietet es sich sicher an, die Tour mit dem alpinistisch lohnenden Aufstieg zum Gipfel des Mont Blanc du Tacul zu verlängern. Eine Eis-Genusskletterei mit zwar ganz anderem Ambiente, aber ähnlichem Charakter, leider jedoch viel, viel kürzerem Begehungsfenster ist übrigens unser
Tapis Volant im Sellbach am Walensee.
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Topo vom Triangle du Tacul. Quelle: Thomas Charbonneau, camptocamp.org |
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